Urteil des OLG Hamm vom 27.09.2005

OLG Hamm: pensionskasse, eisen, steigerung, zukunft, satzung, zusatzversicherung, kommission, politik, nummer, schlussbericht

Oberlandesgericht Hamm, 2 UF 184/05
Datum:
27.09.2005
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
2. Senat für Familiensachen
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 UF 184/05
Vorinstanz:
Amtsgericht Essen, 109 F 64/04
Tenor:
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin mit der
Maßgabe zu-rückgewiesen, dass der Tenor des
Scheidungsverbundurteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Essen
vom 12. April 2005, Aktenzeichen 109 F 64/04, zum
Versorgungsausgleich von Amts wegen abgeändert und wie folgt neu
gefasst wird:
Vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der
Landesversicherungsan-stalt Rheinprovinz, Vers.-Nr.: xxx, werden auf
das Versicherungskonto der An-tragstellerin bei der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Vers.-Nr.: xxx,
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 362,43 EUR, bezogen auf
den 30.04.2004, übertragen. Der Monatsbetrag der
Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte umzurechnen.
Zu Lasten der für den Antragsgegner bei der Pensionskasse Deutscher
Eisen-bahnen und Straßenbahnen unter der Nummer xxx bestehenden
Versorgungs-anwartschaften werden für die Antragstellerin auf ihrem
Versicherungskonto bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte,
Vers.-Nr. xxx, Rentenanwart-schaften in Höhe von monatlich 18,96 EUR,
bezogen auf den 30.04.2004, be-gründet. Der Monatsbetrag der
Rentenanwartschaften ist in Entgeltpunkte um-zurechnen.
Zusätzlich werden vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der
Lan-desversicherungsanstalt Rheinprovinz, Vers.-Nr.: xxx, zum
Ausgleich des Be-triebsrentenanspruchs des Antragsgegners bei der
Essener Verkehrs-AG im Wege des erweiterten Splittings auf das
Versicherungskonto der Antragstellerin bei der
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Vers.-Nr.: xxx, weitere Ren-
tenanwartschaften in Höhe von monatlich 35,99 EUR, bezogen auf den
30.04.2004, übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist
in Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 2.000,00
EUR.
Vorlage: Beschluss Datei: BESCHL.EUR Stand: 18.09.2002
1
OBERLANDESGERICHT HAMM
BESCHLUSS
2
2 UF 184/05 OLG Hamm 109 F 64/04 AG Essen
3
In der Familiensache
4
Beteiligte:
5
hat der 2. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm durch
6
am 27. September 2005
beschlossen:
7
Die Beschwerde wird auf Kosten der Beschwerdeführerin mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass der Tenor des Scheidungsverbundurteils des Amtsgerichts
– Familiengericht – Essen vom 12. April 2005, Aktenzeichen 109 F 64/04, zum
Versorgungsausgleich von Amts wegen abgeändert und wie folgt neu gefasst wird:
8
Vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Landesversicherungsanstalt
Rheinprovinz, Vers.-Nr.: xxx, werden auf das Versicherungskonto der
Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Vers.-Nr.: xxx,
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 362,43 EUR, bezogen auf den
30.04.2004, übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in
Entgeltpunkte umzurechnen.
9
Zu Lasten der für den Antragsgegner bei der Pensionskasse Deutscher
Eisenbahnen und Straßenbahnen unter der Nummer xxx bestehenden
Versorgungsanwartschaften werden für die Antragstellerin auf ihrem
Versicherungskonto bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Vers.-Nr.
xxx, Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 18,9
6
30.04.2004, begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in
Entgeltpunkte umzurechnen.
10
Zusätzlich werden vom Versicherungskonto des Antragsgegners bei der
Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, Vers.-Nr.: xxx, zum Ausgleich des
Betriebsrentenanspruchs des Antragsgegners bei der Essener Verkehrs-AG im
Wege des erweiterten Splittings auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei
der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Vers.-Nr.: xxx, weitere
11
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich
35,99
30.04.2004, übertragen. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften ist in
Entgeltpunkte umzurechnen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
12
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 2.000,00 EUR.
