Urteil des OLG Hamm vom 09.12.2010

OLG Hamm (dienstbarkeit, grunddienstbarkeit, höhe, grundstück, dingliches recht, krasses missverhältnis, verhältnis zu, zustand, preis, vertrag)

Oberlandesgericht Hamm, 22 U 83/10
Datum:
09.12.2010
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
22. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
22 U 83/10
Vorinstanz:
Landgericht Detmold, 9 O 222/08
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 6.5.2010 verkündete Urteil
der Zi¬vilkammer IV des Landgerichts Detmold unter Zurückweisung
des Rechtsmit¬tels im übrigen teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.617,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 8.10.2008 zu
zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 95 % die Klägerin und zu 5 %
der
Be¬klagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch
Sicher-heitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der
Vollstreckung
Si¬cherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe:
1
I.
2
Die Klägerin begehrt aus eigenem sowie abgetretenem Recht ihres Mannes
Rückabwicklung eines Vertrages vom 27.10.2004, mit dem ihnen der Beklagte ein mit
einem ehemaligen Forsthaus bebautes Grundstück in Z1 zum Preis von 315.495,20 €
verkauft hat, hilfsweise Schadensersatz. Sie macht geltend, der aufgrund eines
3
Bieterverfahrens zustandegekommene Kaufpreis sei sittenwidrig überhöht. Ferner sei
der Beklagte vertraglich zur Verschaffung einer durch Grunddienstbarkeit gesicherten
Zuwegung zu dem nicht an einer öffentlichen Straße liegenden Grundstück verpflichtet
gewesen, während er in Wirklichkeit – was unstreitig ist – nur über eine beschränkt
persönliche und damit nicht auf sie übertragbare Dienstbarkeit verfügte.
Das Landgericht hat die im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens mehrfach geänderte
Klage mit den den untenstehenden Berufungsanträgen inhaltsgleichen Schlussanträgen
vollumfänglich abgewiesen. Mit ihren Hauptanträgen dringe die Klägerin nicht durch,
weil der Kaufvertrag nicht nach § 138 BGB nichtig sei. Das durchgeführte
Bieterverfahren sei an sich nicht sittenwidrig und zudem ordnungsgemäß durchgeführt
worden. Des weiteren handele es sich bei dem Grundstück um ein Liebhaberobjekt,
dessen Verkehrswert wegen seiner Lage und des naturgemäß begrenzten
Interessentenkreises schwierig zu bestimmen sei. Im übrigen lägen die subjektiven
Voraussetzungen des § 138 BGB nicht vor. Denn den Parteien sei zum Zeitpunkt des
Kaufvertragsschlusses bekannt gewesen, dass keine unmittelbare Anbindung an die L
## bestanden habe. Dass es sich bei dem Wegerecht nur um eine beschränkt
persönliche Dienstbarkeit handelte, sei in § 9 zutreffend angeführt worden. Alle
Anwesenden seien übereinstimmend von der Übertragbarkeit der Dienstbarkeit
ausgegangen. Ein überlegenes Wissen der Beklagten habe die Klägerin weder
vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Zudem sei die Klägerin nicht arglistig über die
Rechtsnatur des Wegerechts getäuscht worden, weil in diesem Fall eine gesonderte
Übertragung entbehrlich gewesen wäre; außerdem hätte die Klägerin das Grundbuch
selbst einsehen können. Auch eine Nichtigkeit gemäß § 139 BGB scheide aus. Die
Regelung des § 9 sei zwar auf eine rechtlich unmögliche Leistung gerichtet. Das führe
jedoch nicht zu ihrer Nichtigkeit. Die hilfsweise geltend gemachten Ansprüche seien der
Klägerin ebenfalls nicht zuzusprechen. Ein Recht auf Minderung bestehe nicht. § 9 des
Vertrages sei zwar als Garantie im Sinne von § 444 BGB anzusehen, aber unter dem
28.10.2009 sei eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten der Klägerin und
ihres Mannes an dem Grundstück eingetragen worden. Hierdurch habe der Beklagte
ausreichend nacherfüllt, denn die Zusicherung einer künftigen Weiterübertragbarkeit
habe der Vertrag nicht beinhaltet. Durch die Eintragung an schlechterer Rangstelle
bedingte Nachteile seien nicht dargetan, ebenfalls keine Nachteile durch eine
eingeschränkte Nutzbarkeit des Weges in der Vergangenheit.
4
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Feststellungen
und Erwägungen des Landgerichts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das
angefochtene Urteil Bezug genommen.
