Urteil des OLG Hamm vom 26.10.2001

OLG Hamm: obg, zustandsstörer, bergbau, zivilrechtliche haftung, eigentümer, öffentlich, belastung, sanierung, bestandteil, verantwortlichkeit

Oberlandesgericht Hamm, 11 U 44/01
Datum:
26.10.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Hamm
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 44/01
Vorinstanz:
Landgericht Essen, 4 O 494/99
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. November 2001
verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird
zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der
Vollstreckungssumme abwenden, wenn nicht das beklagte Land in
gleicher Höhe Sicherheit leistet. Jegliche Sicherheit kann durch eine
selbstschuldnerische Bürgschaft eines als Zoll- oder Steuerbürge
zugelassenen Kreditinstituts in der Europäischen Union erbracht
werden.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 208.499,89 DM.
Tatbestand:
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Die Klägerin verlangt mit der Klage von dem beklagten Land Entschädigung für die
Aufwendungen, die sie für die Wiederherstellung der Standsicherheit eines zu früherer
Zeit dem Bergbau dienenden Schachts getätigt hat. Das Bergwerk L, zu dem dieser
Schacht unter dem Namen Schacht L1 als Bestandteil eines Geviertfeldes gehörte, hatte
die Klägerin nach ihrer eigenen Gründung, die 1968 stattfand, durch Einbringung von
der N AG erworben. Wegen der weitgehend unstreitigen Einzelheiten der Geschichte
dieses Schachtes und der in diesem Zusammenhang interessierenden
Steinkohlenlängen- und Geviertfelder wird auf die Darstellung in der
Ordnungsverfügung des Bergamts H vom 19. Juni 1996 und auf den Tatbestand des
angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 16 ff, 393 ff d.A.). Nach entsprechenden
Untersuchungen wurde 1996 festgestellt, daß dem Schacht L 1, der 1840 wie damals
üblich mit Lockermasse verfüllt worden war, die Standsicherheit fehlte und sein Einsturz
drohte. Das Bergamt H nahm mit dem erwähnten Bescheid vom 19. Juni 1996 die
Klägerin als Zustandsstörer gemäß § 18 OBG NW in Anspruch und gab ihr auf, die
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Standsicherheit in bestimmter Weise herzustellen, die Maßnahme bis zum 1. August
1996 zu beginnen und ohne schuldhafte Verzögerung durchzuführen. Gleichzeitig hat
das Bergamt die sofortige Vollziehung angeordnet und die Ersatzvornahme angedroht.
Einen Widerspruch der Klägerin wies das Landesoberbergamt mit Bescheid vom
8. Oktober 1996 zurück. Die parallel dazu durchgeführten Arbeiten am Schacht zur
Herstellung der Standsicherheit wurden am 27. September 1996 beendet. Eine
Anfechtungsklage gegen die Inanspruchnahme hat die Klägerin am 31. Oktober 1996
beim Verwaltungsgericht H eingereicht und sie am 8. September 1999 in eine
Fortsetzungsfeststellungsklage geändert. In der mündlichen Verhandlung vom
9. September 1999 hat die Klägerin auf den gerichtlichen Hinweis, die Klage sei
unzulässig, diese zurückgenommen.
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Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin unter näherer Darlegung des Sachverhalts
die Auffassung vertreten, das beklagte Land schulde gemäß § 39 Abs. 1 lit. a oder b
OBG NW Entschädigung in Höhe der aufgewendeten Sanierungskosten.
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Sie hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 208.499,89 DM nebst 5 % Zinsen seit
dem 1. Oktober 1996 zu zahlen.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das beklagte Land ist mit näherer Begründung dem Klagebegehren in verschiedener
Hinsicht entgegengetreten.
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Das Landgericht hat die Klage aus den im angefochtenen Urteil dargelegten Gründen
abgewiesen.