13
Gründe:
14
I.
15
Das Familiengericht hat mit der angefochtenen Entscheidung die Ehe der Parteien
geschieden und den Versorgungsausgleich in der Weise durchgeführt, dass es im
Wege des Rentensplittings und des erweiterten Splittings wegen einer Betriebsrente
des Antragsgegners bei der F Verkehrs-AG insgesamt von dessen
Rentenversicherungskonto bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz
Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 398,43 EUR (362,43 EUR + 36,00 EUR)
bezogen auf das Ende der Ehezeit am 30.04.2004 auf das Versicherungskonto der
Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übertragen hat,
sowie im Wege des analogen Quasisplittings weitere 18,98 EUR zu Lasten der für den
Antragsgegner bei der Beschwerdeführerin, der Pensionskasse Deutscher Eisen- und
Straßenbahnen, bestehenden Versorgungsanwartschaften auf dem oben genannten
gesetzlichen Rentenversicherungskonto der Antragstellerin begründet hat. Bei der
Berechnung der Versorgung des Antragsgegners bei der Beschwerdeführerin ist es
davon ausgegangen, dass diese im Anwartschaftsstadium als statisch und im
Leistungsstadium als dynamisch zu bewerten ist.
16
Dagegen wendet sich die Beschwerdeführerin mit dem Antrag, das Urteil des
Amtsgerichts – Familiengericht – Essen vom 12.04.2005, Aktenzeichen xxx,
dahingehend abzuändern, dass keine Rentenanwartschaften zu Lasten der
Pensionskasse Deutscher Eisen- und Straßenbahnen auf dem gesetzlichen
Rentenversicherungskonto der Antragstellerin bei der Bundesversicherungsanstalt für
Angestellte begründet werden.
17
Zur Begründung führt sie aus, das Familiengericht habe die durch die Pensionskasse
gewährte Versorgung zu Unrecht als im Leistungsstadium volldynamisch behandelt. Die
Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.07.2004 (FamRZ 2004, 1474 ff.) - auf die
sich das erstinstanzliche Urteil beruft - betreffe lediglich Zusatzversorgungen im
öffentlichen Dienst. Sie – die Beschwerdeführerin – sei keine solche Zusatzversorgung,
sondern eine betriebliche Altersversorgungseinrichtung mit dem Durchführungsweg
Pensionskasse (§ 2 Abs. 3 BetrAVG). Bei der Umrechnung der Rentenanwartschaft bei
der Pensionskasse habe das Familiengericht den Tabellenbarwert zu Unrecht um den
Faktor 1,65 erhöht, denn die Anwartschaft sei auch im Leistungsstadium als statisch zu
behandeln. Unter Berücksichtigung einer statischen Versorgung liege die
Versorgungsrente des Ehemannes bei 63,33 EUR und sei damit um 3,18 EUR niedriger
als die Versorgungsrente der Ehefrau, sodass kein analoges Quasisplitting
durchzuführen sei.
18
Die Beschwerdeführerin beruft sich darauf, in ihrer Satzung kein Versprechen
abgegeben zu haben, die erwirtschafteten Überschüsse zur Erhöhung der laufenden
19
abgegeben zu haben, die erwirtschafteten Überschüsse zur Erhöhung der laufenden
Renten zu verwenden, weil sie von der Anpassungsmöglichkeit nach § 16 Abs. 3 Nr. 1
BetrAVG keinen Gebrauch gemacht habe. Vielmehr habe sie von der Sonderregelung
des § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG Gebrauch gemacht und diese in § 57 der PK-Satzung
umgesetzt. Im übrigen sei zukünftig mit einer nennenswerten Erhöhung der Renten im
Leistungsstadium nicht zu rechnen. Die durchschnittliche lineare Steigerung im
Zeitraum 1996 bis 2010 würde voraussichtlich deutlich unter 0,5 % liegen, da die
Besonderheit bestehe, dass die Pensionskasse infolge eines gesetzlich angeordneten
Rechtsformwechsels zum 01.01.2006 ihren Status als öffentlich-rechtliche Körperschaft
verliere und in einen Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit umgewandelt werde. Als
solcher müsse sie dann die gesetzlich vorgesehenen Solvabilitätsanforderungen des §
53 c VAG erfüllen, wofür sie einen Betrag von rund 24 Mio. EUR aufbringen müsse.