5
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Nichtigkeit des
Kaufvertrages ergebe sich aus § 138 BGB, weil der Beklagte die Klägerin arglistig über
die Existenz eines grundbuchlich abgesicherten, übertragbaren und vererblichen
Wegerechts am Nachbargrundstück des Herrn N getäuscht habe und das Kaufobjekt
nur einen Bruchteil der gezahlten 315.495,20 €, nämlich 95.000 €, wert sei. Schon vor
Vertragsschluss habe der Beklagte die Klägerin mittels eines völlig mangelhaft
erstellten Werbeprospekts, der veröffentlichen Annoncen und der Musterschreiben
darüber getäuscht, dass das zu erwerbende Grundstück nicht über öffentliche Wege zu
erreichen sei. Dadurch seien nicht nur die Klägerin, sondern auch die anderen Bieter zu
überhöhten Angeboten bewogen worden. Des weiteren habe der Mitarbeiter I des
Beklagten ausdrücklich die gute Anbindung an die L ## angepriesen. Dass der Zuweg
nur über eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit gesichert gewesen sei, hätte allen
6
Bietern mitgeteilt werden müssen. Im Notartermin sei sodann die Regelung des § 9
aufgenommen worden, weil es der Klägerin und ihrem Ehemann wichtig gewesen sei,
ein dauerhaftes, d. h. übertragbares und vererbliches Wegerecht zu erhalten. In diesem
Rahmen habe Herr I ausdrücklich versichert, die Übertragung des Wegerechts sei
problemlos möglich. Dabei habe er den Unterschied zwischen einer Grunddienstbarkeit
erkannt, der Klägerin diesen jedoch bewusst verschwiegen, um ein Scheitern des
Kaufvertrages in letzter Sekunde zu verhindern. Außerdem hätte der Beklagte die
Klägerin schon früher über die Situation informieren müssen. Der Kaufvertrag sei auch
wegen Wuchers nichtig. Selbst wenn das Kaufobjekt einen gewissen Liebhaberwert
aufgewiesen habe, sei es durch die fehlende gesicherte Wegeverbindung vollkommen
entwertet. Sie und ihr Mann seien in Grundstücksangelegenheiten völlig unerfahren
gewesen; Nachverhandlungen seien wegen des durchgeführten Bieterverfahrens nicht
möglich gewesen. Jedenfalls sei aber der Hilfsantrag auf Minderung des Kaufpreises
begründet. Im notariellen Kaufvertrag sei nicht bloß vereinbart worden, eine beschränkt
persönliche Dienstbarkeit zu übertragen. Denn der Wortlaut des § 9 Abs. 3 des
Grundstückskaufvertrags erwähne eindeutig eine "Grunddienstbarkeit". Die dauerhafte
Sicherung sei den Käufern auch zugesichert worden. Im übrigen handele es sich bei der
dauerhaften und gesicherten Erreichbarkeit eines Grundstücks um eine Eigenschaft, die
für eine gewöhnliche Verwendung Voraussetzung sei. Die nachträgliche Eintragung
einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit zugunsten der Klägerin, zudem an
schlechterer Rangstelle mit entsprechend geringerer Sicherheit, sei keine taugliche
Nacherfüllung gewesen. Gleiches gelte für die Wegerechtsbestellung an einem anderen
Weg, der sich in einem unzumutbaren Zustand befinde.
Die Klägerin beantragt,
7
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
8
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie 315.495,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 21.1.2009 Zug um Zug gegen
Rückgabe und Rückübertragung des verkauften Grundeigentums zu zahlen,
9
2. den Annahmeverzug des Beklagten festzustellen,
10
3. den Beklagten zu verurteilen, an sie weiteren Schadensersatz in Höhe von
55.917,68 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.3.2010 zu
zahlen,
11
4. den Beklagten zu verurteilen, an sie vorgerichtliche Anwaltskosten in Hohe von
5.187,45 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit
dem 6.2.2008 zu zahlen,
12
5. die Ersatzpflicht des Beklagten für nach dem 6.1.2010 aus dem unwirksam
abgeschlossenen Kaufvertrag und der fehlgeschlagenen Sicherung der Zuwegung
zu den Kaufgrundstücken entstehende Schäden festzustellen,
13
hilfsweise,
14
den Beklagten zu verurteilen, an sie 216.116,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 6.2.2008 zu zahlen.
15
Der Beklagte beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Er verteidigt das Urteil. Allerdings greife entgegen dem Landgericht schon der
Gewährleistungsausschluss ein; der für eine Beschaffenheitsgarantie erforderliche
Einstandswille sei nicht vorhanden gewesen. Dem Vorwurf der Arglist sei erneut
energisch entgegenzutreten. Darüber hinaus sei ihm nicht bekannt gewesen, dass der
Klägerin die Weiterübertragbarkeit des Wegerechts angeblich wesentlich gewesen sei.
Durch die erfolgte Nacherfüllung habe sie dieselbe Rechtsstellung erhalten wie er sie
zuvor gehabt habe. Die Frist für eine etwaige Anfechtung sei längst abgelaufen. Auch
ein wucherähnliches Rechtsgeschäft habe das Landgericht zu Recht verneint.
18
II.