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Mit der Berufung gegen dieses Urteil verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie führt
aus:
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Die Inanspruchnahme der Klägerin sei rechtswidrig gewesen, weil sie
ermessensfehlerhaft erfolgt sei. § 18 OBG NW sei auf das Bergwerkseigentum nicht
anwendbar, weil die Bestimmung nur den Eigentümer, nicht aber "einen anderen
Berechtigten" (wie z.B. § 5 Abs. 2 PolG NW) als tauglichen Störer benenne. Gegen die
Stellung der Klägerin als Zustandsstörer spreche auch, daß der Bergbaubetrieb durch
behördlichen Gestattungsakt, dem auch eine Prüfung auf Gefährdungen für fremde
Rechtsgüter durch den Betrieb vorgelagert sei, legalisiert worden sei. Schließlich stehe
einer Inanspruchnahme der Klägerin auch § 5 S. 2 des
Längenfelderbereinigungsgesetzes (LfBG) entgegen. Diese Bestimmung erfasse auch
die nach Ordnungsrecht begründete öffentlich-rechtliche Pflichtenlage. Weiterhin habe
einer Inanspruchnahme die Verjährungseinrede entgegengestanden. Die
Inanspruchnahme der Klägerin sei auch unverhältnismäßig gewesen, wobei
insbesondere die Maßstäbe zu beachten seien, die das Bundesverfassungsgericht in
seiner einschlägigen Entscheidung vom 16. Februar 2000 dargestellt habe. Das
Bergwerkseigentum der Klägerin an dem Schacht L 1 werde bestritten. Es sei nämlich
offen, ob der Deimelsberger Erbstollen, dem der Schacht Klotz ursprünglich als
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wesentlicher Bestandteil zuzuordnen gewesen sei, im Verlaufe der mehreren
Konsolidationen bis zur großen Konsolidation von 1961 jeweils einbezogen gewesen
sei.
Die Klägerin beantragt,
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das beklagte Land abändernd zu verurteilen, an die Klägerin 208.499,89 DM nebst
5 % Zinsen seit dem 1. Oktober 1996 zu zahlen.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Es verteidigt die Entscheidung des Landgerichts mit näheren Ausführungen.
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Im Verhandlungstermin vor dem Senat hat die Klägerin wie in erster Instanz unstreitig
gestellt, daß der Schacht L 1 zu ihrem Bergwerkseigentum gehört.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Vorbringens wird verwiesen auf
das angefochtene Urteil und die in zweiter Instanz gewechselten Schriftsätze nebst
Anlagen und den Inhalt der Protokolle.
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Entscheidungsgründe:
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Die Berufung ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen das beklagte
Land auf Entschädigung wegen der für die Schachtsanierung getätigten Aufwendungen
von insgesamt 208.499,89 DM. Die Angriffe der Klägerin gegen die überzeugenden
Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung bleiben im
Ergebnis ohne Erfolg.
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I. Auch nach der Verhandlung in der Berufungsinstanz bleibt es dabei, daß die Klägerin
einen Entschädigungsanspruch aus § 39 Abs. 1 lit. b OBG NW nicht herleiten kann. Sie
ist nicht in rechtswidriger Weise als Zustandsstörer wegen des einsturzgefährdeten
Schachts L1 in Anspruch genommen worden.
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1. Die Klägerin leugnet nicht, daß die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein
Tätigwerden der Ordnungsbehörden, hier gemäß § 48 Abs. 4 OBG NW der
Bergbehörden, in objektiver Hinsicht gemäß § 14 OBG NW vorgelegen haben, wie dies
auch das Landgericht angenommen hat. Der Senat hat keine Bedenken dagegen, daß
insoweit die Bestimmungen des nordrhein-westfälischen Ordnungsbehördengesetzes
und nicht die für die Bergaufsicht gemäß §§ 196 ff PreußABG geltenden Regelungen
anzuwenden sind. Die Bergaufsicht und damit die Anwendbarkeit der einschlägigen
Regelungen endete mit der Einstellung des Bergbaubetriebs und dem Abschluß der
Stillegungsarbeiten nach der übereinstimmenden Darstellung beider Parteien lange Zeit
vor dem Auftreten der Gefahr durch drohenden Einsturz des Schachts im Jahr 1996.
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Die Klägerin hat nach zwischenzeitlich abweichendem Vorbringen im Senatstermin vom
29. August 2001 unstreitig gestellt, daß der Schacht L1 zu ihrem Bergwerkseigentum
gehört. Darauf braucht deshalb nicht weiter eingegangen zu werden.
