Urteil des OLG Koblenz vom 18.04.2005

OLG Koblenz: haftbefehl, zuständigkeitsübertragung, haftkontrolle, haftrichter, untersuchungshaft, ermittlungsverfahren, steuerhinterziehung, quelle, haftprüfung, datum

Strafprozessrecht
OLG
Koblenz
18.04.2005
1 Ws 245/05
1. Mit Übertragung der Zuständigkeit nach § 126 Abs. 1 S. 2 StPO ändert sich der Instanzenzug für Entscheidungen über
Haftbeschwerden auch dann, wenn die Zuständigkeitsübertragung erst nach Einlegung eines Rechtsmittels erfolgt.
2. Im Fall einer vor Übertragung eingelegten Beschwerde gegen den bestehenden Haftbefehl kann die Zuständigkeit des
übernehmenden Haftrichters beim Amtsgericht dadurch gewahrt werden, dass dieser zumindest prüft, ob er der
Beschwerde gemäß § 306 Abs. 2 StPO abhilft, wenn er von der grundsätzlich gebotenen eigenen Haftentscheidung
absehen und die Entscheidung des Richters, der die Zuständigkeit übertragen hat, fortgelten lassen will.
3. War dagegen das Beschwerdeverfahren vor Zuständigkeitsübertragung bereits abgeschlossen, kann im Fall einer
weiteren Beschwerde der Zuständigkeit des übernehmenden Haftrichters beim Amtsgericht nur dadurch Rechnung
getragen werden, dass er zunächst selbst über die Haftfortdauer befindet.
Geschäftsnummer:
1 Ws 245/05
2050 Js 67094/04 StA Koblenz
In dem Ermittlungsverfahren
gegen
G…… J….. G…….. K…,
geboren am ... März 1945 in N…,
wohnhaft:
zurzeit in dieser Sache in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt …,
- Verteidiger: Rechtsanwalt
wegen Steuerhinterziehung
hier: weitere Haftbeschwerde des Beschuldigten
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht von
Tzschoppe und die Richter am Oberlandesgericht Völpel und Summa
am 18. April 2005 beschlossen:
Eine Entscheidung des Senats über die weitere Beschwerde des Beschuldigten ergeht nicht.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Mannheim erließ gegen den Beschuldigten am 8. März 2005 in dem Ermittlungsverfahren der
Staatsanwaltschaft Mannheim 613 Js 8787/05 (ursprünglich 613 Js 12017/04) einen Haftbefehl wegen gewerbs- und
bandenmäßiger Steuerhinterziehung. Die Untersuchungshaft wird seitdem vollzogen.
Die gegen den Haftbefehl eingelegte Beschwerde des Beschuldigten verwarf das Landgericht Mannheim durch
Beschluss vom 5. April 2005 als unbegründet. Dagegen ist der Beschuldigte mit Verteidigerschriftsatz vom 6. April 2005
ins Rechtsmittel der weiteren Beschwerde gegangen, dem die Kammer mit Beschluss vom 7. April 2005 nicht abgeholfen
hat.
Ebenfalls am 7. April 2005 hat die Staatsanwaltschaft Koblenz die Sache von der Staatsanwaltschaft Mannheim zu
vorliegendem Verfahren übernommen und beim Haftrichter des Amtsgerichts Mannheim beantragt, die Haftkontrolle auf
die Haftrichterin des Amtsgerichts Koblenz zu übertragen. Dem folgte das Amtsgericht Mannheim mit Beschluss vom 8.
April 2005. Am gleichen Tag hat die Haftrichterin des Amtsgerichts Koblenz die Haftkontrolle übernommen, ohne aber
eine Entscheidung in der Sache zu treffen.
Die Staatsanwaltschaft hat die Akten nunmehr dem Oberlandesgericht Koblenz zur Entscheidung über die weitere
Beschwerde vorgelegt.
II.
Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst. Das Oberlandesgericht Koblenz ist im gegebenen Verfahrensstadium
nicht als weiteres Beschwerdegericht (§§ 310 Abs. 1 StPO) zuständig. Eine mit der weiteren Beschwerde angreifbare
Beschwerdeentscheidung eines der ihm im Instanzenzug untergeordneten Landgerichte liegt nicht vor. Zur Entscheidung
über den ergangenen Haftbeschluss des Landgerichts Mannheim ist das Oberlandesgericht Koblenz auch nicht durch
die Übertragung der Haftkontrolle durch den Haftrichter des Amtsgerichts Mannheim auf das Amtsgericht Koblenz
zuständig geworden.
Adressat dieser Übertragung – gemeint ist eine Übertragung der Zuständigkeit für weitere richterliche Entscheidungen
und Maßnahmen nach § 126 Abs. 1 Satz 1 und 3 StPO – ist allein die Haftrichterin des Amtsgerichts Koblenz, in dessen
Bezirk die Ermittlungen nunmehr geführt werden. Mit dem Übertragungsbeschluss ist sie kraft Gesetzes an die Stelle des
Richters getreten, der den Haftbefehl erlassen hat. Dessen Zuständigkeit ist erloschen (LR-Hilger § 126 Rdnr. 14). Die
Richters getreten, der den Haftbefehl erlassen hat. Dessen Zuständigkeit ist erloschen (LR-Hilger § 126 Rdnr. 14). Die
Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft obliegt seitdem nur noch der Haftrichterin des Amtsgerichts
Koblenz.
Mit der Zuständigkeitsübertragung ändert sich zwar auch der Instanzenzug. Über Haftbeschwerden hat jetzt das dem
neuen Haftrichter übergeordnete Beschwerdegericht zu befinden (BGHSt 14, 179, 185; OLG Hamburg NJW 1966, 606;
KK-Boujong § 126 Rdnr. 7; LR-Hilger § 114 Rdnr. 43; Meyer-Goßner § 126 Rdnr. 3). Dieser Zuständigkeitswechsel tritt in
vollem Umfang selbst dann ein, wenn die Zuständig-keitsübertragung erst nach Einlegung des Rechtsmittels erfolgt ist
(OLG Hamburg, LR-Hilger, KK-Boujong, Meyer-Goßner, jeweils a.a.0.). Das ändert jedoch nichts an der primären
Zuständigkeit und Verantwortung des neuen Haftrichters beim Amtsgericht. Im Fall einer vor Übertragung eingelegten
Beschwerde gegen den bestehenden Haftbefehl kann die Zuständigkeit dadurch gewahrt werden, dass der neue Richter
zumindest prüft, ob er der Beschwerde gemäß § 306 Abs. 2 StPO abhilft, wenn er von der grundsätzlich gebotenen
eigenen Haftentscheidung (vgl. LR-Hilger § 126 Rdnr. 15) absehen und die Entscheidung des Richters, der die
Zuständigkeit übertragen hat, fortgelten lassen will (vgl. LR-Hilger § 114 Rdnr. 43; OLG Hamburg a.a.0.). War aber, wie
vorliegend, das Beschwerdeverfahren vor Zuständigkeitsübertragung bereits abgeschlossen, kann im Fall einer weiteren
Beschwerde der Zuständigkeit des übernehmenden Haftrichters beim Amtsgericht nur dadurch Rechnung getragen
werden, dass er zunächst selbst über die Haftfortdauer befindet. Die Möglichkeit, durch eine Nichtabhilfeentscheidung
die Verantwortung für den angefochtenen Beschluss zu übernehmen, entfällt. Da dieser durch eine Beschwer-dekammer
des Landgerichts ergangen ist, wäre das Amtsgericht zu einer solchen Entscheidung nicht befugt (§ 306 Abs. 2 StPO).
Die weitere Beschwerde des Beschuldigten wird daher als Antrag auf Haftprüfung durch das jetzt zuständige Amtsgericht
Koblenz zu deuten sein. Erst im Rechtsmittelzug gegen die ergehende Haftprüfungsentscheidung kann sich
gegebenenfalls eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Koblenz ergeben.
von Tzschoppe Völpel Summa