Urteil des OLG Karlsruhe vom 27.05.2014

OLG Karlsruhe: grundstück, treu und glauben, terrasse, unterlassen, beschattung, installation, schattenwurf, überzeugung, anteil, nachbarrecht

OLG Karlsruhe Urteil vom 27.5.2014, 12 U 168/13
Zu nachbarrechtlichen Ansprüchen hinsichtlich einer aus 21 Fichten mit einer Höhe von etwa 16
Metern bestehenden Baumreihe entlang der Grundstücksgrenze in einem Wohngebiet.
Tenor
Die Berufungen der Kläger und der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg
vom 21.11.2013 – 4 O 315/11 – werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig
vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Zum Sachverhalt:
2 Die Parteien sind Grundstücksnachbarn und streiten über das Recht der Beklagten zur
Beseitigung eines vom klägerischen Grundstück ausgehenden Überhangs und
Überwuchses.
3 Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks T-Str. 6 in S. Die Beklagte ist Eigentümerin
des unmittelbar angrenzenden Grundstücks A. 25, S. , das sie mit ihrem Ehemann
bewohnt.
4 Auf dem Grundstück der Kläger befindet sich grenznah zum Grundstück der Beklagten
eine Baumreihe von 21 Fichten.
5 In dem beim Landgericht Heidelberg unter 1 O 92/06 durch die hiesige Beklagte gegen
den Kläger Ziffer 2 als damaligen Alleineigentümer des Grundstücks T.-Straße 6, S.
geführten Rechtsstreit hat die Beklagte u. a. die Entfernung der streitgegenständlichen
Baumreihe, hilfsweise deren Kürzung auf 1,80 m begehrt. Durch Urteil vom 20.07.2006 - 1
O 92/06 - hat das Landgericht Heidelberg die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete
Berufung der hiesigen Beklagten wurde (…) zurückgewiesen.
6 Die Kläger verlangen nunmehr von der Beklagten, es zu unterlassen, den auf das
Grundstück der Beklagten hinüberreichenden Überhang der klägerischen Fichtenreihe
und die auf das Grundstück der Beklagten wachsenden Wurzeln der Bäume zu entfernen.
7 Die streitgegenständlichen Fichten wurden 1979 gepflanzt und haben eine
durchschnittliche Höhe von ca. 16 Metern. Sie sind bis zu einer Höhe von mindestens 4
Metern von Ästen befreit, sodass die Fichtenreihe keinen Sichtschutz zum
Nachbargrundstück bietet. Von der Fichtenreihe auf dem Grundstück der Kläger geht ein
Überhang von Zweigen sowie ein Überwuchs von Wurzeln auf die Südseite des
Grundstücks der Beklagten aus. Auch auf letztgenanntem Grundstück befinden sich auf
der Südseite 4 Fichten in Grenznähe sowie 2 Tannen und ein Laubbaum. Wegen der
Einzelheiten wird insoweit auf die vorgelegten Lichtbilder und die durch den
Sachverständigen Dipl.-Phys. R. gefertigte Skizze verwiesen.
8 Die Kläger haben vorgetragen, es stehe zu befürchten, dass die Beklagte eigenmächtig in
den Überhang eingreife, um die Bäume zu schädigen. Dies sei unzulässig, da von den
überhängenden Ästen der an der Grundstücksgrenze stehenden Fichten keine
wesentlichen Beeinträchtigungen für die Nutzbarkeit des Grundstücks der Beklagten
ausgingen. Die Beklagte behaupte vielmehr wechselnde Nutzungsabsichten, wie z.B. die
Anlage eines Biotops oder die Installation einer Solaranlage, um so zu erreichen, dass sie
in den Überhang der Baumreihe eingreifen und dadurch – in Umgehung des Urteils des
OLG Karlsruhe vom 13.06.2007 - 6 U 110/06 - letztlich eine Entfernung der Fichtenreihe
bewirken könne. Durch das Entfernen überhängender Äste und überwachsender Wurzeln
büßten die Fichten ihre Standfestigkeit ein, wodurch die Verkehrssicherheit der Baumreihe
verloren ginge und eine Fällung notwendig würde. Die Entfernung der Wurzeln könne
jedenfalls nicht verlangt werden, wenn hierdurch die Bäume absterben, da bei der
Ausübung des Selbsthilferechts nach § 910 BGB Maß zu halten sei. Selbst wenn eine
Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten vorläge, sei diese maßgeblich auf die
Gegebenheiten auf ihrem eigenen Grundstück und die dort stehenden Nadelgewächse
zurückzuführen. Jedenfalls sei nicht feststellbar, welche Baumwurzeln für die nachteiligen
Umstände auf dem Grundstück der Beklagten verantwortlich seien. In solch unklaren
Fällen müsse eine Entfernung der Wurzeln nicht geduldet werden. Durch die Entfernung
des Überhangs ergebe sich ohnehin keine qualitative Änderung der Situation auf dem
Grundstück der Beklagten hinsichtlich der Lichtzufuhr. Dies verhindere zum einen die
Vegetation auf diesem selbst, zum anderen ergäben sich die Lichtverhältnisse zwar
maßgeblich aus der Fichtenreihe auf dem Grundstück der Kläger, nicht aber aus dem von
dieser ausgehenden Überhang. Wegen der Aufastung der Fichten auf 4 Meter Höhe
könne auch durch die Zweige keinerlei Beeinträchtigung mehr stattfinden.
9 Die Kläger haben in erster Instanz zuletzt beantragt:
10 Die Beklagte hat es zu unterlassen, den Überhang und/oder die Wurzeln der Baumreihe,
bestehend aus 21 Fichten, die auf dem klägerischen Grundstück, T-Str. 6, S. , an der
Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beklagten, A. 25, S. , stehen, zu entfernen.
