Urteil des OLG Hamm vom 25.03.2008

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Oberlandesgericht Hamm, 18 W 31/06
Datum:
25.03.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
18. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
18 W 31/06
Vorinstanz:
Landgericht Hagen, 4 O 557/05
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des
Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom
24.05.2006 aufgehoben.
Der zu den ordentlichen Gerichten beschrittene Rechtsweg ist zulässig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 3.250,00 €
festgesetzt.
G r ü n d e :
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Die gemäß § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige
Beschwerde der Klägerin ist begründet. Gemäß § 17 a Abs. 3 Satz 1 GVG ist die
Zulässigkeit des zu den ordentlichen Gerichten beschrittenen Rechtsweges
auszusprechen.
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I.
selbständiger Handelsvertreter und nicht Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3
ArbGG (1.). Er gilt auch nicht gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG als Arbeitnehmer (2.).
3
1.
selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen
Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.
Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit
bestimmen kann (§ 84 Abs. 1 Satz 2 HGB). Für die Entscheidung der Frage, ob ein
Vertragspartner als selbständiger Handelsvertreter tätig geworden ist oder nicht, kommt
es grundsätzlich nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern vor
allem auf das Gesamtbild der vertraglichen Gestaltung und die tatsächliche
Handhabung an (OLG Hamm, VersR 2004, 1133). Im Rahmen der Prüfung der
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Zulässigkeit des Rechtsweges ist dabei auf den Tatsachenvortrag der Klägerin
abzustellen (BGHZ 133, 240 = NJW 1996, 3012). Ausgehend von diesen rechtlichen
Vorgaben ist der Beklagte nicht als Arbeitnehmer einzustufen. Die Klägerin hat im
Einzelnen ausführlich und schlüssig dargelegt, dass der Beklagte nach den
vertraglichen Bestimmungen selbständiger Gewerbetreibender sein sollte. Auf der
Grundlage ihres Vorbringens kann nicht davon ausgegangen werden, dass die
tatsächliche Handhabung dergestalt davon abwich, dass eine Einstufung als
Arbeitnehmer gerechtfertigt wäre. Insbesondere ist ein fachliches Weisungsrecht sowie
die Zuordnung zu einer bestimmten Geschäftsstelle mit der Selbständigkeit des
Handelsvertreters vereinbar. Die Vorgabe eines bestimmten Tätigkeitsortes hat die
Klägerin unter Hinweis auf § 1 Nr. 3 Satz 1 des Consultant-Vertrages bestritten (Bl. 62
d.A.). Zudem hat sie weiter behauptete Eingriffe in die Arbeitszeitbestimmungs- und
Tätigkeitsgestaltungsbefugnis bestritten (Seiten 10 bis 14 des Schriftsatzes vom
31.03.2006, Bl. 64 bis 68 d.A.).
2.
dieser Vorschrift gelten Handelsvertreter dann als Arbeitnehmer im Sinne des
Arbeitsgerichtsgesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92 a
HGB die untere Grenze der vertraglichen Leistungen festgesetzt werden kann, und
wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses im Durchschnitt
monatlich nicht mehr als 1.000,00 € aufgrund des Vertragsverhältnisses an Vergütung
einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene
Aufwendungen bezogen haben.
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt, denn der Beklagte hatte in den
letzten sechs Monaten seiner Tätigkeit für die Klägerin mehr als 1.000,00 € an
Provisionen im Monatsdurchschnitt erwirtschaftet.
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Ausgangspunkt ist, dass der Beklagte auf der Grundlage des Klägervortrages, was aber
wohl unstreitig ist, in den letzten sechs Monaten seiner Tätigkeit Provisionen in Höhe
von 7.245,18 € erwirtschaftet hat (Bl. 116 d.A.), was einem Monatsdurchschnitt von
1.207,53 € entspricht. Zu einem Monatsdurchschnitt von unter 1.000,00 € käme man nur
dann, wenn dem Beklagtenvortrag zu folgen wäre, dass die Miete für das Notebook
sowie weitere von der Klägerin in Rechnung gestellte Kosten abzuziehen wären. Dies
ist jedoch nicht der Fall. Wie der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden hat, sind
für die Ermittlung der während der letzten sechs Monate bezogenen Vergütungen alle
unbedingt entstandenen Ansprüche des Handelsvertreters zu berücksichtigen,
unabhängig davon, ob, auf welche Art und Weise und in welchem Umfang sie erfüllt
sind. Es kommt also nicht auf die Höhe der tatsächlichen Zahlungen an (vgl. BGH,
Beschluss vom 12.02.2008 – VIII ZB 3/07 -, juris). In einer weiteren Entscheidung hat
der Bundesgerichtshof zudem ausgeführt, dass Aufwendungen, die vom Unternehmer
nicht zu erstatten sind, bei der Ermittlung der Durchschnittsvergütung unberücksichtigt
bleiben, weil nach § 5 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ein Abzug für im Betrieb des
Handelsvertreters entstandene Ansprüche nicht vorgesehen ist und es auf den
Bruttoverdienst ankommt. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob eine Pflicht zur
Nutzung des Notebooks und der EDV der Klägerin bestand (vgl. BGH, Beschluss vom
12.02.2008 – VIII ZB 51/06 -, juris). Der Senat schließt sich den vorgenannten
Entscheidungen des Bundesgerichtshofes an und nimmt hinsichtlich der Begründung
darauf Bezug. Danach ist aber kein Raum für die von dem Beklagten geltend
gemachten Abzüge bei der Ermittlung des Durchschnittsverdienstes der letzten sechs
Monate.
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II.
im Vorabverfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges (§ 17 a Abs. 4 GVG) ist nach
§§ 91 ff. ZPO zu entscheiden (vgl. OLG Düsseldorf, I-16 W 24/05, 16 W 24/05,
Beschluss vom 01.06.2005, juris; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 24.07.2007
– 12 W 25/07 -, juris). Den Beschwerdewert hat der Senat auf etwa ein Drittel des
Hauptsachestreitwertes geschätzt. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der
Rechtsbeschwerde (§ 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG) liegen nicht vor, nachdem die hier
maßgeblichen grundsätzlichen Fragen in den oben genannten Entscheidungen des
Bundesgerichtshofes geklärt worden sind.
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