Urteil des OLG Hamm vom 13.05.2004

OLG Hamm: weide, fohlen, sorgfalt, verwahrung, stute, verschulden, entlastungsbeweis, wahrscheinlichkeit, eigentümer, zustand

Oberlandesgericht Hamm, 24 U 22/04
Datum:
13.05.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 U 22/04
Vorinstanz:
Landgericht Münster, 14 O 510/03
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 09. Januar 2004 verkündete
Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird
zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
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(von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO
abgesehen)
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Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
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Zwischen den Parteien ist ein sogenannter Viehgräsungsvertrag zustande gekommen
(vgl. Münch.Komm. zum BGB – Hüffer, § 688 Rdnr. 56), der pachtvertragliche Elemente
enthält, schwerpunktmäßig aber als entgeltlicher Verwahrungsvertrag einzuordnen ist.
Entgeltlichkeit ist vorliegend deswegen gegeben, weil nach dem übereinstimmenden
Parteivortrag im Senatstermin eine Verrechnung mit Schadensersatzansprüchen des
Klägers aus einem vorangegangenen Verwahrungsvertrag erfolgen sollte.
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Vertragspflicht des Verwahrers ist es – entgegen den Ausführungen des Landgerichts
im angefochtenen Urteil auch ohne ausdrückliche Absprache – die in Verwahrung
genommenen Gegenstände bzw. Tiere (§ 90 a BGB) unbeschadet dem Eigentümer
zurückzugeben (vgl. Palandt-Sprau § 688 Rdnr. 4). Dieser Verpflichtung ist der Beklagte
nicht nachgekommen, als er das streitgegenständliche Fohlen lediglich in stark
verletztem Zustand zurückgegeben hat, so daß es kurz darauf eingeschläfert werden
mußte.
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Der Kläger hätte daher gegen den Beklagten gem. § 281 Abs. 1 S. 1 BGB einen
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Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung, wenn die Voraussetzungen des § 280
Abs. 1 BGB vorliegen würden. Dies ist indes nicht der Fall.
Nach Satz 1 der vorgenannten Vorschrift hat der Gläubiger einen
Schadensersatzanspruch, wenn der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis
verletzt. Grundsätzlich trägt der Gläubiger die volle Beweislast dafür, daß der Schuldner
objektiv eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat (Palandt-Heinrichs, § 280 Rndr. 35). Die
Pflichtverletzung des Schuldners kann sich aber bereits daraus ergeben, daß der
Gläubiger bei Durchführung des Vertrages einen Schaden erlitten hat. Ein solcher
Schluß vom Schaden auf die Pflichtverletzung ist zulässig, wenn der Schuldner nach
dem Vertragsinhalt die erfolgsbezogene Pflicht hatte, einen Schaden wie den
Eingetretenen zu verhindern. Dies ist u. a. der Fall beim Verwahrungsvertrag, bei
welchem der Schuldner die Pflicht hat, die in Verwahrung genommene Sache
unbeschadet dem Eigentümer wieder herauszugeben (vgl. Palandt-Heinrichs a.a.O.
Rdnr. 36 m. w. N.). Eines besonderen Kausalitätsbeweises bedarf es in einem solchen
Fall nicht (Palandt a.a.O. Rdnr. 38).
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Gleichwohl scheidet eine Haftung des Beklagten vorliegend aus, weil er die
Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB).
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Der Entlastungsbeweis des Schuldners ist dann geführt, wenn er dargetan hat, daß er
die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. An den Entlastungsbeweis dürfen keine zu
hohen Anforderungen gestellt werden (Palandt a.a.O. Rndr. 40, BGH NJWRR 90, 447).
