Urteil des OLG Karlsruhe vom 24.02.2011

OLG Karlsruhe: treu und glauben, einkünfte, wesentliche veränderung, darlehen, nettoeinkommen, eltern, abänderungsklage, krankenversicherung, wechsel, philosophie

OLG Karlsruhe Urteil vom 24.2.2011, 2 UF 45/09
Leitsätze
1. Soweit ein Auslandssemester für die Berufsausbildung (hier: Studiengang Sinologie bzw. Ostasienwissenschaften) sinnvoll ist, ist dieses bei
guten Einkommensverhältnissen der Eltern auch bei einer Verlängerung der Studienzeit zu finanzieren.
2. Die von einem niedergelassenen Arzt nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze fortgesetzte freiberufliche Tätigkeit ist unterhaltsrechtlich
überobligatorisch. Das hieraus erzielte Erwerbseinkommen kann nach den Umständen des Einzelfalls bei der Berechnung des Kindesunterhalts zu
50 % anzurechnen sein.
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Karlsruhe-Durlach vom 20.02.2009 - 2 F 110/08 - aufgehoben
und die Klage abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung des Klägers wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird festgesetzt auf 5.339,00 EUR.
Gründe
I.
1
Die Parteien streiten um die Abänderung eines Titels über Kindesunterhalt.
2
Der am ...1943 geborene Kläger ist Arzt mit eigener Praxis. Der am ...1984 geborene Beklagte ist das eheliche Kind des Klägers aus seiner Ehe
mit B. M.-P.. Nach der Trennung seiner Eltern im Jahr 1994 lebte der Beklagte bei seiner Mutter. Die Ehe des Klägers mit Frau M.-P. wurde 2007
geschieden.
3
Das Amtsgericht - Familiengericht - Karlsruhe-Durlach hat den Kläger mit Urteil vom 13.01.2000 - 3 F 86/99 - verurteilt, für den Beklagten ab
dem 01.06.1999 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 180 % des Regelbetrages nach der Regelbetragsverordnung der jeweiligen
Altersstufe zu bezahlen, abzüglich des an die Kindesmutter gezahlten hälftigen Kindergeldes. Dabei ging das Amtsgericht von einem
monatlichen Nettoeinkommen des Klägers aus seiner Arztpraxis von 6.900,00 DM aus, das im Trennungsunterhaltsverfahren zwischen dem
Kläger und Frau M.-P. unstreitig war.
4
Der Beklagte nahm im Alter von 23 Jahren zum Wintersemester 2005/2006 ein Studium der Sinologie an der Universität Heidelberg auf. Er
begann sein Studium als Magisterstudent mit den Hauptfächern Sinologie und Philosophie, wobei er in den ersten beiden Semestern zunächst
nur Sinologie belegte. Nach dem 2. Semester begab sich der Beklagte für zwei Auslandssemester an die Universität Shanghai. Zum
Wintersemester 2007/2008 setzte der Beklagte sein Studium in Heidelberg fort, wobei er erstmals Philosophie belegte. Das Studium der
Philosophie lag dem Beklagten nicht, weshalb er zum Wintersemester 2008/2009 das zweite Hauptfach von Philosophie zu Computerlinguistik
wechselte. Da Computerlinguistik nur als Bachelorstudiengang angeboten wurde, wechselte der Beklagte zugleich im ersten Hauptfach das
Abschlussziel von Magister/Sinologie (Regelstudienzeit: 9 Semester) auf Bachelor/Ostasienwissenschaften (Regelstudienzeit: 6 Semester, für
den darauf aufbauenden Masterabschluss weitere 4 Semester). Seit Mitte Dezember 2010 arbeitet der Beklagte an seiner Bachelorarbeit im
Fach Computerlinguistik. Ab Sommer 2011 beabsichtigt der Beklagte die Aufnahme des Masterstudiums für Computerlinguistik.
5
Für den Bedarf des Beklagten legen beide Parteien den Grundbedarf für ein volljähriges Kind mit eigenem Hausstand abzüglich des vollen
Kindergeldes zuzüglich Krankenversicherung (von 15,30 EUR bis 30.06.2010, von 25,97 EUR von 01.07.2010 bis 30.09.2010 und von 38,49
EUR ab 01.10.2010) zuzüglich Studiengebühr von 98,83 EUR zugrunde.
6
Der Kläger ist niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin und auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres noch tätig. Seine Praxis führt er
in dem Anwesen … in K., das in seinem Eigentum steht und in dem er auch wohnt. Der Kläger musste sich im November 2009 mehreren
Hautkrebsoperationen unterziehen.
7
Der Kläger erzielte mit seiner Praxistätigkeit Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit für das Jahr:
8
2005 in Höhe von brutto
122.569,00 EUR,
2006 in Höhe von brutto
179.400,00 EUR,
2007 in Höhe von brutto
169.676,00 EUR
und
2008 in Höhe von brutto
204.849,00 EUR.
9
Für 2009 ist die Steuererklärung des Vaters noch nicht erstellt. Das von seinem Steuerberater unter dem 11.01.2011 errechnete vorläufige
Ergebnis der Praxis für 2009 beläuft sich auf 122.891,15 EUR.
10
Seit 2005 bezieht der Kläger daneben Rente in Höhe von
11
2005:
23.925,00 EUR brutto,
2006:
24.137,00 EUR brutto,
2007:
24.471,00 EUR brutto
und
2008:
21.715,00 EUR brutto.
12
Einkommen aus Kapitalvermögen hat der Kläger erzielt:
13
2005 in Höhe von
210,00 EUR brutto (I, 175)
und
2006 in Höhe von
3.623,00 EUR brutto (I, 595).
14
Der Kläger ist an den Firmen Bo. Me. und H. beteiligt. Das negative Einkommen hieraus belief sich
15
2005 auf -
12.255,00 EUR,
2006 auf -
14.351,00 EUR,
2007 auf -
17.521,00 EUR
und
2008 auf -
12.558,00 EUR.
16
Der Kläger war neben dem Haus … in Karlsruhe-Durlach Eigentümer von zwei weiteren Immobilien. Es handelt sich zum einen um die
Wohnung … in Karlsruhe-Durlach, die der Kläger im April 1994 erworben hat. Die Wohnung war vermietet und der Kläger bezahlte
Schuldzinsen. Diese Eigentumswohnung hat der Kläger im September 2009 veräußert. Die zweite Immobilie liegt in Stollberg, …, wurde vom
Kläger 1998 erworben und befindet sich weiterhin in seinem Eigentum. Aus dieser Immobilie erzielt der Kläger weiterhin Mieterträge und
bezahlt Schuldzinsen. Unter Berücksichtigung auch der Abschreibungen hatte er negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung:
17
2005 in Höhe von -27.983,00 EUR,
18
2006 in Höhe von -37.743,00 EUR (davon für Stollberg - 34.305,06 EUR, die sich ergeben aus Mieteinnahmen von 33.776,82 EUR,
abzüglich Darlehenszinsen von 33.886,43, AfA von 12.633,00 EUR und sonstigen Werbungskosten von 21.562,45 EUR; vgl.
Steuererklärung 2006, I, 107),
19
2007 in Höhe von -36.926,00 EUR (davon für Stollberg - 26.601,95 EUR, die sich ergeben aus Mieteinnahmen von 39.372,24 EUR,
abzüglich Darlehenszinsen von 35.102,65 EUR, AfA von 12.633,00 EUR und sonstigen Werbungskosten von 18.238,54 EUR; vgl.
Steuererklärung 2007, AH II, 33),
20
2008 in Höhe von -27.068,00 EUR (davon für Stollberg -33.820,00 EUR, die sich ergeben aus Mieteinnahmen von 39.741,00 EUR,
abzüglich Darlehenszinsen von 40.333,00 EUR, AfA von 12.431,00 EUR und sonstigen Werbungskosten von 20.797,00 EUR; vgl.
Steuererklärung 2008, AH II, 247).
21
Versicherungsbeiträge des Klägers für Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sind angefallen in Höhe von
22
2005: 13.145,00 EUR,
23
2006: 7.033,18 EUR (II, 121, 4.972,00 EUR für Kranken- und Pflegeversicherung, 2.061,18 EUR für Rentenversicherung)
24
2007: 5.490,00 EUR (II, 123, 3.428,00 EUR für Kranken- und Pflegeversicherung, 2.062,00 EUR für Rentenversicherung) und
25
2008: 11.574,00 EUR (gemäß Steuererklärung des Klägers für 2008, Anlagenheft = AH II, S. 227, 9.214,00 EUR für Kranken- und
Pflegeversicherung, 2.360,- EUR für Rentenversicherung).
26
Der Kläger bewohnt die Wohnungen im 1. und 2. Obergeschoss des Anwesens ... mit einer Wohnfläche von insgesamt 185 m². Für das
Anwesen bestehen drei Darlehen bei der Commerzbank. Das Darlehen Nr. ... ...53675/20, das aus der Ehezeit herrührt und sich auf den
Wohnbereich bezieht, war zum 31.12.2007 noch mit 93.335,90 EUR valutiert. Der Kläger erbrachte Ende 2007 hierauf monatlich Zinsen von
363,00 EUR und Tilgung von 546,00 EUR. Ein zweites Darlehen (Nr. ... ...54111/22), das zum 07.06.2008 noch mit 16.035,00 EUR valutiert war,
bezieht sich auf den Praxisbereich. Der Kläger bezahlt hierauf monatlich Zinsen von 78,79 EUR und Tilgungsraten von 501,77 EUR. Das dritte
Darlehen Nr. ...7388027 hat der Kläger 2001 für einen Anbau bzw. Ausbau des Treppenhauses aufgenommen; es war 2008 noch mit 31.549,71
EUR valutiert (Anlage A 37, As. I, 693) und ist halbjährlich mit 346,81 EUR zu verzinsen und mit 3.131,66 EUR zu tilgen.
27
Die Mutter des Beklagten ist als beamtete Fachoberlehrerin in Teilzeit mit 26 von 28 Stunden tätig und erzielte hieraus ein Einkommen
28
2008 von 29.177,31 EUR netto im Jahr =
2.431,44 EUR netto im Monat,
2009 von 32.991,05 EUR netto im Jahr =
2.749,25 EUR netto im Monat und
2010 von 29.921,74 EUR netto im Jahr =
2.493,48 EUR netto im Monat.
29
Die monatlichen Krankenversicherungsbeiträge der Mutter des Beklagten beliefen sich
30
vom 01.10.2007 bis 31.01.2009 auf
277,15 EUR (ab 10/07, I, 35),
vom 01.02.2009 bis 31.12.2009 auf
272,63 EUR (ab 01.02.09 AH II, 323) und
seit 01.01.2010 auf
312,64 EUR (ab 01.01.10 AH II 325).
31
Zudem bedient die Mutter des Beklagten eine Lebensversicherung mit 197,74 EUR im Monat.
32
Die Mutter des Beklagten erhielt Steuerrückerstattungen
33
2009:
903,07 EUR und
2010:
474,65 EUR.
34
Der Kläger und die Mutter des Beklagten schlossen im Verfahren über Zugewinnausgleichsansprüche am 21.01.2008 einen Vergleich, wonach
der Kläger an die Mutter des Beklagten 90.000,00 EUR bezahlt, zahlbar in einer Teilzahlung von 30.000,00 EUR zum 01.03.2008 und in
Folgeraten von monatlich je 2.000,00 EUR ab 01.04.2008. Diese Zahlungen hat der Kläger geleistet.
35
Aus der Anlage dieser Beträge hatte die Mutter des Beklagten folgende Zinseinkünfte:
36
2008 in Höhe von
604,87 EUR
und
2009 in Höhe von
4,14 EUR.
37
Im September 2008 erwarb die Mutter des Beklagten mit den vom Kläger auf den Zugewinnausgleich bezahlten Beträgen eine
Eigentumswohnung. Die Mutter des Beklagten bewohnt die Eigentumswohnung mit einer Größe von 72 m² selbst. Der Wohnwert beträgt 468,00
EUR (72 m² x 6,50 EUR). Für den Erwerb der Wohnung nahm sie zusätzlich ein Darlehen auf. Die Darlehenszinsen betrugen:
38
2008:
431,00 EUR,
2009:
3.070,64 EUR
und
2010:
2.029,40 EUR.
39
Aufwendungen für die Wohnung hatte die Mutter des Beklagten 2009 in Höhe von 996,31 EUR (Erneuerung Sanitärinstallationen). Für
Verwaltung und Instandhaltungsrücklage bezahlt sie 50,00 EUR monatlich.
40
Die Mutter des Beklagten bezog bis Mai 2010 und danach noch einmalig für August 2010 das Kindergeld für den Beklagten. Seither erhält sie
kein Kindergeld mehr.
41
Der Beklagte erhielt Leistungen des Studentenwerks Heidelberg, Amt für Ausbildungsförderung, wie folgt:
42
für Oktober 2007 bis Dezember 2007:
monatlich 234,52 EUR (I, 131)
für Januar 2008 bis August 2008:
monatlich 522,17 EUR (I, 137)
für September 2008:
563,65 EUR (II, 145)
für Oktober 2008 bis August: 2009
monatlich 558,34 EUR (II, 145).