19
Die zulässige Berufung hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg. Wie das
Landgericht im Ergebnis zutreffend beurteilt hat, kann die Klägerin unter keinem
Gesichtspunkt die Rückabwicklung des zwischen ihr und ihrem Mann und dem
Beklagten geschlossenen Grundstückskaufvertrages vom 27.10.2004 verlangen. Sie hat
jedoch Anspruch auf finanziellen Schadensersatz für den Umstand, dass das
Grundstück entgegen dem Vertrag nicht über eine dauerhaft dinglich gesicherte
Wegeverbindung über das dem Nachbarn N gehörende Flurstück #2 zum öffentlichen
Straßennetz verfügt.
20
1.
21
Ein Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB i. V. m. §
138 BGB besteht nicht, weil der Kaufvertrag nicht im Hinblick auf die Höhe des
vereinbarten Preises sittenwidrig ist.
22
a)
23
Der Wuchertatbestand des § 138 Abs. 2 BGB scheitert bereits daran, dass die subjektiv-
persönlichen Merkmale dieses Tatbestandes, also eine Zwangslage, Unerfahrenheit,
ein Mangel an Urteilsvermögen oder eine erhebliche Willensschwäche allenfalls
teilweise sehr pauschal behauptet, jedenfalls aber nicht unter Beweis gestellt sind.
24
b)
25
Doch auch eine sonstige sittenwidrige Preisüberhöhung, die gemäß § 138 Abs. 1 BGB
zur Nichtigkeit führen würde, liegt nicht vor.
26
Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob zwischen dem mit 315.495,20 € vereinbarten
Kaufpreis und dem objektiven Wert des Kaufobjekts ein krasses Missverhältnis von
etwa dem Doppelten oder zumindest von über ca. 180 %, welches nach ständiger
Rechtsprechung eine verwerfliche Gesinnung der Verkäuferseite indizieren würde,
27
(vgl. z. B. BGH NJW 2001, 1127: 412.800/224.000 = ca. 184 % ausreichend; NJW-
RR 1991, 589: 400.000/220.000 = ca. 182 % ausreichend; NJW 2003, 2529: ca.
180 % nicht ausreichend; NJW-RR 2004, 632: ca. 175 % nicht ausreichend; OLG
Hamm OLGR Hamm 1998, 381: ca. 178 % sowie ca. 180 % ausreichend)
28
gegeben ist. Die von der Klägerin herangezogene Wertermittlung durch den Gutachter
Dipl.-Ing. P mit einem Ergebnis von 132.000 € dürfte nämlich selbst dann, wenn sie sich
bei einer Überprüfung durch einen gerichtlichen Sachverständigen als methodisch und
auch ansonsten fehlerfrei erweisen sollte, hier im Ergebnis nicht maßgeblich sein. Das
dort angewendete Wertermittlungsverfahren dürfte nämlich aufgrund seiner abstrakt-
theoretischen Natur jedenfalls der realen Wertermittlung, wie sie hier durch das dem
Vertragsschluss vorausgegangene öffentliche Bieterverfahren stattgefunden hat, in
seiner Aussagekraft unterlegen sein. Nach dem Verständnis einer freien
Wirtschaftsordnung kann es nämlich keinen besseren Maßstab für den Wert eines
Kaufobjekts geben als denjenigen Preis, den "der Markt" zu zahlen bereit ist, d. h. eine
Mehrzahl unabhängig voneinander nachfragender Personen. Gerade dieser Preis ist
durch das versteigerungsähnliche Bieterverfahren ermittelt worden, wobei die aus den
Anlagen B 3 ff. zur Klageerwiderung hervorgehende Teilnehmerzahl von 10 Personen
eine hinreichende Grundlage darstellt und insbesondere die Möglichkeit ausschließt,
dass durch eine individuelle Zwangslage, ein übersteigertes Erwerbsinteresse o. ä.
eines einzelnen Interessenten ein völlig überzogenes Ergebnis zustandegekommen ist.
Jedenfalls gilt das dann, wenn man nicht auf das Höchstgebot der Klägerseite selbst,
sondern auf einen rechnerischen Mittelwert der Höchstgebote aller 10 Bieter abstellt.
Dieser Mittelwert lag (ohne das bei in das Bieterverfahren offenbar nicht einbezogene
Flurstück #) bei 218.100 €; würde man ihn als real ermittelten objektiven Wert des
Kaufgrundstücks ansehen, so wäre der von der Klägerseite gezahlte Preis von 307.000
€ (wiederum ohne das Flurstück #) um lediglich 40,8 % "überhöht" gewesen und hätte
damit deutlich unterhalb der Schwelle gelegen, ab der die Rechtsprechung ein Indiz für
eine sittenwidrig-verwerfliche Gesinnung des Verkäufers bejaht.