Dies würde die zukünftig verteilungsfähigen Überschüsse zur Erhöhung der Renten in
den nächsten Jahren vollständig aufzehren.
II.
20
Die gemäß den §§ 629 a Abs. 2, 621 e Abs. 1 und 3, 517, 520 ZPO form- und
fristgerecht eingelegte Beschwerde hat in der Sache ganz weitgehend keinen Erfolg,
denn bei der Rentenanwartschaft der Pensionskasse Deutscher Eisen- und
Straßenbahnen handelt es sich – wie das Familiengericht zutreffend festgestellt hat - um
eine im Leistungsstadium volldynamische Versorgung. Allerdings war der Tenor zum
Versorgungsausgleich wegen eines kleinen Rechenfehlers des Familiengerichts bei der
Dynamisierung der Rentenanwartschaft des Antragsgegners bei der Pensionskasse
und auf Grund der Berücksichtigung einer erstmals im Beschwerdeverfahren bekannt
gewordenen freiwilligen Zusatzversicherung der Antragstellerin bei den Rheinischen
Versorgungskassen im Ausspruch zum analogen Quasisplitting und zum erweiterten
Rentensplitting jeweils geringfügig abzuändern.
21
Das Familiengericht hat die Versorgungsanwartschaften des Antragsgegners bei der
Beschwerdeführerin im Ergebnis zu Recht als im Leistungsstadium volldynamisch
angesehen. Dies ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus der vom Familiengericht in
Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 07.07.2004, FamRZ
2004, 1474 ff., denn diese Entscheidung betrifft öffentliche Zusatzversorgungskassen
mit einer jährlichen Steigerung der Versorgungsbezüge um 1 % ab Leistungsbeginn.
Insoweit weist die Beschwerdeführerin im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass es
sich bei ihr hingegen um eine betriebliche Altersversorgungseinrichtung mit dem
Durchführungsweg Pensionskasse handelt.
22
Der Senat ist jedoch unter Abwägung aller in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht
maßgeblichen Gesichtspunkte der Auffassung, dass auch die vorliegend in Rede
stehende betriebliche Altersversorgungsanwartschaft des Antragsgegners bei der
Beschwerdeführerin als im Leistungsstadium voll-dynamisch anzusehen ist. Die
Beschwerdeführerin kann sich nicht darauf berufen, gemäß § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG
von der Anpassungsverpflichtung nach den §§ 16 Abs.1, 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG
entbunden zu sein, weil sie die anfallenden Überschussanteile zur Erhöhung der
laufenden Rentenleistungen verwendet. Ebenso wenig, wie die Verpflichtung des
Arbeitgebers, die laufenden Leistungen entsprechend § 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG um
jährlich wenigstens 1 % anzupassen, zwingend zu einer Dynamik der betreffenden
Rentenanwartschaft führt, bedeutet die Befreiung von dieser Verpflichtung aufgrund der
Verwendung der in den Rentenbestand fallenden Überschussanteile zur Erhöhung der
laufenden Rentenleistungen durch die Pensionskasse, dass die Versorgung als statisch
23
zu bewerten ist. Zwar liegen in diesem Falle keine spezifischen Strukturmerkmale vor,
die die Einordnung der Versorgung als dynamisch im Leistungsstadium indizieren, denn
die Beschwerdeführerin hat weder eine bestimmte Anpassung der laufenden Renten
zugesagt, noch bedient sie sich eines Finanzierungssystems, das sich am
Gesamteinkommen ihrer Versicherten orientiert und deshalb auf eine volle Dynamik
hinweist. Nach § 57 ihrer Satzung hat sie lediglich alle drei Jahre durch einen
versicherungsmathematischen Sachverständigen eine versicherungstechnische Bilanz
für jede Abteilung erstellen zu lassen, wobei eventuelle Überschüsse in den Bilanzen
der einzelnen Abteilungen "für eine Anhebung der laufenden Renten und/oder
Anwartschaften zu verwenden" sind (vgl. § 57, S. 2 der Satzung).
