Urteil des OLG Hamm vom 02.07.2002

OLG Hamm: treu und glauben, fristlose kündigung, fortsetzung des pachtverhältnisses, ordentliche kündigung, hof, berufliche tätigkeit, wichtiger grund, bewirtschaftung, pachtvertrag

Oberlandesgericht Hamm, 10 U 147/01
Datum:
02.07.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 U 147/01
Vorinstanz:
Amtsgericht Schmallenberg, 1 Lw 3/01
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 05.10.2001 verkündete Urteil
des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Schmallenberg wird mit der
Maßgabe zurückgewiesen, daß auf die Anschlußberufung des Klägers
das Urteil wie folgt neu gefaßt wird:
Der Beklagte wird verurteilt, den im Grundbuch von P Blatt 0000
eingetragenen Hof mit der Hofstelle T.Straße in P unter Einschluß von
Gebäuden, Einrichtungen, Anlagen, Inventar und Aufwuchs mit
sämtlichem Zubehör, ausgenommen G1, G2, G3, G4 und außer dem auf
G5 aufstehenden Gebäude zu räumen und an den Kläger
herauszugeben.
Die Kosten der Berufungsinstanz trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinter-legung in Höhe von 250.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der
Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Das Urteil beschwert den Beklagten um mehr als 30.000,00 EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
1
Der Kläger ist Eigentümer des im Grundbuch von P Blatt 0000 - Amtsgericht
Schmallenberg - eingetragenen Grundbesitzes; es handelt sich dabei um einen Hof im
Sinne der Höfeordnung. Die Parteien streiten über die Herausgabe der Hofstelle und
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des überwiegenden Teils der dazugehörigen Grundstücke.
Der Beklagte ist der älteste Sohn des Klägers. Er absolvierte von 1968 bis 1971 eine
landwirtschaftliche Lehre im elterlichen Betrieb. Nach dem erfolgreichen Abschluß
seines forstwirtschaftlichen Studiums war der Beklagte zunächst als Forstreferendar
angestellt und hatte seit dem September 1979 eine Stellung als beamteter Förster im
Staatsforst X inne, die er Ende August 1994 aus zwischen den Parteien streitigen
Gründen aufgab. Während seiner Forstbeamtenzeit schlossen der Beklagte und der
damals fast 65-jährige Kläger unter dem 15.01.1987 einen schriftlichen Pachtvertrag ab.
Danach verpachtete der Kläger seinem Sohn den Hof unter Einschluß von Gebäuden,
Einrichtungen, Anlagen, Inventar und Aufwuchs mit Ausnahme einiger aufgeführter
Flurstücke und mit Ausnahme der Hofstelle T.Straße in P nebst Pferdestall. Als
Pachtzins für den mit einer Gesamtgröße von 76,44 ha angegebenen Hof vereinbarten
die Parteien einen jährlichen Pachtpreis von 5.596,35 DM. Zusätzlich sollte für die
Nutzung der mitverpachteten forstwirtschaftlichen Grundstücke als Pachtpreis die Hälfte
des Betrages an den Kläger gezahlt werden, der dem Beklagten nach Abzug sämtlicher
Betriebsausgaben verblieb. Die Parteien legten unter § 2 des Pachtvertrages fest, daß
der Hof für die Zeit vom 01.01.1987 bis 31.12.1996 verpachtet werde, wobei sich das
Pachtverhältnis stillschweigend jeweils um ein weiteres Jahr verlängere, wenn es nicht
von einer Partei mit halbjährlicher Frist zum Ablauf eines Pachtjahres gekündigt werde.
Nach § 12 Ziff. 1 des Vertrages sollten die bei Pachtbeginn bereits entstandenen
betrieblichen Forderungen und Verbindlichkeiten des Verpächters nicht vom Pächter
übernommen werden. Unter § 21 enthielt der Vertrag vom 15.01.1987 folgende
Regelung:
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"1) Den Vertragsteilen ist bekannt, daß im räumlichen Geltungsbereich der
4
Höfeordnung und bei Verpachtung eines Hofes im Sinne dieses Gesetzes
5
durch die Übergabe der Bewirtschaftung an einen hoferbenberechtigten
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Abkömmling aufgrund dieses Pachtvertrages der Verpächter gehindert ist,
7
eine andere Person als den Pächter zum Hoferben oder Hofübernehmer
8
zu bestimmen, solange das Pachtverhältnis andauert.
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2) In Kenntnis dieser Rechtslage behält sich der Verpächter die andere Hof-
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erbenbestimmung - nicht - vor."
11
Mit Datum vom 20.01.1987 unterzeichneten die Parteien folgende Zusatzerklärung:
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"Dieser Pachtvertrag vom 15.01.1987 wird von uns ... als
Betriebsüberlassungsvertrag angesehen. Es geht insbesondere darum, daß die
Zinsen bei dem Pächter liegen, da der Pächter durch diesen
Betriebsüberlassungsvertrag als der Hoferbe ausgewiesen ist."
