Urteil des OLG Hamm vom 21.04.2010

OLG Hamm (zpo, höhe, abänderungsklage, unterhalt, abänderung, vergleich, erwerbstätigkeit, begründung, bezug, einkünfte)

Oberlandesgericht Hamm, II-8 UF 29/10
Datum:
21.04.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
8. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
II-8 UF 29/10
Vorinstanz:
Amtsgericht Borken, 32 F 122/09
Normen:
Art. 111 Abs. 1 FGG-Reformgesetz, § 323 Abs. 2 ZPO
Leitsätze:
1. Für die Frage, ob das bis zum 31.8.2009 geltende Verfahrensrecht
oder das FamFG anwendbar ist, kommt es allein auf den Eingang des
verfahrenseinleitenden Schriftsatzes an, unabhängig davon, ob es sich
um einen Prozesskostenhilfeantrag mit Klageschrift oder nur um eine
durch die Prozesskostenhilfebewilligung bedingte Klage handelt.
2. Ist in einem Vorprozess die Abänderungsklage des
Unterhaltspflichtigen hinsichtlich eines früheren gerichtlichen
Vergleiches abgewiesen worden, so gilt die Präklusionsvorschrift des §
323 Abs. 2 ZPO für die nunmehr erhobene Abänderungsklage des
Unterhaltsberechtigten nicht.
Tenor:
Die als Berufung auszulegende Beschwerde des Beklagten gegen den
am 7. Januar 2010 verkündeten Beschluss des Amtsgerichts –
Familiengericht – Borken wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:
1.
Die angefochtene Entscheidung ist nicht als Beschluss, sondern als
Urteil zu be¬zeichnen.
2.
In der Urteilsformel muss es zu Ziffer 1. und 2. statt Antragstellerin
Klägerin und statt Antragsgegner Beklagter heißen.
3.
Die Entscheidung zu Ziff. 3. der angefochtenen Entscheidung ist wie
folgt zu erset¬zen:
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens der
Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem
Urteil zu voll-streckenden Betra¬ges abzuwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Voll-streckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Kosten der Berufung werden dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e :
1
I.
2
Die Parteien streiten über die Abänderung eines Vergleichs betreffend den
nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab März 2009.
3
Die am 15.05.1950 geborene Klägerin und der am 13.02.1943 geborene Beklagte
hatten am 30.10.1984 die Ehe geschlossen, aus der der am 08.12.1987 geborene Sohn
C hervorgegangen ist. Im März 1998 trennten sich die Parteien; ihre Ehe wurde durch
Urteil vom 08.09.2000 - rechtskräftig seit demselben Tage - geschieden.
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Die Klägerin hatte eine Ausbildung zur Apothekenhelferin absolviert, in diesem Beruf
aber nur bis zu ihrem 23. Lebensjahr gearbeitet. Seit diesem Zeitpunkt war sie nicht
mehr erwerbstätig, und zwar zunächst im Hinblick auf ihre erste Ehe - die von 1973 bis
1984 dauerte - und die aus jener Ehe in den Jahren 1972 und 1973 hervorgegangenen
Kinder. Vielmehr kümmerte sich die Klägerin ausschließlich - in beiden Ehen - um den
Haushalt und die Kindererziehung.
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Der Beklagte war als Lehrer tätig und wurde nach der Besoldungsgruppe A12 besoldet;
zum 01.09.2003 wurde er wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand
versetzt.
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Im Rahmen des Scheidungsverbundverfahrens schlossen die Parteien am 08.09.2000
einen Vergleich, wonach sich der Beklagte verpflichtete, an die Klägerin nachehelichen
Unterhalt in Höhe von insgesamt 1.599,90 DM (= 818,02 €) monatlich zu zahlen, wovon
1.460,00 DM (= 746,49 €) auf den Elementarunterhalt und 139,90 DM (= 71,53 €) auf
den Krankenvorsorgeunterhalt entfielen. Die Parteien vereinbarten ferner, dass eine
vollständige Neuberechnung des Elementarunterhalts dann erfolgen solle, sobald die
Klägerin entweder keine Leistungen des Arbeitsamtes beziehe oder eigene Einkünfte
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aufgrund einer Erwerbstätigkeit erziele. Zur damaligen Zeit war die Klägerin arbeitslos
und bezog ein Übergangsgeld durch das Arbeitsamt.