Der sich daraus ergebende fehlende Rechtsanspruch der Versicherten auf Erhöhung
der Versorgung rechtfertigt jedoch nicht die Annahme, dass diese im Leistungsstadium
als statisch anzusehen ist (BGH FamRZ 1997, 164, 166; FamRZ 2005, 430, 431). Ein im
Leistungsstadium dynamisches Anrecht kann sich nämlich auch dann ergeben, wenn
sich aufgrund von Überschusserträgen tatsächlich eine mit der Grundversorgung bei der
gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung vergleichbare
Steigerung ergibt (BGH FamRZ 2004, 1474, 1475).
24
Für die Beurteilung der Vergleichbarkeit hält der Bundesgerichtshof in seiner ständigen
Rechtsprechung (vgl. BGH FamRZ 2004, a. a. O.) – der sich der Senat anschließt –
daran fest, dass eine Volldynamik dann in Betracht kommt, wenn der durchschnittliche
Zuwachs der Renten im Leistungsstadium nicht mehr als 1 % hinter der Dynamik der
gesetzlichen Renten und der beamtenrechtlichen Anrechte zurückbleibt (so auch: OLG
Köln NJW-RR 2005, 229, 230; OLG Düsseldorf FamRZ 2005, 826, 827). Diese
Voraussetzungen sind im Falle der Pensionskasse Deutscher Eisen- und
Straßenbahnen erfüllt, wobei der Senat für die vorzunehmende Bewertung einen
Vergleichszeitraum von sieben Jahren, von 1998 bis einschließlich 2004, für
angemessen und ausreichend erachtet. Dabei hat er berücksichtigt, dass gerade in den
letzten Jahren erhebliche Einschnitte in der Beamtenversorgung und der gesetzlichen
Rentenversicherung stattgefunden haben, die zu einer weitaus geringeren
Steigerungsrate, als sie in der Vergangenheit seit Einführung des
Versorgungsausgleichs erfolgt ist, geführt haben und dass angesichts der
gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland mit einer
vergleichbar hohen Steigerung wie noch vor 8 Jahren in Zukunft nicht mehr ohne
weiteres gerechnet werden kann. Die Steigerungsraten bemessen sich im Vergleich wie
folgt:
25
Jahr
gesetzliche
Rentenversicherung
Beamtenversorgung Pensionskasse
1998
0,44%
1,50%
1999
1,34%
2,80%
1,50%
2000
0,60%
0,00%
2001
1,91%
1,70%
2002
2,16%
2,10%
3,75%
2003
1,04%
1,74%
2004
0,00%
0,00%
0,57% *
26
gesamt:
7,49%
9,84%
5,82%
Durchschnitt-
lich:
1,07%
1,41%
0,83%
(* 1/3 von 1,7 % für die Jahre 2004 bis 2006)
27
Danach betrug die Steigerung der gesetzlichen Renten und der Beamtenversorgung im
Leistungsstadium im Vergleichszeitraum im Mittel 1,24 % und die der Versorgung aus
der Pensionskasse durchschnittlich 0,83 %, was zu einer – deutlich unter 1 % liegenden
– Differenz von 0,41 % führt.