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Darüber hinaus unterzeichneten die Parteien mit Datum vom 24.03.1997 eine
"Ergänzung des Pachtvertrages" vom 15.01.1987, in der es u.a. heißt:
14
"Die Vertragsparteien beschließen nachfolgende Vertragsergänzung:
15
...
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§ 19:
17
Der Verpächter ist zur fristlosen Kündigung des Pachtverhältnisses ebenfalls
berechtigt, wenn der Pächter seine Zahlungen einstellt, über sein Vermögen ein
Konkurs oder Vergleichsverfahren beantragt wird und die Anträge nicht innerhalb
von zwei Monaten zurückgenommen sind, ein Konkursverfahren mangels Masse
abgewiesen wird oder sonstige Pfändungsmaßnahmen in das Vermögen des
Pächters erfolgen und diese nicht innerhalb von vier Wochen rückgängig gemacht
worden sind."
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Pachtvertrages und der von den Parteien
unterzeichneten Zusatzerklärungen wird auf die Anlagen zur Klageschrift (Bl. 5 bis 17
d.A.) Bezug genommen.
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Der Beklagte übernahm ab dem Jahr 1987 parallel zu seiner Tätigkeit als Forstbeamter
die Bewirtschaftung des elterlichen Hofes. Er gründete zum 31.07.1991 die W GmbH,
deren Betriebsgegenstand der Handel mit Holz jeglicher Art in verarbeitetem und
unbearbeitetem Zustand ist. Zur Geschäftsführerin wurde zunächst die damalige
Ehefrau des Beklagten H3 bestellt. Im Zuge der Trennung der Eheleute übernahm der
Beklagte selbst unter dem 21.05.1996 die Geschäftsführung der GmbH, deren alleiniger
Gesellschafter er ist. Etwa zur gleichen Zeit kamen die Parteien überein, die auf dem
Hof gelegene G-Mühle umfassend umzubauen. Durch den Aus- und Umbau der Mühle
auf drei Wohnebenen - für den der Kläger als Bauherr stand - sollten zum einen
Unterkünfte für die polnischen Mitarbeiter der W GmbH entstehen, zum anderen eine
neue Wohnung für den Kläger und dessen Ehefrau. Da der Kläger das Bauvorhaben mit
einem Volumen von knapp 1 Mio. DM durch Fremdmittel finanzieren mußte und zur
Absicherung des Kredites seinen Grundbesitz zu belasten hatte, kamen er und der
Beklagte als Geschäftsführer der GmbH überein, die Unterkunftsräumlichkeiten durch
Beherbergungsvertrag entgeltlich der W GmbH zur Verfügung zu stellen. Auf diesem
Hintergrund schlossen der Kläger einerseits und die W GmbH - vertreten durch den
Beklagten - andererseits am 01.01.1997 einen Beherbergungsvertrag, wonach die W
GmbH ein monatliches Entgelt von 8.500,00 DM zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer
an den Kläger zu zahlen hatte. Diese Zahlungen sollten zur Rückführung der für das
Umbauvorhaben seitens des Klägers eingegangenen Kreditverbindlichkeiten dienen. Im
Hinblick auf den Beherbergungsvertrag vereinbarten die Parteien durch schriftlichen
Zusatz vom 11.09.1997, daß die umgebaute G-Mühle rückwirkend zum 01.01.1997 aus
dem Hofpachtvertrag herausfalle und das Wohnhaus an der T.Straße nunmehr in den
Hofpachtvertrag einbezogen werde.
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Seit dem Ende des Jahres 1998 kam es zunehmend zu Meinungsverschiedenheiten
zwischen den Parteien, weil der Beklagte den Verdacht hege, der Kläger wolle seine
Hoferbfolge durch Belastungen und Teilveräußerungen des Hofgrundbesitzes
aushöhlen. Ab dem 2. Quartal 1999 stellte der Beklagte den Zahlungen auf die
übernommenen Altschulden des Klägers ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er in
Absprache mit dem Kläger keinerlei Pacht für den Hof gezahlt, sondern anstatt dessen
die Bedienung der Altverbindlichkeiten übernommen. Ende 1999 ließ der Kläger dem
Beklagten mit Datum vom 27.12.1999 die privatschriftliche Kündigung des
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Pachtvertrages zukommen, die er fristlos und hilfsweise zum 31.12.2000 erklärte.