Mit der im Vorprozess erhobenen Abänderungsklage vom 27.02.2008 (32 F 40/08 AG
Borken = 8 UF 76/09 OLG Hamm) begehrte der jetzige Beklagte die Abänderung des
Vergleichs vom 08.09.2000 dahingehend, dass seine Verpflichtung zur Zahlung
nachehelichen Unterhalts ab Januar 2008 entfalle. Zur Begründung führte er an, dass
die jetzige Klägerin nunmehr verpflichtet sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Irgendwelche dahingehende Bemühungen habe sie jedoch nicht unternommen. Auch
seien keinerlei ehebedingte Nachteile auf Seiten der jetzigen Klägerin festzustellen.
Demgegenüber verwies die jetzige Klägerin darauf, dass inzwischen in mehreren
Gutachten festgestellt worden sei, dass sie wegen Bandscheibenvorfällen und einer
psychischen Erkrankung nicht mehr erwerbsfähig sei. Ihr Antrag auf
Erwerbsminderungsrente sei allein deshalb zurückgewiesen worden, weil hierfür die
weiteren rentenrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt gewesen seien. Das daraufhin
vom Amtsgericht eingeholte neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten
vom 10.01.2009 gelangte zu dem Ergebnis, dass die jetzige Klägerin an einer
chronifizierten depressiven Störung, rezidivierenden Wirbelsäulenbeschwerden mit
nachgewiesenenen degenerativen Bandscheibenschäden im Bereich der
Halswirbelsäule und Lendenwirbelsäule sowie Kokzygodynie - einer Schmerz- und
Druckempfindlichkeit im Bereich des Steißbeins- leide. Aufgrund dieser Erkrankung sei
sie - so das Gutachten - bereits im Zeitpunkt der Scheidung und auch in der Folgezeit
durchgehend nicht in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dies
gelte auch als Prognose für die Zukunft. Dementsprechend wies das Amtsgericht durch
Urteil vom 19.03.2009 die Abänderungsklage des jetzigen Beklagten ab und führte zur
Begründung im Wesentlichen aus, dass der Ausgangsvergleich vom 08.09.2000 gerade
keine Vergleichsgrundlagen enthalte, sondern nur eine Vereinbarung des Inhalts, dass
eine vollständige Neuberechnung des Elementarunterhalts für den Fall vorgenommen
werden solle, dass die jetzige Klägerin keine Leistungen des Arbeitsamtes mehr
beziehe oder eigene Einkünfte aufgrund einer Erwerbstätigkeit erziele. Dies habe zur
Folge, dass eine Bindung an irgendwelche Vergleichsgrundlagen ausgeschlossen und
der Unterhalt dem Grunde und der Höhe nach neu zu berechnen sei. Die Bedingung, an
welche die Parteien eine solche vollständige Neuberechnung geknüpft hätten, nämlich
dass die (jetzige) Klägerin keine Leistungen des Arbeitsamtes mehr beziehe und auch
keine Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erziele, sei vorliegend gerade eingetreten.
Der (jetzige) Beklagte schulde der Klägerin weiterhin ab Januar 2008 nachehelichen
Unterhalt gem. § 1572 BGB jedenfalls in Höhe des titulierten Betrages. Nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich fest, dass die (jetzige) Klägerin bereits bei
Scheidung der Parteien erwerbsunfähig gewesen sei und dass ihre Erwerbsunfähigkeit
weiterhin andauere. Sodann führte das Amtsgericht eine Unterhaltsberechnung durch,
wonach es sogar zu einem Unterhaltsanspruch der (jetzigen) Klägerin in Höhe von
1.051,19 € gelangte. Schließlich nahm das Amtsgericht an, dass dieser
Unterhaltsanspruch auch nicht der Höhe nach zu begrenzen oder zu befristen sei, weil
die (jetzige) Klägerin nämlich ehebedingte Nachteile erlitten habe. Gegen diese
Entscheidung legte der Beklagte zwar zunächst Berufung ein; diese nahm er jedoch im
August 2009 - nach Zurückweisung seines Prozesskostenhilfeantrages durch den Senat
- noch vor dem anberaumten Senatstermin zurück.
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Bereits im März 2009 hatte die Klägerin - entsprechend dem erstinstanzlichen Urteil im
Vorprozess -, den Beklagten aufgefordert, ab April 2009 nachehelichen Unterhalt in
Höhe von 1.051,19 € zu zahlen. Im vorliegenden Verfahren hat sie sodann zunächst
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eine Zahlungsklage auf Zahlung weiteren nachehelichen Unterhalts in Höhe von
monatlich 225,19 € ab April 2009 erhoben, die sie nach einem dahingehenden Hinweis
des Amtsgerichts sodann auf einen Abänderungsantrag umstellte. Sie hat geltend
gemacht, dass sie mit ihrem Abänderungsbegehren nicht gem. § 323 Abs. 2 ZPO
präkludiert sei, weil es nicht um die Abänderung des Urteils im Vorprozess, sondern des
ursprünglichen Vergleichs vom 08.09.2000 gehe. Dies ergebe sich auch daraus, dass
der ursprüngliche Vergleich durch das Urteil des Amtsgerichts im Vorprozess gerade
nicht abgeändert worden sei.