28
Der Senat verkennt nicht, dass die Bewertung der vergleichenden Rentenzuwächse
über den genannten Vergleichszeitraum nicht einfach für die Zukunft fortgeschrieben
werden kann, sondern lediglich als Anhaltspunkt für die zu treffende Prognose über die
zukünftige Entwicklung der Renten nach dem Ende der Ehezeit dient. Die Aussagekraft
derartiger in der Vergangenheit liegender Abläufe für die Einschätzung der zukünftigen
Anrechtsentwicklung wird im Einzelfall auch von weiteren zu bewertenden Faktoren
beeinflusst, insbesondere der zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung des die
Versorgung finanzierenden Unternehmens (vgl. BGH FamRZ 1997, a. a. O.; FamRZ
2004, a. a. O.; FamRZ 2005, a. a. O.). Insoweit kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass
die Renten aus der Pensionskasse Deutscher Eisen- und Straßenbahnen infolge der
mit dem anstehenden Rechtsformwechsel verbundenen Solvabilitätsanforderungen in
Zukunft voraussichtlich nicht mehr in der gleichen Weise Steigerungen erfahren werden,
wie in der Vergangenheit. Das gilt zumindest dann, wenn die Beschwerdeführerin die
von ihr aufzubringenden Kapitalbeträge – wie sie behauptet – ganz oder zumindest
überwiegend aus den bisher für die Erhöhung der laufenden Renten verwandten
Überschüssen finanzieren muss.
29
Eine vergleichbare Situation ergibt sich jedoch auch für die Rentenanwartschaften aus
der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung. Diese sind zwar per
Gesetz als volldynamisch anerkannt (vgl. §§ 1587 a Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 BGB, 1
Abs. 1 S. 2 der BarwertVO). Grundlage dieser Bewertung ist die Annahme, dass die
Beamtenversorgung und die gesetzliche Rentenversicherung sowohl im Anwartschafts-
als auch im Leistungsteil regelmäßig an die allgemeine Einkommensentwicklung
angepasst werden, wovon jedoch zukünftig wegen der bestehenden "Finanznot" der
Rentenversicherungsträger nicht mehr ohne weiteres ausgegangen werden kann (vgl.
Bergner, Anmerkung zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 7.7.2004 – XII ZB
277/03 -, FamRZ 2004, 1631). So steht für die Beamtenversorgung bereits fest, dass der
Höchstversorgungssatz von 75 % auf 71,75 % bis voraussichtlich 2010 absinken wird,
während sich für die gesetzliche Rentenversicherung weder der Zeitraum der
Übergangsphase noch das Abkürzungsniveau verlässlich feststellen lassen (vgl. BGH
FamRZ 2004, 1474, 1476). Mit einer Erhöhung der Anstiegsraten ist jedenfalls
angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in der Bundesrepublik mittelfristig nicht
zu rechnen (vgl. OLG Köln NJW-RR, a. a. O.). Im Gegenteil zeichnet sich ab, dass
aufgrund der leeren Rentenkassen und dem statistisch prognostizierten
30
überproportionalen Anstieg an Rentenempfängern gegenüber den Beitragszahlern mit
einem nennenswerten Anstieg der laufenden gesetzlichen Renten nicht gerechnet
werden kann (vgl. Gutachten des Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2004,
BT-Drucks. 15/4498, S. 79, 81, 85; Schlussbericht der Enquete-Kommission
"Demographischer Wandel – Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft
an dem Einzelnen und die Politik", BT-Drucks. 14/8800, S.161, 164). Langfristig lässt
sich eine zuverlässige Prognose der Rentenentwicklung nicht erstellen (Gutachten des
Sozialbeirats zum Rentenversicherungsbericht 2004, a. a. O., S. 83). Bei der derzeitigen
öffentlichen Diskussion in Politik und Medien steht die Schaffung einer umfassenden
Rentenreform zu erwarten, wobei sich bereits jetzt abzeichnet, dass alternativen
Rentenmodellen und insbesondere der Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge ein
besonderes Gewicht zukommt (vgl. Schlussbericht der Enquete-Kommission, a. a. O., S.