Nachdem der Beklagte den Hof nicht geräumt und an den Kläger herausgegeben hatte,
hat dieser durch Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 29.12.2000 Räumungsklage
erhoben und dabei erneut die fristlose Kündigung des Pachtvertrages, hilfsweise die
fristgemäße Kündigung zum nächstmöglichen Termin ausgesprochen. Zur Begründung
dieser Kündigungen sowie einer weiteren im Schriftsatz vom 29.03.2001
ausgesprochenen Kündigung und eines am 06.04.2001 notariell beurkundeten
Widerrufs der Wirtschaftsüberlassung, der dem Beklagten im Mai 2001 zugegangen ist,
hat der Kläger folgendes vorgetragen:
22
Der Beklagte sei nicht mehr in der Lage, seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber
Banken, seiner geschiedenen Frau und ihm - dem Kläger - nachzukommen. Wegen der
drückenden Schuldenlast bestehe die berechtigte Befürchtung, daß der Beklagte den
Hof sofort veräußern werde, wenn er Eigentümer würde. Der Beklagte sei nicht
wirtschaftsfähig und in Vermögensverfall geraten; ihm könne daher der Hof nicht
weiterhin überlassen werden.
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Zudem habe der Beklagte ihn - den Kläger - am 13.12.2000 grundlos eine Außentreppe
hinuntergestoßen, wobei er sich mehrfach rücklings überschlagen habe und auf dem
Treppenpodest zum Liegen gekommen sei. Nachdem er - der Kläger - sich am
Treppengeländer wieder hochgezogen habe, sei der Beklagte ihm entgegengekommen
und habe ihn ein zweites Mal hinuntergestoßen. Sodann habe der Beklagte ihn am Hals
gepackt und einen Hammer genommen, um seinen Vater zu erschlagen. Erst das
mutige Einschreiten des Hofknechtes H4 habe Schlimmeres verhindert.
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Der Kläger hat beantragt,
25
den Beklagten zu verurteilen, den im Grundbuch von P Band 0 Blatt 00
eingetragenen Hof unter Einschluß von Gebäuden, Einrichtungen, Anlagen,
Inventar und Aufwuchs mit sämtlichem Zubehör zu räumen und an den Kläger
herauszugeben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Für den Fall des Unterliegens hat er hilfsweise widerklagend beantragt,
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den Kläger zu verurteilen, an ihn 1.996.734,79 DM zu zahlen.
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Der Beklagte hat behauptet, sein Aktivvermögen übersteige die Schulden, die er zu
begleichen habe. Er habe zu keiner Zeit - auch nicht am 13.12.2000 - seinen Vater
tätlich angegriffen oder dessen Eigentum verletzt.
31
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Vorgeschichte und Hintergründe des
Hofpachtvertrages schlössen jedwede Kündigung des Pacht- und
Bewirtschaftungsverhältnisses aus. Es sei schon frühzeitig innerhalb der Familie
festgelegt worden, daß er - der Beklagte - Hoferbe werde. Daran habe er insbesondere
seine Ausbildung und berufliche Tätigkeit ausgerichtet. Spätestens durch den Zusatz
vom Pachtvertrag habe der Kläger ihn formlos und verbindlich zum Hoferben bestimmt.
32
Es seien keine schwerwiegenden Gründe vorhanden, um die
Bewirtschaftungsüberlassung zu widerrufen.
Für den Fall, daß er auf den Klageantrag zur Räumung und Herausgabe verurteilt
werde, hat der Beklagte Widerklage erhoben und hierzu ausgeführt: Er habe
Altschulden seines Vaters in einer Gesamthöhe von 895.529,77 DM bedient. Bereits in
der Zeit vor Abschluß des Pachtvertrages habe er persönlich Zahlungen für laufende
Betriebskosten in Höhe von 75.568,49 DM geleistet. Von 1968 bis 1986 habe er seine
gesamte Arbeitskraft für den Hof eingesetzt, was einem Aufwand an
Facharbeiterstunden im Werte von 229.289,14 DM entspreche. Ab Beginn des
Pachtverhältnisses habe er zugunsten des gepachteten Hofbetriebes 826.826,96 DM
aufgewandt. Schließlich habe er einen Zuschuß zu den Baukosten der G-Mühle in Höhe
von 136.268,96 DM geleistet. Von den Gesamtaufwendungen in Höhe von 1.858.626,06
DM verbleibe unter Abzug des fiktiv geschuldeten Hofpachtzinses und der Beteiligung
des Klägers an den Nettoeinnahmen ein Saldo zu seinen - des Beklagten - Gunsten in
Höhe von 1.691.877,16 DM. Dieser Betrag und die genannten Beträge aus der Zeit vor
der Verpachtung seien Gegenstand der Widerklageforderung.
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Der Kläger hat die mit der Widerklage erhobenen Gegenforderungen dem Grunde und
der Höhe nach bestritten und sich auf die Einrede der Verjährung berufen.
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Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Schmallenberg, an das der Rechtsstreit
durch Verweisungsbeschluß der Zivilprozeßabteilung dieses Gerichtes vom 22.01.2001
verwiesen worden ist, hat zu dem streitigen Vorfall vom 13.12.2000 durch uneidliche
Vernehmung der Zeugen H4, H5, H6, H7, C, T, E, I1 und I2 Beweis erhoben. Wegen
des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift des Landwirtschaftsgerichts vom 12.06.2001 (Bl. 236 ff. d.A.)
