Urteil des OLG Karlsruhe vom 01.02.2016

verkehrswert, auflage, grundstück, grundbuchamt

OLG Karlsruhe Beschluß vom 1.2.2016, 11 Wx 92/15
Leitsätze
1. Der Geschäftswert einer Grundbucheintragung nach Teilungsversteigerung richtet
sich jedenfalls dann nach dem Verkehrswert, wenn dieser höher ist als das
Meistgebot.
2. Dem Gesamthandseigentümer kommt bei einer alleinigen Eintragung im Grundbuch
nach Teilungsversteigerung die Geschäftswertprivilegierung nach § 70 GNotKG
zugute.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Kostenansatz des
Grundbuchamts M. 5 vom 21. Januar 2015 betreffend die Eigentumsänderung 5 GRG
46/2015 dahin abgeändert, dass dem Kostenansatz ein Wert von EUR 252.000
zugrunde zu legen ist.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
Gründe
I.
1 Der Beteiligte zu 1 wendet sich gegen die Höhe des Kostenansatzes des
Grundbuchamts für eine Eigentumsänderung infolge Teilungsversteigerung.
2 Der Beteiligte zu 1 und Frau Ruth B. waren aufgrund Erbfolge seit dem 8. August
2012 als jeweils hälftige Eigentümer des im Rubrum näher bezeichneten
Grundbesitzes eingetragen. Am 15. Januar 2015 teilte das Amtsgericht Pforzheim
als Vollstreckungsgericht dem Grundbuchamt mit, dass der Beteiligte zu 1
aufgrund Zuschlagsbeschlusses vom 25. November 2014 alleiniger Eigentümer
geworden sei. Den Verkehrswert gab es mit EUR 504.000 an. Für die Eintragung
der Eigentumsänderung setzte das Grundbuchamt gemäß §§ 46, 47, 69 GNotKG
Kosten in Höhe von EUR 1.015 - berechnet nach einem Wert von EUR 504.000 -
an. Dagegen richtet sich die Erinnerung des Beteiligten zu 1, der geltend macht, es
sei gemäß § 70 GNotKG lediglich die Hälfte des Verkehrswerts für die
Gebührenberechnung zugrunde zu legen, da er bereits vor der Versteigerung
Miteigentümer gewesen sei. Im Übrigen sei das Finanzamt von einer
Bemessungsgrundlage in Höhe des Meistgebots mit einem Betrag von EUR
498.000 ausgegangen.
3 Das Amtsgericht Maulbronn hat die Erinnerung zurückgewiesen. Dagegen richtet
sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1, der seine Auffassung weiterverfolgt,
dass sich die zu § 61 KostO ergangene Rechtsprechung aufgrund des geänderten
Wortlauts von § 70 Absatz 2 Satz 1 GNotKG und des aus der
Gesetzesbegründung ersichtlichen Zwecks der Neuregelung nicht
aufrechterhalten lasse.
II.
4 Die Beschwerde ist nach § 81 Absatz 2 GNotKG zulässig, insbesondere geht der
Wert des Beschwerdegegenstandes über EUR 200 hinaus. Sie hat auch in der
Sache überwiegend Erfolg. Zwar ist - entgegen der Auffassung der Beschwerde -
nicht (lediglich) das Meistgebot, sondern der Verkehrswert der
Geschäftswertbemessung zugrunde zu legen. Der Beschwerdeführer macht aber
zu Recht geltend, dass ihm als ehemaligem Gesamthandseigentümer die
Geschäftswertprivilegierung nach § 70 GNotKG zugute kommt.
5 1. Das Grundbuchamt und das Amtsgericht sind bei der Geschäftswertbemessung
zu Recht nicht von dem Meistgebot, sondern von dem Verkehrswert des
erworbenen Grundstücks ausgegangen. § 46 Absatz 1 GNotKG macht
ausdrücklich den Verkehrswert einer Sache zum Maßstab für die
Gebührenbemessung; ein Fall des Kaufs - § 47 GNotKG - liegt nicht vor
(Korintenberg/Hey'l, GNotKG, 19. Auflage, KV 14110, Rn. 24). Ob das Meistgebot
zugrunde zu legen ist, wenn es über dem Verkehrswert liegt (vgl. hierzu BayObLG
Rpfleger 1996, 207, juris-Rn. 9; KG Rpfleger 2009, 532, juris-Rn. 5), bedarf keiner
Entscheidung, da eine solche Situation hier nicht vorliegt (vgl. As. 96, 98 der
Grundakten).
