Urteil des OLG Karlsruhe vom 18.06.2014

OLG Karlsruhe: winter, mangel, wohnung, kaufvertrag, sorgfalt, wind, sanierung, dachgeschoss, aufenthalt, begriff

OLG Karlsruhe Urteil vom 18.6.2014, 9 U 184/10
Unzureichende Beheizbarkeit eines alten Fachwerkhauses - Eingeschränkter
Gewährleistungsausschluss im notariellen Grundstückskaufvertrag
Leitsätze
1. Verpflichtet sich der Verkäufer im notariellen Grundstückskaufvertrag - trotz eines
gleichzeitigen Gewährleistungsausschlusses -, "diejenigen erheblichen versteckten Mängel zu
offenbaren, die ihm bekannt sind oder bekannt sein müssten", dann haftet er für einen Mangel
des Hauses bereits dann, wenn er den Mangel vor dem Verkauf infolge Fahrlässigkeit nicht
bemerkt hat; ein arglistiges Verhalten ist nicht Voraussetzung für die Haftung des Verkäufers.
2. Bei einem gebrauchten Wohnhaus gehört zur "üblichen Beschaffenheit" im Sinne von § 434
Abs. 1 Ziff. 2 BGB insbesondere eine ausreichende Beheizbarkeit. Das bedeutet, dass in zum
Aufenthalt dienenden Räumen auch bei starker Kälte im Winter jedenfalls mindestens 20 Grad
Celsius erzielt werden können, und dass dabei gleichzeitig - bei geschlossenen Fenstern - keine
erheblichen Zugerscheinungen auftreten. Wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren, gelten
für ein altes Fachwerkhaus keine anderen Anforderungen.
Tenor
I.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 23.11.2010 - 5 O
263/09 T - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.931,94 EUR zu zahlen nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.10.2007.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann eine Vollstreckung des Klägers
abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren
Betrages, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils
zu vollstreckenden Betrages leistet.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
1 Mit notariellem Kaufvertrag vom 28.07.2004 erwarb der Kläger von dem Beklagten das
Anwesen S. Gasse 2 in U.. Das Grundstück ist mit einem (wahrscheinlich mehrere hundert
Jahre alten) Fachwerkhaus bebaut, welches im Laufe der Zeit mehrfach renoviert, saniert
und umgebaut wurde. Das Haus ist in drei Wohnungen aufgeteilt, wobei die
Dachgeschosswohnung über zwei Etagen reicht. Der Kaufpreis betrug 320.000,00 EUR.
Die Übergabe des Anwesens an den Kläger erfolgte am 03.11.2004.
2 Hinsichtlich der Gewährleistung hatten die Parteien in § 5 Abs. 2 des Kaufvertrages
vereinbart:
3
„Im Übrigen sind abweichend von den gesetzlichen Vorschriften - soweit diese es
zulassen - Ansprüche des Erwerbers wegen eventueller Sach- und Rechtsmängel bei
diesem gebrauchten Vertragsgegenstand ausgeschlossen. Die Beschaffenheit des
Vertragsobjekts ist bei der Bemessung des Kaufpreises berücksichtigt. Die Parteien sind
allerdings einig, dass der Übereigner verpflichtet ist, diejenigen erheblichen versteckten
Mängel zu offenbaren, die ihm bekannt sind oder bekannt sein müssten. Erheblich ist ein
Mangel, der bei der Bestimmung des Kaufpreises nicht unberücksichtigt geblieben wäre.
Versteckt ist ein Mangel, der für einen Laien auch bei eingehender Besichtigung nicht
erkennbar ist.“
4 Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 01.08.2006 (Anlagenheft LG, AS. 67
ff.) wies der Kläger darauf hin, das erworbene Haus weise verschiedene Mängel auf, und
dem Beklagten werde daher eine Frist gesetzt, seine Verpflichtung zur Mangelbeseitigung
dem Grunde nach anzuerkennen. Der Beklagte habe die Mängel bei Abschluss des
Vertrages arglistig verschwiegen. Der Beklagte bestritt mit Schreiben vom 27.08.2006
(Anlagenheft LG, AS. 47/49) die Voraussetzungen einer Haftung. Er habe dem Kläger
keine Informationen vorenthalten, und auch nicht versucht, den Kläger arglistig zu
täuschen.