Bezug genommen.
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Das Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Schmallenberg hat durch Teilurteil vom
05.10.2001 den Beklagten antragsgemäß verurteilt, den Hof zu räumen und an den
Kläger herauszugeben. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, der Kläger
könne als Eigentümer die Herausgabe des Hofes verlangen, weil das Besitzrecht des
Beklagten aus dem Pachtvertrag infolge fristloser Kündigung erloschen sei. Nach
Vernehmung der Zeugen stehe fest, daß der Beklagte den Kläger am 13.12.2000
zweimal die schmale Holztreppe heruntergeschubst und dadurch seine Verpflichtungen
in einem solchen Maße verletzt habe, daß dem Kläger die Fortsetzung des
Pachtverhältnisses nicht mehr zugemutet werden könne. Der Kläger habe damit den ihn
obliegenden Beweis erbracht, daß das Vertrauensverhältnis zwischen den Parteien
durch Verschulden des Beklagten endgültig zerstört worden sei. Gegen dieses seinem
Prozeßbevollmächtigten am 20.10.2001 zugestellte Teilurteil richtet sich die am
07.11.2001 eingelegte und innerhalb der verlängerten Frist begründete Berufung des
Beklagten, der sich der Kläger angeschlossen hat.
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Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags vertritt der
Beklagte zunächst die Auffassung, das Teilurteil sei wegen der Gefahr
widersprüchlicher Entscheidungen im Hinblick auf die Hilfswiderklage unzulässig. Er
meint, eine ordentliche Kündigung des Pachtvertrages sei wegen der ihm gegebenen
Zusage des Klägers, den Hof übernehmen zu können, ausgeschlossen. Ein wirksamer
Hofübergabevorvertrag hindere die Kündigung des Pacht- und
Bewirtschaftungsverhältnisses unter Berufung auf die vereinbarten
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Kündigungsmöglichkeiten.
Der vom Landwirtschaftsgericht bejahte fristlose Kündigungsgrund sei nicht gegeben,
weil die Beweisaufnahme nicht erbracht habe, daß er - der Beklagte - seinen Vater
tätlich angegriffen und dessen Eigentum beschädigt habe. Die Heranziehung von
Pachtzinsforderungen zur Begründung des Räumungsverlangens sei treuwidrig, da der
Kläger - das ist unstreitig - bis zu den jetzigen Auseinandersetzungen den Pachtzins
über Jahre nicht gefordert habe und dieser deshalb auch nicht gezahlt worden sei.
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Im übrigen sei er - der Beklagte - weder überschuldet noch zahlungsunfähig. Der
Beklagte behauptet hierzu: Zwar sei richtig, daß die Volksbank T am 04.08.2000 auf
seinem Grundbesitz 46 Sicherungshypotheken habe eintragen lassen; dies sei jedoch
lediglich aufgrund einer Vollstreckungsklausel in den Kreditverträgen geschehen, durch
die er sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen habe. Entsprechendes gelte
für die auf seinem Grundbesitz in W Blatt 0000 am 15.08.2000 eingetragene
Zwangssicherungshypothek von 340.000,00 DM. Soweit seine geschiedene Ehefrau H3
auf seinem Grundbesitz in W Blatt 0000 Zwangssicherungshypotheken über 40.480,13
DM und 15.170,00 DM per 20.04.2000 habe eintragen lassen, Pfändungs- und
Überweisungsbeschlüsse und einen Termin zur Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung am 01.06.2001 erwirkt habe, seien die Pfändungsbeschlüsse und die
Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach entsprechenden
Absprachen mit ihr wieder aufgehoben worden. Er - der Beklagte - habe mit allen
Gläubigern Stillhalteabkommen geschlossen, so daß eine Zwangsvollstreckung nicht
drohe. Der Beklagte legt hierzu ein Bestätigungsschreiben der Volksbank T eG vom
29.05.2001 (Bl. 284/347 d.A.) vor.
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Der Beklagte behauptet schließlich, der Kläger habe bis zum Ende des Jahres 2000
immer wieder geäußert, sein ältester Sohn werde den Hof erben. Noch am 17.11.2000
habe er im Rahmen eines Schlichtungsgespräches bei der Sparkasse erklärt, wenn der
Beklagte seine Steuerschuld beim Finanzamt in Höhe von 21.000,00 DM begleiche,
bekomme er den Hof und sei Hoferbe. Im Vertrauen hierauf habe er - der Beklagte - die
Steuerverbindlichkeit seines Vaters bezahlt.
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Der Beklagte vertritt die Auffassung, mit den genannten Äußerungen habe der Kläger
die Geltendmachung der Zwangsvollstreckungsmaßnahmen als Kündigungsgrund
verwirkt; die getroffenen Stillhalteabkommen kämen der Aufhebung der bestehenden
Zwangsmaßnahmen im Sinne von § 19 des Pachtvertrages gleich.