29
Selbst wenn man diesen Erwägungen jedoch nicht folgen und auf der Grundlage einer
abstrakten gutachterlichen Wertermittlung zu einem objektiv krassen Missverhältnis
zwischen Kaufpreis und Grundstückswert gelangen würde, wäre aber jedenfalls die
Vermutung, dass es sich bei diesem Missverhältnis um den Ausdruck einer
verwerflichen Gesinnung der Verkäuferseite handelt, durch das durchgeführte
Bieterverfahren ausgeräumt. Dass bei einem solchen Bieterverfahren bzw. einer diesem
ähnlichen Versteigerung der Preis durch die akute Wettbewerbssituation der Nachfrager
zuweilen in eine Höhe getrieben wird, die in individuellen Verhandlungen mit einem
einzelnen Kaufinteressenten nicht zu erreichen gewesen wäre, ist nämlich gerade das
kennzeichnende Merkmal dieses Verfahrens. Dennoch stellt das Prinzip der
Versteigerung ein uraltes und seit jeher anerkanntes Verkaufsinstrument dar; jeder
verständige Kaufinteressent, der sich zu einer Teilnahme entschließt, weiß, worauf er
sich einlässt. Daher kann es nicht als verwerflich bzw. sittenwidrig angesehen werden,
ein Verkaufsobjekt – zumal wenn es wie hier eine besondere Einzigartigkeit aufweist –
auf diese Weise zum bestmöglichen Preis zu vermarkten.
30
c)
31
Von vornherein außer Betracht zu bleiben hat bei der Sittenwidrigkeitsprüfung der
Umstand, dass die Kaufsache der Klägerseite tatsächlich nicht in einem dem Vertrag
entsprechenden Zustand verschafft worden sein mag, d. h. dass der objektive Wert des
Grundstücks aufgrund einer unzureichenden Zuwegung gemindert gewesen sein mag.
Da sich nämlich bei einem Rechtsgeschäft beiderseits eingegangene Verpflichtungen
gegenüberstehen, kann es für die Frage, ob es wegen eines Missverhältnisses
zwischen ihnen sittenwidrig ist, auch nur auf den Umfang dieser Verpflichtungen – also
32
das sog. Vertragssoll – ankommen. Das Interesse jeder Partei daran, dass die
Gegenpartei die eingegangenen Verpflichtungen auch ordnungsgemäß erfüllt, wird
hingegen durch andere gesetzliche Regelungen hinreichend geschützt.
Unberücksichtigt zu bleiben hat hier ferner die Behauptung der Klägerin, sie sei
bezüglich der Zuwegung von dem Beklagten arglistig getäuscht worden. Ein arglistiges
Verhalten einer Vertragspartei mag zwar ebenfalls als Ausdruck einer verwerflichen
Gesinnung anzusehen sein. Zutreffend sieht die höchstrichterliche Rechtsprechung
jedoch für diesen Fall die Täuschungsanfechtung gemäß § 123 BGB als speziellere
Regelung an, die den allgemeineren § 138 BGB grundsätzlich verdrängt (vgl. BGH NJW
1995, 1425; 1997, 254), sofern nicht, was hier nicht in Betracht kommt, eine über den die
Anfechtung rechtfertigenden Tatbestand hinausgehende Zwangslage vorliegt, deren
Ausnutzung das Geschäft insgesamt als sittenwidrig erscheinen lässt (vgl. BGH NJW
1991, 1046; 1988, 2599).
33
2.
34
Ein Anspruch auf Kaufpreisrückzahlung gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB i. V. m. §§
142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB besteht nicht, weil der Beklagten – unabhängig davon, ob
von einer nach § 124 BGB fristgerechten Anfechtungserklärung auszugehen wäre –
keine Arglist in bezug auf die wegerechtliche Situation zur Last fällt.
35
Dass diejenigen Personen, die beim Vertragsschluss für den Beklagten gehandelt
haben und deren Kenntnisstand sich der Beklagte zurechnen lassen müsste –
insbesondere der Mitarbeiter I –, die Nichtübertragbarkeit des vorhandenen Wegerechts
positiv gekannt oder im Sinne bedingten Vorsatzes konkret für möglich gehalten hätten,
ist nicht unter Beweis gestellt.
36
Der Beklagte muss sich darüber hinaus auch nicht unter dem Gesichtspunkt der
Zurechnung von sog. Aktenwissen (vgl. BGH NJW 1996, 1339; 1999, 3777; OLG
Hamm, Urt. v. 19.2.2009 – 22 U 115/08 –) so behandeln lassen, als ob er die fehlende
Übertragbarkeit des Wegerechts gekannt oder für möglich gehalten hätte.
37
Zwar ging der Umstand, dass es sich bei der eingetragenen Wegeberechtigung nur um
eine nicht übertragbare beschränkte persönliche Dienstbarkeit handelte, außer aus dem
Grundbuch selbst auch aus der zugrundeliegenden notariellen Bestellungsurkunde vom
29.7.1958 (Anlage K 2-3 im losen Anlagenhefter zum Schriftsatz vom 6.1.2010) hervor.