5 Mit seiner Klage vom 17.10.2007 hat der Kläger Schadensersatzansprüche in Höhe von
insgesamt 66.662,79 EUR geltend gemacht, und im Übrigen die Feststellung begehrt,
dass der Beklagte verpflichtet sei, weitere, noch nicht feststehende, Schäden zu ersetzen.
Das erworbene Haus weise verschiedene schwerwiegende Mängel auf, welche der
Beklagte bei Vertragsabschluss hätte offenbaren müssen. Für eine zukünftige
Mangelbeseitigung müsse der Kläger mindestens die von ihm geltend gemachten Beträge
aufwenden. Die Gebäudehülle sei undicht, so dass im Winter eine normale Beheizung der
Dachgeschosswohnung nicht möglich sei. Die Grenzwand zum Nachbargebäude S.
Gasse 4 weise in einem Teilbereich eine unzureichende Stärke von lediglich 12 cm auf.
Es gebe einen massiven Holzwurmbefall. Der Entlüftungsventilator im Bad des ersten
Obergeschosses sei verbotswidrig angeschlossen. Ein undichtes Dachfenster habe der
Kläger reparieren müssen. Wegen der unzureichenden Abdichtung des Dachgeschosses
seien dem Kläger Mietausfälle entstanden. Der Beklagte hat die Mängel bestritten und im
Übrigen darauf hingewiesen, dass er von wesentlichen Mängeln jedenfalls keine Kenntnis
gehabt habe.
6 Das Landgericht hat zur Undichtigkeit des Daches ein Gutachten des Sachverständigen
Sch. mit mehreren Ergänzungsgutachten eingeholt, und im Übrigen verschiedene Zeugen
zu den vorhandenen Mängeln und zum Kenntnisstand des Beklagten vernommen. Mit
Urteil vom 23.11.2010 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Der Beklagte sei nach
dem Kaufvertrag nur verpflichtet, für solche erheblichen Mängel zu haften, die er arglistig
verschwiegen habe. Zwar habe sich nach der Beweisaufnahme ergeben, dass ein
erheblicher Mangel vorhanden sei, weil die Dachgeschosswohnung wegen der
Undichtigkeit des Daches im Winter nicht ausreichend beheizt werden könne. Es lasse
sich jedoch nicht feststellen, dass dem Beklagten dieser Mangel bekannt gewesen sei.
Auch wegen der anderen Mängel komme eine Haftung nicht in Betracht, da eine Kenntnis
des Beklagten nicht nachweisbar sei und/oder die Mängel unerheblich seien.
7 Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Er hat zunächst an
seinen erstinstanzlichen Anträgen festgehalten. Die Beweiswürdigung des Landgerichts
sei fehlerhaft. Aus der erstinstanzlichen Beweisaufnahme habe sich entgegen der
Auffassung des Landgerichts ergeben, dass der Beklagte die Undichtigkeit des Daches
gekannt haben müsse, da er die nicht ausreichend beheizbare Wohnung mehrere Jahre
lang selbst bewohnt habe. Auch wegen der anderen Mängel sei der Beklagte zum
Schadensersatz verpflichtet. Entgegen der Auffassung des Landgerichts seien sämtliche
geltend gemachten Mängel erheblich im Sinne der Regelungen im Kaufvertrag.
8 Mit Schriftsatz vom 30.01.2013 hat der Kläger seine Anträge teilweise geändert.
Hinsichtlich der Undichtigkeit der Dachhülle habe er inzwischen die erforderlichen
Instandsetzungsarbeiten ausgeführt, so dass er wegen dieses Mangels seinen Schaden
nunmehr abschließend auf der Grundlage der aufgewendeten Kosten beziffern könne. Zu
seinem Schaden gehöre auch entgangene Miete, da die Mieter bis zur Sanierung des
Daches im Herbst des Jahres 2011 die Miete gemindert hätten. Wegen der Einzelheiten
der Schadensabrechnung wird auf die Ausführungen im Schriftsatz vom 30.01.2013 und
im Schriftsatz vom 31.05.2013 verwiesen.