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Der Beklagte beantragt,
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unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts
Schmallenberg vom 05.10.2001 die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
45
Im Wege der Anschlußberufung beantragt er,
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wie erkannt.
47
Der Kläger verteidigt unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens das
ergangene Teilurteil und meint, der Pachtvertrag sei bereits durch ordentliche
Kündigung beendet worden. Er hält hilfsweise die fristlosen Kündigungen des
Pachtvertrages aus verschiedenen Gründen für gerechtfertigt. Wegen des
diesbezüglichen Klägervorbringens wird auf die Schriftsätze vom 14.05.2002 (zu III. bis
V.) und vom 17.06.2002 Bezug genommen. Der Kläger vertritt die Auffassung, die
Kündigung des Pacht- und Bewirtschaftungsüberlassungsvertrages sei als Geschäft
unter Lebenden unabhängig von einer etwaigen Hoferbenbestimmung möglich, die
vorliegend aber auch nicht getroffen worden sei. Der väterliche Betrieb mit nur ca. 60 ha
Waldfläche habe bei der beruflichen und wirtschaftlichen Betätigung des Beklagten
keine maßgebliche Rolle gespielt. Vielmehr sei Ergebnis des vom Beklagten seit 1994
betriebenen groß angelegten Ankaufs von Waldflächen ohne ausreichendes
Eigenkapital zu erhöhten Preisen, daß dieser nunmehr vor dem finanziellen Ruin stehe.
Ihm - dem Kläger - sei nicht zumutbar, den seit dem 16. Jahrhundert in Familienbesitz
stehenden Hof seinem Sohn mit dem Ergebnis zukommen zu lassen, daß dessen
Gläubiger auf das Hofesvermögen zugriffen.
48
Zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Räumungsvollstreckung hinsichtlich des
Pachtobjektes müsse der erstinstanzliche Tenor konkretisierend neu gefaßt werden.
49
Der Beklagte beantragt,
50
die Anschlußberufung zurückzuweisen.
51
Im Senatstermin am 02.07.2002 hat der Kläger zu Protokoll erklären lassen, die
Kündigungserklärungen und das Räumungsbegehren in diesem Verfahren würden nicht
mehr auf das Vorliegen eines Zahlungsrückstandes seitens des Beklagten gestützt.
52
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen
Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom
02.07.2002 ergänzend Bezug genommen.
53
Der Senat hat die Grundakten zum Grundbuch von P Blatt 0000 - AG Schmallenberg -,
X1 Blatt 0000 - AG Medebach -, X2 Blatt 0000 - AG Brilon -, C Blatt 0000 - AG
Schmallenberg -, P Blatt 0000 - AG Schmallenberg - und P Blatt 0000 - AG
Schmallenberg -, die Akten 10 U 144/01 - OLG Hamm -, 3 C 141/99 - AG Schmallenberg
- sowie die Strafakten 452 Js 501/01, 242 Js 264/02 und 170 Js 127/01 - StA Arnsberg -
beigezogen; diese haben zur Unterrichtung des Senates vorgelegen und sind
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
54
Entscheidungsgründe:
55
I.
56
Die Rechtsmittel sind zulässig.
57
Das Landwirtschaftsgericht hat durch Teilurteil entschieden; dagegen hat der Beklagte
form- und fristgerecht das der äußeren Form der Vorentscheidung entsprechende
Rechtsmittel eingelegt, dem sich der Kläger mit seiner Anschlußberufung
angeschlossen hat.
58
Es kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, ob es sich bei dem
streitgegenständlichen Räumungs- und Herausgabeverlangen um eine streitige
Landwirtschaftssache im Sinne der §§ 1 Ziffer 1 a), 48 LwVG handelt, die eine
Anwendung der ZPO durch das Landwirtschaftsgericht rechtfertigte. Selbst dann, wenn
das durch bindenden Verweisungsbeschluß vom 22.01.2001 (§§ 12 Abs. 2 S. 2, Abs. 1
S. 3 LwVG, 281 Abs. 2 S. 5 ZPO) zuständig gewordene Landwirtschaftsgericht im
Verfahren für Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch (Teil-) Beschluß
hätte erkennen müssen, stand den Parteien nach dem Grundsatz der
Meistbegünstigung sowohl das bei fehlerfreiem Verfahren statthafte Rechtsmittel der
sofortigen Beschwerde, als auch dasjenige Rechtsmittel zu, das sich aus der Fassung
der anzufechtenden Entscheidung ergibt, - hier also die Berufung.
59
II.