Es wird zu unterstellen sein, dass von dieser Urkunde seinerzeit auch der Beklagte ein
Exemplar erhalten und aktenmäßig aufbewahrt hat; nach der angeführten
Rechtsprechung würde es indes auch genügen, dass es sich abstrakt um
"typischerweise aktenmäßig gespeichertes Wissen" handelte. Ferner erscheint es
naheliegend, dass der Verkauf des Grundstücks ein Anlass gewesen wäre, das
aktenmäßig gespeicherte Wissen über seine Vorgeschichte "abzurufen".
38
Das könnte jedoch allenfalls dazu führen, den Beklagten so zu behandeln, als habe er
bzw. der für ihn handelnde Mitarbeiter vor dem Vertragsschluss die Urkunde vom
29.7.1958 tatsächlich als solche zur Kenntnis genommen. Für die Annahme von Arglist
bezüglich der fehlenden Übertragbarkeit der Wegeberechtigung würde das nicht
ausreichen. Durch die Rechtsfigur der Zurechnung von Aktenwissen soll der
arbeitsteilig organisierte Verkäufer nämlich nicht besser, aber auch nicht schlechter
gestellt werden als ein privater Verkäufer (vgl. die oben zitierte Rechtsprechung). Einem
39
privaten Verkäufer wäre indes allein aufgrund seiner Kenntnisnahme von der damaligen
Urkunde nicht zu unterstellen, dass er den Begriff der beschränkt persönlichen
Dienstbarkeit und die daraus folgende Unübertragbarkeit juristisch zutreffend erfasst
haben müsste, zumal sich im Urkundstext unmittelbar davor auch noch die Passage
"bzw. dessen jeweiligen Rechtsnachfolger" befand. Die Pflicht des arbeitsteilig
organisierten Verkäufers zum Abruf von Aktenwissen kann deshalb ebenfalls nicht so
weit gehen, dieses Wissen auch juristisch zu analysieren. Auch wenn eine Behörde in
der Regel über Personen mit juristischer Fachkunde verfügt, kann das Versäumnis,
diese Fachkunde auf das "gespeicherte Aktenwissen" auch tatsächlich und mit
zutreffendem Ergebnis anzuwenden, bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise
(vgl. BGH NJW 1996, 1339) allenfalls als Fahrlässigkeit und mithin nicht als Arglist
angesehen werden. Hinzu kommt noch, dass gerade bei einer auch aus dem
Grundbuch hervorgehenden und juristisch geprägten Grundstückseigenschaft wie
einem Wegerecht ein Verkäufer in aller Regel darauf vertrauen darf, dass der
beurkundende Notar etwaige Probleme erkennen wird und es daher nicht zu
Fehlinformationen des Käufers kommen wird.
3.
40
Des weiteren hat die Klägerin keinen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages
wegen der fehlenden durch dauerhaftes dingliches Recht gesicherten Zuwegung des
Grundstücks; sie hat wegen dieses Umstandes jedoch einen Anspruch auf
Schadensersatz in der aus der Urteilsformel ersichtlichen Höhe.
41
a)
42
Bei sachgerechter Auslegung des Vertrages schuldete der Beklagte der Klägerin und
ihrem Mann die Verschaffung eines durch Grunddienstbarkeit gesicherten und damit
weiterübertragungsfähigen Wegerechtes an der in § 9 des Vertrages näher
beschriebenen Strecke (in dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen M2 grün
markiert; daher im folgenden "grüner Weg").
43
Zwar mag die maßgebliche Regelung in § 9 des Vertrages aus rein sprachlicher Sicht
so verstanden werden können, dass Gegenstand der geschuldeten Leistung lediglich
das dort durch die Grundbuchbezeichnung identifizierte Recht, so wie es tatsächlich
eingetragen war, sein sollte. Der in Absatz 1 wiedergegebene Grundbuchwortlaut – "…
zugunsten des Landesverbandes M …" – hätte bei genauer rechtskundiger Betrachtung
ebenfalls auf eine bloße beschränkt persönliche Dienstbarkeit schließen lassen können,
weil eine echte Grunddienstbarkeit ihrer Rechtsnatur entsprechend nicht zugunsten
einer Person bzw. eines Rechtsträgers, sondern zugunsten des "herrschenden"
Grundstücks im Grundbuch vermerkt wird.
44
Andererseits ist jedoch an einer anderen Textstelle des § 9, nämlich in Absatz 3
(Grundbuchbewilligung und -antrag), ausdrücklich der Begriff der Grunddienstbarkeit
verwendet worden.
45
Vor allem aber ist dem Umstand, dass § 9 Absatz 2 überhaupt eine
Übertragungsverpflichtung vorsah, zu entnehmen, dass sie auf etwas tatsächlich
Übertragbares gerichtet sein sollte.