Gesamt:
11.586,31 EUR.
43
Das Land Baden-Württemberg nahm den Kläger in Höhe der bezahlten Beträge aus gemäß § 37 BAföG übergegangenem Recht in Anspruch.
Der Kläger leistete auf die Hauptforderung Zahlungen an das Land Baden-Württemberg in Höhe von
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1.172,60 EUR am 13.02.2008 (3 x 234,52 EUR = 703,56 EUR für Oktober 2007 bis Dezember 2007 und 469,04 EUR für Januar 2008)
45
3.708,32 EUR am 08.01.2010 (restliche 53,13 EUR für Januar 2008, 7 x 522,17 EUR für Februar bis August 2008),
46
6.705,39 EUR am 09.01.2011 (1 x 563,65 EUR für September 2008, 11 x 558,34 EUR für Oktober 2008 bis August 2009)
47
Gesamt: 11.586,31 EUR.
48
Unterhaltszahlungen des Klägers direkt an den Beklagten sind seit Juni 2008 nicht mehr erfolgt.
49
Von September 2009 bis Februar 2010 wurde dem Beklagten Ausbildungsförderung nur noch in der Form eines verzinslichen Bankdarlehens
nach § 18c BAföG in Höhe von monatlich 598,00 EUR mit einem effektiven Jahreszins von 2,05 % bewilligt. Dieses hat der Beklagte nicht in
Anspruch genommen.
50
Der Kläger hat zur Begründung des Abänderungsbegehrens vorgetragen, seine vollschichtige Tätigkeit sei überobligatorisch. Er sei aus
Krankheits- und Altersgründen in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt und aus ärztlicher Sicht deshalb nur noch zu einer 75%-Tätigkeit in
der Lage. Er leide an ständigen Kopfschmerzen und Schlafstörungen, die eine abendliche Einnahme von Schmerz- und Schlafmitteln
erforderlich machten. Nach zwei Bandscheibenoperationen und einem Bandscheibenvorfall sei der Kläger in der Beweglichkeit eingeschränkt
und könne häufig nicht stehen oder längere Strecken gehen. Der Kläger leide unter einem Erschöpfungssyndrom und müsse deshalb in jedem
Quartal seine Praxis für drei Wochen schließen, um sich erholen zu können. Der Kläger könne seine vollschichtige Berufstätigkeit nur unter
weiterer Beeinträchtigung seiner bereits jetzt massiv angegriffenen Gesundheit ausüben. Seine Berufstätigkeit in vollschichtigem Umfang halte
er nur wegen seiner ganz erheblichen Darlehensverpflichtungen aufrecht. Seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit könnten daher für die
Unterhaltsberechnung höchstens mit 75% angesetzt werden.
51
Die Beteiligungen an den Firmen H. und Bo. Me. dienten dem Kläger zur Gewinnerzielung. Die Firma H. sei bis 2003 von St. Ba. mit Gewinn
betrieben worden. Auch die Firma Bo. Me. sei von Frau B. zunächst mit Gewinn betrieben worden. Bo. Me. stelle eine wirtschaftlich sinnvolle
Ergänzung zur Praxis des Klägers dar. Gegenstand von Bo. Me. sei im wesentlichen der Vertrieb von hochwertigen
Nahrungsergänzungsmitteln, der vom Kläger als Arzt aus rechtlichen Gründen nicht selbst erfolgen könne. Der Kläger unterstütze und berate
die Geschäftsführung von Bo. Me. in medizinischer Hinsicht. Auf Einladung der Geschäftsführung halte er im Monat ein bis zwei Vorträge und
veranstalte drei- bis viermal im Jahr Heilfastenkurse. Die Leistungen der Firma Bo. Me. seien mit der Praxis des Klägers zu einer
hochqualifizierten und ganzheitlichen Gesundheitsvorsorge und Heilungsmethode verzahnt. Durch die Angebote der Fa. Bo. Me. habe der
Kläger einen zusätzlichen Zulauf insbesondere an Privatpatienten erfahren, so dass die Firma Bo. Me. zu erhöhten Praxiseinkünften des
Klägers führe. Der steuerlich bei Bo. Me. abgesetzte BMW X 5 sei erforderlich und angemessen für Werbezwecke, für die Vorträge und
Heilfastenkurse und für die Abholung und Auslieferung der Produkte.
52
Ebenfalls zu berücksichtigen seien seine negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Jedenfalls seien sie in Höhe von 4% der
Bruttoerwerbseinkünfte als zusätzliche Altersvorsorgeleistung in Abzug zu bringen.
53
Sofern einzelne Einkommensarten nicht berücksichtigt würden, könne nicht auf die tatsächlich bezahlte Einkommenssteuer abgestellt werden,
sondern sei eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen.
54
Der Wohnwert der von ihm bewohnten Immobilie belaufe sich allenfalls auf 5,00 EUR pro m², für 185 m² also auf 925,00 EUR monatlich.
Hiervon abzuziehen seien Zins und Tilgung für das auf den Wohntrakt entfallende Darlehen Nr. ... ...53675/20. Auch Zins und Tilgung für das
Darlehen Nr. ...7388027 seien abzuziehen. Das Darlehen betreffe den Anbau bzw. den Ausbau des Treppenhauses ... als Reparatur- bzw.
Instandhaltungsmaßnahme. Zu berücksichtigen seien daneben die Betriebskosten, die sich 2005 auf 1.794,88 EUR, 2006 auf 1.906,12 EUR
und 2007 auf 1.490,01 EUR belaufen hätten. Abzuziehen seien weiterhin durchschnittliche Reparaturkosten von 515,22 EUR pro Monat für den
Wohnbereich. Daher bleibe kein positiver Wohnvorteil mehr übrig.
55
Die Mutter des Beklagten müsse vollschichtig tätig sein. Für die Unterhaltsberechnung seien ihr die bei vollschichtiger Tätigkeit erzielbaren
Einkünfte anzurechnen. Für die Rentenversicherung könnten allenfalls 4% ihrer Gesamtbruttoeinkünfte berücksichtigt werden.
56
Der Unterhaltsanspruch des Beklagten, zumindest aber sein Ausbildungsunterhaltsanspruch sei zu befristen auf das Ende der Regelstudienzeit
des Beklagten. Anzusetzen sei höchstens eine Regelstudienzeit von acht Semestern. Innerhalb dieser Zeit habe bei Fortführung des zunächst
begonnenen Magisterstudiums das gesamte Studium des Klägers abgeschlossen werden können. Zur Verlängerung des Studiums komme es
nur durch den Wechsel des zweiten Hauptfachs durch den Beklagten. Nach Änderung des Ausbildungsziels wäre vom Kläger allenfalls noch
das Bachelorstudium mit einer Regelstudiendauer von 6 Semestern zu finanzieren. Das Auslandsstudium des Beklagten führe nicht zu einer
Verlängerung des Unterhaltszeitraums. Der Auslandsaufenthalt sei nicht erforderlich für das Studium der chinesischen Sprache sondern stelle
eine extreme Ausnahme dar. Eine Anrechnung als Studiensemester in Deutschland erfolge nicht. Der Beklagte habe den Kläger bezüglich
seines Auslandsstudiums falsch informiert. Er habe mitgeteilt, das Auslandsstudium in China sei für sein Studium erforderlich und den Eindruck
erweckt, die Gesamtsemesterzahl erhöhe sich dadurch nicht. Nur unter diesen Voraussetzungen habe sich der Kläger mit dem
Auslandsstudium einverstanden erklärt. Die Änderung des Studiengangs von Philosophie auf Computerlinguistik habe der Beklagte mit dem
Kläger nicht abgesprochen. Der Kläger sei nicht verpflichtet, diese zusätzliche, weitergehende Ausbildung zu finanzieren.
57
Der Beklagte habe vorrangig BAföG-Leistungen in Anspruch zu nehmen, auch wenn diese in Form eines verzinslichen Darlehens gewährt
würden. Da er das BAföG-Darlehen nicht in Anspruch genommen habe, seien ihm die entsprechenden Beträge als fiktive Einkünfte
anzurechnen. Da er dies nicht getan habe, bestehe schon deshalb ab September 2009 kein Unterhaltsanspruch mehr.
58
Der Kläger hat beantragt,
59
1. Das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach, Familiengericht, vom 13.01.2000, 3 F 86/99, wird dahingehend abgeändert, dass der
Kläger dem Beklagten ab dem Monat Mai 2008 lediglich einen Unterhaltsbetrag von monatlich 409,43 EUR schuldet.
60
2. Unterhaltsrückstände für die Zeit ab Rechtshängigkeit sind mit schuldbefreiender Wirkung zu zahlen an das Land Baden-
Württemberg, Studentenwerk Heidelberg, Amt für Ausbildungsförderung. Zukünftige Unterhaltszahlungen sind, soweit und solange sie
auf das Land Baden-Württemberg übergegangen sind, zu zahlen an das Land Baden-Württemberg, Studentenwerk Heidelberg, Amt
für Ausbildungsförderung.
61
3. Jegliche Unterhaltsansprüche des Beklagten werden befristet bis längstens 28.02.2009 und enden mit diesem Datum.
62
4. Hilfsanträge:
63
(1) Jegliche Unterhaltsansprüche des Beklagten werden befristet bis längstens 28.02.2010 und enden mit diesem Datum.
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(2) Die Ausbildungsunterhaltsansprüche des Beklagten werden befristet bis längstens 28.02.2009 und enden mit diesem Datum.
65
(3) Jegliche Ausbildungsunterhaltsansprüche des Beklagten werden befristet bis längstens 28.02.2010 und enden mit diesem
Datum.
66
Der Beklagte hat beantragt,
67
die Klage abzuweisen.
68
Der Beklagte hat vorgetragen, das Erwerbseinkommen des Klägers sei voll anzusetzen. Die Einkommensentwicklung beim Kläger zeige, dass
er ohne weiteres in der Lage sei, ein entsprechendes Einkommen zu erzielen. Der Kläger sei vollschichtig arbeitsfähig.
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Die negativen Einkünfte des Klägers aus seinen Beteiligungen an den Firmen H. und Bo. Me. seien nicht zu berücksichtigen, da sie nur dem
Zweck dienten, den Lebensunterhalt von Bekannten des Klägers zu finanzieren und nicht auf Gewinnerzielung gerichtet seien. Die Firma Bo.
Me. benötige keinen BMW X5, sondern diesen benutze ausschließlich der Kläger. Auch die negativen Einkünfte des Klägers aus Vermietung
und Verpachtung seien nicht zu berücksichtigen, da sie ausschließlich der Vermögensbildung dienten.
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Ein Wohnwert des Klägers sei in Höhe von 1.202,50 EUR (185 m² x 6,50 EUR) anzusetzen.
71
Der Mutter des Beklagten könne aus gesundheitlichen Gründen keine vollschichtige, sondern allenfalls eine 75%-ige Tätigkeit zugemutet
werden. Sie habe ihr Deputat nur deswegen auf 26 von 28 Stunden erhöht, weil der Kläger seit November 2006 keinen Unterhalt mehr für den
Beklagten bezahlt habe und sie für den Unterhalt habe aufkommen müssen.
72
Der Beklagte habe beim Kläger nicht den Eindruck erweckt, dass sein Auslandsstudium in Deutschland als Studiensemester angerechnet
würde. Ein Auslandsaufenthalt sei im Studiengang des Beklagten dringend empfohlen und nicht unüblich. Die Regelstudienzeit für den
Masterabschluss betrage zwar 10 Semester, üblich sei aber eine Studiendauer von 12 Semestern. Danach wäre das Studium des Klägers unter
Berücksichtigung des einjährigen Auslandsaufenthalts im Sommersemester 2012 beendet.
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Mit Urteil vom 20.02.2009 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Karlsruhe-Durlach das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom
13.01.2000, Az. 3 F 86/99, dahingehend abgeändert, dass der Kläger dem Beklagten ab Juni 2008 lediglich einen Unterhaltsbetrag von
monatlich 409,43 EUR schuldet. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ab Erreichen des 65.
Lebensjahrs durch den Kläger im Juni 2008 seien die Einkünfte des Klägers zumindest insoweit überobligatorisch, als sie dazu führten, dass er
für den Bedarf des Beklagten mehr als 2/3 zu tragen hätte. Soweit die Einkünfte des Klägers ihn in die Lage versetzten, 2/3 des Bedarfs des
Beklagten zu decken, bestehe eine Erwerbsobliegenheit des Klägers. Daher habe der Kläger ab Juni 2008 2/3 des Bedarfs des Beklagten von
613,00 EUR, mithin 409,43 EUR zu tragen. Der Beklagte habe seinen Unterhaltsanspruch nicht wegen eines Verstoßes gegen das zielstrebige
Durchlaufen seiner Ausbildung verloren. Weder der Wechsel des zweiten Studienfachs nach dem ersten belegten Semester noch der
Auslandsaufenthalt von zwei Semestern seien zu beanstanden. Eine zeitliche Befristung des Unterhalts sei nicht möglich, da diese in jedem
Fall einer sicheren Prognose im Hinblick auf die Ausbildung des Beklagten bedürfe, wofür die Regelstudienzeit nicht ausreiche. Die Zustellung
des Urteils an den Beklagten erfolgte am 26.02.2009.