9 Der Kläger beantragt nunmehr,
10 1. unter Abänderung des am 23.11.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Konstanz
- 5 O 263/09 - den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 45.213,45 EUR nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu
bezahlen und
11 2. unter Abänderung des am 23.11.2010 verkündeten Urteils des Landgerichts Konstanz
- 5 O 263/09 - festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jeden weiteren
Schaden zu ersetzen, der ihm wegen folgender Mängel des Gebäudes S. Gasse 2, U.
entstanden ist und noch entsteht:
12 - nicht ausreichend dimensionierte Grenzwand zum Gebäude S. Gasse 4, U.,
- Holzwurmbefall,
- verbotswidriger Anschluss des Entlüftungsventilators im Bad im ersten Obergeschoss.
13 Soweit sich aus den neuen Anträgen des Klägers eine Teilerledigung ergibt, stimmt der
Beklagte der Teilerledigung zu. Im Übrigen beantragt der Beklagte,
Beklagte der Teilerledigung zu. Im Übrigen beantragt der Beklagte,
14 die Berufung zurückzuweisen.
15 Der Beklagte tritt der Beweiswürdigung des Landgerichts insoweit entgegen, als das
Landgericht einen erheblichen Mangel der Dachgeschosswohnung festgestellt habe.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei eine unzureichende Beheizbarkeit nicht
nachgewiesen. Vielmehr habe die Beweisaufnahme ergeben, dass mehrere Zeugen, die
sich früher in der Wohnung aufgehalten hätten, auch im Winter keine Probleme bemerkt
hätten. Zutreffend sei jedoch, dass der Beklagte jedenfalls zu keinem Zeitpunkt die vom
Kläger gerügten Mängel bemerkt habe. Hilfsweise wendet sich der Beklagte gegen die
Höhe der vom Kläger geltend gemachten Schadensposten. Für die Beseitigung der
angeblichen Undichtigkeiten des Daches seien maximal Aufwendungen von 6.000,00
EUR erforderlich gewesen.
16 Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
17 Der Senat hat zur Höhe der vom Kläger aufgewendeten Kosten für die Sanierung des
Daches ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Sch. eingeholt. Der
Sachverständige hat sein Gutachten im Senatstermin vom 28.05.2014 erläutert. Außerdem
hat der Senat zu den vom Kläger geltend gemachten Mietausfällen verschiedene Zeugen
vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche
Gutachten des Sachverständigen Sch. und auf das Protokoll vom 28.05.2014 verwiesen.
II.
18 Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Ihm steht wegen der
Luftundichtigkeit des Daches in dem erworbenen Haus ein Schadensersatzanspruch in
Höhe von insgesamt 21.931,94 EUR zu.
19 1. Die Klageänderung im Berufungsverfahren ist zulässig gemäß §§ 533, 529 Abs. 1, 531,
264 Ziff. 3 ZPO. Ursächlich für die Klageänderung ist eine nachträgliche Veränderung
während des Berufungsverfahrens, nämlich, die vom Kläger durchgeführte Sanierung des
Hausdaches. Dadurch wurde nachträglich eine vollständige Bezifferung des Schadens -
soweit es um den Mangel des Hausdaches geht - möglich. Im Hinblick auf § 264 Ziff. 3
ZPO bestehen daher auch keine Bedenken dagegen, dass der Kläger bestimmte
Nebenkostenpositionen, die erstinstanzlich von einem Feststellungsantrag mit umfasst
waren, nunmehr beziffert geltend macht. Da - wegen der noch nicht abgeschlossenen
Schadensentwicklung - erstinstanzlich wegen eines Teils des Schadens ein
Feststellungsantrag zulässig war, ist der Kläger im Hinblick auf die nunmehr mögliche
Gesamtabrechnung seines Schadens nicht gehindert, auch diejenigen
Nebenkostenpositionen im Berufungsverfahren geltend zu machen, die - wie
beispielsweise die Rechnung V. vom 01.02.2009, Anlage BK 5 - erstinstanzlich vom
Feststellungsantrag mit umfasst waren.