Der Beklagte ist dem Klagebegehren entgegengetreten und hat sich darauf berufen,
dass die Klägerin mit ihrem Abänderungsbegehren gem. § 323 Abs. 2 ZPO präkludiert
sei. Denn die Tatsachen, die nunmehr zu einer Erhöhung des nachehelichen Unterhalts
führen könnten, seien bereits im Vorprozess bekannt gewesen und hätten deshalb
bereits in diesem von der jetzigen Klägerin geltend gemacht werden müssen. Dies gelte
ungeachtet des Umstandes, dass die jetzige Klägerin im Vorprozess
Abänderungsbeklagte gewesen sei. Ihr hätte nämlich die Möglichkeit zur Verfügung
gestanden, eine Abänderungswiderklage zu erheben. Bei den Umständen, die zur
Erhöhung des nachehelichen Unterhalts führen könnten, handele es sich auch um
klagebegründende Tatsachen, die im Unterschied zu solchen Tatsachen, die lediglich
der Verteidigung des Ausgangstitels dienten, der Präklusionswirkung des § 323 Abs. 2
ZPO unterlägen.
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Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, dass vorliegend nach Art. 111 Satz 1
FGG-Reformgesetz das FamFG anwendbar sei, weil vor dem 01.09.2009 lediglich ein
Prozesskostenhilfeantrag und ein - durch die Bewilligung von Prozesskostenhilfe
bedingter - Klageantrag eingereicht worden sei. Ein unbedingter Klageantrag habe
indes erst nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - und zwar nach dem
01.09.2009 - vorgelegen. Dementsprechend hat das Amtsgericht über den
Abänderungsantrag der Klägerin durch Beschluss entschieden. In diesem hat es den
Vergleich vom 08.09.2000 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte ab März 2009
an die Klägerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.044,00 € monatlich und ab
Januar 2010 in Höhe von 1.025,00 € monatlich zu zahlen habe; das weitergehende
Abänderungsbegehren hat es zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht im
Wesentlichen ausgeführt, dass maßgeblich auf § 239 FamFG abzustellen sei.
Vorliegend werde nämlich von der Klägerin die Abänderung eines Vergleichs verfolgt,
weil das klageabweisende Urteil im Vorprozess den ursprünglichen Titel - nämlich den
Vergleich vom 08.09.2000 - nicht verändert habe. Die Klägerin habe auch Tatsachen
vorgetragen, die die begehrte Änderung weitgehend rechtfertigen würden.
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Gegen diese Entscheidung des Amtsgerichts hat der Beklagte - entsprechend der
Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Beschlusses - Beschwerde beim Amtsgericht
eingelegt, die jedoch noch innerhalb der Monatsfrist an das Oberlandesgericht
weitergeleitet worden ist. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die
Abänderungsklage der Klägerin unzulässig, jedenfalls aber unbegründet sei. Ein
Abänderungsantrag sei nämlich nur insoweit zulässig, als er auf Gründe gestützt werde,
die erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung - in der eine Erweiterung des
Antrags oder die Geltendmachung von Einwendungen spätestens hätte erfolgen
müssen - entstanden seien. Dabei komme es grundsätzlich nicht auf die
Beteiligtenstellung oder auf die Zielrichtung des Vorverfahrens an. Vielmehr seien beide
Beteiligten des Vorverfahrens gehalten gewesen, ihre Rechtsposition bereits in jenem
Verfahren zur Geltung zu bringen. Anderenfalls bestünde die Gefahr einer
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Verdoppelung von Verfahren über den gleichen Lebenssachverhalt, was auch einander
widersprechende Entscheidungen zur Folge haben könne. Dementsprechend sei die
Klägerin gehalten gewesen, ihr Begehren bereits im Vorprozess im Wege der
Abänderungswiderklage geltend zu machen.