170).
Unter diesen Voraussetzungen kann eine zuverlässige Prognose darüber, wie sich die
laufenden Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der
Beamtenversorgung in Zukunft entwickeln werden, ebenso wenig vorgenommen
werden wie zur Entwicklung der betrieblichen Renten und insbesondere derjenigen bei
der Beschwerdeführerin. Es wäre wirklichkeitsfremd, davon auszugehen, dass sich die
Rentensteigerungen, so wie bisher, fortsetzen werden. Da sich wesentliche
Abweichungen in der zukünftigen Rentenentwicklung bei der Pensionskasse Deutscher
Eisen- und Straßenbahnen von der zukünftigen Rentenentwicklung bei der gesetzlichen
Rentenversicherung und der Beamtenversorgung nicht positiv feststellen lassen und
sich auch aus vergangenen Zeiträumen keine wesentlichen Abweichungen ergeben,
erscheint es nicht gerechtfertigt, die betrieblichen Anwartschaften des Ehemannes bei
der Pensionskasse im Leistungsstadium schlechter zu bewerten, als die der
gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung und sie deshalb als
statisch zu behandeln. Vielmehr ist es in einem solchen Fall geboten, von einer
Dynamik im Leistungsstadium auszugehen.
31
Sofern – wider Erwarten – in Zukunft eine andere Entwicklung eintritt, die der Annahme
einer Volldynamik der Rentenanwartschaften bei der Pensionskasse im
Leistungsstadium entgegensteht, kann der ausgleichspflichtige Ehemann auf die
Möglichkeit der Abänderung nach § 10 a VAHRG verwiesen werden (vgl. BGH FamRZ
2004, a. a. O.). Umgekehrt erscheint es nicht gerechtfertigt, dem ausgleichsberechtigten
Ehegatten das Risiko des Unterliegens mit dem Abänderungsbegehren nach § 10 a
VAHRG aufzuerlegen, denn diese Vorschrift dient nicht dazu, dem – dem
Grundgedanken des Versorgungsausgleichs zugrundeliegenden –
Halbteilungsgrundsatz primäre Geltung zu verschaffen, sondern nur dazu, Korrekturen
zuzulassen in den Fällen, in denen der Halbteilungsgrundsatz nachhaltig verletzt ist.
32
Da die Voraussetzungen für eine im Leistungsstadium bestehende Volldynamik der
Rente bei der Beschwerdeführerin vorliegen, hat das Familiengericht den maßgeblich
anzusetzenden Barwertfaktor zu Recht auf 165 % erhöht. Allerdings hat das
Familiengericht den Umrechnungsfaktor der gesetzlichen Rentenversicherung bei der
Dynamisierung der streitgegenständlichen Rentenanwartschaft statt mit 0,000174262
8
wie zutreffend bei den übrigen Dynamisierungsberechnungen im Urteil – versehentlich
falsch mit 0,000174262
6
33
Jahresbetriebsrentenanwartschaft: 1.830,00 EUR
34
Barwertfaktor: 7,6 x 165 % = 12,54
35
Barwert: 1.830,00 EUR x 12,54 = 22.948,20 EUR
36
Fiktive Regelaltersrente: 22.948,20 EUR x 0,000174262
8
37
Die Anwartschaft liegt damit um 0,03 EUR höher als vom Familiengericht in Ansatz
gebracht.
38
Auf Seiten der Anwartschaften der Antragstellerin ist zudem eine Ergänzung
erforderlich:
39
Erstmals im Beschwerdeverfahren haben die Rheinischen Versorgungskassen
mitgeteilt, dass die Antragstellerin bei ihnen neben der öffentlichen
Pflichtzusatzversorgung über eine freiwillige Zusatzversicherung mit einem
ehezeitbezogenen Deckungskapital von 15,22 EUR verfügt, das in die Berechnung des
Versorgungsausgleichs mit einzubeziehen ist. Bei fiktiver Einzahlung des
Deckungskapitals in die gesetzliche Rentenversicherung ergibt sich folgender
Rentenanspruch:
40
15,22 EUR x 0,0001742628 x 26,13 =
0,07 EUR.