60
Nachdem beide Parteien das der äußeren Form der Vorentscheidung entsprechende
Rechtsmittel eingelegt haben, besteht für den Senat keine Veranlassung, das Verfahren
in ein solches der freiwilligen Gerichtsbarkeit überzuleiten, zumal die prozessualen
Rechte der Beteiligten durch die Beibehaltung der Verfahrensweise nach der
Zivilprozeßordnung nicht beeinträchtigt werden. Dafür spricht auch folgendes:
61
Die auch den Senat gem. § 17 a Abs. 5 GVG analog bindende Abgabe an das
Landwirtschaftsgericht (BGH WM 1996, 1198, 1199) erfolgte ohne Begründung (Bl. 15 d.
A.). Das FGG-Verfahren gilt für die in § 1 Nr. 1 LwVG genannten Fällen, in denen mit
Hilfe des Gerichts unter Anwendung der Grundsätze der Amtsermittlung der
Landpachtvertrag ergänzt oder abgeändert werden soll. Die Räumungsklage fällt nicht
hierunter. Bei ihr handelt es sich um eine streitige Landpachtsache im Sinne der §§ 48
Abs. 1 S. 1, 1 Nr. 1 a LwVG, für die das ZPO-Verfahren gilt. Da im vorliegenden Fall auf
die Räumung von land- und fortwirtschaftlichem Grundbesitz geklagt wird, hält es der
Senat es zumindest in entsprechender Anwendung der letztgenannten Vorschriften für
gerechtfertigt, den Rechtsstreit im ZPO-Verfahren durchzuführen, auch wenn es sich bei
dem Pachtvertrag möglicherweise nicht um einen Landpachtvertrag im Sinne der §§ 1
Nr. 1 a LwVG, 585 BGB handeln sollte, weil bei ca. 16 ha landwirtschaftlicher
Nutzfläche und ca. 60 ha forstwirtschaftlicher Nutzfläche die Forstwirtschaft überwogen
haben kann.
62
III.
63
In der Sache hat die Berufung des Beklagten keinen Erfolg. Die Anschlußberufung des
Klägers führt zu der mit ihr beantragten Konkretisierung des Urteilstenors.
64
1.
65
Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Der Beklagte ist gemäß §§ 985, 596 Abs.
1 BGB verpflichtet, den vom Kläger angepachteten Hof nach Beendigung des
Pachtverhältnisses zurückzugeben.
66
Der Kläger hat das im Jahre 1987 begründete Pacht- und Bewirtschaftungsverhältnis
der Parteien jedenfalls durch den im vorliegenden Rechtsstreit mehrfach erklärten
fristlosen Kündigungsausspruch und den entsprechenden Widerruf der
Bewirtschaftungsüberlassung durch notarielle Erklärung vom 06.04.2001 beenden
können.
67
Für die Beendigung des Pacht- und Bewirtschaftungsvertrages ist dabei zunächst ohne
Belang, ob der Kläger in der Vergangenheit gemäß §§ 6 Abs. 1 Ziff. 1), 7 Abs. 2 HöfeO
eine formlos bindende Hoferbenbestimmung zugunsten des Beklagten vornahm. Denn
die genannten Vorschriften der Höfeordnung binden den Hofeigentümer gegenüber dem
wirtschaftenden Abkömmling nur hinsichtlich der Verfügungsfreiheit von Todes wegen.
Seine Verfügungs- und Handlungsfreiheit unter Lebenden ist - auch im Falle der formlos
bindenden Hoferbenbestimmung - nicht beschränkt (vgl. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery,
Höfeordnung, 10. Aufl., § 6, Rdz. 11; Wörmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 7.
Aufl., § 7, Rdz. 43).
68
Es kann darüber hinaus dahinstehen, ob - wie der Beklagte meint - infolge mündlicher
Zusagen des Klägers in der Vergangenheit und der Bewirtschaftungsüberlassung ein
Hofübergabevorvertrag zustandegekommen ist, der den Kläger schon jetzt hindere,
seinem ältesten Sohn durch ordentliche Kündigung die Bewirtschaftung des Hofes zu
entziehen. Selbst wenn man vorliegend zugunsten des Beklagten einen derartigen
Hofübergabevorvertrag unterstellen würde, wäre dieser jedenfalls durch die fristlosen
Kündigungen des Klägers beendet worden. Es ist anerkannten Rechts, daß selbst dann,
wenn die Übertragung der Hofbewirtschaftung unter Lebenden unwiderruflich gewollt
war und dies zum Ausdruck gekommen ist, der Hofeigentümer seinem Abkömmling die
Bewirtschaftung aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung entziehen kann (vgl.
Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, a.a.O., m.w.N. zur Rechtsprechung). Auch die Berufung
des Beklagten stellt eine solche außerordentliche Beendigungsmöglichkeit aus
wichtigem Grund nicht grundsätzlich in Abrede.