Demgegenüber verteidigt die Klägerin die angefochtene Entscheidung mit näheren
Ausführungen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den
Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
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Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist vorliegend gem. Art. 111 Abs. 1 Satz 1
FGG-Reformgesetz nicht das FamFG, sondern das bis zum 31.08.2009 geltende Recht
anzuwenden. Dies beruht darauf, dass das vorliegende Verfahren vor dem 01.09.2009
eingeleitet worden ist oder jedenfalls die Einleitung beantragt worden ist, wie es die
genannte Vorschrift verlangt. Bei der Auslegung des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-
Reformgesetz ist zunächst zu beachten, dass der Gesetzgeber ein einfaches Kriterium
dafür aufstellen wollte, ob sich das Verfahren (und zum Teil auch die materiell-rechtliche
Beurteilung) nach altem oder neuem Recht richten soll. Dies gilt namentlich auch vor
dem Hintergrund, dass die Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht auch von
nicht volljuristisch ausgebildeten Mitarbeitern der Gerichte bewerkstelligt werden soll.
Dies legt es nahe, für die Abgrenzung allein auf den Eingang des ersten Schriftsatzes,
der zu einem Verfahren führt, abzustellen. Dies ist vorliegend der Schriftsatz vom
13.08.2009, der als "Antrag auf Prozesskostenhilfe und Klage" bezeichnet worden ist.
Wären demgegenüber eingehende rechtliche Überlegungen erforderlich, insbesondere
ob es sich sogleich um einen Prozesskostenhilfeantrag mit Klageschrift oder etwa nur
um eine durch die Prozesskostenhilfebewilligung bedingte Klage handelt, würde der
Normzweck des Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz zum Teil verfehlt. Auch
könnten sich z.T. nicht unerhebliche rechtliche Probleme geben, wenn man der
Auffassung des Amtsgerichts folgte. Denn danach wäre vorliegend für den
Prozesskostenhilfeantrag das bis zum 31.08.2009 geltende Recht anwendbar, während
für die Hauptsache das neue Recht gelten würde. Hieraus könnten sich im Einzelfall
durchaus Unterschiede bei den Erfolgsaussichten des Begehrens ergeben, was
keineswegs im Sinne einer einfachen Handhabung der Übergangsvorschrift liegen
kann.
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Da somit auf den vorliegenden Fall das bis zum 31.08.2009 geltende Recht anwendbar
ist, ist das Rechtsmittel des Beklagten als Berufung zu behandeln; zudem hatte der
Senat - wie in der Tenorierung erfolgt - die Entscheidungsform des Amtsgerichts (mit
den entsprechenden Konsequenzen bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit) von einem
Beschluss in ein Urteil zu verändern.
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Hinsichtlich der als Berufung zu behandelnden Beschwerde des Beklagten ergeben
sich keine Zulässigkeitsprobleme, weil das Rechtsmittel jedenfalls innerhalb der
Berufungsfrist gem. § 517 ZPO noch an das Oberlandesgericht weitergeleitet worden ist.
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In der Sache ist die Berufung jedoch nicht begründet. Denn das Amtsgericht hat zu
Recht die Präklusionsvorschrift des § 323 Abs. 2 ZPO (die § 238 Abs. 2 FamFG
entsprechen würde) nicht angewandt. Insoweit wird zunächst zur Vermeidung von
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Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts (wenn auch
bezogen auf §§ 238, 239 FamFG) Bezug genommen. Ergänzend ist insoweit lediglich
auf Folgendes hinzuweisen:
Zutreffend ist zwar die Auffassung des Beklagten, dass bei mehreren
aufeinanderfolgenden Abänderungsprozessen grundsätzlich für die Präklusionswirkung
des § 323 Abs. 2 ZPO auf den Schluss der Tatsachenverhandlung des letzten
Verfahrens abzustellen ist und dass auch der Gegner des früheren
Abänderungsprozesses grundsätzlich gehalten ist, seine gegenläufigen Rechte - im
Wege der Abänderungswiderklage - im Rahmen des vorangegangenen
Abänderungsprozesses geltend zu machen (vgl. dazu BGH FamRZ 1998, 99 ff.). § 323
Abs. 2 ZPO soll nämlich sicherstellen, dass nicht gesonderte Abänderungsverfahren für
Erhöhungs- und Herabsetzungsverlangen, von denen jeweils der gleiche Zeitraum
betroffen ist, zur Verfügung stehen, sondern dass der Einfluss veränderter Umstände auf
den titulierten Unterhaltsanspruch in einem einheitlichen Verfahren nach beiden Seiten
hin geklärt wird. Würde man demgegenüber zulassen, dass bei einer Aufeinanderfolge