41
Es ergibt sich insgesamt folgende Übersicht und Berechnung:
42
I. Anwartschaften der Antragstellerin:
43
1.) Bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte: 392,02 EUR
44
2.) Bei den Rheinischen Versorgungskassen:
45
a) Öffentliche Zusatzversorgung (Pflichtversicherung): 66,51 EUR
46
b) Freiwillige Zusatzversicherung: 0,07 EUR
47
Summe: 458,60 EUR
48
II. Anwartschaften des Antragsgegners:
49
1.) Bei der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz: 1.116,88 EUR
50
2.) Bei der Beschwerdeführerin (Pensionskasse): 104,49 EUR
51
3.) Bei der F Verkehrs-AG: 71,99 EUR
52
Summe: 1.293,36 EUR
53
III. Berechnung des Ausgleichs:
54
1.) Gesamtausgleich:
55
Insgesamt besteht ein Ausgleichsanspruch der Antragstellerin gegen den
Antragsgegner in Höhe von (1.293,36 EUR – 458,60 EUR) ./. 2 =
417,38 EUR
56
2.) Gesetzliche Rentenanwartschaften:
57
Vorrangig findet – wie vom Amtsgericht zutreffend festgestellt - zwischen den
gesetzlichen Rentenversicherungskonten das Rentensplitting gemäß den §§
1587 a Abs. 1, 1587 b Abs. 1 BGB in Höhe von (1.116,88 EUR – 392,02 EUR)
./. 2 =
362,43 EUR
58
3.) Ausgleich der öffentlichen Zusatzversorgungen:
59
Zum Ausgleich der öffentlichen Zusatzversorgungen sind im Wege des
analogen Quasisplittings weitere Rentenanwartschaften in Höhe von (104,49
EUR – 66,58 EUR) ./. 2 =
18,96 EUR
Antragstellerin zu begründen.
60
4.) Ausgleich der Betriebsrente bei der F Verkehrs-AG:
61
Zusätzlich sind – wie das Amtsgericht ebenfalls zutreffend dargelegt hat – an
Stelle des ansonsten erforderlichen schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
im Wege des erweiterten Rentensplittings gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG
die Betriebsrentenanwartschaften des Antragsgegners bei der F Verkehrs-AG
von 71,99 EUR bis zum Höchstbetrag von 48,30 EUR auszugleichen.
Allerdings würde ein hälftiger Ausgleich von 36,00 EUR, wie ihn das
Amtsgericht durchgeführt hat, im Zusammenhang mit dem analogen
Quasisplitting zu einer doppelten Aufrundung auf volle Cent-Beträge und
damit zu einer unzulässigen Überschreitung des Gesamtausgleichsbetrages
von 417,38 EUR um einen Cent führen, sodass das erweiterte Rentensplitting
vorliegend nur in Höhe von
35,99 EUR
62
Der insgesamt auszugleichende Betrag von 417,38 EUR überschreitet nicht
den Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB von 1.428,37 EUR.
63
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 97 Abs. 1,
92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da die Beschwerdeführerin mit ihrem eigentlichen
Beschwerdebegehren voll unterlegen ist und die von Amts wegen vorgenommene
Abänderung aus anderen Gründen erfolgt und nur geringfügig ist.
64
Der Senat hat gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und 3 ZPO die Rechtsbeschwerde
zugelassen, da die Frage der Dynamisierung von Betriebsrenten und Ansprüchen aus
Pensionskassen von grundsätzlicher Bedeutung ist und durch die bisherige
höchstrichterliche Rechtsprechung, insbesondere die Entscheidung des
Bundesgerichtshofs vom 07.07.2004, noch nicht abschließend geklärt ist.
65