11 Die Beklagte hat beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Sie hat vorgetragen, die überhängenden Äste führten zu erheblichen Beeinträchtigungen
für ihr Grundstück. So liege das Grundstück der Beklagten den ganzen Tag - allein -
wegen der überhängenden Äste im Schatten, sodass dort nichts mehr angepflanzt werden
könne. Es wachse daher entlang der Grundstücksgrenze nur noch Efeu. Der Boden des
Grundstücks der Beklagten sei entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze wegen der
Verschattung vermoost und feucht, sodass dort eine Bepflanzung nicht möglich sei.
Jungpflanzen würden von den überhängenden Ästen regelrecht erdrückt, da diesen das
Tageslicht genommen werde. Zudem werde das Haus der Beklagten in Mitleidenschaft
gezogen. Auf der Südseite sei das Haus wegen der überhängenden Äste nass. Eine
Abtrocknung finde nicht mehr statt, da das Haus den ganzen Tag im Schatten liege.
Einzelne Äste erreichten schon das Dach des Hauses der Beklagten, weshalb die
Dachrinnen mehrfach im Jahr gereinigt werden müssten. Die Installation einer
Photovoltaikanlage sei deshalb auf dem Dach nicht möglich. Von den überhängenden
Ästen gehe ein starker Nadelbefall aus, der sowohl das Dach des Hauses der Beklagten
als auch das Grundstück selbst sowie die Terrasse und die nach Süden ausgerichteten
Räume betreffe.
14 Die herüberwachsenden Wurzeln der Fichtenreihe der Kläger verursachten erhebliche
Nachteile für die Nutzung des Grundstücks der Beklagten. Die gesamte Südseite des
Grundstücks sei von dem Wurzelwerk der Bäume der Kläger bis wenige Zentimeter unter
der Oberfläche durchzogen. Ein Durchfräsen des Grundstücks und eine Bepflanzung
seien daher nicht mehr möglich. Zudem zögen die Wurzeln die Nährstoffe vom Grundstück
der Beklagten ab. Durch Entfernung der überhängenden Zweige und übergewachsenen
Wurzeln sei keine Beeinträchtigung der Fichten in ihrer Standsicherheit zu erwarten. Dies
sei jedoch ohnehin unerheblich, da auf Grund der Beeinträchtigungen des Grundstücks
der Beklagten das Absterben der Bäume von den Klägern hinzunehmen sei.
15 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Kläger hätten vorgerichtlich in dem zwischen
den Parteien gewechselten Schriftverkehr mehrfach das Recht der Beklagten zur
Entfernung des Überhangs zugestanden. Der Anspruch auf Kürzung des Überhangs
bestehe damit schon aufgrund Anerkenntnisses der Kläger. Ein Beseitigungsanspruch
hinsichtlich des Überhangs stehe der Beklagten auch aus dem nachbarlichen
Gemeinschaftsverhältnis in Verbindung mit Treu und Glauben zu.
(…)
16 Mit Urteil vom 21.11.2013 (…) hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, es zu
unterlassen, überhängende Aste der aus 21 Fichten bestehenden Baumreihe zu
entfernen, soweit diese nicht über einen im angefochtenen Urteil näher bezeichneten
Bereich hinausgehen, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
17 Den Klägern stehe ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 910 BGB und §
24 Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg (NRG) - nur - im zuerkannten Umfang zu.
Zwar sei von einem Anerkenntnis der Kläger nicht auszugehen. Der Beklagten stehe
jedoch ein Selbsthilferecht zur Entfernung der an die Dachrinne des Hauses der
Beklagten heranreichenden Zweige und Äste gemäß § 910 BGB, bezüglich der
Entfernung der von den Fichten überwachsenden Wurzeln ein solches aus § 24 Abs. 2
NRG zu.
18 Die Kläger hätten bewiesen, dass von dem nicht unmittelbar an die Dachrinne
heranreichenden Überhang keine Beeinträchtigung ausgehe. So werde die
Beeinträchtigung des Grundstücks der Beklagten durch die Beschattung und deren
negative Auswirkungen - Vermoosung, Nichtwachsen von Jungpflanzen, durch
mangelnde Trocknung feuchte Südwand des Hauses, Unmöglichkeit der Installation einer
Photovoltaikanlage - nicht wesentlich durch herüberragende Zweige, sondern nahezu
ausschließlich durch die Existenz der streitgegenständlichen Baumreihe selbst und durch
die auf dem Grundstück der Beklagten selbst befindlichen Bäume verursacht. Nachteile
durch die Existenz der Baumreihe als solcher seien aber für die Frage der
Beeinträchtigung gerade durch den Überhang nicht zu berücksichtigen. Auch der Anteil
gerade der überragenden Zweige am gesamten Nadelfall - nach der Einschätzung des
Sachverständigen etwa 20 % - stelle sich nicht als wesentliche Beeinträchtigung dar.
Allerdings werde die Verunreinigung der Dachrinne nach dem Ergebnis des Gutachtens
durch einige wenige unmittelbar bis an die Dachrinne heranreichende Zweige maßgeblich
verursacht, weshalb insoweit von einer nicht unerheblichen Beeinträchtigung durch diese
Zweige und von einem Selbsthilferecht gem. § 910 BGB auszugehen sei.
19 Die Beklagte habe eine wesentliche Beeinträchtigung i. S. v. § 24 Abs. 2 NRG durch die
überwachsenden Wurzeln der Fichten bewiesen. Wegen der Durchwurzelung des
Grundstücks der Beklagten könne dort nach den Ausführungen des Sachverständigen
keine Anpflanzung höherer Art gelingen; vielmehr gediehen dort nur einfache
Bodendecker, Pilze oder seltene teure Spezialpflanzen. Eine normale Nutzung als Garten
sei nicht möglich, worin - in einem reinen Wohngebiet mit Einfamilienhäusern - eine
erhebliche Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung liege. Zwar werde durch die
Entfernung der überwachsenden Wurzeln die Standsicherheit der Fichten so erheblich
beeinträchtigt, dass eine Fällung der Bäume erforderlich werde. Dies stehe - auch unter
Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben und des Verbots des
Rechtsmissbrauchs - dem Selbsthilferecht der Beklagten vorliegend nicht entgegen. Bei
der vorzunehmenden Abwägung der widerstreitenden Interessen überwiege das Interesse
der Beklagten an der Entfernung der Wurzeln.