6 2. Unter Geltung der Kostenordnung entsprach es der überwiegend vertretenen
Auffassung, dass die Geschäftswertermäßigung nach § 61 Absatz 1 KostO nicht
zu gewähren war, wenn der Erwerb des Alleineigentums durch einen der früheren
Gesamthandseigentümer auf einem hoheitlichen Zuschlag im Verfahren der
Zwangsversteigerung beruhte (OLG Jena Beschluss vom 3. Mai 2011 - 9 W
198/11, juris-Rn. 2; BayObLG Rpfleger 1996, 129, juris-Rn. 14; a. A. für den
ähnlichen Fall des § 60 Absatz 2 KostO LG Bielefeld Rpfleger 1986, 176). Ob dies
für das frühere Recht zutreffend war, bedarf keiner Entscheidung; jedenfalls nach §
70 GNotKG lässt sich dies nicht aufrecht erhalten (a. A. Korintenberg/Hey'l,
GNotKG, 19. Auflage, KV Nr. 14110, Rn. 25; Demharter, GBO, 29. Auflage, § 38,
Rn. 44)
7 a) Dafür spricht zunächst der Wortlaut des jetzt geltenden § 70 Absatz 2 Satz 1
GNotKG. Im bisherigen Recht (§ 61 Absatz 1 Satz 1 KostO) war die
Geschäftswertermäßigung für bestimmte Konstellationen vorgesehen, in denen ein
Grundstück von einer Gesamthandsgemeinschaft auf eines ihrer Mitglieder
„übergeht“. Das konnte dahin verstanden werden, dass solche Fälle
ausgeschlossen sind, in denen der Eigentumswechsel nicht auf eine
Entschließung der bisherigen Mitglieder der Eigentümergemeinschaft zurückging,
sondern auf eine hoheitliche Versteigerung. Diese oder eine vergleichbare
Formulierung enthält das Gerichts- und Notarkostengesetz nicht; es knüpft
lediglich daran an, dass zunächst eine Gesamthandsgemeinschaft eingetragen
war und „nunmehr ein Mitberechtigter der Gesamthandsgemeinschaft als
Eigentümer (...) eingetragen“ wird. Eine Beschränkung auf bestimmte Arten des
Erwerbs - insbesondere auf solche aufgrund einer Auflassung - lässt sich dem
nicht entnehmen (für eine Anwendung unabhängig von der Erwerbsart - ohne
ausdrückliches Eingehen auf die Frage der Zwangsversteigerung -
Bormann/Diehn/Sommerfeldt, GNotKG, § 70, Rn. 7).
8 b) Auch der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 517/12, S. 252 ff.) lässt sich eine
entsprechende Beschränkung nicht entnehmen. Soweit es dort heißt, § 70 Absatz
2 GNotKG solle eine „einheitliche Privilegierung für alle Fälle schaffen, in denen ein
Grundstück (...) auf einen (...) Gesamthänder übergeht“, spricht dies dafür, dass die
Anwendung der Regelung nicht von der Art des Eigentumsübergangs abhängen
sollte.
9 c) Die Begründung zu § 70 Absatz 2 GNotKG nennt als Zweck der Vorschrift, die
Auseinandersetzung von Erbengemeinschaften über den Zweijahreszeitraum der
Anmerkung zu Nummer 14110 KV GNotKG hinaus zu fördern. Zwar ist es
grundsätzlich wünschenswert - und insoweit auch einer gebührenrechtlichen
Privilegierung würdig -, dass Erbengemeinschaften einvernehmlich
auseinandergesetzt werden, wozu auch gehört, dass zum Nachlass gehörende
Grundstück freihändig verkauft oder vertraglich an einen Miterben übertragen
werden. Das Ziel, eine Erbengemeinschaft schon wegen der damit verbundenen
Zersplitterung der Eigentumsrechte nicht auf Dauer bestehen zu lassen, kann aber
auch bei einer Teilungsversteigerung erreicht werden; es kann im Einzelfall auch
der Verabredung der Erben entsprechen, zur Erzielung eines gerechten Preises
zum Nachlass gehörende Grundstücke im Rahmen des hoheitlichen
Versteigerungsverfahrens zu bewerten.
10 d) Nicht zu verkennen ist allerdings, dass das vorstehende Verständnis des § 70
Absatz 2 GNotKG den in der Versteigerung erfolgreichen bisherigen Miteigentümer
besser stellt als denjenigen, der als Vollstreckungsschuldner selbst sein
Grundstück erwirbt; in diesem Falle sind die Gebühren aus dem vollen Wert zu
entrichten, da der Ersteigerer auch dann (erneut) einzutragen ist, wenn er mit dem
Vollstreckungsschuldner identisch ist (Demharter, GBO, 29. Auflage, § 38, Rn. 39).
Dieses Ergebnis ist indes aufgrund der vom Gesetzgeber bewusst veranlassten
Privilegierung hinzunehmen.
III.
11 Die Entscheidung über Kosten und Auslagen beruht auf § 81 Absatz 8 GNotKG.
Die Zulassung der weiteren Beschwerde kommt im Hinblick auf § 81 Absatz 4 Satz
1 GNotKG nicht in Betracht.