von Abänderungsverfahren mit entgegengesetzter Zielrichtung in jedem Prozess eine
andere Zeitschranke für die Berücksichtigung von Tatsachen gilt, würde es zu einer
unzweckmäßigen Verdoppelung von Prozessen über den gleichen Lebenssachverhalt
kommen mit der damit verbundenen Gefahr einander widersprechender gerichtlicher
Entscheidungen. Jedoch ist zu beachten, dass die Präklusion gem. § 323 Abs. 2 ZPO
nach einhelliger Auffassung nicht für Titel gem. § 323 Abs. 4 ZPO gilt, also auch nicht für
Prozessvergleiche, da diese der Rechtskraft nicht fähig sind; auch durch §§ 238, 239
FamFG hat sich an dieser Rechtslage nichts geändert. Dementsprechend hat der BGH
in einer Entscheidung vom 23.11.1994 (FamRZ 1995, S. 221 ff.) angenommen, dass
sich in einer Fallkonstellation, in der im Vorprozess die Abänderungsklage des
Unterhaltspflichtigen gegen den Ausgangsvergleich abgewiesen worden war, die
nachfolgende (gegenläufige) Abänderungsklage des Unterhaltsberechtigten nicht
gegen das Urteil im Vorprozess, sondern gegen den Ausgangsvergleich richtet und
damit die Präklusion des § 323 Abs. 2 ZPO nicht gilt. Insbesondere dann, wenn die
frühere Abänderungsklage vom Gegner der nunmehr Abänderung begehrenden Partei
erhoben worden sei, könne die Abweisung der früheren Abänderungsklage auch nicht
materiell als Verurteilung zu künftig fällig werdenden wiederkehrenden Leistungen im
Sinne des § 323 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Anderenfalls hätte es - so der BGH -
der Unterhaltspflichtige in der Hand, dem aus einem Prozessvergleich
Unterhaltsberechtigten die Berufung auf bisher eingetretene Veränderungen
abzuschneiden, indem er seinerseits eine unbegründete oder gar unzulässige
Abänderungsklage anstrenge. Diese in der Entscheidung vom 23.11.1994 vertretene
Auffassung erscheint dem Senat überzeugend. Es kann auch nicht davon ausgegangen
werden, dass der BGH durch spätere Entscheidungen von seiner Auffassung wieder
abgerückt ist. In der Entscheidung des BGH vom 20.02.2008 (FamRZ 2008, 872 ff.) wird
zwar ausgeführt, dass auch die Abweisung der gegen einen Vergleich gerichteten
Abänderungsklage die Präklusionswirkung gem. § 323 Abs. 2 ZPO auslösen könne,
wenn das klageabweisende Urteil - im Rahmen der Überprüfung der ursprünglichen
Prognose - die künftige Entwicklung der Verhältnisse vorausschauend berücksichtige.
Demgegenüber hat der BGH in der Entscheidung vom 21.01.2009 (NJW 2009, 1742 ff.)
wiederum angenommen, dass der späteren Abänderung nicht etwa das Urteil aus dem
Vorprozess, sondern der durch dieses Urteil unberührt gebliebene frühere
Ausgangsvergleich unterliegt. Die Frage, ob in einer solchen Fallkonstellation § 323
Abs. 2 ZPO anwendbar ist, hat der BGH lediglich für den Abänderungskläger des
Vorprozesses (den Unterhaltspflichtigen), nicht aber für den Unterhaltsberechtigten und
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Abänderungsbeklagten des Vorprozesses erwogen. Auch der Umstand, dass der BGH
in seinen Entscheidungen vom 20.02.2008 und 21.01.2009 die frühere Entscheidung
vom 23.11.1994 nicht erwähnt hat - genausowenig wird in der Entscheidung vom
21.01.2009 auf diejenige vom 20.02.2008 Bezug genommen -, spricht nach Auffassung
des Senats dafür, dass der BGH eine grundsätzliche Änderung seiner Rechtsprechung
nicht beabsichtigte. Ggf. wird zu einer entsprechenden Klarstellung des BGH in einem
im vorliegenden Falle anzustrengenden Revisionsverfahren noch Gelegenheit
bestehen.
Geht man somit davon aus, dass die Klägerin mit ihrem Vorbringen nicht gem. § 323
Abs. 2 ZPO präkludiert ist, ergibt sich entsprechend der Berechnung des Amtsgerichts
der von diesem ausgeurteilte nacheheliche Unterhalt. Insoweit sind mit der
Berufungsbegründung auch keine Einwendungen erhoben worden. Der
Prozessbevollmächtigte des Beklagten hat dementsprechend auf Nachfrage im
Senatstermin klargestellt, dass Angriffe gegen die Unterhaltsberechnung des
Amtsgerichts nicht erfolgen sollen.
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III.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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IV.
24
Die Zulassung der Revision erfolgt - wie aus den vorherigen Ausführungen deutlich wird
- gem. § 543 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 1. Altern. ZPO.
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