74
Am 26.03.2009 hat der Beklagte Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens gegen das Urteil vom 20.02.2009 beantragt.
Nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 14.07.2009 hat der Beklagte am 27.07.2009 Berufung eingelegt und
Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt. Am 04.08.2009 hat der Beklagte die Berufung begründet und Wiedereinsetzung in
die versäumte Berufungsbegründungsfrist beantragt. Dem Beklagten wurde am 04.08.2009 Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der
Berufungsfrist und am 04.02.2010 Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gewährt.
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Der Beklagte macht geltend, das erstinstanzliche Urteil sei fehlerhaft, da es die berücksichtigungsfähigen Einkommen beider Elternteile nicht
ermittelt habe. Dass der Kläger eine Quote von 2/3 des Unterhaltsbedarfs decken solle, sei nicht begründet worden und nicht nachvollziehbar.
76
Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens trägt der Beklagte vor, das Einkommen des Klägers aus selbständiger
Tätigkeit sei für die Unterhaltsberechnung voll zu berücksichtigen. Tatsächlich arbeite der Kläger weiterhin vollschichtig. Er könne als
Selbständiger den Umfang seiner Tätigkeit selbst bestimmen. Die Weiterführung der Praxistätigkeit des Klägers im bisherigen Umfang werde
durch die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers nicht beeinträchtigt. Auch die ständig steigenden Einnahmen aus der Praxis des
Klägers sprächen gegen eine Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit. Ein Bandabriss an der rechten Schulter und ein Bandscheibenvorfall
würden bestritten.
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Vom Wohnwert für die Wohnung des Klägers könnten allenfalls die Zinsen für das Darlehen Nr. ...5367520 in Abzug gebracht werden. Das
Darlehen Nr. ...7388027 betreffe nicht die Wohnung des Klägers. Selbst wenn von einem Anbau bzw. Ausbau des Treppenhauses
ausgegangen würde, handele es sich nicht um Reparaturmaßnahmen, sondern um Wertverbesserungsmaßnahmen. Die vom Kläger geltend
gemachten verbrauchsunabhängigen Betriebskosten seien nicht abzuziehen, weil es sich um umlagefähige Kosten im Sinne der
Betriebskostenverordnung handele. Es werde bestritten, dass die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für Reparaturmaßnahmen
entstanden seien und die Wohnung beträfen. Die einzelnen Arbeiten seien nicht erforderlich gewesen. Es habe sich um Verschönerungs- oder
Ausbaumaßnahmen gehandelt.
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Unglaubwürdig sei, dass der Kläger 2007 kein Einkommen aus Kapitalvermögen gehabt habe.
79
Der Wechsel des zweiten Studienfachs durch den Beklagten wirke sich nicht auf die Unterhaltspflicht des Klägers aus. Der Beklagte habe wie
üblich im 3. Semester mit dem Studium des zweiten Hauptfachs begonnen. Er habe sehr schnell festgestellt, dass Philosophie für ihn nicht das
richtige Studium gewesen sei. Einen Wechsel zu Computerlinguistik habe er zwar erst zum Wintersemester 08/09 (seinem 5. Semester)
vornehmen können. Er habe aber schon im 4. Semester Kurse für Computerlinguistik besucht und auf diese Weise vorgearbeitet. Durch den
Wechsel habe sich die Gesamtdauer seines Studiums nur um ein Semester verlängert. Von Anfang an habe er ein zweites Hauptfach
absolvieren müssen.
80
Ab März 2010 habe er - der Beklagte - keinen Anspruch mehr auf ein zinsbegünstigtes Darlehen des Amts für Ausbildungsförderung. Im
Hinblick auf die guten Einkommensverhältnisse seiner Eltern sei er auch nicht verpflichtet, vorrangig ein BAföG-Darlehen zu beantragen.
81
Der Beklagte beantragt:
82
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 20.02.2009 - 2 F 110/08 - aufgehoben und
wie folgt abgeändert:
83
Die Klage wird abgewiesen.
84
Der Kläger beantragt,
85
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
86
Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Kläger,
87
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Familiengerichts Karlsruhe-Durlach vom 20.02.2009, 2 F 110/08, wie folgt
abgeändert: Jegliche Unterhaltsansprüche des Beklagten werden befristet bis längstens 28.02.2009 und enden mit diesem Datum.
88
Hilfsantrag 1: Jegliche Unterhaltsansprüche des Beklagten werden befristet bis längstens 28.02.2010 und enden mit diesem Datum.
89
Hilfsantrag 2: Die Ausbildungsunterhaltsansprüche des Beklagten werden befristet bis längstens 28.02.2009 und enden mit diesem
Datum.
90
Hilfsantrag 3: Jegliche Ausbildungsunterhaltsansprüche des Beklagten werden befristet bis längstens 28.02.2010 und enden mit
diesem Datum.
91
2. Es wird festgestellt, dass Unterhaltsrückstände für die Zeit ab Rechtshängigkeit mit schuldbefreiender Wirkung zu zahlen sind an das
Land Baden-Württemberg, Studentenwerk Heidelberg, Amt für Ausbildungsförderung; zukünftige Unterhaltszahlungen sind, soweit und
solange sie auf das Land Baden-Württemberg übergegangen sind, zu zahlen an das Land Baden-Württemberg, Studentenwerk
Heidelberg, Amt für Ausbildungsförderung.
92
Mit Schriftsatz vom 09.12.2009, an den Beklagten zugestellt am 14.12.2009 beantragt der Kläger hilfsweise für den Fall, dass dem Hauptantrag
der Anschlussberufung (Befristung der Unterhaltsansprüche zum 28.02.2009) nicht stattgegeben wird, weiterhin,
93
die Urteile des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 13.01.2000, 3 F 86/99, und vom 20.02.2009, 2 F 110/08, werden dahingehend
abgeändert, dass der Kläger/Berufungsbeklagte dem Beklagten/Berufungsführer ab dem 01.09.2009 keinerlei Unterhalt mehr schuldet,
94
und hilfsweise, soweit der Abänderungsklage stattgegeben wird,
95
der Beklagte/Berufungsführer wird verurteilt, ab Rechtshängigkeit dieses Antrags für die Zeit ab 01.03.2009 bis zur Rechtskraft des
Abänderungsurteils gegen den Kläger/Berufungsgegner vollstreckte Unterhaltsbeträge in voller Höhe und für die Zeit von 01.06.2008
bis 28.02.2009 gegen den Kläger/Berufungsgegner vollstreckte Unterhaltsbeträge, soweit diese einen monatlichen Betrag von 409,43
EUR übersteigen, an den Kläger/Berufungsgegner zurückzuerstatten.
96
Der Beklagte beantragt,
97
Zurückweisung der Anschlussberufung.
98
Der Kläger führt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags aus, für notwendige Instandhaltungsarbeiten in den vom
Kläger bewohnten Räumlichkeiten seien von 2006 bis 2008 folgende Kosten angefallen, die sich ganz überwiegend auf reine Materialien
bezögen:
99
2006:
7.297,87 EUR,
2007:
4.910,63 EUR und
2008:
6.339,57 EUR.
100 Die Beträge seien vom Steuerberater erfasst worden (Anlage A49), aus ihren errechne sich ein monatlicher Durchschnittsbetrag von 515,22
EUR. Dabei seien insbesondere folgende Maßnahmen berücksichtigt: 2006 sei der defekte Kamin repariert worden, in den Sanitärräumen
seien die mindestens 15 Jahre alten abgenutzten Toiletten, Waschbecken und Fußböden ersetzt worden, die Heizung repariert und eine
Gasarmatur ausgetauscht worden. 2007 seien ebenfalls Sanitärräume instand gesetzt worden, im Ankleideraum die mindestens 15 Jahre alten
Decken in Ordnung gebracht und das defekte Fußbodenparkett wieder hergestellt worden. 2007 seien im Wohnzimmer und Esszimmer die
abgenutzten Tapeten entfernt, der Untergrund neu gespachtelt, die Wände verputzt und lackiert, der abgenutzte PVC-Boden in der Küche
erneuert und Wasserschäden in der Küche repariert worden, der gebrochene Fliesenboden des Wintergartens erneuert, die Stuckdecken in
allen Zimmern aufgefrischt und einzelne defekte Leitungen saniert worden. Weiterhin seien eine defekte Jalousie ersetzt und Fenster und Türen
lackiert worden. 2008 seien eine zerbrochene Glasscheibe im Wintergarten ersetzt und der Kamin ausgebessert worden. In diesem
Zusammenhang seien auch Dachdeckerarbeiten angefallen. Weiterhin seien Räume neu gestrichen worden.
101 Zusätzlich sei 2006 eine Gasarmatur bezüglich der Wohnung des Klägers für 280,64 EUR ausgetauscht worden (Anlage A 87).
102 Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers hätten sich verstärkt. Infolge der Hautkrebsoperation leide der Kläger unter erheblichen
Wundheilungsstörungen. Im orthopädischen Bereich seien weitere Beschwerden hinzugekommen. Er habe einen Bandabriss der rechten
Schulter erlitten, der dazu führe, dass er seinen Arm nur sehr eingeschränkt heben könne. Dies beeinträchtige bei allen Schreibtischarbeiten.
Ferner bestehe ein operationsbedürftiger Bandscheibenvorfall L1/L2. Nach der jetzt indizierten Operation sei eine mehrmonatige Rehabilitation
durchzuführen, damit keine Lähmungen riskiert würden. Aufgrund der aktuellen Belastungssituation leide der Kläger, der bereits 1993 einen
Herzinfarkt erlitten habe, wieder unter Herzsymptomen. Die Praxis sei jedes Jahr viele Wochen krankheitsbedingt geschlossen gewesen,
nämlich 2008 für ca. 9 Wochen, 2009 für ca. 12 Wochen und 2010 für ca. 9 Wochen (Zeiten der Arbeitsunfähigkeit: As. II, 603). Ab Dezember
2009 sei jegliche weitere Berufstätigkeit lebensgefährlich und für unabsehbare Zeit überobligatorisch. Lediglich aufgrund seiner drückenden
Schuldenlast müsse der Kläger seine Erwerbstätigkeit fortsetzen. Der Kläger sei jedoch bemüht, seine Praxis zu veräußern und befinde sich
schon in konkreten Verhandlungen. Insgesamt sei seine gesamte weitere Erwerbstätigkeit inzwischen vollumfänglich überobligatorisch.
103 Beim Studium des Beklagten habe sich durch den Wechsel des zweiten Hauptfachs und das zwei Semester dauernde Auslandsstudium eine
erhebliche Verlängerung der ursprünglich vorgesehenen Studiendauer ergeben. Ein zweites Studienfach neben Sinologie sei von Anfang an
nicht notwendig gewesen und sei dem Kläger auch nicht mitgeteilt worden. Außerdem studiere der Beklagte ohne konkreten Berufswunsch.
Angesichts des fortgeschrittenen Alters des Klägers sei eine zeitliche Befristung der Unterhaltsansprüche zu Ende Februar 2009 angemessen.
104 Da der Beklagte das BAföG-Darlehen nicht in Anspruch genommen habe, bestehe jedenfalls ab September 2009 kein Unterhaltsanspruch
mehr. Der Beklagte habe den Verlängerungsantrag verspätet gestellt. Die darlehensweise BAföG-Bewilligung wäre bei rechtzeitiger
Antragstellung durch den Beklagten unproblematisch über Februar 2010 hinaus verlängert worden. Jedenfalls für die Abschlussphase seines
Bachelorstudiums bestehe, gegebenenfalls darlehensweise, wieder ein Anspruch auf Ausbildungsförderung unter den Voraussetzungen des §
15 Abs. 3a BAföG (Hilfe zum Studienabschluss). Spätestens seit September 2010 bestehe unter diesem Gesichtspunkt kein Unterhaltsanspruch
mehr.
105 Mit seinem letzten Schriftsatz vom 01.02.2011 ändert der Kläger seinen Vortrag teilweise. Erstmals bestreitet der Kläger die Größe und die Höhe
des Wohnwerts der Wohnung der Mutter des Beklagten. Der Wohnwert ihrer Wohnung sei auf 7,50 EUR pro Quadratmeter zu veranschlagen. In
Bezug auf den Bedarf des Beklagten bestreitet der Kläger die monatliche Studiengebühr von 98,83 EUR sowie die über einen Monatsbetrag
von 25,97 EUR hinausgehenden Beiträge des Beklagten für Kranken- und Pflegeversicherung. Zu seinem eigenen Einkommen trägt er
ergänzend vor, 2008 seien neben den bereits geltend gemachten Abzugspositionen negative Einkünfte aus der ärztlichen Laborgemeinschaft
Baden-Baden in Höhe von - 4.242,00 EUR zu berücksichtigen. Für 2009 ergebe sich aus der unter Vorbehalt stehenden Gewinnermittlung des
Steuerberaters ein Praxiseinkommen von 134.126,00 EUR
106 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
107 Auf den Rechtsstreit findet nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG das bis zum 31.08.2009 geltende Verfahrensrecht Anwendung.