20 2. Zur Beseitigung der Undichtigkeiten des Daches und zur Herstellung einer
ausreichenden Beheizbarkeit hat der Beklagte Schadensersatz an den Kläger zu zahlen.
21 a) Der Schadensersatzanspruch beruht auf §§ 437 Ziff. 3, 281 Abs. 1 BGB. Das Dach war
nicht luftdicht. Der Beklagte hat innerhalb der vorgerichtlich gesetzten Frist die Mängel
nicht beseitigt, sondern vielmehr eine Verantwortlichkeit generell bestritten. Nach den
Feststellungen des Landgerichts, denen der Senat folgt, war das Dachgeschoss des
Hauses bis zur Sanierung im Herbst 2011 im Winter nicht ordnungsgemäß beheizbar. Es
wurden bei Kälte – jedenfalls bei Wind – Temperaturen von nicht mehr als 15 bis 16 Grad
Celsius erzielt. Es war zudem nicht möglich, ein behagliches Raumklima zu erzeugen, da
erhebliche Zugerscheinungen auftraten, die bei Wind besonders unangenehm werden.
Ursache für diesen Mangel war der Umstand, dass im Dach erhebliche
Luftundichtigkeiten bestanden.
22 b) Die unzureichende Beheizbarkeit des Dachgeschosses ist ein Fehler im Sinne von §
434 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2 BGB. Das Dachgeschoss wies nicht die Beschaffenheit auf, die
der Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages erwarten konnte.
23 Im Dachgeschoss befindet sich eine Wohnung. Wer in Deutschland ein Wohngebäude
erwirbt, erwartet grundsätzlich, dass im Winter eine Beheizung dergestalt möglich ist,
dass sich ein normales Raumklima herstellen lässt. Nach Auffassung des Senats
bedeutet dies, dass im Winter auch bei starkem Frost und bei Wind mindestens 20 Grad
Celsius in der Wohnung hergestellt werden können, und zwar ohne nennenswerte
Zugerscheinungen. Die Möglichkeit der Beheizung im Winter ist für jeden Käufer wichtig,
da nur bei einer ausreichenden Beheizung eine normale und übliche Nutzung der
Wohnung möglich ist. Bei Temperaturen von nicht mehr als 15 bis 16 Grad Celsius im
Winter bei Kälte sind diese Voraussetzungen nicht gegeben. Hinzu kamen starke
Zugerscheinungen vor allem bei Wind, die von Bewohnern normalerweise als besonders
unangenehm empfunden werden. Maßgeblich sind gemäß § 434 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 2
BGB die üblichen Erwartungen eines Käufers, der ein Wohnhaus kauft; auf die
Einhaltung bestimmter DIN-Normen kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Da
die maximal erzielbare Temperatur in der Wohnung bei niedrigen Außentemperaturen
deutlich unter 20 Grad Celsius lag, kann dahinstehen, ob und unter welchen
Voraussetzungen der Kläger die Erzielbarkeit noch höherer Temperaturen
(beispielsweise 22 Grad Celsius) auch bei Kälte hätte erwarten können.
24 Es kommt hinzu, dass die Mängel des Daches sich nach dem erstinstanzlich eingeholten
Sachverständigengutachten vor allem im wichtigsten Raum der Wohnung auswirkten,
nämlich in der Wohnküche. Die Wohnküche ist für die Nutzung und für den Aufenthalt der
Bewohner auch im Winter besonders bedeutsam. Zu Recht weist der Kläger darauf hin,
dass Bewohner gerade bei der Einnahme von Mahlzeiten und beim Aufenthalt im
wichtigsten Wohnraum ein behagliches Raumklima erwarten. Diese Behaglichkeit war im
Winter bei 15 bis 16 Grad Celsius und erheblichen Zugerscheinungen nicht vorhanden.