20 Ein - weitergehender - Anspruch der Beklagten auf Entfernung überhängender Zweige
und überwachsender Wurzeln aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis i. V. m. §
242 BGB bestehe nicht.
21 Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.
22 Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Begehren weiter, soweit das
Landgericht ihnen einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Entfernung der Wurzeln
der streitgegenständlichen Baumreihe nicht zuerkannt hat. Das Landgericht sei zu Unrecht
von einem Selbsthilferecht der Beklagten zur Entfernung der in ihr Grundstück
eingedrungenen Wurzeln aus § 24 Abs. 2 NRG ausgegangen. Das Gericht führe nicht aus,
was eine - nach Ansicht des Erstgerichts nicht mögliche - „normale Nutzung“ des Gartens
sein solle. Das Gericht gehe unter Verwendung unbestimmter Begriffe wie der „spürbaren
Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstücks der Beklagten“ von einer erheblichen
Beeinträchtigung aus und übersehe hierbei, dass kein „erheblicher Teil des Gartens“,
sondern nur ein schmaler Streifen entlang der Grenze - und dies nicht auf die gesamte
Grundstückslänge - betroffen sei. Das Landgericht habe offen gelassen, was eine
„Bepflanzung mit den sonst dort verbreiteten Pflanzen“ sein solle und - unter Verstoß
gegen § 139 ZPO - nicht darauf hingewiesen, dass es auf eine solche aus Sicht des
Gerichts ankomme. Das Urteil sei widersprüchlich, soweit zum einen ausgeführt werde,
dass in einer gehobenen Wohnlage die Möglichkeit einer landwirtschaftlichen
Fruchtziehung keine Rolle spiele, und zum anderen, dass u. a. nur seltene teure
Spezialpflanzen gedeihen könnten. Insoweit werde verkannt, dass in einer gehobenen
Wohnlage gerade seltene und teure Spezialpflanzen zu erwarten seien. Das Landgericht
begründe überdies nicht, wie es zur Annahme einer „gehobenen Wohnlage“ gelange. Das
Erstgericht hätte eine Differenzierung hinsichtlich der Nutzbarkeit als Nutz- und als
Ziergarten vornehmen müssen; zumindest letztere sei nicht betroffen. Hierbei hätten die
Kläger Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten, den das
Landgericht fehlerhaft nicht erhoben habe. Zur Frage der ortsüblichen Nutzung des
Gartens verhalte sich das angefochtene Urteil nicht dazu, was diese „ortsübliche Nutzung“
sei. Hierzu hätte das Landgericht Betrachtungen anstellen und hierbei die
Umgebungsvegetation und die vorhandene Bodenqualität mit einbeziehen müssen.
Tatsächlich werde das Grundstück der Beklagten ortsüblich genutzt. Bereits aufgrund der
Bodenqualität - Sandboden - könnten anspruchsvolle Pflanzen dort nicht gedeihen. Das
Landgericht habe die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des OLG Saarbrücken (Urteil v.
11.01.2007 - 8 U 77/06) nicht berücksichtigt, wonach nicht einmal das Entfernen von
Wurzeln bereits gefällter Bäume verlangt werden könne, wenn diese im Verbund mit
anderen Bäumen stehen, da sich die Wurzeln nicht voneinander unterscheiden ließen.
Hiernach schiede vorliegend eine Entfernung der Wurzeln bereits deshalb aus, weil dann
auch die - weitere - Fichte und die Kiefer auf dem Grundstück der Kläger ihre Wurzeln
einbüßten, da diese sich nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht eindeutig
zuordnen ließen.
23 Die Kläger beantragen:
24 Das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 13.11.2013 - AZ: 4 O 315/11 - wird teilweise
abgeändert und die Beklagte wird verpflichtet, es zu unterlassen, die Wurzeln der
Baumreihe, bestehend aus 21 Fichten, die auf dem klägerischen Grundstück, Thomas-
Edison-Straße 6, S. , an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beklagten, A. 25, S.
stehe, zu entfernen.
25 Die Beklagte beantragt,
26 die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
(…)
27 Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte gegen das landgerichtliche Urteil, soweit dem
Klagebegehren entsprochen wurde. Das Landgericht sei unzutreffend davon
ausgegangen, dass die Kläger den Nachweis einer nur unwesentlichen Beeinträchtigung
durch den Überhang - soweit dieser nicht unmittelbar an die Dachrinne heranreiche -
geführt habe. Auch insoweit stehe der Beklagten ein Selbsthilferecht gem. § 910 BGB zu.
Die Beklagte sei nicht nur wegen der Höhe der Bäume, sondern auch wegen des
Überhanges ungewöhnlich schweren und nicht mehr hinzunehmenden
Beeinträchtigungen ausgesetzt. Der Beklagten stehe sogar das Recht zu, einen
Rückschnitt der unmittelbar an der Grenze gepflanzten Fichten auf eine beiden Interessen
gerecht werdende Höhe zu verlangen. Das Landgericht habe das
Sachverständigengutachten, das zu dem Ergebnis gelange, dass eine Entfernung der
überhängenden Äste den Nadelbefall und seine Konsequenzen minderten, fehlerhaft
gewürdigt. Der Nadelfall der auf dem Grundstück der Beklagten stehenden Nadelbäume
sei - verglichen mit demjenigen durch die streitgegenständlichen Fichten der Kläger - als
unerheblich anzusehen. Die Nadelbäume der Beklagten stünden überdies nicht im
Bereich der Terrasse und der Dachrinne, so dass die Nadeln in diesem Bereich
ausschließlich von den Fichten der Kläger stammten. Das Landgericht gehe unzutreffend
davon aus, dass die Beklagte nicht vorgetragen habe, inwieweit sie durch die jährlichen
Reinigungsarbeiten finanziell oder tatsächlich belastet werde. Die Dachrinnen müssten
mindestens 4-5 mal jährlich gereinigt werden. Aufgrund des extremen Nadelfalls habe die
Beklagte im Jahr 2004 die traufseitig in Richtung zum Anwesen der Kläger befindlichen
Dachrinnen mit einem Kostenaufwand von etwa 1.300,00 EUR dahingehend technisch
verändern lassen, dass anstelle der zunächst innen liegenden Rinne eine außen liegende
Dachrinne angebracht worden sei. Der Beklagten sei es auch aufgrund des Überhanges
nicht möglich, ihr Grundstück zu nutzen. Der Sachverständige mache zwar hinsichtlich der
Wurzeln Ausführungen zur fehlenden Nutzbarkeit als Garten entlang der
Grundstücksgrenze. Eine solche sei der Beklagten aber auch aufgrund des Überhanges
nicht möglich.