108 Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Insbesondere hat er das Rechtsmittel nach Gewährung von Wiedereinsetzung rechtzeitig eingelegt
und begründet. Die Berufung des Beklagten ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abweisung der Klage,
da der vom Kläger geschuldete Unterhalt nicht unter dem bislang titulierten Unterhalt liegt. Die auf Befristung des Unterhaltsanspruchs
gerichtete Anschlussberufung des Klägers ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der im Wege der Anschlussberufung verfolgte
Feststellungsanspruch des Klägers ist unzulässig.
109 1. Zulässigkeit der Abänderungsklage
110 Die Abänderungsklage nach § 323 Abs. 1 ZPO ist überwiegend, für den Zeitraum ab 01.03.2009, zulässig. Insbesondere richtet sich die
Abänderungsklage zutreffend gegen den Beklagten, nachdem die Prozessstandschaft seiner Mutter durch die Volljährigkeit des Beklagten
weggefallen ist (FA-FamR/Gerhardt, 6. Aufl., 6. Kapitel Rn. 647).
111 Unzulässig ist die Abänderungsklage allerdings für den Zeitraum von Mai 2008 bis 28.02.2009. Als besondere Prozessvoraussetzung verlangt
die Abänderungsklage die Behauptung, dass eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse nach Schluss der mündlichen Verhandlung im
Vorprozess eingetreten sei (BGH FamRZ 2001, 1687, 1689). Dabei kommt es nicht auf das Ausmaß eines veränderten Einzelumstandes an,
sondern ob die für die Bemessung der Unterhaltsleistung maßgebenden Verhältnisse insgesamt eine wesentliche Änderung erfahren haben.
Die Grenze für die Wesentlichkeit wird dabei in der Regel bei 10% des Unterhaltsanspruchs gezogen (Wendl/Schmitz, Unterhaltsrecht, 7. Aufl.,
§ 10 Rn. 158; Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl., § 323 ZPO Rn. 77 f.).
112 Vorliegend hat der Kläger für den Zeitraum bis 28.02.2009 nicht behauptet, dass sich bei einer Gesamtbeurteilung eine Abweichung von
mindestens 10% von dem früheren Titel ergibt. Der Kläger hat für den Zeitraum bis 28.02.2009 eine Reduzierung des Kindesunterhalts auf
409,43 EUR beantragt. Demgegenüber belief sich der
titulierte Unterhaltsanspruch
13.01.2000
im Jahr 2008 auf den Zahlbetrag von 442,00 EUR
Regelbetragsverordnung in der Fassung ab 01.07.2007 (180% x 288 EUR = 518,40 EUR, gerundet gemäß § 1612a Abs. 2 S. 2 BGB i. d. F. bis
31.12.2007 auf 519,00 EUR). Hiervon ist nach dem Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe-Durlach vom 13.01.2000 das hälftige Kindergeld, also im
Jahr 2008 77,00 EUR in Abzug zu bringen, so dass sich der Zahlbetrag von 442,00 EUR errechnet. Bei Umrechnung des Prozentsatzes des
Regelbetrages nach § 36 Nr. 3a EGZPO ergibt sich ein neuer Prozentsatz von 142% (Zahlbetrag 442,00 EUR zuzüglich hälftiges Kindergeld
von 77,00 EUR = 519,00 EUR geteilt durch den Mindestunterhalt nach der 3. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle 2008 in Höhe von 365,00
EUR = 142%).
Für 2009
Höhe von 377,00 EUR = 535,34 EUR, gerundet gemäß § 1612 Abs. 2 S. 2 BGB auf 536,00 EUR abzüglich hälftiges Kindergeld von 87,00 EUR).
Für 2010 und 2011
EUR = 604,92 EUR, gerundet auf 605,00 EUR abzüglich hälftiges Kindergeld von 92,00 EUR). Mit seinem Antrag auf Herabsetzung auf einen
Betrag von 409,43 EUR liegt der Kläger weniger als 10% unter dem titulierten Betrag für 2008 und 2009.
113 Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Kläger der Auffassung war, er müsse Unterhalt nach der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle
abzüglich hälftigen Kindergeldes bezahlen, weshalb er bis 2007 519,00 EUR an den Beklagten bezahlt hat (180% des Mindestbetrages nach
der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle 2007 = 596,00 EUR abzüglich hälftiges Kindergeld von 77,00 EUR). Denn bei einem dynamischen
Unterhaltstitel nach § 1612a Abs. 1 BGB in der Fassung bis 31.12.2007 steigt das Kind mit Vollendung des 18. Lebensjahres nicht in die 4.
Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle auf. Es behält vielmehr bis zu einer Abänderung den Unterhalt der 3. Altersstufe nach der
Regelbetragsverordnung (Wendl/Klinkhammer, a. a. O., § 2 Rn. 246c).
114 Erst für den Zeitraum ab 01.03.2009 hat der Kläger geltend gemacht, dass der Unterhaltsanspruch des Beklagten entfallen sei. Für diesen
Zeitraum ist die Abänderungsklage daher zulässig.
115 2. Begründetheit der Abänderungsklage auf Herabsetzung des Unterhalts auf 409,43 EUR
116 Die Abänderungsklage auf Herabsetzung des Unterhalts ist, soweit sie zulässig ist, unbegründet.
117 a) Zeitpunkt einer möglichen Abänderung, richtiger Beklagter
118 Eine Abänderung scheidet von vornherein aus, soweit sie für die Zeit vor Zustellung der Klage am 09.06.2008 begehrt wird, § 323 Abs. 3 S. 1
ZPO. Im Ergebnis kommt es hierauf jedoch nicht an, da die Klage für den Zeitraum bis 29.02.2009 ohnehin unzulässig ist.
119 Soweit der Beklagte bis August 2009 BAföG-Leistungen bezogen hat, ist der Unterhaltsanspruch auf das Land Baden-Württemberg
übergegangen, § 37 Abs. 1 BAföG. Die Abänderungsklage für den Zeitraum ab 09.06.2008 war gleichwohl gegen den Beklagten zu richten, da
der Anspruchsübergang nach Rechtshängigkeit unerheblich ist (§ 265 Abs. 2 S. 1 ZPO).
120 b) Maßstab der Abänderungsentscheidung
121 Die Abänderung des Urteils kann gemäß § 323 Abs. 1, Abs. 2 ZPO verlangt werden, wenn nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im
Ausgangsverfahren eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist, die für die Verurteilung und die Bestimmung der Höhe der
Leistungen maßgebend waren. Ein Abänderungsgrund liegt in der nach Abschluss des vorangegangenen Verfahrens eingetretenen
Volljährigkeit des Beklagten.
122 Nach § 323 Abs. 1 ZPO kann bei einem Unterhaltstitel jede Partei eine entsprechende Abänderung des Urteils verlangen, wenn eine
wesentliche Änderung derjenigen Verhältnisse eintritt, die für die Verurteilung zum Unterhalt, für die Bestimmung der Höhe der
Unterhaltsleistungen oder der Dauer maßgebend waren. Dabei eröffnet § 323 ZPO nur eine Anpassung des Unterhalts an veränderte
Verhältnisse unter Wahrung der Grundlagen des abzuändernden Titels. Das Abänderungsverfahren ermöglicht dagegen weder eine freie
Neufestsetzung des Unterhalts noch eine abweichende Beurteilung derjenigen Verhältnisse, die bereits im Ersturteil eine Bewertung erfahren
haben (BGH, ständige Rechtsprechung, FamRZ 1994, 1100; FamRZ 2007, 882 Rz. 25; 1460 Rz. 14). Die Abänderungsklage gibt weder die
Möglichkeit zur neuerlichen Wertung des alten Sachverhalts noch dazu, diesen bei Gelegenheit einer - gerechtfertigterweise erfolgenden -
Abänderung abweichend zu beurteilen (BGH, FamRZ 2001,1364; vgl. ferner Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 323 Rn. 41;
MünchKommZPO/Gottwald, § 323 Rn. 91 ff; Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl., § 323 Rz. 80; FA-FamR/Gerhardt, 6. Kap. Rn.
931; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 5. Aufl. Kap. 5, Rn. 380).
123 Vorliegend waren im Ausgangsverfahren nur die Praxiseinkünfte des Klägers, nicht aber weitere Einkommensbestandteile oder -arten
berücksichtigt. Gleichwohl ist daraus keine Bindungswirkung dahingehend abzuleiten, dass auch bei Ermittlung der Haftungsanteile nur die
Praxiseinkünfte des Klägers zu berücksichtigen wären. Dies ergibt sich zum einen aus den Umständen des Ausgangsverfahrens. Die Mutter
des Beklagten hatte dort unter Zugrundelegung der im Trennungsunterhaltsverfahren unstreitigen Praxiseinkünfte des Klägers ausgeführt, dass
mindestens ein Kindesunterhalt in Höhe von 180% des Regelsatzes zu zahlen sei und diesen beantragt. Da der Kläger - damals als Beklagter -
dem nicht entgegen getreten ist, hat das Amtsgericht für die Ausgangsentscheidung den unstreitigen Vortrag zugrundegelegt. Die
Auseinandersetzung mit weiteren Einkommensarten des Klägers oder seinem Wohnwert war nicht erforderlich und ist daher nicht erfolgt. Im
Übrigen würde eine Bindungswirkung im Hinblick auf die mittlerweile eingetretene Volljährigkeit des Beklagten zu unbilligen Ergebnissen
führen. Denn bis zum 18. Lebensjahr des Beklagten richtete sich die Höhe des Barunterhalts aufgrund der Gleichwertigkeit von Bar- und
Naturalunterhalt gemäß § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB allein nach den Einkommensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils. Für das
volljährig gewordene Kind haften die Eltern hingegen nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig nach ihren jeweiligen Erwerbs- und
Vermögensverhältnissen. Für die - für den Barunterhalt des Minderjährigen unerheblichen - Einkommensverhältnisse des früher betreuenden
Elternteils kann das Ausgangsurteil keine Bindungswirkung, insbesondere keine Einschränkung auf bestimmte Einkommensbestandteile
enthalten. Daher wäre es unbillig, solche Einschränkungen im Abänderungsverfahren beim bereits früher barunterhaltspflichtigen Elternteil zu
berücksichtigen. Bei dieser Sachlage besteht im Abänderungsverfahren keine Bindung an die der Ausgangsentscheidung zugrunde gelegte
Einkommensart. Vielmehr ist das gesamte Einkommen des Klägers, wie das der Mutter des Beklagten, neu zu berechnen.
124 Zwar obliegt grundsätzlich dem Abänderungskläger die Darlegungs- und Beweislast für eine wesentliche Veränderung der Umstände, die für
die Unterhaltsfestsetzung im vorausgegangenen Verfahren maßgeblich waren. Dieser Grundsatz kommt aber nicht zur Anwendung, wenn der
abzuändernde Titel Minderjährigenunterhalt regelt, das unterhaltsberechtigte Kind inzwischen aber volljährig geworden ist und nunmehr als
Volljähriger Ausbildungsunterhalt verlangt. Dann muss das Kind dartun und beweisen, dass der Unterhaltsanspruch fortbesteht, insbesondere
welche Haftungsquote auf den jeweiligen Elternteil entfällt (OLG Karlsruhe, FamRZ 2009, 1497; OLG Brandenburg, FamRZ 2004, 552).
125 c) Unterhaltstatbestand
126 Der Beklagte hat gegen den Kläger einen Unterhaltsanspruch aus § 1601 BGB. Der Unterhaltsanspruch umfasst nach § 1610 Abs. 2 BGB auch
die Kosten einer angemessenen Berufsausbildung. Der Anspruch auf eine angemessene Ausbildung bemisst sich nach der Begabung und den
Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes. Ihre Finanzierung muss sich in den Grenzen der
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern halten. Geschuldet wird von den Eltern also eine ihnen wirtschaftlich zumutbare,
begabungsbezogene Berufsausbildung (BGH FamRZ 2000, 420). Der Verpflichtung der Eltern steht die Obliegenheit des Kindes gegenüber,
seine Ausbildung mit dem gehörigen Fleiß und gebotener Zielstrebigkeit zu betreiben, um sie innerhalb angemessener und üblicher Dauer zu
beenden und sich danach selbst zu unterhalten. Bei einem Studium werden über die Regelstudienzeit hinaus noch ein bis zwei
Examenssemester zugestanden, im Einzelfall noch mehr, wenn die durchschnittliche Studienzeit des betreffenden Studiengangs erheblich über
der Regelstudienzeit liegt. Soweit ein Auslandssemester für die Berufsausbildung sinnvoll ist, ist dieses bei guten Einkommensverhältnissen
der Eltern auch bei Verlängerung der Studienzeit zu finanzieren (BGH FamRZ 1992, 1064; FA-FamR/Seiler, 8. Aufl., 6. Kapitel Rn. 244).