25 Es gibt keine Umstände, auf Grund derer geringere Anforderungen an die Wohnqualität
der Dachgeschosswohnung zu stellen wären. Insbesondere ergibt sich aus dem
Kaufvertrag kein Hinweis auf die Probleme der Wohnung. Die allgemeine Formulierung
im Vertrag, wonach „die Beschaffenheit des Vertragsobjekts“ bei der Bemessung des
Kaufpreises berücksichtigt sei, lässt Einschränkungen der Wohnqualität nicht erkennen.
Auch bei einem alten Fachwerkhaus werden in Deutschland heute übliche Möglichkeiten
der Beheizbarkeit erwartet. Zu berücksichtigen sind gemäß § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB
außerdem die öffentlichen, werbenden Angaben, mit denen der Beklagte das Anwesen
durch ein Maklerunternehmen zum Verkauf angeboten hatte. So heißt es beispielsweise
in der Beschreibung im Internet (Immobilien Scout 24), es handle sich um ein
wunderschönes Altstadthaus, welches „Ende der achtziger Jahre komplett saniert“
worden sei. Das Haus befinde sich „in sehr gutem Zustand, sowohl was die Haustechnik
als auch die Innenausstattung anbelangt“ (vgl. den Ausdruck aus dem Internet,
Anlagenheft LG, AS. 95). Unter diesen Umständen durfte der Kläger, jedenfalls was die
Beheizbarkeit betrifft, einen normalen Wohnkomfort erwarten.
26 c) Die Feststellungen des Landgerichts zu einem haftungsbegründenden Fehler sind
nicht zu beanstanden.
27 aa) Die Feststellungen des Landgerichts beruhen in erster Linie auf dem
erstinstanzlichen Gutachten des Sachverständigen Sch.. Der Sachverständige hat
entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur Vermutungen angestellt, sondern zur
Beheizbarkeit sichere Feststellungen getroffen, was er insbesondere bei seiner
ergänzenden Vernehmung im Termin vom 08.02.2010 erläutert hat (I, 485 ff. vgl.
insbesondere Seite 3 des Protokolls, I, 489). Der Sachverständige hat die Luftdichtigkeit
des Daches mit der Erzeugung von Überdruck in der Wohnung (sogenannte Blower-
Door-Messung) geprüft. Dabei hat sich eine 20-fache Luftwechselzahl bei 50 Pa
Überdruck ergeben (vgl. das Gutachten vom 06.05.2009, Seite 68). Durch die Erzeugung
von Nebel konnte der Sachverständige nachweisen, dass die Undichtigkeiten im Bereich
des Daches bestanden, wo der Nebel austrat. Auf Grund der hohen Luftwechselzahl
konnte der Sachverständige ausschließen, dass eine übliche Beheizung der Wohnung
bei Temperaturen unter null Grad im Winter möglich war. Angesichts der
ungewöhnlichen Undichtigkeit des Daches steht nach dem Gutachten des
Sachverständigen fest, dass mit den vorhandenen Heizkörpern bei Kälte keine
ausreichende Heizleistung zu erzielen war.
28 bb) Das Landgericht hat im Übrigen zu Recht darauf hingewiesen, dass die
Feststellungen des Sachverständigen bestätigt wurden durch die Zeugen ... (I, 625). ...
(wird ausgeführt)
29 cc) Die Einwendungen des Beklagten gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts
haben keinen Erfolg.
... (wird ausgeführt)
30 dd) Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der Beklagte den Kläger zu
keinem Zeitpunkt auf den Mangel der Beheizbarkeit des Dachgeschosses hingewiesen
hat. Der Beklagte hat damit seine Verpflichtung aus dem Kaufvertrag verletzt, den
Mangel zu offenbaren. Wegen dieser Pflichtverletzung greift der vertragliche
Gewährleistungsausschluss nicht ein.