Er ist erbracht, wenn der Schuldner die Ursache des Schadens nachweist und dartut,
daß er diesen nicht zu vertreten hat. Es genügt aber auch, wenn er die Ursache
wahrscheinlich macht und sicher ist, daß er für diese nicht einzustehen hat (BGHZ 116,
334, 337). Ist die Ursache unaufklärbar, kann sich der Schuldner durch den Beweis
entlasten, daß er alle ihm obliegende Sorgfalt beobachtet hat (RG 74, 344; BGH NJW
65, 1585). Es reicht aus, wenn die Wahrscheinlichkeit eines vom Schuldner nicht
verschuldeten Geschehensablaufs ein so hohes Maß erreicht, daß die
Wahrscheinlichkeit eines Verschuldens des Schuldners dahinter zurücktritt (BGH NJW
RR 1992, 1337 f.). Es darf nicht die ernsthafte Möglichkeit verbleiben, daß der
Schuldner die Pflichtverletzung zu vertreten hat (Palandt a.a.O. Rndr. 40).
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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze scheidet im vorliegenden Fall die
Haftung des Beklagten mangels Verschuldens aus.
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Die Ursache für die Verletzung des Fohlens ist nach dem übereinstimmenden Vortrag
beider Parteien unaufklärbar.
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Als Unfallursache in Betracht kommt zum einen ein Sturz des Fohlens. Hierfür hätte der
Beklagte nicht einzustehen, da er eine solche Ursache nicht hätte verhindern können.
Die Weide, auf der das Fohlen verwahrt wurde, befand sich nach übereinstimmenden
Parteivortrag in einem gewöhnlichen Zustand, besondere Gefahrenquellen befanden
sich dort nicht.
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Als weitere Schadensursache kommt der Tritt eines Muttertieres in Betracht. Hier ist
zunächst nicht auszuschließen, daß der Tritt durch die eigene Mutter erfolgt ist. Auch
hierfür hätte der Beklagte nicht einzustehen, da er dies bei größtmöglicher Sorgfalt nicht
hätte verhindern können. Schließlich kommt in Betracht, daß der Tritt durch eines der
anderen Muttertiere, die sich auf der Weide befanden, erfolgt ist. Auch hierfür hätte aber
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der Beklagte nicht einzustehen. Unstreitig hatte der Beklagte den Kläger darauf
hingewiesen, daß bereits drei Muttertiere auf der Weide vorhanden waren und weiter
dort weiden würden, wohin der Kläger seine Stute nebst Fohlen verbringen würde. Der
Kläger hat hierzu im Senatstermin erklärt, daß es ganz normal sei, daß andere Fohlen
mit auf der Weide seien. Dem Kläger war dieser Umstand auch deswegen bekannt, weil
sich die Tiere bereits auf der Weide befanden, als er seine Stute und das später
geschädigte Fohlen dorthin brachte. Der Beklagte hat sich also auch insoweit
vertragskonform verhalten. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt hat,
daß möglicherweise die Pferde nicht zusammen gepaßt hätten, ist dies nur eine
Mutmaßung. Im übrigen wäre auch hierdurch kein Verschulden des Beklagten
begründet, da nicht ersichtlich ist, wie ein solcher Umstand für ihn vorher erkennbar
gewesen sein soll. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, daß sämtliche Pferde bereits
etwa einen Monat zusammen auf der Weide gestanden hatten, bevor es zu dem
Schadensfall kam und daß es zuvor offenbar nicht zu besonderen Vorkommnissen
gekommen ist.
Schließlich hat der Beklagte auch die Pferde auf der Weide regelmäßig versorgt und
kontrolliert, was auch für die Umzäunung gilt. Sein dahin gehendes erstinstanzliches
pauschales Bestreiten hat der Kläger im Termin fallengelassen. Im übrigen wäre
ohnehin nicht ersichtlich, daß eine etwaige Pflichtverletzung bei der Versorgung der
Tiere für den Schadensfall kausal geworden sein könnte.
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Aus dem Vorgesagten folgt, daß den Beklagten für den Schadensfall kein Verschulden
trifft, da er alle ihm obliegende Sorgfalt beobachtet hat und dargetan hat, daß er für
sämtliche in Betracht kommenden Schadensursachen nicht verantwortlich ist.
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Schließlich ergibt sich aus dem Vorgesagten ebenfalls, daß eine Tierhalterhaftung des
Beklagten nach § 833 BGB ausscheidet, da der Kläger nicht beweisen kann, daß die
Verletzung seines Fohlens durch ein im Eigentum des Beklagten stehendes Muttertier
erfolgt ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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