46
Schließlich ist auch ganz unabhängig von der sprachlichen Fassung des § 9 des
47
Vertrages, die ohnehin nicht alleiniges Auslegungskriterium sein kann, nach den
Gesamtumständen anzunehmen, dass die rechtsbeständige und bei einem späteren
Wiederverkauf weiterübertragbare Befugnis zur Nutzung des Weges Bestandteil der den
Käufern zu erbringenden Leistung sein sollte. Da der Weg nicht nur im Vertrag erwähnt,
sondern auch in der Natur vorhanden war und einem durchschnittlichen
Kaufinteressenten als ungehinderte Zuwegung zu dem Grundstück erscheinen musste
(vgl. die auf S. 26 des Privatgutachtens P befindlichen Fotos der beschilderten
Einmündung), musste dieser aus der Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers nicht
damit rechnen, in Wirklichkeit nur ein "Hubschraubergrundstück" bzw. um ein auf ein
Notwegerecht angewiesenes Grundstück – und sei es auch nur für den Fall einer
zukünftigen Weiterveräußerung – verkauft zu bekommen.
b)
48
In rechtlicher Hinsicht kann offenbleiben, ob das Vorhandensein einer dinglich
gesicherten Zuwegung ein Beschaffenheitsmerkmal des verkauften Grundstücks i. S. d.
§ 434 Abs. 1 BGB darstellte, so dass sich gewährleistungsrechtliche Ansprüche aus §
437 BGB ergäben, oder ob die Verschaffung des Wegerechts als zusätzliche
vertragliche Leistungspflicht anzusehen war mit der Folge von Ansprüchen aus dem
allgemeinen Leistungsstörungsrecht (§§ 281, 311a Abs. 2, 323 BGB).
49
aa)
50
Sofern das Vorhandensein der durch Grunddienstbarkeit gesicherten Zuwegung als
Beschaffenheitsmerkmal anzusehen sein sollte, wäre nach den obigen Ausführungen
von einer vereinbarten Beschaffenheit gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 BGB auszugehen.
51
Der in § 2 Absatz 4 des Vertrages wirksam vereinbarte allgemeine
Gewährleistungsausschluss würde in diesem Fall nicht eingreifen. Stehen in einem
Vertrag eine individuelle Beschaffenheitsvereinbarung und ein genereller
Gewährleistungsausschluss äußerlich gleichrangig nebeneinander, so ist im Zweifel
davon auszugehen, dass der Gewährleistungsausschluss für das vereinbarte
Beschaffenheitsmerkmal nicht gelten soll, weil die Beschaffenheitsvereinbarung
ansonsten eine von redlichen Vertragsschließenden nicht gewollte weitgehend
bedeutungslose Regelung darstellen würde (vgl. BGH NJW 2007, 1346). Anhaltspunkte
für eine von diesem Grundsatz abweichende Auslegung liegen hier nicht vor.
52
Somit kann offenbleiben, ob darüber hinaus – wie offenbar das Landgericht gemeint hat
– sogar eine Beschaffenheitsgarantie anzunehmen ist, die schon nach dem Gesetz (§
444 BGB) nicht von dem Gewährleistungsausschluss erfasst würde.
53
Die gemäß § 281 Abs. 1 S. 1 sowie § 323 Abs. 1 BGB erforderliche Fristsetzung zur
Nacherfüllung ist mit dem vorgerichtlichen Anwaltsschreiben vom 6.2.2008 (Anlage K 9
zur Klageschrift) erfolgt.
54
Ein gewährleistungsrechtlicher Anspruch wäre ferner nicht verjährt. Die Verjährungsfrist
hätte gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB zwei Jahre betragen; dass sich auf dem verkauften
Grundstück ein Bauwerk befand, hätte nicht gemäß § 438 Abs. 1 Nr. 2 a BGB zu einer
Verlängerung auf fünf Jahre geführt, weil die Mangelhaftigkeit nicht das Bauwerk als
solches betroffen hätte (vgl. Münchener Kommentar/Westermann, BGB, 5. Aufl. 2008,
Rn. 16 zu § 438). Die Verjährung wäre aber zunächst am 20.6.2006 gemäß § 212 Abs. 1
55
Nr. 1 BGB unterbrochen worden, weil an diesem Tag lt. der Telefonnotiz des Notariats T
(Anlage K 17 zur Klageschrift) der Mitarbeiter I des Beklagten angekündigt hat, er werde
sich "mit Herrn N nochmals wegen der Wegerechtsbestellung in Verbindung setzen",
und damit die Pflicht zur Beseitigung des Mangels schlüssig anerkannt hat. Zwar muss
ein Anerkenntnis gemäß § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB grundsätzlich gegenüber dem
Gläubiger selbst erfolgen; die Abgabe gegenüber einem Dritten genügt aber, wenn eine
Weiterleitung an den Gläubiger erfolgen soll (vgl. BGH NJW 2008, 2276). Hier hat das
Notariat die Telefonnotiz tatsächlich an die Klägerin und ihren Mann weitergeleitet (vgl.