31
aaa) Auf die Frage, ob der Beklagte den Mangel gekannt hat, und ob er arglistig
gehandelt hat, kommt es aus Rechtsgründen entgegen der Auffassung des Landgerichts
nicht an. Denn gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 des Kaufvertrages war der Beklagte verpflichtet,
nicht nur solche erheblichen und versteckten Mängel zu offenbaren, die ihm bekannt
waren, sondern auch Mängel, die ihm bekannt sein müssten. Diese Klausel des
notariellen Kaufvertrages weicht von den üblichen Vertragsgestaltungen beim Verkauf
einer gebrauchten Immobilie ab. Sie statuiert eine Haftung, die über die Formulierung in
§ 444 BGB (Haftung bei arglistigem Verschweigen) hinausgeht. „Bekannt sein müssten“
ist eine Formulierung, die den Begriff der Fahrlässigkeit umschreibt. Das heißt: Der
Beklagte sollte auch dann haften, wenn ihm wesentliche Mängel in Folge eigener
Fahrlässigkeit eventuell unbekannt waren.
32
Für den Begriff der Fahrlässigkeit muss nach Sinn und Zweck der Regelung die
Perspektive des Käufers entscheidend sein. Durch die Fahrlässigkeitsregelung sollte
sichergestellt werden, dass der Beklagte sich nicht auf Unkenntnis von Mängeln berufen
konnte, wenn aus der Sicht des Käufers mit einer Kenntnis und dementsprechend einer
Offenbarung durch den Verkäufer zu rechnen war. Der Beklagte muss für solche Mängel
einstehen, die er bei üblicher Sorgfalt während der Zeit seiner Eigentümerstellung hätte
erkennen können. Insbesondere muss der Beklagte für Fehler haften, die er während der
Zeit, in der er die Dachgeschosswohnung selbst bewohnte, bei üblicher Sorgfalt dort
hätte erkennen können.
33
bbb) Die Voraussetzungen einer jedenfalls fahrlässigen Unkenntnis des Beklagten
liegen nach den Feststellungen des Landgerichts vor. Es kommt nicht darauf an, ob dem
Beklagten selbst bewusst war, dass die Dachgeschosswohnung im Winter nicht
ausreichend beheizbar war. Es reicht aus, dass der Beklagte dies bei genügender
Sorgfalt hätte erkennen können, und dass ihm bei genügender Sorgfalt hätte klar sein
müssen, dass die Dachgeschosswohnung für einen Käufer nicht den üblichen
Anforderungen an die Bewohnbarkeit entsprach. Der Beklagte hat von August 2001 bis
November 2004 selbst in der Dachgeschosswohnung gewohnt. Er hat also drei Winter
miterlebt. Dass er während der Winterzeit häufiger oder regelmäßig abwesend gewesen
wäre, ist nicht dargetan.
34
Unter diesen Umständen kann nach Auffassung des Senats kein Zweifel bestehen, dass
der Beklagte bei genügender Sorgfalt hätte feststellen müssen, dass bei Kälte im Winter
vielfach nicht mehr als 15 bis 16 Grad Celsius in der Wohnküche erzielt werden konnten.
Zudem hätte der Beklagte die erheblichen Zugerscheinungen, vor allem bei starkem
Wind, feststellen müssen. Wenn der Beklagte so wenig kälteempfindlich ist, dass er sich
im Winter auch bei niedrigen Temperaturen in der Wohnküche wohlgefühlt hat, ändert
dies nichts. Es mag zwar sein, dass der Beklagte aus persönlichen Gründen an die
Beheizbarkeit der Wohnung sehr geringe Anforderungen gestellt hat; dies kann ihn im
Hinblick auf den Begriff der Fahrlässigkeit im Kaufvertrag jedoch nicht entlasten.