28 Trotz mehrfachen Antrages der Beklagten habe das Landgericht keinen Augenschein
eingenommen. Die Beklagte sei sich sicher, dass das Erstgericht anders entschieden
hätte, wenn es sich ein Bild von den Zuständen vor Ort gemacht hätte. Aufgrund des
Ausmaßes der Fichten sei nicht nur die Nutzung des Grundstücks, sondern die
Lebensqualität der Beklagten stark eingeschränkt. Das Gartengrundstück entlang der
Grenze, die Terrasse und die nach Süden gerichteten Zimmer des Hauses lägen ganztags
im Schatten.
29 Die Beklagte beantragt:
30 Das Urteil des Landgerichtes Heidelberg vom 13.11.2013, Az.: 4 O 315/11, wird insoweit
abgeändert, als die Beklagte verurteilt wurde, es zu unterlassen, die überhängenden Äste
der Baumreihe, bestehend aus 21 Fichten, die auf dem klägerischen Grundstück, T-Str. 6,
S. , stehen, zu entfernen, soweit dies nicht über den in der anliegenden Luftaufnahme rot
umrandeten Bereich herausragen.
31 Die Kläger beantragen,
32 die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
33 Sie verteidigen das landgerichtliche Urteil, soweit dem Klagebegehren entsprochen
wurde. Insbesondere sei eine Inaugenscheinnahme des Grundstücks entbehrlich
gewesen, nachdem der Sachverständige vor Ort sein Gutachten verfasst habe und
umfangreiches Bildmaterial vorgelegt worden sei.
34 (…)
35
Aus den Gründen:
36 Die Berufungen der Kläger und der Beklagten sind zulässig, bleiben in der Sache jedoch
ohne Erfolg. (…)
37
A. Berufung der Kläger:
38 Zu Recht hat das Landgericht die Klage insoweit abgewiesen, als die Kläger die
Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung der Entfernung der auf das Grundstück der
Beklagten übergewachsenen Wurzeln begehren.
39 Den Klägern steht ein entsprechender Unterlassungsanspruch nicht zu. Ein solcher ergibt
sich insbesondere nicht aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Kläger sind gemäß § 1004 Abs.
2 BGB zur Duldung der Entfernung dieser Wurzeln durch die Beklagte verpflichtet, denn
ihr steht ein entsprechendes Selbsthilferecht gemäß § 24 Abs. 2 NRG zu.
40
1.
schränkt das Selbsthilferecht hinsichtlich bestimmter - in § 24 NRG näher bezeichneter - in
das Nachbargrundstück eingedrungener Baumwurzeln ein (vgl. Bruns,
Nachbarrechtsgesetz Baden-Württemberg, 2. Aufl. 2012, § 24 NRG, Rn. 1, 13; Pelka, Das
Nachbarrecht in Baden-Württemberg, 21. Aufl. 2010, Anm. zu § 24 NRG; MüKo-BGB -
Säcker, 6. Aufl. 2013, § 910 BGB, Rn. 15). Gemäß § 24 Abs. 2 NRG setzt das
Selbsthilferecht zur Beseitigung von eingedrungenen Baumwurzeln bei einem Grundstück
in Innerortslage, wie es vorliegend unstreitig vorliegt, voraus, dass durch die Wurzeln die
Nutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigt wird.
41 Eine wesentliche Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt hierbei dann vor, wenn die
Wurzeln den Gebrauch des Grundstücks mehr als nur merklich behindern. Dies ist gemäß
§ 24 Abs. 2 NRG vor allem in den in § 24 Abs. 1 NRG genannten Fällen zu bejahen, also
wenn die Beseitigung der Wurzeln zur Herstellung und Unterhaltung eines Weges, eines
Grabens, einer baulichen Anlage, eines Dräns oder einer sonstigen Leitung erfolgen
muss. Insoweit handelt es sich nicht um eine abschließende Aufzählung. Vielmehr ist
auch in sonstigen Fällen die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung der Nutzung
möglich, wobei diese wertungsmäßig den vorgenannten Beispielen gleichkommen muss
(vgl. Bruns, a.a.O., § 24 NRG, Rn. 15).
42
2.
übergewachsenen Wurzeln der streitgegenständlichen Fichten wesentlich beeinträchtigt i.
S. v. § 24 Abs. 2 NRG. Die Beklagte hat insoweit den ihr obliegenden Beweis zur
Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) geführt.
43
a.
zutreffend hinweist - nicht bereits aufgrund des Anhebens von Platten auf dem Grundstück
der Beklagten ausgegangen werden, da nach dem Ergebnis der Begutachtung durch den
Sachverständigen R. nicht feststeht, dass diese Anhebung gerade auf den
streitgegenständlichen Wurzeln beruht.
44
b.
Grundstücksnutzung im Hinblick auf eine Beeinträchtigung der - nach bestrittenem
Vorbringen der Beklagten beabsichtigten - Möglichkeit zur Installation einer sog.
Eissolaranlage im Zuge der Erneuerung der Heizungsanlage ergibt oder ob es insoweit
nicht vielmehr an hinreichend konkretem Vorbringen der Beklagten hinsichtlich einer
solchen beabsichtigten Nutzungsänderung fehlt.