69
Als wichtiger Grund sind in erster Linie die bei der Übertragung der Bewirtschaftung
festgelegten oder vorbehaltenen Gründe anzusehen (vgl. Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery,
a.a.O.). Hier hatten die Parteien in § 19 Ziff. 2) des Pachtvertrages in Anlehnung an
allgemein anerkannte Rechtsgrundsätze die fristlose Kündigungsmöglichkeit für den
Fall vorgesehen, daß durch das Verhalten des jeweils anderen Vertragsteils das
Vertrauensverhältnis so nachhaltig zerrüttet ist, daß dem Kündigenden die Fortsetzung
des Pachtverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. In Ergänzung dieser
Regelung war von den Parteien in dem vom 24.03.1987 datierenden Vertragszusatz die
fristlose Kündigung seitens des Verpächters insbesondere für den Fall vorgesehen
worden, daß "sonstige Pfändungsmaßnahmen in das Vermögen des Pächters erfolgen
und diese nicht innerhalb von 4 Wochen rückgängig gemacht worden sind". Diese
Voraussetzungen lagen bei Ausspruch der im Laufe des Rechtsstreites erklärten
fristlosen Kündigungen vor.
70
Der Beklagte hat zwischenzeitlich eingeräumt, daß am 04.08.2000 auf seinem
Grundbesitz 46 Sicherungshypotheken zugunsten der Volksbank T eG im Wege der
Zwangsvollstreckung aus vollstreckbaren Notarurkunden eingetragen worden sind.
Entsprechendes gilt für die über 340.000,00 DM lautende Zwangssicherungshypothek
zugunsten der Volksbank, die am 15.08.2000 eingetragen wurde. Unstreitig ist
desweiteren der Eintrag zweier Zwangssicherungshypotheken zugunsten der
geschiedenen Ehefrau des Beklagten unter dem 20.04.2000 in einer Gesamthöhe von
ca. 45.500,00 DM, - ebenfalls aufgrund vollstreckbarer Notarurkunden. Die Eintragung
der genannten Zwangssicherungshypotheken stellte zweifelsohne im Sinne der
Pachtvertragsergänzung vom 24.03.1987 eine "Pfändungsmaßnahme in das Vermögen
des Pächters" dar, die - angesichts ihres Fortbestehens noch zum Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung vor dem Senat - weit länger als 4 Wochen andauerte.
71
Der Beklagte kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg darauf berufen, es
handele sich sämtlich um Zwangshypotheken, die aufgrund einer freiwilligen
Unterwerfung seinerseits gegenüber den jeweiligen Gläubiger eingetragen worden
seien. Wie schon die gesetzliche Regelung in § 794 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO zeigt, findet die
Zwangsvollstreckung
Schuldner wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen
Zwangsvollstreckung unterworfen hat. Wie zudem aus § 866 Abs. 1 ZPO folgt, ist die
Eintragung einer Sicherungshypothek Maßnahme der
Zwangsvollstreckung
Grundstück. Der Beklagte sieht sich mithin seit annähernd zwei Jahren
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger in nicht unerheblichem Umfange in
seinen Grundbesitz ausgesetzt.
72
Daß die Pfandgläubiger - wie der Beklagte geltend gemacht hat - mit ihm
Stillhalteabkommen geschlossen haben und derzeit nicht beabsichtigen, aus den zu
ihren Gunsten eingetragenen Sicherungshypotheken vorzugehen, ändert an der
bedrohlichen finanziellen Situation des Beklagten nichts. Solange die
Zwangssicherungshypotheken im Grundbuch eingetragen sind, können die
Grundpfandgläubiger die zwangsweise Befriedigung ihrer vollstreckbaren Forderungen
erwirken, ohne daß der Beklagte dies als Schuldner verhindern könnte. Der Beklagte
war und ist darüber hinaus nach seinem eigenen Vorbringen gar nicht in der Lage, die
im Sommer des Jahres 2000 eingetragenen Zwangssicherungshypotheken durch
Befriedigung der beiden Gläubiger der Löschung zuzuführen. Nach seiner im
beigezogenen Parallelverfahren 10 U 144/01 unter dem 16.01.2002 abgegebenen
eidessattlichen Versicherung sind seine Kreditlinien bei sämtlichen Banken
ausgeschöpft und verfügt auch die von ihm betriebene W GmbH über keinerlei freies
Vermögen mehr. Im Geschäftsjahr 2000 - dem Jahr der Eintragung der
Zwangshypotheken - habe der Gewinn der W GmbH ca. 60.000,00 DM betragen. Von
ihr hänge seine persönliche wirtschaftliche Existenz ab; aus der Bewirtschaftung des
elterlichen Hofes würden keine Gewinne erzielt. Er lebe ausschließlich von dem
Geschäftsführergehalt aus der W GmbH.
73
Bei deser Sachlage - die der Beklagte auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung
durch den Senat bestätigt hat - bestand unabhängig von den finanziellen Auswirkungen
des vorliegenden Rechtsstreits auf den Beklagten keinerlei Aussicht, daß dieser bei
Eintragung der Zwangssicherungshypotheken oder in den nachfolgenden Monaten bis
zur Klageerhebung aus eigenen Mitteln die Zwangsvollstreckungsmaßnahmen hätte
abwehren können. Der Beklagte war und ist vielmehr auf das bloße unverbindliche
Entgegenkommen seiner Grundpfandgläubiger angewiesen, will er nicht sein
Grundeigentum durch Zwangsversteigerung verlieren.