35 d) Der Mangel ist „erheblich“ im Sinne der Regelungen des Kaufvertrages. Entscheidend
ist nach der vertraglichen Vereinbarung, dass der Mangel bei der Bestimmung des
Kaufpreises voraussichtlich nicht unberücksichtigt geblieben wäre. Zwar wird der
Erwerber eines alten Fachwerkhauses, auch wenn dies sich in gutem Zustand befindet,
in der Regel einkalkulieren, dass er in gewissem Umfang Arbeiten an dem erworbenen
Haus vornehmen muss. Die voraussichtlichen Unkosten für solche Arbeiten beeinflussen
jedoch in der Regel die Kaufpreisvorstellungen der Beteiligten.
36 Der Sachverständige Sch. hat erstinstanzlich bei einer abstrakten Betrachtungsweise
(vor der Sanierung des Daches) die Kosten zur Mangelbeseitigung auf 33.000,00 EUR
geschätzt. Die nachvollziehbare abstrakte Schätzung erscheint dem Senat als ein
zureichender Maßstab bei der Beantwortung der Frage, ob eine Berücksichtigung des
Mangels voraussichtlich Auswirkungen auf die Kaufpreisvorstellungen der Parteien
gehabt hätte. Bei geschätzten Kosten von mehr als 10 % des Kaufpreises (320.000,00
EUR) ist dies nach Auffassung des Senats zu bejahen, zumal weitere Schadensposten,
wie insbesondere Mietausfall, dabei noch nicht berücksichtigt sind. Da die Höhe von
Mangelbeseitigungskosten, jedenfalls bei einer aufwendigen Dachsanierung, generell für
den Käufer mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden ist, kommt es nicht darauf an, aus
welchen Gründen die später vom Kläger tatsächlich aufgewendeten Kosten hinter der
ursprünglichen Schätzung des Sachverständigen Sch. zurückgeblieben sind
(beispielsweise wegen einer anderen Sanierungsvariante und wegen nicht
berücksichtigter Eigenleistungen).
37 e) Der Mangel war für den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages, auch bei
eingehender Besichtigung, nicht erkennbar. Bei den dem Vertragsabschluss
vorausgegangenen Besichtigungen herrschten unstreitig keine kalten
Wintertemperaturen, so dass die mangelhafte Beheizbarkeit dem Kläger nicht unmittelbar
auffallen konnte. Auch aus der Bauweise des Hauses konnte der Kläger keine
entsprechenden Rückschlüsse ziehen. Hierbei kommt es nicht auf teilweise vorhandene
Fugen und Risse an. Denn diese waren für das Problem der Kälte im Winter nach dem
Gutachten des Sachverständigen nicht entscheidend. Maßgeblich war vielmehr allein die
Undichtigkeit des Daches. Bei einer Besichtigung war nicht ersichtlich, dass hinter den
Holzbrettern der Decken im Dachgeschoss die erforderliche Folie fehlte. Hierauf hat der
Sachverständige Sch. bei der mündlichen Erläuterung seines Gutachtens im Termin vom
08.02.2010 (I, 487) hingewiesen.
38 3. Dem Kläger steht ein Anspruch in Höhe von 21.931,94 EUR zu. Der vom Beklagten zu
ersetzende Schaden ergibt sich aus folgender Abrechnung:
39
Rechnung K. Holzbau
12.544,97 EUR
Kleinmaterial
91,53 EUR
Rechnung H. vom 24.08.2005
504,60 EUR
Rechnung V. vom 01.02.2009
321,24 EUR
Mietausfall:
7.890,00 EUR
Reisekosten des Klägers:
579,60 EUR
Summe:
21.931,94 EUR
40 ... (wird ausgeführt)
41 4. Dem Kläger steht hingegen kein Schadensersatzanspruch zu, soweit er geltend macht,
die Trennwand zum Nachbarhaus weise teilweise nur eine Stärke von 12 cm auf, so dass
Anforderungen des Brandschutzes, der Stabilität und des Schallschutzes nicht
gewährleistet seien. Es kann dahinstehen, ob insoweit ein Fehler vorliegt, für dessen
Beseitigung der Kläger 12.000,00 EUR aufwenden müsste. Denn die Gewährleistung für
einen eventuellen Mangel ist gemäß § 5 Abs. 2 des Kaufvertrages ausgeschlossen.