45
c.
dass der Beklagten eine Nutzung ihres Grundstücks in dem von der Durchwurzelung
betroffenen Bereich als Garten nicht möglich ist, und zwar weder als Zier- noch als
Nutzgarten. Der Sachverständige R. hat detailliert und nachvollziehbar dargelegt, dass ein
Nutzgarten in dem von der Durchwurzelung betroffenen Grundstücksbereich nicht
angelegt werden könne. Er hat überdies plausibel geschildert, dass dort eine Anpflanzung
höherer Art nicht gelingen könne, vielmehr nur einfache Bodendecker, Pilze oder teure
und pflegeintensive Pflanzen gedeihen könnten. Hieraus ergibt sich aber - entgegen der
Ansicht der Kläger - zugleich, dass auch ein Ziergarten in diesem Grundstücksbereich
nicht angelegt werden kann. Vor diesem Hintergrund war die Einholung eines weiteren
Gutachtens zur Frage der Nutzbarkeit als Ziergarten nicht veranlasst. Dass das durch das
Landgericht eingeholte Gutachten des Sachverständigen R. insoweit fehlerhaft oder
unzureichend wäre, machen auch die Kläger nicht geltend.
46 Der Senat verkennt nicht, dass der Begriff der Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung
nicht losgelöst von der in den letzten Jahrzehnten gewandelten Sozialanschauung über
den Wert gewachsenen größeren Baumbestandes gesehen werden kann. Bei der Frage,
ob eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, ist ein objektiver Maßstab anzulegen, der
insbesondere durch normative Gesichtspunkte beeinflusst wird. Subjektive
Empfindlichkeiten des betroffenen Eigentümers haben außer Ansatz zu bleiben (vgl. OLG
Köln, Urteil v. 22.05.1996 - 11 U 6/96 - juris, Tz. 9). Es muss daher vorliegend
berücksichtigt werden, dass ein Anspruch auf Beseitigung der streitgegenständlichen
Bäume - wie bereits im vorangegangenen Rechtsstreit 1 O 92/06 des Landgerichts
Heidelberg bzw. 6 U 110/06 des Oberlandesgerichts Karlsruhe rechtskräftig entschieden -
nicht besteht, wobei die Rechtskraft insoweit gemäß § 325 ZPO auch im Verhältnis zur
Klägerin Ziffer 1 als Rechtsnachfolgerin des Klägers Ziffer 2 hinsichtlich eines
Miteigentumsanteils am klägerischen Grundstück wirkt (vgl. insoweit zur
Rechtskrafterstreckung bei Rechtsnachfolge nach rechtskräftig abgeschlossenem
Rechtsstreit: Zöller - Vollkommer, 30. Aufl. 2014, § 325 ZPO, Rn. 13 m. w. N.).
47 Bei der Anlage eines Ziergartens ist vor diesem Hintergrund zwar grundsätzlich auf die
vorgegebene, nicht mehr abänderbare Situation Rücksicht zu nehmen. Dies ist die
notwendige Konsequenz, wenn es der Eigentümer versäumt hat, gegen zu nah an die
Grundstücksgrenze gepflanzte Bäume rechtzeitig nach den nachbarrechtlichen
Bestimmungen vorzugehen (vgl. OLG Köln, Urteil v. 22.05.1996 - 11 U 6/96, juris, Tz. 9, 12
zu § 910 BGB). Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte ist vorliegend von
einer wesentlichen Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung durch die überwachsenden
Wurzeln auszugehen.
48 Das Ausmaß der Beeinträchtigung beschränkt sich vorliegend nicht etwa - wie in dem vom
Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 22.05.1996 (11 U 6/96, juris) entschiedenen Fall -
auf eine Wachstumsbeeinträchtigung von Bäumen in einem Ziergarten durch den
Überhang vom Nachbargrundstück. Vielmehr wird vorliegend bereits die Möglichkeit zur
Anlage eines solchen Ziergartens im betroffenen Grundstücksbereich umfassend
beeinträchtigt.
49 Die Beklagte muss sich hierbei - entgegen der Ansicht der Kläger - auch nicht auf die
Möglichkeit verweisen lassen, in dem durchwurzelten Grundstücksbereich gerade solche -
teure und pflegeintensive - Pflanzen zu verwenden, die trotz der durch die Wurzeln
geprägten Bodenverhältnisse dort wachsen können. Dabei kann dahinstehen, ob es sich -
wovon das Landgericht ausgeht - um eine gehobene Wohnlage handelt. Die Anlage eines
Ziergarten ist dem Eigentümer - als Ausfluss seines Eigentumsrechts und der hieraus
abzuleitenden Verfügungs- und Gestaltungsbefugnis (Art. 14 GG, § 903 BGB) - auch in
Wohngebieten eröffnet, die nicht einer solchen Wohnlage zuzurechnen sind. Das
Bestehen einer gehobenen Wohnlage unterstellt, ist es dennoch nicht gerechtfertigt, die
Beklagte auf entsprechend teure und pflegeintensive Pflanzen zu verweisen. Dabei war
das Landgericht auch nicht gehalten, Betrachtungen zur Frage der ortsüblichen
Grundstücksnutzung anzustellen und insoweit Feststellungen zu treffen. Die Frage der
Ortsüblichkeit der beeinträchtigten Grundstücksnutzung ist im Rahmen von § 910 BGB
ebenso wenig von Bedeutung wie die der Ortsüblichkeit der die Beeinträchtigung
hervorrufenden Nutzung des Grundstücks der Kläger (vgl. MüKo-BGB - Säcker, 6. Aufl.
2013, § 910 BGB, Rn. 7; Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl.
2013, Rn. 380). Soweit die Kläger darauf hinweisen, bereits aufgrund der Bodenqualität -
Sandboden - könnten anspruchsvolle Pflanzen in dem von der Durchwurzelung
betroffenen Grundstücksbereich nicht gedeihen, verhilft auch dies ihrer Berufung nicht zum
Erfolg. Die Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, ist nicht zu übersehen, dass infolge
der streitgegenständlichen Wurzeln die Beklagte bereits nicht die Möglichkeit hat, im
betroffenen Bereich des Grundstücks einen geeigneten Untergrund zu schaffen. So hat der
Sachverständige dargelegt, dass die Möglichkeit einer Nutzbarmachung durch Auffüllen
des Grundstücksbereichs auf die Wurzeln nicht besteht. Dies würde vielmehr zum
Absinken des Sauerstoffgehalts im Bereich der Wurzeln führen, was wiederum - auf
längere Sicht - das Durchfaulen der Wurzeln und die Beeinträchtigung der Standsicherheit
der Bäume zur Folge hätte. Vor diesem Hintergrund steht der Beklagten auch eine die
Kläger weniger beeinträchtigende Möglichkeit zur Nutzung des betroffenen Bereich zur
Anlage eines Zier- oder Nutzgartens nicht zur Verfügung.