sein Schreiben Anlage K 16 zur Klageschrift), und angesichts der notariellen
Schweigepflicht wäre das nicht erfolgt, wenn der Beklagte damit nicht einverstanden
gewesen wäre. In der Folgezeit hat sich der Beklagte, wie aus seinem Schreiben an den
Notar vom 19.9.2007 (Anlage K 7 zur Klageschrift) hervorgeht, über mehr als ein Jahr
um eine Wegerechtsbestellung durch den Nachbarn N, also um eine
Mängelbeseitigung, bemüht; derartige Bemühungen erfüllen nach neuem Schuldrecht
den verjährungshemmenden Tatbestand des Verhandelns gemäß § 203 BGB (vgl. BGH
NJW 2007, 587). Die am 20.6.2006 neu begonnene zweijährige Verjährungsfrist hätte
folglich bis zu der am 7.10.2008 erfolgten Klageerhebung nicht abgelaufen sein können.
bb)
56
Sofern die Verschaffung des weiterübertragbaren Wegerechts hingegen als
eigenständiger Teil der vertraglichen Leistungspflicht anzusehen und deshalb
allgemeines Leistungsstörungsrecht anzuwenden sein sollte, wäre zunächst
unerheblich, dass diese Leistung dem Beklagten anfänglich unmöglich (§ 275 BGB)
gewesen sein dürfte, weil er selbst nicht über ein solches Wegerecht verfügte. Gemäß §
311a BGB würde hierdurch weder die Wirksamkeit des Vertrages noch die
Schadensersatzpflicht des Beklagten berührt. Seine Unkenntnis von der wahren
wegerechtlichen Situation hätte er i. S. v. § 311a Abs. 2 S. 2 BGB zu vertreten, und zwar
fahrlässig, weil er – wie oben (2.) ausgeführt – sie durch sorgfältige Auswertung der bei
ihm vorhandenen Urkunden hätte erkennen können.
57
Die Nichtverschaffung des Wegerechts hätte sodann zu einer nicht wie geschuldet bzw.
nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung i. S. v. §§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 BGB
geführt.
58
Ferner wäre die auch nach dem allgemeinen Leistungsstörungsrecht erforderliche
Fristsetzung (§§ 281 Abs. 1 S. 1, 323 Abs. 1 BGB) erfolgt und Verjährung (hier ohnehin
10 Jahre gemäß § 196 BGB) nicht eingetreten.
59
c)
60
Sowohl ein Rücktritt gemäß § 437 Nr. 2 BGB (Gewährleistungsrecht) oder § 323 Abs. 1
BGB (allgemeines Leistungsstörungsrecht) als auch eine Rückabwicklung des
Vertrages im Wege des sog. großen Schadensersatzes gemäß §§ 437 Nr. 3, 281 BGB
sind jedoch ausgeschlossen, weil eine im Verhältnis zur Gesamtleistung unerhebliche
Pflichtverletzung des Beklagten i. S. v. §§ 323 Abs. 5 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3 BGB vorliegt.
61
Dabei ist nach Sinn und Zweck der dem Schuldner einzuräumenden Gelegenheit zur
Nacherfüllung auf den Zustand abzustellen, wie er sich nach der nicht vollständig
gelungenen Nacherfüllung darstellt (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 70. Aufl., Rn. 32 zu §
323). Dieser stellt sich hier so dar, dass die Klägerin und ihr Mann zu ihren eigenen
62
Lebzeiten aufgrund der ihnen verschafften beschränkt persönlichen Dienstbarkeit den
"grünen Weg" im wesentlichen in derselben Weise benutzen können wie sie es
aufgrund einer echten Grunddienstbarkeit könnten. Die von der Klägerin herausgestellte
schlechtere Rangstelle gegenüber der ursprünglichen Dienstbarkeit kann zu keiner
anderen Beurteilung führen, weil nicht dargelegt ist, welche Rechte der nunmehrigen
Dienstbarkeit vorgehen und dass ihr Bestand infolgedessen erheblich unsicherer ist als
der der vormaligen. Lediglich die Überlassung an einen Dritten zu dessen selbständiger
Ausübung ist der Klägerin und ihrem Mann mangels ausdrücklicher Gestattung gemäß §
1092 Abs. 1 S. 2 BGB nicht möglich. Die normale Mitbenutzungsmöglichkeit z. B. durch
Angehörige, Besucher oder Kunden (vgl. Palandt/Bassenge Rn. 4 zu § 1090 i. V. m. Rn.