42 Die Voraussetzungen einer Offenbarungspflicht des Beklagten sind nicht gegeben. Denn
es lässt sich weder eine Kenntnis des Beklagten noch eine fahrlässige Unkenntnis von
dem etwaigen Mangel feststellen. ... (wird ausgeführt)
43 5. Dem Kläger steht auch kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.640,00 EUR
wegen eines Befalls der Balken mit Holzwürmern zu. Auch insoweit greift zu Gunsten des
Beklagten der Gewährleistungsausschluss im Kaufvertrag ein. Eine Haftung käme nur
dann in Betracht, wenn der Beklagte nicht auf das Vorhandensein von Holzwürmern
hingewiesen hätte. Dies hat er jedoch nach seinen Angaben getan. Für das Fehlen eines
Hinweises wäre der Kläger beweispflichtig. Ein Beweisangebot liegt jedoch nicht vor.
Dass der Beklagte bei der Besichtigung nur auf einen geringfügigen Befall nach seinen
Angaben hingewiesen hat (vgl. das Protokoll des Termins vor dem Landgericht vom
18.03.2008, I, 89), ändert nichts. Denn der Kläger hat nicht unter Beweis gestellt, dass zu
diesem Zeitpunkt – für den Beklagten erkennbar – bereits ein deutlich höherer Befall
vorhanden gewesen wäre. Auf die Frage, ob sich im Juli 2005 - also nach Abschluss des
Kaufvertrags - ein deutlich stärkerer Holzwurmbefall gezeigt hat, kommt es nicht an.
44 6. Dem Kläger steht weder wegen des fehlerhaft angeschlossenen Entlüftungsventilators
noch wegen des reparierten Dachfensters ein weiterer Schadensersatzanspruch zu. Denn
die geltend gemachten Beträge (1.000,00 EUR für den Entlüftungsventilator und 2.072,79
EUR für das Dachfenster) sind nicht erheblich im Sinne der Regelung in § 5 Abs. 2 des
Kaufvertrages. Bei Reparaturen, die weniger als ein Prozent des Kaufpreises (320.000,00
EUR) ausmachen, hat der Senat keinen Zweifel daran, dass diese voraussichtlich bei der
Ermittlung des Kaufpreises keine Rolle gespielt hätten. Denn mit solchen
Instandsetzungsbeträgen rechnet jeder Käufer einer gebrauchten Immobilie. Für Mängel
des Entlüftungsventilators und des Fensters greift daher der kaufvertragliche
Gewährleistungsausschluss ein. Auf die Frage, ob die Mängel bei Abschluss des
Vertrages bzw. bei Übergabe tatsächlich vorhanden waren, kommt es mithin nicht an.
45 7. Der Feststellungsantrag des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Da wegen der
vom Kläger im Feststellungsantrag geltend gemachten Mängel (Grenzwand,
Holzwurmbefall und Entlüftungsventilator) dem Grunde nach keine Ansprüche bestehen
(siehe oben), muss auch der Feststellungsantrag erfolglos bleiben.
46 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO. Soweit sich das
Verfahren in der Berufungsinstanz teilweise erledigt hat, war dies bei den Kosten zu
Gunsten des Klägers zu berücksichtigen. Denn auf der Basis des erstinstanzlichen
Gutachtens des Sachverständigen Sch. war ursprünglich eine höhere Klageforderung
begründet. Erst die nachträgliche Veränderung - Dachsanierung mit niedrigeren Kosten -
hat nach der Umstellung der Klage auf eine konkrete Abrechnung zu einer Verringerung
der Forderung geführt.
47 9. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711
ZPO.
48 10. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht
vor. Die für die Entscheidung des Senats maßgeblichen Rechtsfragen sind in der
obergerichtlichen Rechtsprechung geklärt.