50 Soweit die Kläger vortragen, die Wurzeln der Fichtenreihe könnten nicht eindeutig von den
Wurzeln der ebenfalls auf dem Grundstück der Kläger befindlichen, aber nicht
streitgegenständlichen weiteren Bäume (einer weiteren Fichte und einer Kiefer)
abgegrenzt werden, so dass die Gefahr bestehe, dass bei der Entfernung
übergewachsener Wurzeln durch die Beklagte auch letztgenannte Bäume ihre Wurzeln
einbüßten, sind die Kläger mit diesem erstmals in der Berufungsinstanz erfolgten
Vorbringen gem. §§ 529, 531 ZPO ausgeschlossen. Es ist weder dargetan noch sonst
ersichtlich, dass die Kläger zu einem solchen Vorbringen ohne Verschulden in erster
Instanz nicht in der Lage gewesen wären. In erster Instanz hatten die Kläger im Hinblick
auf die Frage einer Unterscheidung zwischen den Wurzeln verschiedener Bäume lediglich
vorgetragen, dass die Wurzeln der streitgegenständlichen Fichten nicht von denjenigen
der auf dem Grundstück der Beklagten selbst stehenden Bäume zu unterscheiden seien.
An einer Entfernung der zu ihren eigenen Bäumen gehörenden Wurzeln ist die Beklagte
aber von vornherein nicht gehindert. Auch den Ausführungen des Sachverständigen ist im
Übrigen die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der nicht streitgegenständlichen Bäume
der Kläger (weitere Fichte und Kiefer) entgegen dem Vorbringen der Kläger nicht zu
entnehmen. Auch seine Ausführungen zur Frage der Zuordnung der Wurzeln zu einzelnen
Bäumen beziehen sich auf die Frage der Differenzierung zwischen Wurzeln der
streitgegenständlichen Fichtenreihe und der auf dem Grundstück der Beklagten selbst
befindlichen Bäume, und zwar konkret bezogen auf die Frage der Anhebung von Platten
auf dem Grundstück der Beklagten.
51
d.
Beeinträchtigung i. S. v. § 24 Abs. 2 NRG vorliegend nicht entgegen, dass „nur“ der
Grundstücksbereich entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze - und auch dieser nicht
über die gesamte Grundstückslänge - von den Wurzeln und der hierdurch bedingten
Einschränkung der Nutzbarkeit betroffen ist. Dem Gutachten ist zwar nicht ausdrücklich zu
entnehmen, auf welcher Breite sich die streitgegenständlichen Wurzeln in das Grundstück
der Beklagten hinein ausdehnen. Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung durch das
Landgericht jedoch dargelegt, dass die streitgegenständlichen Fichten - unter
Berücksichtigung der Hauptwindrichtung West bzw. Südwest - bereits zum Erreichen der
Standfestigkeit über eine Ausdehnung von mehreren Metern Wurzeln in Richtung des
Grundstücks der Beklagten ausgebildet haben, wobei es sich insoweit vor allem um
Flachwurzeln handele. Die Kläger selbst haben dargelegt, dass bei einer Entfernung der
Wurzeln entlang der Grundstücksgrenze etwa die Hälfte der Haupt- und Nebenwurzeln
verloren gehe. Auch dem unteren Lichtbild auf Seite 10 des schriftlichen
Sachverständigengutachten ist zu entnehmen, dass es sich bei dem fraglichen und von
Bodendeckern bewachsenen Grundstücksbereich keinesfalls - wie von den Klägern
vorgetragen - um einen „schmalen Streifen entlang der Grenze“ handelt, sondern dass der
Bereich sich zumindest über 2 Meter in das Grundstück der Beklagten hinein erstreckt.
52
e.
Sachverständigen auszugehen ist - zu einer Beeinträchtigung der Standsicherheit der
streitgegenständlichen Fichten führen wird, die deren Fällung notwendig machen wird,
steht dies dem Selbsthilferecht der Beklagten gemäß § 910 BGB unter Berücksichtigung
der konkreten Umstände des vorliegenden Falles nicht entgegen.
53 Der Senat tritt insoweit den zutreffenden und von der Berufung auch nicht angegriffenen
Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung bei. Bei der gebotenen Abwägung der
widerstreitenden Interessen überwiegt vorliegend - auch unter besonderer
Berücksichtigung des Rücksichtnahmegebotes (§ 242 BGB) - das Interesse der Beklagten
an der Entfernung der Wurzeln.
54
B. Berufung der Beklagten:
55 Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass den Klägern gegen die Beklagte ein
Anspruch auf Unterlassung der Entfernung der überhängender Äste im zuerkannten
Umfang, nämlich soweit diese nicht über den in der dem landgerichtlichen Urteil
beigefügten Luftbildaufnahme rot umrandeten Bereich hinausragen, aus § 1004 Abs. 1 S.
2 BGB zusteht.
56 Der Senat nimmt Bezug auf die zutreffenden und ausführlich begründeten Darlegungen in
der landgerichtlichen Entscheidung. Diesen ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen
lediglich Folgendes hinzuzufügen:
57
1.
heranreichen, besteht kein Selbsthilferecht der Beklagten auf deren Entfernung gem. §
910 Abs. 1 S. 2 BGB, da es insoweit an einer Beeinträchtigung der Nutzung des
Grundstücks der Beklagten i. S. v. § 910 Abs. 2 BGB fehlt.