127 Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Beklagte seinen Obliegenheiten nachgekommen. Der Beklagte steht nun, gut fünf Jahre nach
Beginn seines Studiums, vor dem Bachelor-Abschluss. Sein Auslandsaufenthalt war - beim Studiengang Sinologie bzw.
Ostasienwissenschaften ohne weiteres nachvollziehbar - nach der Stellungnahme der Fachstudienberaterin vom 03.02.2010 (As. II, 457)
seitens der Universität dringend angeraten, möglichst für die Dauer eines Jahres. Der einjähriger Auslandaufenthalt war daher für die
Berufsausbildung sinnvoll und von den Eltern, auch in Anbetracht ihrer keineswegs beengten Einkommensverhältnisse, zusätzlich zur
Studiendauer in Deutschland zu finanzieren. Auch das Studium eines zweiten Hauptfachs, dessen Wechsel von Philosophie zu
Computerlinguistik und der Zeitpunkt des Wechsels sind nicht zu beanstanden. Dass ein zweites Fach obligatorisch ist, dessen Leistungen für
den Abschluss ebenfalls erbracht sein müssen, ergibt sich aus den Ausführungen der Fachstudienberaterin. Der Beklagte bemerkte bereits im
Wintersemester 2007/2008, seinem ersten Semester Philosophie und damit innerhalb der ihm zuzubilligenden Orientierungsphase (FAKomm-
FamR/Klein, 4. Aufl, § 1610 BGB Rn. 92), dass ihm dieses Fach nicht zusagte. Obwohl ein Wechsel zum Sommersemester 2008 nicht möglich
war, belegte er bereits Kurse in Computerlinguistik, so dass er durch den Fachwechsel tatsächlich nur ein Semester verlor. Der Wechsel zum
Wintersemester 2008/2009 erfolgte frühestmöglich. Dass der Beklagte nicht bereits in seinen ersten beiden Semestern Kurse im zweiten
Hauptfach Philosophie belegte, entsprach nach der Stellungnahme der Fachstudienberaterin vom 03.02.2010 den Empfehlungen der
Universität. Soweit der Beklagte - unter Abzug des Auslandsjahres - jetzt im 9. Semester des Bachelorstudiums seine Bachelorarbeit fertigt, führt
dies auch im Hinblick auf die Regelstudienzeit von 6 Semestern nicht zu einem anderen Ergebnis. Insofern hat die Fachstudienberaterin in ihrer
Stellungnahme vom 03.02.2010 ausgeführt, dass der Beklagte damit im Durchschnitt seines Jahrgangs, der als zweiter Jahrgang in der
Erprobungsphase des Studiengangs begann, liegt.
128 d) Bedarf des Beklagten
129 Für den Bedarf des Beklagten ist der Grundbedarf für ein volljähriges Kind mit eigenem Hausstand abzüglich des vollen Kindergeldes zuzüglich
Krankenversicherung zuzüglich Studiengebühr zugrunde zu legen (SüdL 13.1.2, 13.2). Die Krankenversicherungsbeiträge des Beklagten
betrugen bis 30.06.2010 15,30 EUR, von 01.07.2010 bis 30.09.2010 25,97 EUR und ab 01.10.2010 38,49 EUR. Da die Höhe der
Krankenversicherungsbeiträge durch die Nachträge zum Versicherungsschein der Central Krankenversicherung vom 01.12.2008 und vom
November 2009 (Anlage zum Beklagtenschriftsatz vom 04.03.2010, AH II, S. 323, 325) belegt ist, dringt der Kläger mit seinem Bestreiten nicht
durch. Soweit der Kläger zuletzt die Studiengebühren von 98,83 EUR pro Monat bestritten hat, ist dies ebenfalls nicht beachtlich. Die Höhe der
Studiengebühren von 593,60 EUR pro Semester, Stand Mai 2008, hat der Kläger mit Anlage A 5 (As. I, 37) selbst belegt und hieraus monatliche
Gebühren von 98,83 EUR errechnet. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte, dass sich die Studiengebühren des Beklagten reduziert haben.
Vielmehr belaufen sie sich ausweislich der Homepage der Universität Heidelberg (www.uni-heidelberg.de) mittlerweile auf 606,50 EUR im
Semester. Für die monatliche Höhe der Studiengebühren legt der Senat den von den Parteien bis zum letzten Schriftsatz des Klägers
übereinstimmend vorgetragenen Betrag von 98,83 EUR zugrunde, auch wenn der Betrag vom Kläger mutmaßlich infolge eines
Schreibversehens etwas zu niedrig mitgeteilt wurde (zutreffend wären 593,60 EUR : 6 = 98,93 EUR).
130 Dies ergibt einen Bedarf des Beklagten
131
für 2009 von 590,13 EUR
(640,00 EUR gemäß SüdL 13.1.2 abzüglich 164,00 EUR Kindergeld zuzüglich 15,30 EUR Krankenversicherung zuzüglich 98,83 EUR Studiengebühren),
für 2010 von durchschnittlich 670,60 EUR
dies errechnet sich wie folgt:
für Januar bis Mai 2010 (5 Monate) von 570,13 EUR
(640,00 EUR abzüglich 184,00 EUR Kindergeld zuzüglich 15,30 EUR Krankenversicherung zuzüglich 98,83 EUR Studiengebühren),
für Juni 2010 (1 Monat) von 754,13 EUR
(640,00 EUR zuzüglich 15,30 EUR Krankenversicherung zuzüglich 98,83 EUR Studiengebühren),
für Juli und September 2010 (2 Monate) von 764,80 EUR
(640,00 EUR zuzüglich 25,97 EUR Krankenversicherung zuzüglich 98,83 EUR Studiengebühren),
für August 2010 (1 Monat) von 580,80 EUR
(640,00 EUR abzüglich 184,00 EUR Kindergeld zuzüglich 25,97 EUR Krankenversicherung zuzüglich 98,83 EUR Studiengebühren),
von Oktober 2010 bis Dezember 2010 (3 Monate) von 777,32 EUR
(640,00 EUR zuzüglich 38,49 EUR Krankenversicherung zuzüglich 98,83 EUR Studiengebühren),
ab Januar 2011 von 807,32 EUR
(670,00 EUR gemäß SüdL 2011, 13.1.2 zuzüglich 38,49 EUR Krankenversicherung zuzüglich 98,83 EUR Studiengebühren).
132 Dieser Bedarf des Beklagten wurde im Zeitraum von Januar 2008 bis August 2009 nicht teilweise durch die gewährten BAföG-Leistungen
gedeckt. Bis August 2009 hat der Beklagte, wie sich aus der Mitteilung des Amts für Ausbildungsförderung vom 16.09.2009 (Anlage A 48, As. II,
145) ergibt, die Ausbildungsförderung als Vorausleistung nach § 36 BAföG erhalten. Eine solchermaßen gewährte Ausbildungsförderung stellt
eine subsidiäre Sozialleistung dar, die nach § 37 Abs. 1 BAföG vom Unterhaltsverpflichteten zurückgefordert werden kann. Die als
Vorausleistung gewährte Ausbildungsförderung deckt den Unterhaltsbedarf des Beklagten nicht (BGH FamRZ 1985, 263; FAKomm-
FamR/Michael Klein, a. a. O., § 1602 BGB Rn. 33).
133 Eine Bedarfsminderung beim Beklagten ist auch nicht dadurch eingetreten, dass er das ihm für den Zeitraum 01.09.2009 bis 28.02.2010
bewilligte Bankdarlehen nach § 17 Abs. 3 BAföG nicht in Anspruch genommen hat. Zwar sind endgültig festgesetzte BAföG-Leistungen
unterhaltsrechtliches Einkommen, die den Bedarf des Kindes mindern; das Kind ist gehalten, Ausbildungsförderung in Anspruch zu nehmen,
auch wenn und soweit diese nur als unverzinsliches Darlehen gewährt wird (BGH FamRZ 1989, 499). Vorliegend erfolgte die Bewilligung von
Ausbildungsförderung ab 01.09.2009 jedoch nicht mehr nach § 17 Abs. 1, Abs. 2 BAföG, wonach die Förderung zur Hälfte als Zuschuss, zur
anderen Hälfte als unverzinsliches Darlehen gewährt wird. Vielmehr wurde dem Beklagten nur noch ein verzinsliches Bankdarlehen nach §§
17 Abs. 3, 18c BAföG bewilligt. Dies beruhte ausweislich des Bescheids des Amts für Ausbildungsförderung vom 05.11.2009 (Anlage A 60, As.
II, 301) darauf, dass der Beklagte nach Wechsel des zweiten Hauptfachs im Sinne von § 7 Abs. 3 BAföG eine „andere“ Ausbildung durchführte
und ab September 2009 die Förderungshöchstdauer abzüglich der Fachsemesterzahl der vorangegangenen Hochschulzeiten erreicht bzw.
überschritten war. Ein verzinsliches Bankdarlehen nach § 17 Abs. 3 BAföG entspricht im Wesentlichen einem Kredit, der auf dem freien Markt
aufgenommen werden kann. Es ist daher kein Einkommen im Sinne des Unterhaltsrechts und nicht auf den Unterhaltsanspruch anzurechnen
(Wendl/Scholz, a. a. O., § 8 Rn. 286; Kasenbacher NJW-Spezial 2009, 660). Diesem Ergebnis stehen auch Zumutbarkeitsgesichtspunkte im
konkreten Fall nicht entgegen. Der Kläger hat zwar 2008 sein 65. Lebensjahr vollendet. Er verfügt jedoch weiterhin über ein Einkommen, das
die Freibeträge nach § 25 BAföG um ein Vielfaches übersteigt. Der Beklagte hingegen hat sein Studium in unterhaltsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise betrieben. Bei dieser Sachlage ist die Anwendung des Grundsatzes, dass ein verzinsliches Bankdarlehen gemäß § 17
Abs. 3 BAföG auf den Unterhaltsanspruch nicht angerechnet wird, für den Kläger nicht unzumutbar.
134 Auch ab März 2010 hat der Beklagte im Hinblick auf die Beantragung von Ausbildungsförderung keine Obliegenheiten verletzt. Für den
Zeitraum von März 2010 bis Februar 2011 hat der Beklagte am 26.04.2010 Ausbildungsförderung beantragt. Ein Anspruch stand ihm jedoch
ausweislich des Bescheides des Amts für Ausbildungsförderung vom 11.08.2010 (II, 555) bereits dem Grunde nach nicht zu. Der ablehnende
Bescheid stützt sich darauf, dass die Förderungshöchstdauer für den Studiengang des Beklagten mit Ablauf des Februar 2010 erreicht war.
Soweit, wie vom Kläger vorgetragen, die Beantragung der Ausbildungsförderung verspätet erfolgt sein sollte, war dies für die Ablehnung des
Antrags auf Ausbildungsförderung jedenfalls nicht von Bedeutung.
135 Nichts anderes ergibt sich daraus, dass der Beklagte im Hinblick auf den bevorstehenden Bachelorabschluss nun möglicherweise
Ausbildungsförderung nach § 15 Abs. 3a BAföG (Hilfe zum Studienabschluss) beantragen könnte. Denn eine solche würde nach §§ 17 Abs. 3
Nr. 3, 15 Abs. 3a BAföG nur als verzinsliches Bankdarlehen nach § 18c BAföG bewilligt werden. Dies mindert - wie dargelegt - den Bedarf des
Beklagten nicht.
136 e) Unterhaltsbemessung, Haftungsanteile
137 Die Eltern des Beklagten haften gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB anteilig für den Barunterhalt des Beklagten. Zur Ermittlung der Haftungsanteile
ist das bereinigte Nettoeinkommen eines Elternteils abzüglich des angemessenen Selbstbehalts mit dem Bedarf des Kindes zu multiplizieren
und durch die Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern abzüglich des zweifachen angemessenen Selbstbehalts zu teilen (SüdL
13.3).