14 a. E. zu § 1018 sowie Rn. 1 zu § 1091) wird dadurch jedoch nicht beeinträchtigt. Als
fühlbarer Nachteil verbleibt daher nur die Unmöglichkeit, die beschränkt persönliche
Dienstbarkeit bei einem Verkauf des Grundstücks oder im Wege der Vererbung
weiterzuübertragen. Dem steht jedoch gegenüber, dass der Beklagte der Klägerin und
ihrem Mann zusätzlich ein weiteres Wegerecht an dem "blauen Weg" verschafft hat, und
zwar in Gestalt einer voll weiterübertragungsfähigen echten Grunddienstbarkeit. Zwar
stellt auch dies keine vollständige Kompensation dar, weil es sich nach den
Feststellungen des Sachverständigen M2 im jetzigen Zustand um eine nicht
gleichwertige Wegstrecke handelt. Zumindest die dauerhafte Erreichbarkeit des
Grundstücks vom öffentlichen Straßennetz her ist durch sie jedoch gewährleistet, so
dass die Weiterverkäuflichkeit nicht mehr schwerwiegend beeinträchtigt ist und der
Klägerin zugemutet werden kann, sich zur Kompensation für den schlechteren
Wegezustand auf einen Schadensersatzanspruch in Geld (dazu unten d) verweisen zu
lassen. Da sie selbst mit ihrer Familie, Kundschaft pp. auf die Benutzung des "blauen
Weges" wie gesagt gar nicht angewiesen ist, kann sie den erhaltenen
Schadensersatzbetrag sogar bis zu einem ggf. weit in der Zukunft liegenden Zeitpunkt
für andere Zwecke verwenden.
Dem Beklagten ist die Berufung auf die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung auch nicht
wegen eigenen schwerwiegenden Verschuldens versagt. Wie bereits ausgeführt, liegt
Vorsatz bzw. Arglist, durch die der Unerheblichkeitseinwand ausgeschlossen würde
(vgl. BGH NJW 2006, 1960), nicht vor, sondern lediglich Fahrlässigkeit, deren Gewicht
auch noch dadurch relativiert wird, dass der Beklagte mit einer zusätzlichen
Überprüfung durch den Notar im Rahmen von dessen Grundbucheinsicht rechnen
konnte.
63
d)
64
Kann die Klägerin mithin nur den Ausgleich der durch die Nichtverschaffung der
Grunddienstbarkeit bedingten Vermögenseinbuße verlangen, und zwar im Verhältnis zu
der Vermögenslage, wie sie sich nach der teilweisen Nacherfüllung darstellt, so beläuft
sich ihr Schadensersatzanspruch auf die Kosten, die der Sachverständige M2 für die
Herrichtung des "blauen" Weges zu einer asphaltierten und witterungsunabhängig
benutzbaren Zufahrt bedenkenfrei ermittelt hat. Dadurch würde in Verbindung mit der
rechtlichen Absicherung, die für diesen Weg bereits geschaffen worden ist, insgesamt
eine der geschuldeten Zuwegung (= ausgebauter "grüner Weg" mit Grunddienstbarkeit)
gleichwertiger Zustand erreicht, durch den für den Fall eines Weiterverkaufs eine
Erlöseinbuße mit der gemäß § 287 ZPO maßgeblichen Wahrscheinlichkeit vermieden
würde. Die Verlängerung der Wegstrecke bis zum Erreichen des öffentlichen
Straßennetzes beträgt nach den Feststellungen des Sachverständigen nur ca. 100
Meter (700 Meter beim "blauen" im Vergleich zu 600 Metern beim "grünen Weg") und
65
fällt damit nicht ins Gewicht. Nach der zum Sachverständigengutachten gehörenden
Landkarte sind die beiden Verbindungspunkte zum öffentlichen Straßennetz auch
ungefähr gleich weit von der nächstgelegenen Ortschaft Z1 entfernt. Soweit der Zustand
des "blauen Weges" in baulicher Hinsicht sogar besser wird, indem die Klägerin dort
eine neu hergestellte Straße im Vergleich zu dem vertraglich geschuldeten und ca. 40
Jahre alten "grünen Weg" erhält, ist dem durch einen Abzug "neu für alt" Rechnung zu
tragen. Diesen nimmt der Senat in Übereinstimmung mit der fachkundigen Einschätzung
des Sachverständigen mit 50 % der Herstellungskosten i. H. v. 41.234,00 € an. Somit
ergibt sich die aus der Urteilsformel ersichtliche Schadensersatzforderung.
Ein weiterer Abzug wegen Verstoßes der Klägerin gegen ihre
Schadensminderungspflicht kommt nicht in Betracht. Der im Rahmen des § 254 BGB
darlegungsbelastete Beklagte hat selbst nicht vorgetragen, dass der Eigentümer des
"grünen Weges" für einen geringeren als den zuerkannten Geldbetrag bereit wäre, eine
echte Grunddienstbarkeit einzuräumen.
66
e)
67
Der Schadensersatzanspruch ist gemäß §§ 286, 288, 291 BGB zu verzinsen, jedoch
erst ab dem Tag nach Zustellung der Klage, weil eine frühere Anmahnung dieses auf
Geld gerichteten Anspruchs nicht ersichtlich ist. Vorgerichtliche Anwaltskosten sind
nicht zu erstatten, weil nach der Aktenlage und dem unwidersprochenen Hinweis im
Termin davon auszugehen ist, dass diese Kosten von der Rechtsschutzversicherung
der Klägerin gedeckt sind und ein eigener Vermögensschaden daher nicht vorliegt.
68
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die
gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
69
70