58
a.
keine wesentliche Beeinträchtigung. Nur unerhebliche Beeinträchtigungen sind jedoch -
insbesondere im Hinblick auf das zwischen Grundstücksnachbarn bestehende
nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis und das insoweit zu berücksichtigende
Rücksichtnahmegebot (§ 242 BGB) - auch im Rahmen von § 910 Abs. 2 BGB ohne
Bedeutung (vgl. OLG Köln, NJW-RR 1997, 656; OLG Köln, Urteil v. 12.07.2011 - 4 U
18/10, juris, Tz. 17; Palandt - Bassenge, a.a.O., § 910 BGB, Rn. 3). Dabei setzt das Recht
des Grundstückseigentümers aus § 910 BGB, die Beseitigung der vom
Nachbargrundstück herüberhängenden Äste und Zweige selbst vorzunehmen, voraus,
dass die - nicht nur unerhebliche - Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung gerade von
den überhängenden Zweigen ausgeht. Beeinträchtigungen, die nicht spezifisch von dem
Überhang, sondern von den streitgegenständlichen Bäumen als solchen ausgehen, haben
bei der rechtlichen Bewertung i. R. v. § 910 BGB außer Betracht zu bleiben (vgl.OLG
Oldenburg, Urteil v. 25.07.1989 - 4 U 89/89, VersR 1991, 556 = NJW-RR 1991, 1367, OLG
Köln, Urteil v. 22.05.1996 - 11 U 6/96, juris, Tz. 10; Palandt - Bassenge, a.a.O., § 910 BGB,
Rn. 3).
59
b.
solche Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung ausgeht, trägt der Eigentümer der
Bäume (vgl. BGH, Urteil v. 14.11.2003 - V ZR 102/03, juris, Tz. 21; OLG Köln, Urteil v.
22.05.1996 11 U 6/96, juris, Tz. 12; MüKo-BGB - Säcker, 6. Aufl. 2013, § 910 BGB, Rn. 7;
Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl. 2013, Rn. 374). Den
hiernach den Klägern obliegenden Beweis, dass von den auf das Grundstück der
Beklagten überhängenden Ästen insoweit keine erhebliche Beeinträchtigung der
Grundstücksnutzung i. S. v. § 910 Abs. 2 BGB ausgeht, als diese nicht unmittelbar bis an
die Dachrinne heranreichen, haben sie zur Überzeugung des Senats (§ 286 ZPO) geführt.
60
(1)
geltend macht, ergibt sich aus den nachvollziehbaren und widerspruchsfreien
Ausführungen des Sachverständigen R. , dass diese nahezu ausschließlich durch die
Existenz der streitgegenständlichen Fichtenreihe als solche sowie durch die auf dem
Grundstück der Beklagten selbst vorhandenen Bäume verursacht wird. Die
überhängenden Äste und Zweige hingegen haben hieran nur einen ganz geringen und bei
der rechtlichen Beurteilung zu vernachlässigenden Anteil. So hat der Sachverständige
dargelegt, dass die Beschattung insbesondere durch die Bäume an sich, insbesondere
aufgrund ihrer Position südlich des Grundstücks der Beklagten, ihrer Kronendichte und
Höhe sowie des Abstands zwischen den Bäumen, der zu einem Dichtschluss im
Kronenbereich geführt hat, hervorgerufen wird. Der Schattenwurf durch den Überhang
selbst spielt hingegen - unter Berücksichtigung der Ausrichtung der Grundstücke bezogen
auf die Himmelsrichtungen und den Sonnenstand im Tages- und Jahresverlauf - nur am
späteren Nachmittag und nur bei höher stehender Sonne überhaupt eine Rolle. Eine
Entfernung der über die Grenze reichenden Äste würde - so der Sachverständige - an der
Beschattung nahezu nichts ändern. Vor diesem Hintergrund kann im Schattenwurf durch
die überhängenden Äste eine nicht nur unerhebliche Beeinträchtigung der
Grundstücksnutzung gerade durch den Überhang i. S. v. § 910 Abs. 2 BGB aber nicht
gesehen werden. Durch die Beseitigung des Überhangs entstünde kein nennenswerter
Vorteil für die Lichtzufuhr auf das Grundstück der Beklagten (vgl. zum Ausschluss des
Selbsthilferechts bezogen auf den Überhang bei einer solchen Sachlage: Staudinger -
Roth, Neubearb. 2009, § 910 BGB, Rn. 20 m. w. N.).
61
(2)
Nadeln. Auch insoweit ist von einer relevanten Beeinträchtigung in der
Grundstücksnutzung gerade durch den vom Überhang - soweit dieser in der Berufung
noch streitgegenständlich ist - ausgehenden Nadelfall nicht auszugehen. Auch insoweit
geht der Senat nach den widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen R.
davon aus, dass die Belastung des Grundstücks der Beklagten durch abfallende Nadeln
im Wesentlichen auf der streitgegenständlichen Baumreihe und auch den Bäumen auf
dem Grundstück der Beklagten selbst beruht. Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass
die Nadeln im Bereich der Terrasse ausschließlich von den Bäumen auf dem Grundstück
der Kläger stammten, nachdem die Bäume der Beklagten selbst insoweit in einer zu
großen Entfernung stünden, rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung. Die
Richtigkeit dieses Vorbringens unterstellt, ergibt sich hieraus noch nicht, dass die im
Bereich der Terrasse anfallenden Nadeln gerade auf den - vorliegend allein relevanten -
Überhang zurückzuführen wären. Selbst unter Einschluss des Nadelfalls, der von den bis
unmittelbar an die Dachrinne heranreichenden Ästen - welche die Beklagte nach den nicht
angegriffenen Ausführungen des Landgerichts entfernen darf - ausgeht, bemisst der
Sachverständige den Anteil der vom Überhang stammenden Nadeln auf allenfalls 20 %
der insgesamt auf dem Grundstück der Beklagten anfallenden Nadeln. Insoweit kann nicht
unberücksichtigt bleiben, dass das Selbsthilferecht gem. § 910 BGB dem Gebot der
Rücksichtnahme (§ 242 BGB) unterliegt, dem im nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis
besondere Bedeutung beikommt. Dabei ist zu bedenken, dass eine Entfernung des
Überhanges einen massiven Eingriff in die Substanz der betroffenen Bäume darstellt und
in der Folge mit erhöhter Bruchgefahr zu rechnen ist. Selbst wenn die Entfernung des
Überhangs zu einer Verminderung des Nadelfalls um 20 % führt, stehen dem hierdurch für
die Beklagte zu erreichenden Vorteil damit derart weitreichende Folgen für die Kläger
gegenüber, dass ein Selbsthilferecht zur Entfernung des Überhangs unter
Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht besteht.