138 (1) Bereinigtes Nettoeinkommen des Klägers
138 (1) Bereinigtes Nettoeinkommen des Klägers
139 Der Kläger ist als niedergelassener Arzt selbständig. Bei Selbständigen wird das bereinigte Nettoeinkommen in der Regel aus dem
Durchschnitt der letzten drei Jahre errechnet. Da es beim laufenden Unterhalt um eine Prognose der künftigen Einkommensverhältnisse geht,
sind möglichst realitätsnahe Einkommensverhältnisse zu ermitteln, d. h. bei längerer Verfahrensdauer ist das Einkommen zu aktualisieren (BGH
FamRZ 2006, 1182). Für die Vergangenheit sind die in diesem aktuellen Zeitraum erzielten Einkünfte maßgebend, wobei bei mehrjährigem
Unterhaltsrückstand ein Mehrjahresschnitt gebildet werden kann (BGH FamRZ 2007, 1532). Vorliegend bezieht sich die zulässige
Abänderungsklage auf den Zeitraum ab März 2009. Steuererklärungen und Steuerbescheide des Klägers liegen jedoch nur bis einschließlich
2008 vor. Für 2009 hat der Kläger seine Steuererklärung noch nicht erstellt. Er hat für 2009 zwar ein vorläufiges, noch veränderliches Ergebnis
der Praxis vom 11.01.2011 in Höhe von 122.891,15 EUR (AH II, 419) und (zuletzt mit Schriftsatz vom 01.02.2011) eine unter Vorbehalt stehende
Gewinnermittlung für die Praxis in Höhe von 134.126,00 EUR vorgelegt. Diese vorläufigen Ergebnisberechnungen für 2009 zieht der Senat für
die Entscheidung nicht heran. Die Aussagekraft der vorläufigen Berechnungen ist bereits angesichts der Schwankungen zwischen beiden
Ergebnissen zweifelhaft. Soweit der Kläger dargelegt hat, dass sich seine Praxiseinkünfte wegen längerer krankheitsbedingter Schließzeiten
und eingeschränkter Arbeitsfähigkeit 2009 und 2010 verringert haben, ist dies zwar nicht ausgeschlossen und scheint durch die vorläufigen
Ergebnisberechnungen für 2009 bestätigt. Allerdings hat der Kläger auch für 2008 eine Arbeitsunfähigkeit von 9 Wochen vorgetragen und 2008
gleichwohl ein Einkommen erzielt, das deutlich über dem der Vorjahre lag. Daher können lediglich auf Basis der vorläufigen Berechnung zum
Praxiseinkommen des Jahres 2009 keine niedrigeren Einkommenswerte prognostiziert werden. Auch kann noch nicht abgesehen werden, wie
sich das Einkommen des Klägers entwickeln wird, wenn seine Praxis verkauft ist. Daher legt der Senat für sämtliche Unterhaltsansprüche seit
2009 und die Zukunftsprognose den Dreijahreszeitraum 2006 bis 2008 zugrunde.
140 Das Einkommen aus seiner Praxistätigkeit rechnet der Senat dem Kläger im Hinblick darauf, dass der Kläger im Juni 2008 sein 65. Lebensjahr
vollendet und damit die Regelaltersgrenze für die gesetzliche Rente erreicht hat, nicht in voller Höhe, sondern nur zu 50% an.
141 Die vom Kläger nach Erreichen der Regelaltersgrenze fortgesetzte freiberufliche Tätigkeit als Arzt ist unterhaltsrechtlich überobligatorisch. Für
die Erwerbsobliegenheit eines Unterhaltspflichtigen - jedenfalls wenn er nicht gemäß § 1603 Abs. 2 BGB gesteigert unterhaltspflichtig ist - sind
die Bestimmungen der Rechtsordnung zur Regelaltersgrenze heranzuziehen. Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob der
Unterhaltspflichtige in einem abhängigen Arbeits- oder Dienstverhältnis steht oder ob er gewerblich oder freiberuflich tätig. Denn das Ausmaß
der unterhaltsrechtlichen Obliegenheiten kann nicht davon abhängen, in welcher konkreten Form die Berufstätigkeit im Einzelfall ausgeübt wird
(BGH, Urteil vom 12.01.2011 - XII ZR 83/08 - Rn. 22).
142 Aus der grundsätzlichen Überobligationsmäßigkeit der Erwerbstätigkeit folgt aber noch nicht, dass das daraus erzielte Einkommen für die
Unterhaltsbemessung beim Kindesunterhalt außer Betracht zu lassen ist. In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit
für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben zu beurteilen. Eine Anrechnung des
Erwerbseinkommens aus überobligatorischer Tätigkeit eines zum Verwandtenunterhalt Verpflichteten ist nur insoweit zulässig, als diese mit
Treu und Glauben nach § 242 BGB zu vereinbaren ist. Erforderlich ist demnach eine umfassende Würdigung der Einzelfallumstände, die der
Überobligationsmäßigkeit der Tätigkeit angemessen Rechnung trägt. Eine regelmäßig vollständige Heranziehung des Einkommens aus einer
gemessen an § 1603 Abs. 1 BGB überobligatorischen Erwerbstätigkeit ist nur dann angezeigt, wenn die gesteigerte Unterhaltspflicht nach §
1603 Abs. 2 BGB eingreift (BGH a. a. O. Rn. 53 - 54). Als Einzelfallumstände bei der Frage der Anrechnungsfähigkeit überobligatorischen
Einkommens bei der Berechnung von Ehegattenunterhalt können vor allem das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit
zunehmende körperliche und geistige Belastung, ergänzend auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die beiderseitigen
wirtschaftlichen Verhältnisse herangezogen werden (BGH a. a. O Rn. 23). Ob in Bezug auf den Kindesunterhalt die für den Ehegattenunterhalt
geltenden Grundsätze der Einkommensanrechnung übertragen werden können, haben die Tatsachengerichte unter Berücksichtigung der
Besonderheiten im jeweiligen Unterhaltsverhältnis zu prüfen (BGH a. a. O. Rn. 56). Vorliegend zieht der Senat insbesondere die
gesundheitliche Situation des Klägers sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse und das Alter des Klägers und der Mutter des Beklagten als
Abwägungskriterien heran.
143 Der Kläger ist gesundheitlich erheblich beeinträchtigt. Er hat mehrere Bandscheibenvorfälle erlitten, davon zwei seit 2008, und musste sich zwei
Bandscheibenoperationen unterziehen, zuletzt im August 2009. Ende 2009 trat bei ihm eine Hautkrebserkrankung auf, weswegen er operiert
werden musste und in deren Folge sich Wundheilungsstörungen zeigten. Ende 2009 wurde weiterhin eine Arthrose des rechten
Schultereckgelenks (AC-Arthrose) mit einer Schleimbeutelentzündung (Bursitis) diagnostiziert, die zu einer eingeschränkten Beweglichkeit
seines rechten Armes führt. Daneben hatte der Kläger wegen eines Erschöpfungssyndroms, seine Praxis jedes Jahr für mehrere Wochen
geschlossen. Diese Beeinträchtigungen des Klägers sind durch Untersuchungsbefunde verschiedener Ärzte belegt (Anlage A 64, II, 335;
Anlage A 65, II, 339; Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 14.01.2011, AH II, 439). Insgesamt war die Praxis des Klägers wegen
Erschöpfungssyndroms, Bandscheibenvorfalls und -operation sowie seiner Hautkrebserkrankung in den Jahren 2008 bis 2010 jeweils
zwischen neun und zwölf Wochen geschlossen. Soweit der Beklagte geltend gemacht hat, dass die gesundheitlichen Einschränkungen des
Klägers nicht so gravierend seien, dass daraus eine Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit resultiere, ist die Einholung eines
Sachverständigengutachtens nicht erforderlich. Für die Abwägung nach Treu und Glauben kommt es nicht auf einen exakten Grad der
Einschränkung der Erwerbsfähigkeit des Klägers an. Vielmehr spielt dabei eine Rolle, dass der Kläger trotz seiner gesundheitlichen
Beeinträchtigungen weiterhin überobligatorisch erwerbstätig und dadurch entsprechend belastet ist.
144 Weiterhin sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers und der Mutter des Beklagten zu sehen. Der Kläger verfügte in den Jahren 2006 bis
2008 über ein weit überdurchschnittliches Bruttoeinkommen aus seiner Praxis in Höhe von durchschnittlich 15.386,80 EUR im Monat. Seit 2005
bezieht er daneben Rente in Höhe von mindestens 1.800,00 EUR brutto monatlich. Seine Einkommensverhältnisse liegen damit weit über
denen der 62-jährigen, noch regulär erwerbstätigen Mutter des Beklagten. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der mittlerweile
26-jährige Beklagte bereits seit Herbst 2005 studiert, spielt angesichts des vom Kläger erzielten Einkommens sein Haftungsanteil für den
Kindesunterhalt des Beklagten eine eher untergeordnete Rolle.
145 Auch steht nicht zu befürchten, dass das Auskommen des Klägers ohne seine weitere Erwerbstätigkeit nicht gesichert wäre. Nach Beendigung
seiner ärztlichen Tätigkeit steht dem Kläger weiterhin die bisher bereits bezogene Rente zu. Zudem bezahlte er - jedenfalls bis 2008 - noch
Beiträge von über 2.000,00 EUR im Jahr für eine weitere Rentenversicherung ein, aus der auch noch Leistungen zu erwarten sind. Der Kläger
ist Eigentümer des Anwesens … in Karlsruhe-Durlach, in dem sich seine Praxisräume und zwei Wohnungen mit insgesamt 185 m² Wohnfläche
befinden. Das Anwesen war 2007/2008 noch mit ca. 141.000,00 EUR belastet (Darlehen Nr. ...53675/20 mit 93.335,90 EUR, Darlehen Nr. ...
...54111/22 mit 16.035,00 EUR, Darlehen Nr. ...7388027 mit 31.549,71 EUR; vgl. As. II, 131, Anlage A 37, I, 693). Dies ist nur noch ein Bruchteil
von 43% der 2000/2001 bestehenden Belastung mit insgesamt ca. 327.000,00 EUR (Darlehen Nr. ...53675/20 mit 150.850,75 EUR, Darlehen
Nr. ... ...54111/22 mit 51.129,19 EUR, Darlehen Nr. ...7388027 mit 125.266,51 EUR; vgl. As. II. 131). Die Immobilie weist also nach Abzug der
Schulden noch einen beträchtlichen Wert auf. Auch nach Einschätzung des Klägers in der mündlichen Verhandlung wäre für das Anwesen ...
ein Verkaufspreis von 400.000,00 bis 450.000,00 EUR zu erzielen. Die Immobilie in Stollberg ist zwar - wie schon seit dem Erwerb durch den
Kläger im Jahr 1998 - mit ca. 603.000,00 EUR verschuldet (Anlage A 82, Darlehens Nr. ...2214027, ...7388018 und ...7388027), so dass der
Kläger in den Jahren 2006 bis 2008 durchschnittliche Jahreszinsen von 36.440,69 EUR bezahlte. Dem stehen jedoch Mieteinnahmen in
nahezu gleicher Höhe, nämlich für die Jahre 2006 bis 2008 von durchschnittlich 37.630,02 EUR gegenüber. Der Umstand, dass der Kläger die
Immobilie in Stollberg nach seinem Vortrag derzeit nicht zu einem angemessenen Preis veräußern kann, zwingt ihn daher nicht zur
Aufrechterhaltung seiner Praxistätigkeit. Hinzu kommt, dass der Kläger, wie er erstmals in der letzten mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat,
seit 2008 Eigentümer einer weiteren Immobilie in Weingarten ist, die er sich derzeit als Alterssitz errichtet.
146 Schließlich ist zu sehen, dass der jetzt 67-jährige Kläger noch nicht in einem Alter ist, in dem eine Erwerbstätigkeit schlechterdings nicht mehr
zu erwarten wäre.
147 Unter Abwägung aller Umstände hält es der Senat im Hinblick auf Treu und Glauben für billig, die Praxiseinkünfte des Klägers mit 50% bei der
Berechnung des Kindesunterhalts einzubeziehen. Damit wird einerseits der gesundheitlichen Situation des Klägers Rechnung getragen,
andererseits sind die wirtschaftlichen Verhältnisse ausreichend berücksichtigt. Bei der konkreten Einkommensermittlung ist zu beachten, dass
Steuern und Vorsorgeaufwendungen insoweit auszuscheiden sind, als sie auf den nicht angerechneten Teil des Einkommens entfallen (BGH a.
a. O. Rn. 61).
148 Die vom Kläger bereits bezogene Altersrente stellt sich nicht als überobligatorisch dar und findet daher in voller Höhe Berücksichtigung. Dem
steht im Hinblick auf die nur hälftige Anrechnung des Praxiseinkommens insbesondere der Grundsatz nicht entgegen, dass sich eine
kumulative Berücksichtigung von Altersrente und ungeschmälertem Erwerbseinkommen verbietet (BGH a. a. O. Rn. 60).
149 Das negative Einkommen aus den Beteiligungen des Klägers an den Firmen Bo. Me. und H. bleibt hingegen unberücksichtigt. Aus den
Beteiligungen hat der Kläger seit 2005 durchgehend negative Einkünfte von durchschnittlich ca. 14.000,00 EUR erzielt. Wenn er die
Beteiligungen gleichwohl weiterhin hält, verstößt er gegen seine unterhaltsrechtliche Obliegenheit, sein Vermögen so gut wie möglich
einzusetzen. Soweit der Kläger behauptet hat, die Beteiligung an der Firma Bo. Me. erhöhe mittelbar seine Praxiseinkünfte, ist dieser Vortrag
nicht ausreichend konkret.
150 Die negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bleiben ebenfalls unberücksichtigt. Es handelt sich um Abschreibungsmodelle, die
Aufwendungen dienen der Vermögensbildung des Klägers. Hierfür anfallende Zins- und Tilgungsleistungen dürfen grundsätzlich nicht
einkommensmindernd berücksichtigt werden (Wendl/Gerhardt, a. a. O., § 1 Rn. 302). Allerdings ergibt sich etwas anderes, soweit
vermögensbildende Aufwendungen wie Tilgungen für Immobilien der Altersvorsorge dienen (BGH FamRZ 2008, 963, 966). Insofern hat sich der
Kläger darauf berufen, dass die Zahlungen in Höhe von 4% des Gesamterwerbseinkommens als Altersvorsorge anzuerkennen sind (As. I, 211).