74
Der Kläger ist schließlich nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, die
vorgenannten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen seines Sohnes zum
Anlaß zu nehmen, die fristlose Kündigung des Pacht- und
Bewirtschaftungsverhältnisses zu erklären. Insbesondere seine angeblichen
Äußerungen Ende des Jahres 2000, der Beklagte sei sein Hoferbe, stehen nicht der
Berechtigung entgegen, sich auf schon seinerzeit bestehende
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen als wichtigen Kündigungsgrund berufen zu dürfen.
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Der Beklagte hat schon nicht vorgetragen, daß und in welchem Umfange
dem Kläger
bei Tätigung der entsprechenden Hoferben-Zusage der Bestand der
76
Zwangssicherungshypotheken zu Lasten des Grundbesitzes seines Sohnes überhaupt
bekannt war. Hatte der Kläger nämlich keine Kenntnis von dem erheblichen Umfang der
eingeleiteten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, konnte einer Zusage der Hoferbfolge
aus verständiger Sicht des Beklagten nicht entnommen werden, es werde auf die
fristlose Kündigung wegen anhaltender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nach § 19
des Pachtvertrages verzichtet.
Ob der Kläger zu dem Zeitpunkt Ende des Jahres 2000, als er den Beklagten als seinen
Hoferben bezeichnet haben soll, von dessen finanziellen Schwierigkeiten im
allgemeinen wußte, kann dahinstehen. Eine Zusage der Hoferbfolge trotz allgemein
bekannter wirtschaftlicher Schwierigkeiten seines Sohnes hinderte den Kläger nach
Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht, bei Bekanntwerden konkreter umfangreicher
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in den Grundbesitz von dem für diesen Fall
vereinbarten außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
77
Sah und sieht sich der Beklagte mithin - unabhängig von den ansonsten bestehenden
umfänglichen Grundbuchbelastungen - seit annähernd zwei Jahren der drohenden
Zwangsversteigerung seines Grundeigentums ausgesetzt, kann dem Kläger nicht
zugemutet werden, es bei der Bewirtschaftungsüberlassung auf der Basis des
Pachtvertrages vom 01.01.1987 zu belassen. Es liegt insoweit auf der Hand, daß bei der
nach Auffassung des Beklagten ihm geschuldeten Eigentumsübertragung der unstreitig
seit Jahrhunderten im Familienbesitz stehende Hof dem Gläubigerzugriff ausgesetzt
wäre und zum Zwecke der Gläubigerbefriedigung verwertet werden müßte. Auf diesem
Hintergrund kann dem Kläger das Recht zur fristlosen Beendigung selbst einer auf
Dauer angelegten Bewirtschaftung im Rahmen eines Hofübergabevorvertrages nach
Treu und Glauben nicht abgesprochen werden.
78
2.
79
Der Senat ist durch die von dem Beklagten hilfsweise erhobene Widerklage nicht daran
gehindert, das ergangene Teilurteil des Landwirtschaftsgerichts hinsichtlich des
Räumungs- und Herausgabeverlangens im Ergebnis zu bestätigen.
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Zwar weist die Berufung zu Recht darauf hin, daß ein Teilurteil nach § 301 ZPO nur
dann zulässig ist, wenn nicht die Gefahr besteht, daß es im Teil- und Schlußurteil zu
widersprüchlichen Entscheidungen kommt, wobei die Möglichkeit einer abweichenden
Entscheidung im Instanzenzug einzubeziehen ist. Jedoch besteht vorliegend eine
derartige Gefährdung jedenfalls nach der ausdrücklichen Erklärung des Klägervertreters
zu Protokoll im Senatstermin am 02.07.2002 nicht. Nachdem der Kläger über seinen
Bevollmächtigten im Senatstermin ausdrücklich erklärt hat, sein Räumungsbegehren
nicht
diesbezügliche Streitstoff zwar ggfls. für den anhängigen Rest-Streit von Relevanz, -
unter keinem denkbaren Gesichtspunkt aber für das hier zur Entscheidung stehende
Räumungsbegehren. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen - sei es auch nur zu
Vorfragen - besteht nicht.
81
IV.
82
Die Anschlußberufung des Klägers hat Erfolg. Zur Gewährleistung eines hinreichend
vollstreckungsfähigen Urteilsausspruches bedurfte der zur Räumung und Herausgabe
verpflichtende Urteilstenor in dem erkannten Umfange der Konkretisierung.
83
V.
84
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 97, 708 Ziff. 10, 711, 546
Abs. 2 a.F. ZPO, 26 Ziff. 8 EGZPO.
85
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche
Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
86