Dass die Entfernung der Wurzeln, zu welcher die Beklagte - wie ausgeführt - berechtigt ist,
vorliegend ebenfalls die Standsicherheit der Bäume massiv beeinträchtigen wird, so dass
zu erwarten ist, dass diese durch die Kläger vollständig entfernt werden müssen,
rechtfertigt insoweit - bezogen auf die Frage der Beseitigung des Überhanges - keine
abweichende Beurteilung. Während die Wurzeln die Nutzung des Grundstücks der
Beklagten wesentlich beeinträchtigen und erst deren Entfernung die der Beklagten
zustehende Nutzung ihres Grundstücks im oben dargelegten Sinne ermöglicht, würde die
Entfernung der überhängenden Äste für die Beklagte einen allenfalls geringfügigen Vorteil
bedeuten.
62 Ergänzend ist insoweit darauf hinzuweisen, dass - wovon das Landgericht zu Recht
ausgegangen ist - die Belastung durch den Nadelfall als solchen - über die Notwendigkeit
der mehrfach jährlichen Reinigung der Regenrinne hinaus - nicht substantiiert dargelegt
ist. Insbesondere ist nicht ersichtlich, welche konkreten Maßnahmen die Beklagte im
Hinblick auf den Nadelfall insoweit zu ergreifen gezwungen war. Auch in der Berufung
trägt die Beklagte insoweit substantiiert nur hinsichtlich der Reinigung der Dachrinne vor.
Diese ist aber gerade auf denjenigen Teil der überhängenden Äste und Zweige
zurückzuführen, welche die Beklagte nach der - insoweit nicht angegriffenen -
Entscheidung des Landgerichts entfernen darf. Soweit die Beklagte geltend macht, die
Ausführungen des Sachverständigen R. zur fehlenden Nutzbarkeit als Garten durch die
Wurzeln gelte entsprechend auch für den Überhang, ist dies weder dem schriftlichen
Sachverständigengutachten noch den mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen
zu entnehmen. Soweit die Beklagte schließlich geltend macht, Jungpflanzen würden
durch überhängende Zweige erdrückt, ist weder substantiiert dargetan noch sonst
ersichtlich, wie dies bei Bäumen, die - unstreitig - bis zu einer Höhe von mindestens 4
Meter von Ästen befreit sind, der Fall sein sollte.
63
(3)
Grenzbereichs zwischen den streitgegenständlichen Grundstücken sind demgegenüber
nicht geeignet, die Überzeugung des Senats, dass von den auf das Grundstück der
Beklagten überhängenden Ästen - soweit diese nicht über den im angefochtenen Urteil
bezeichneten Bereich hinausragen - keine erhebliche Beeinträchtigung der
Grundstücksnutzung i. S. v. § 910 Abs. 2 BGB ausgeht, zu erschüttern.
64 Zwar konnte der Senat durchaus den Eindruck gewinnen, dass von der Baumreihe als
solcher das Grundstück der Beklagten durch abfallende Nadeln und auch durch
Schattenwurf durchaus beeinträchtigt wird. Allerdings konnte der Senat nicht feststellen,
dass die von der Beklagten geltend gemachte Beeinträchtigung ihres Grundstücks -
Beschattung, Nadelfall - gerade von den überhängenden Ästen ausgeht. Auch der
Umfang, in welchem die Äste auf das Grundstück der Beklagten überragen, lässt keine
verlässliche Schlussfolgerung dahingehend zu, inwieweit die auf dem Grundstück der
Beklagten vorhandenen Nadeln gerade von diesem Überhang stammen. Dies wird durch
die Ausführungen des Sachverständigen R. eindrücklich bestätigt. Hiernach ist bei der
Beurteilung des Nadelfalls auf die klimatischen Bedingungen, insbesondere die
Windverhältnisse, Rücksicht zu nehmen.
65
2.
der Beklagten auf Entfernung des Überhangs anerkannt, greift sie das landgerichtliche
Urteil, das von einem solchen Anerkenntnis gerade nicht ausgeht, in der Berufung nicht
an.
66 Lediglich ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass sich ein Selbsthilferecht der
Beklagten zur Entfernung auf ihr Grundstück überhängender Äste aus den zutreffenden
Erwägungen des Landgerichts entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht aufgrund
eines Anerkenntnisses der Kläger ergibt. Bei der gebotenen Auslegung der von der
Beklagten insoweit in Bezug genommenen Erklärungen der Kläger nach dem objektiven
Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) bieten diese keine Anhaltspunkte für die Annahme,
dass hierdurch im Sinne eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses (vgl. insoweit: Palandt
- Sprau, 73. Aufl. 2014, § 781 BGB, Rn. 2) ein Rechtsanspruch der Beklagten begründet
werden sollte. Auch die - für die Annahme eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses
(vgl. Palandt - Sprau, a.a.O., § 781 BGB, Rn. 3) erforderliche - rechtsverbindliche
Bestätigung eines aus Sicht der Kläger bestehenden Rechtsanspruchs auf Entfernung des
Überhangs ist in den Erklärungen der Kläger nicht zu sehen. Bei den Schreiben vom
10.10.2001, 01.11.2001 und 06.03.2002 handelt es sich jeweils um Mitteilungen im
Rahmen der damaligen Bemühungen um eine einvernehmliche außergerichtliche
Regelung der Streitigkeiten bezüglich der streitgegenständlichen Baumreihe. Zu einer
solchen Einigung der Parteien kam es jedoch unstreitig nicht.
(…)