Dies wird im Rahmen der Ermittlung des bereinigten Nettoeinkommens entsprechend berücksichtigt.
151 Im Hinblick auf die fehlende Abzugsfähigkeit der negativen Einkünfte kann der Beklagte allerdings nicht an den hieraus resultierenden
Steuervorteilen des Klägers teilhaben. Da die Steuervorteile aus den Verlusten dem Unterhaltsverpflichteten allein verbleiben, ist auch insofern
eine fiktive Steuerberechnung vorzunehmen (Wendl/Gerhardt, a. a. O., § 1 Rn. 593). Bei der fiktiven Steuerberechnung sind ausgehend von den
vorgenannten Umständen die in den Steuerbescheiden des Klägers der Jahre 2006 bis 2008 (AH II, S. 405, S. 411, S. 415) genannten
Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit, die Einnahmen aus Kapitalvermögen und der Jahresbetrag der Rente heranzuziehen.
152 Für die fiktive Steuerberechnung für 2006 ist von einem fiktiven Einkommen von 117.460,00 EUR (hälftige Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit:
179.400,00 EUR : 2 = 89.700,00 EUR, aus Kapitalvermögen: 3.623,00 EUR und Jahresbetrag der Rente: 24.137,00 EUR) auszugehen. Fiktiv
steuerpflichtig wären hieraus 103.110,00 EUR (Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit: 89.700,00 EUR, aus Kapitalvermögen: 2.202,00 EUR, aus
Leibrente: 11.208,00 EUR). Hiervon in Abzug zu bringen sind die Sonderausgaben und der Kinderfreibetrag für ein Kind von insgesamt
14.061,00 EUR (gezahlte Kirchensteuer 6.088,00 EUR, Abzugsfähige Sonderausgaben: 5.069,00 EUR und Kinderfreibetrag für ein Kind
2.904,00 EUR), so dass sich ein fiktiv zu versteuerndes Einkommen von 89.049,00 EUR ergibt. Nach der Grundtabelle wären hierauf
Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag von 31.107,73 EUR sowie Kirchensteuer von 2.358,88 EUR zu zahlen gewesen. Nach Abzug der
Steuer hätte der Kläger also
2006 fiktiv ein Nettoeinkommen von 83.993,39 EUR
2.358,88) gehabt.
153 Für die fiktive Steuerberechnung für 2007 ist von einem fiktiven Einkommen von 109.309,00 EUR (hälftige Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit:
169.676,00 EUR : 2 = 84.838,00 EUR und Jahresbetrag der Rente: 24.471,00 EUR) auszugehen. Fiktiv steuerpflichtig wären hieraus 96.254,00
EUR (Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit: 84.838,00 EUR und aus Leibrente: 11.416,00 EUR). Hiervon in Abzug zu bringen sind die
Sonderausgaben und der Kinderfreibetrag für ein Kind von insgesamt 11.823,00 EUR (gezahlte abzüglich erstattete Kirchensteuer 4.038,00
EUR, Abzugsfähige Sonderausgaben: 4.881,00 EUR und Kinderfreibetrag für ein Kind 2.904,00 EUR), so dass sich ein fiktiv zu versteuerndes
Einkommen von 84.431,00 EUR ergibt. Nach der Grundtabelle wären hierauf Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag von 29.062,08 EUR
sowie Kirchensteuer von 2.203,76 EUR zu zahlen gewesen. Nach Abzug der Steuer hätte der Kläger also
2007 fiktiv ein Nettoeinkommen von
78.043,16 EUR
154 Für die fiktive Steuerberechnung für 2008 ist von einem fiktiven Einkommen von 124.139,50 EUR (Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit:
204.849,00 EUR : 2 = 102.424,50 EUR und Jahresbetrag der Rente: 21.715,00 EUR) auszugehen. Fiktiv steuerpflichtig wären hieraus
112.718,50 EUR (Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit: 102.424,50 EUR und aus Leibrente: 10.294,00 EUR). Hiervon in Abzug zu bringen sind
die Sonderausgaben, der Altersentlastungsbetrag und der Kinderfreibetrag für ein Kind von insgesamt 11.322,00 EUR (gezahlte Kirchensteuer
1.677,00 EUR, abzugsfähige Sonderausgaben 5.069,00 EUR, Altersentlastungsbetrag 1.672,00 EUR und Kinderfreibetrag 2.904,00 EUR), so
dass sich ein fiktiv zu versteuerndes Einkommen von 101.396,50 EUR ergibt. Nach der Grundtabelle wären hierauf Einkommenssteuer und
Solidaritätszuschlag von 36.578,96 EUR sowie Kirchensteuer von 2.773,76 EUR zu zahlen gewesen. Nach Abzug der Steuer hätte der Kläger
also
2008 fiktiv ein Nettoeinkommen von 84.786,78 EUR
155 Schließlich ist dem Kläger ein Wohnwert für das mietfreie Wohnen in seiner Wohnung … zuzurechnen. Dabei schätzt das Gericht die ersparte
Miete gemäß § 287 ZPO in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Beklagten auf 6,50 EUR je Quadratmeter. Grundlage der Schätzung ist die
mit den Parteien erörterte Internetrecherche unter www.immobilienscout.de. Diese ergab, dass für Wohnungen in zentraler Lage von Karlsruhe-
Durlach derzeit Mietangebote mit einem Preis von zwischen 7,40 EUR und 10,80 EUR je Quadratmeter vorhanden sind. Im Hinblick auf die
Größe der Wohnung des Klägers kann hiervon ein Abschlag auf 6,50 EUR gemacht werden. Von dem Wohnwert in Abzug zu bringen sind die
Zinsen für die Darlehen Nr. ... ...53675/20 (monatlich 363,00 EUR) und Nr. ...7388027 (halbjährlich 346,81 EUR) von insgesamt monatlich
420,80 EUR, die auf den Wohnbereich des Klägers entfallen. Unberücksichtigt bleiben hingegen die klägerseits geltend gemachten
verbrauchsunabhängigen Kosten, da es sich um umlagefähige Kosten handelt (BGH NJW 2009, 1300). Nicht abzugsfähig ist auch der Großteil
der vom Kläger behaupteten Reparaturkosten. Ausweislich der Kontierung durch seinen Steuerberater (Anlage A 49, As. II, 201 ff.) bezogen
sich mit einer Ausnahme sämtliche vorgelegten Rechnungen auf die „Instandhaltung betrieblicher Räume“. Dementsprechend sind die
vorgelegten Rechnungen mit einer Belegnummer versehen und tragen den Stempel „Gebucht“. Der Kläger hat die Maßnahmen daher bereits
zur Reduzierung seiner Praxiseinkünfte herangezogen. Eine nochmalige Geltendmachung beim Wohnwert ist - unabhängig davon, dass dann
die Angaben des Klägers in seiner Steuererklärung falsch gewesen wären - nicht möglich. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen
Verhandlung auch angegeben, dass die Kosten teilweise für Arbeiten an seiner zwar in der Wohnung gelegenen, aber betrieblich genutzten
Bibliothek entstanden sind. Abzugsfähig ist allein die Rechnung über den Austausch einer Gasarmatur in der Wohnung des Klägers über
280,64 EUR (Anlage A 87), die 2006 zu einem monatlichen Abzugsbetrag von 23,39 EUR (280,64 EUR : 12) führt. Daher ergibt sich
für das
Jahr 2006 ein Wohnwert von
Reparaturkosten)
= 9.099,72 im Jahr
EUR Zinsen) =
9.380,40 EUR im Jahr
156 Von seinem Einkommen abzuziehen sind die Vorsorgeaufwendungen des Klägers (Kranken-/Pflege- und Rentenversicherung).
157 Das
bereinigte Nettoeinkommen
158
für 2006:
fiktiv 83.993,39 EUR + Wohnwert 9.099,72 - Kranken-/Pflegeversicherung 4.972,00 EUR - Rentenversicherung 2.061,18 EUR - Altersvorsorge von 4% des
Bruttoerwerbseinkommens 3.588,00 EUR (4% der hälftigen Bruttopraxiseinkünfte in Höhe von 89.700,00 EUR)
=
82.471,93 EUR
159
für 2007:
fiktiv 78.043,16 EUR + Wohnwert von 9.380,40 EUR - Kranken-/Pflegeversicherung 3.428,00 EUR - Rentenversicherung 2.062,- EUR - Altersvorsorge von
4% des Bruttoerwerbseinkommens 3.393,52 EUR (4% der hälftigen Bruttopraxiseinkünfte in Höhe von 84.838,00 EUR)
=
78.540,04 EUR
160
für 2008:
fiktiv 84.786,78 EUR + Wohnwert von 9.380,40 EUR - Kranken-/Pflegeversicherung 9.214 EUR - Rentenversicherung 2.360,- EUR - Altersvorsorge von 4%
des Bruttoerwerbseinkommens 4.096,98 (4% der hälftigen Bruttopraxiseinkünfte in Höhe von 102.424,50 EUR)
=
78.496,20 EUR
161 Das
fiktive
Jahr = 6.653,00 EUR im Monat.
162 (2) Bereinigtes Nettoeinkommen der Mutter des Beklagten
163 Die Mutter des Beklagten arbeitet als Fachoberschullehrerin mit einem Deputat von 26 von 28 Stunden. Für die Ermittlung ihres Haftungsanteils
sind ihr jedoch Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit (28 Stunden) zuzurechnen.
164 Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners wird nicht nur durch sein tatsächlich vorhandenes Vermögen und Einkommen bestimmt,
sondern auch durch seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Er hat die unterhaltsrechtliche Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen,
insbesondere seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einzusetzen. Die Erwerbsobliegenheit verpflichtet grundsätzlich zur Aufnahme einer
Vollerwerbstätigkeit (Wendl/Dose, a. a. O., § 1 Rn. 489)
165 Soweit der Beklagte geltend macht, seine Mutter sei allenfalls zur Ausübung einer 75%-igen Erwerbstätigkeit in der Lage, bezieht er sich hierbei
auf ein psychiatrisches Gutachten aus dem Jahr 2001. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass zum damaligen Zeitpunkt der Mutter des
Beklagten nur die Ausübung eines ¾ Deputats zumutbar war. Dabei stellte das Gutachten darauf ab, dass der damals 17-jährige Beklagte noch
bei seiner Mutter lebte, die sich in Psychotherapie befand. Die Mutter des Beklagten war 2001 in einer Schule in Bruchsal beschäftigt und erlitt
auf den Fahrten von ihrer Wohnung zur Schule Panikattacken.
166 Mittlerweile haben sich jedoch die dem Gutachten zugrunde gelegten Umstände verändert. Die Mutter des Beklagten arbeitet nun an der
Friedrich-Realschule in Karlsruhe-Durlach, zu der sie keinen Anfahrtsweg mehr hat. Ein Fortbestehen der früheren Beschwerden, insbesondere
Panikattacken und die Notwendigkeit psychotherapeutischer Behandlung, wird vom Beklagten nicht geltend gemacht. Seit Mitte 2007 ist die
Mutter des Beklagten mit 26 von 28 Unterrichtsstunden, also nahezu in Vollzeit tätig. Dass sie weiterhin ein um 2 Stunden reduziertes Deputat
ausübt, hat sie gegenüber dem Amtsgericht Karlsruhe-Durlach im Verfahren 2 F 85/08 über Nachscheidungsunterhalt damit begründet, dass
ihre Tätigkeit ein „Knochenjob“ sei und sie mit ihren Kräften haushalten wolle. Daher ist auch das Amtsgericht Karlsruhe-Durlach im rechtskräftig
abgeschlossenen Verfahren 2 F 85/08 davon ausgegangen, dass der Mutter des Beklagten eine Vollzeittätigkeit zuzumuten ist. Diese
Einschätzung teilt der Senat. Die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens zum Frage der Erwerbsfähigkeit der Mutter des
Beklagten ist im Hinblick darauf, dass der Beklagte keine konkreten fortbestehenden Beschwerden behauptet hat, nicht veranlasst.
167 Die Mutter des Beklagten verfügte nach ihren Bezügemitteilungen für die Jahre 2009 und 2010 über folgende Bruttobezüge (Grundgehalt,
Familienzuschlag, allgemeine Stellenzulage und vermögensbildende Leistungen), die auf 28 Stunden umgerechnet werden können:
168
2009: Grundgehalt von 35.067,08 EUR (4 x 2.839,95 EUR, 8 x 2.963,41 EUR)
Familienzuschlag von 1.056,89 EUR (Januar bis April: 4 x 94,28 EUR, Mai bis November: 7 x 97,11 EUR; die Gehaltsmitteilung für Dezember 2009 weist
keinen Familienzuschlag aus)
Allgemeine Stellenzulage von 867,76 EUR (4 x 70,90 EUR, 8 x 73,02 EUR)
Vermögensbildende Leistung von 74,04 EUR (12 x 6,17 EUR)
Gesamt: 37.065,77 EUR Brutto für 26 Stunden
169 Bei einer Tätigkeit von 28 Stunden ergäbe sich ein Gesamtbrutto von 39.916,98 EUR (37.065,77 : 26 x 28). Nach Abzug des Beihilfebeitrags
von 156,00 EUR (13,00 EUR x 12) ergäbe sich ein Bruttobetrag von 39.760,98 EUR im Jahr bzw. von 3.313,42 EUR im Monat. Hierfür wäre
nach der besonderen Lohnsteuertabelle Lohnsteuer von 640,08 EUR, Solidaritätszuschlag von 30,54 EUR und Kirchensteuer von 44,43 EUR
zu zahlen. Nach Abzug der vermögenswirksamen Anlage von 39,88 EUR ergäbe sich ein fiktiver Auszahlungsbetrag von 2.558,49 EUR im
Monat. Unter Hinzurechnung der anteiligen Steuerrückerstattung von auf den Monat umgerechnet 75,26 EUR ergibt sich ein Nettoeinkommen
bei vollschichtiger Tätigkeit von 2.633,75 EUR. Nach Abzug der pauschalen berufsbedingten Aufwendungen von 5% errechnet sich ein
berücksichtigungsfähiges Erwerbseinkommen von
2.502,06 EUR.
170
2010: Grundgehalt von 35.916,52 EUR (2 x 2.963,41 EUR, 10 x 2.998,97 EUR)
Familienzuschlag von 684,41 EUR (Januar und Februar: 3 x 97,11 EUR, davon zweimal im Januar 2010 und einmal im Februar; März bis Mai und August: 4 x
98,27 EUR)
Allgemeine Stellenzulage von 885,04 EUR (2 x 73,02 EUR, 10 x 73,90 EUR)
Vermögensbildende Leistung von 74,04 EUR (12 x 6,17 EUR)
Gesamt: 37.560,01 EUR Brutto für 26 Stunden
171 Bei einer Tätigkeit von 28 Stunden ergäbe sich ein Gesamtbrutto von 40.449,24 EUR (37.560,01 : 26 x 28). Nach Abzug des Beihilfebeitrags
von 156,00 EUR (13,00 EUR x 12) ergäbe sich ein Bruttobetrag von 40.293,24 EUR im Jahr bzw. von 3.357,77 EUR im Monat. Hierfür wäre
nach der besonderen Lohnsteuertabelle Lohnsteuer von 637,00 EUR, Solidaritätszuschlag von 29,64 EUR und Kirchensteuer von 43,12 EUR
zu zahlen. Nach Abzug der vermögenswirksamen Anlage von 39,88 EUR ergäbe sich ein fiktiver Auszahlungsbetrag von 2.608,13 EUR im
Monat. Unter Hinzurechnung der anteiligen Steuerrückerstattung von auf den Monat umgerechnet 39,55 EUR ergibt sich ein Nettoeinkommen
bei vollschichtiger Tätigkeit von 2.647,68 EUR. Nach Abzug der pauschalen berufsbedingten Aufwendungen von 5% errechnet sich ein
berücksichtigungsfähiges Erwerbseinkommen von
2.515,30 EUR.
172 Den Wohnwert der Wohnung der Mutter des Beklagten schätzt der Senat - entsprechend der Wohnung des Klägers - auf 6,50 EUR je
Quadratmeter. Die Wohnung der Mutter des Beklagten ist zwar kleiner als die des Klägers, was grundsätzlich zu einem höheren Mietpreis führt.
Sie befindet sich jedoch nicht in so guter, zentraler Lage in Karlsruhe-Durlach wie die Wohnung des Klägers. Die Größe der von der Mutter des
Beklagten bewohnten Wohnung ist durch die vom Beklagten vorgelegte Wohnflächenberechnung (AH II, 461) belegt. Der Mutter des Beklagten
ist daher ein Wohnwert von 468,00 EUR (72 m² x 6,50 EUR) im Monat zuzurechnen. Hiervon sind die Darlehenszinsen von 255,89 EUR im
Monat (2009) bzw. 169,12 EUR im Monat (2010) abzuziehen. Die Aufwendungen für die Erneuerung der Sanitärinstallationen von 996,31 EUR
in 2009 werden nicht gesondert berücksichtigt, da sie in Zusammenhang mit dem Erwerb der Wohnung im September 2008 stehen dürften und
daher bei den Erwerbsaufwendungen berücksichtigt sind. Auch die Zahlungen für Verwaltung und Instandhaltungsrücklage kann nicht
abgezogen werden, da die Verwaltungskosten umlagefähig sind und nicht dargelegt ist, welcher Betrag auf die Instandhaltungsrücklage entfällt.
Der Wohnwert nach Abzug der Darlehenszinsen beläuft sich daher
für 2009 auf 212,11 EUR
173 Abzuziehen sind beim Einkommen die Aufwendungen für die Krankenversicherung der Mutter des Beklagten sowie weitere
Vorsorgeaufwendungen. Die Krankenversicherungsbeiträge beliefen sich
2009
zusätzliche Rentenversicherung, für die sie 197,74 EUR im Monat bezahlt, ist jedoch nur in Höhe von 4% des Gesamtbruttoeinkommens
anzusetzen (BGH FamRZ 2006, 387). Auszugehen ist dabei von dem fiktiven Gesamtbrutto, so dass sich für
2009
Betrag von
133,06 EUR
174 Das berücksichtigungsfähige
bereinigte Nettoeinkommen der Mutter
175
für 2009 pro Monat:
2.502,06 EUR fiktives Erwerbseinkommen + Wohnwert 212,11 EUR + Kapitaleinkünfte 0,35 EUR - Krankenversicherung 273,01 EUR - Rentenversicherung
133,06 EUR
=
2.308,45 EUR
176
für 2010 pro Monat:
2.515,30 EUR fiktives Erwerbseinkommen + Wohnwert 298,88 EUR - Krankenversicherung 312,64 EUR - Rentenversicherung 134,83 EUR
=
2.366,71 EUR
177 (3) Ermittlung des Haftungsanteils des Klägers nach der Formel SüdL 13.3
178
2009:
179
Bereinigtes Nettoeinkommen des Klägers (6.653,00 EUR) abzüglich 1.100 EUR x Bedarf des Beklagten (590,13 EUR) geteilt durch die
Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern abzüglich 2.200 EUR (hier: 6.653,00 EUR + 2.308,45 EUR - 2.200 EUR =
6.761,45 EUR) =
484,66 EUR
180
2010:
181
Bereinigtes Nettoeinkommen des Klägers (6.653,00EUR) abzüglich 1.100 EUR x Bedarf des Beklagten (670,60 EUR) geteilt durch die
Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern abzüglich 2.200 EUR (hier: 6.653,00 EUR + 2.366,71 EUR - 2.200 EUR =
6.819,71 EUR) =
546,04 EUR
182
ab 2011:
183
Bereinigtes Nettoeinkommen des Klägers (6.653,00 EUR) abzüglich 1.100 EUR x Bedarf des Beklagten (807,32 EUR) geteilt durch die
Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern abzüglich 2.200 EUR (hier: 6.653,00 EUR + 2.366,71 EUR - 2.200 EUR =
6.819,71 EUR) =
657,37 EUR
184 f) Ergebnis
185 Tituliert ist ein Kindesunterhalt für das Jahr 2009 von monatlich 449,00 EUR und für die Jahre 2010 und 2011 von monatlich 513,00 EUR. Da
der Haftungsanteil des Klägers für die Vergangenheit und die derzeit abzusehende Zukunft über dem titulierten Betrag liegt, ist die
Abänderungsklage - soweit sie für den Zeitraum ab März 2009 zulässig ist - unbegründet.
186 Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 01.02.2011 für das Jahr 2008 negative Einkünfte aus der ärztlichen Laborgemeinschaft Baden-Baden in
Höhe von - 4.242,00 EUR geltend gemacht hat, kann offen bleiben, ob diese für die Ermittlung des Kindesunterhalts beachtlich sind. Denn auch
bei Berücksichtigung dieser Position würde der Haftungsanteil des Klägers sich nur um einige Euro verändern und jedenfalls nicht unter die
titulierten Beträge sinken.
187 Damit ist das gesamte neue Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 01.02.2011 nicht entscheidungserheblich. Der Einräumung eines
Schriftsatzrechts für den Beklagten hierauf bedurfte es daher nicht (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 283 Rn. 2a).
188 3. Anträge des Klägers auf Befristung jeglichen Unterhalts bis 28.02.2009, hilfsweise bis 28.02.2010, hilfsweise auf Befristung des
Ausbildungsunterhalts bis 28.02.2009, hilfsweise bis 28.02.2010, hilfsweise dass ab 01.09.2009 keinerlei Unterhalt mehr geschuldet ist.
189 Die Anträge sind zulässig, aber nicht begründet. Eine Befristung des Kindesunterhalts ist gesetzlich nicht vorgesehen. Wie ausgeführt hat der
Beklagte seine Ausbildung bislang ausreichend zügig betrieben. Auch hatte die unterbliebene Inanspruchnahme des verzinslichen BAföG-
Darlehens keine Auswirkung auf seinen Unterhaltsanspruch. Soweit der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt nach Beendigung der zu
finanzierenden Ausbildung und einer sich daran anschließenden Bewerbungsfrist endet, ist dieser Zeitpunkt noch nicht erreicht. Eine
hinreichend sichere Prognose, wann die Bachelorausbildung beendet sein wird und ob dem Beklagten anschließend ein Masterstudium
unterhaltsrechtlich zuzubilligen ist, lässt sich derzeit nicht treffen.
190 4. Antrag des Klägers auf Feststellung, dass Unterhaltsrückstände mit schuldbefreiender Wirkung an das Land Baden-Württemberg zu zahlen
sind, soweit und solange sie auf das Land Baden-Württemberg übergegangen sind.
191 Der Feststellungsantrag ist unzulässig, da kein Feststellungsinteresse besteht.
192 § 256 Abs. 1 ZPO erfordert ein rechtliches Interesse daran, dass das Rechtsverhältnis festgestellt wird. Dieses ist gegeben, wenn dem Recht
oder der Rechtslage des Klägers eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu
beseitigen. Bei einer positiven Feststellungsklage liegt eine solche Gefährdung schon darin, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich
bestreitet (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 256 Rn. 7).
193 Vorliegend hat der Beklagte nach Ankündigung des Feststellungsantrags durch den Kläger ausgeführt, er sei selbstverständlich damit
einverstanden, dass der Kläger den an den Beklagten zu zahlenden Unterhalt in Höhe des auf das Land Baden-Württemberg übergegangenen
Betrages an das Land Baden-Württemberg bezahlt (As. I, 647). Auch hat er für die Zeiträume der BAföG-Zahlungen weder eine Vollstreckung
aus dem bestehenden Titel angekündigt noch irgendwelche darauf gerichteten Maßnahmen unternommen. Eine gegenwärtige Gefahr einer
doppelten Inanspruchnahme des Klägers in Bezug auf die gemäß § 37 BAföG übergegangenen Ansprüche besteht daher nicht.
194 5. Antrag des Klägers auf Rückzahlung von vollstreckten Unterhaltsbeträgen, die monatlich 409,43 EUR übersteigen
195 Eine Entscheidung über den Antrag ergeht nicht, da der Antrag nur hilfsweise für den Fall gestellt ist, dass der Abänderungsklage stattgegeben
wird.
196 6. Nebenentscheidungen
197 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713
ZPO.
198 Die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Im Hinblick auf die Anrechnung der nach dem 65. Lebensjahr
erzielten Erwerbseinkünfte des Klägers hat der Senat gemäß den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätzen (BGH Urteil vom
12.01.2011 - XII ZR 83/08 -) eine Wertung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorgenommen. Eine über den vorliegenden Fall
hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist damit nicht verbunden.
199 Der Streitwert richtet sich gemäß §§ 47, 42 Abs. 1 GKG nach der in der Berufungsinstanz erstrebten Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
für die ersten zwölf Monate, die noch im Streit sind. Danach beträgt der Streitwert für die Berufung des Beklagten 425,84 EUR. Denn die vom
Beklagten begehrte Abänderung beläuft sich für Juni bis Dezember 2008 auf 32,57 EUR (442,00 EUR - 409,43 EUR) und für Januar bis Mai
2009 auf 39,57 EUR (449,00 EUR - 409,43 EUR), woraus sich ein Streitwert von 425,84 EUR errechnet (7 x 32,57 EUR + 5 x 39,57 EUR). Der
Streitwert für die Anschlussberufung des Klägers beläuft sich auf 4.913,16 EUR (409,43 x 12). Eine wirtschaftliche Identität der beiden
Rechtsmittel ist nicht gegeben, da sie eine Abänderung des im angefochtenen Urteil festgesetzten Unterhaltsbetrags nach oben bzw. nach
unten begehren. Der Streitwert für beide Rechtsmittel ist daher gemäß § 45 Abs. 2, Abs. 1 S. 1, S. 3 GKG zusammenzurechnen und beträgt
5.339,00 EUR.