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2. Zu Unrecht nimmt die Klägerin an, sie sei als Bergwerkseigentümerin nicht tauglicher
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Zustandsstörer im Sinne von § 18 OBG NW, weil das Bergwerkseigentum nicht wie das
Grundstückseigentum ein Vollrecht sei. Dieser Einwand kann nicht überzeugen. Der
vergleichende Hinweis der Klägerin auf den Gesetzestext in § 5 Abs. 2 Satz 1 PolG NW,
der neben dem Eigentümer auch ausdrücklich "einen anderen Berechtigten" als
möglichen Verantwortlichen für den Zustand von Sachen bezeichnet, ist nicht
zwingender Natur. Der Umkehrschluß auf eine bewußt abweichende Formulierung und
einen entsprechend eingeengten Sinngehalt von § 18 OBG NW ist nicht gerechtfertigt,
wenn berücksichtigt wird, daß nach dem von der Klägerin vertretenen Verständnis der
Norm ordnungsbehördliche Maßnahmen, die an "andere dingliche Berechtigungen" als
an das Volleigentum anknüpfen, gegen keinen Zustandsstörer gerichtet werden
könnten. Das wäre angesichts der ansonsten dem Eigentümer gleichgestellten
Rechtslage gerade des Bergwerkseigentümers zumindest in seinem Fall nicht
einleuchtend. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (z.B. OVG NW ZfB 1995,
322, 328ff) hat bisher auch keine Bedenken gehabt, den Bergwerkseigentümer als
tauglichen Adressaten gemäß § 18 OBG NW von ordnungsbehördlichen Maßnahmen
anzusehen. Der Senat folgt dieser Auffassung.
3. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Inanspruchnahme eines
Zustandsverantwortlichen für einen Bestandteil eines behördlich gestatteten
Bergbaubetriebes nicht ausgeschlossen, weil der Betrieb mit der behördlichen
Genehmigung, wie die Klägerin meint, "legalisiert" ist. Eine präventive behördliche
Prüfung unter Einschluß von Gesichtspunkten der Gefahrenabwehr hindert nicht die
zuständigen Behörden, später ordnungsbehördliche Maßnahmen zu ergreifen, wenn
trotz der präventiven Prüfung einschlägige Gefahren entstehen. Das gilt zumindest in
solchen Fällen, in denen sich der Sachverhalt gegenüber dem bei der präventiven
Prüfung zugrundegelegten verändert hat und die entstandenen Gefahren bei der
Gestattung nicht bekannt waren.
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4. § 5 Satz 2 LfBG stand der Inanspruchnahme der Klägerin als Zustandsstörer nicht
entgegen.
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a) Allerdings steht der Anwendung des Längenfeldbereinigungsgesetzes (LfBG) auf das
Bergwerksfeld, zu dem der fragliche Schacht Klotz gehört hat, nicht § 8 LfBG entgegen.
Nach dieser Bestimmung findet das Gesetz keine Anwendung auf Längenfelder, in
denen bei seinem Inkrafttreten betriebsplanmäßig zugelassener Bergbau umgeht, wenn
nicht das Längenfeld und das überdeckende Geviertfeld dem gleichen Eigentümer
gehören. Wenn der Bergbau später eingestellt wird, ist das Gesetz mit dem Ablauf des
auf die Betriebseinstellung folgenden zweiten Jahres anzuwenden. In dem hier
fraglichen Längenfeld war der betriebsplanmäßig zugelassene Bergbau nach dem
insoweit übereinstimmenden Vortrag beider Seiten jedenfalls mehr als drei Jahre vor
dem Außerkrafttreten des Gesetzes (durch Aufhebung im RBG NW 84) am 1.1.1985
eingestellt worden.
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b) Auch kann der Inanspruchnahme der Klägerin § 5 Satz 2 LfBG entgegenstehen,
obwohl das Längenfeldbereinigungsgesetz durch das RBG NW 84 aufgehoben worden
ist. Diese Aufhebung erfolgte mit der in Art. 16 Abs. 1 RBG NW 84 angeordneten
Maßgabe, daß das aufgehobene Gesetz anwendbar bleibt auf Rechtsverhältnisse und
Tatbestände, die während seiner Geltung "ganz oder zum Teil bestanden haben oder
entstanden sind". Das umfaßt auch die in § 5 LfBG geregelte Frage der Haftung für die
Bergschäden, die nach einem Eigentumsübergang auf Grund des LfBG entstehen und
durch den Abbau des früheren Eigentümers verursacht sind. Es ist nicht zweifelhaft, daß
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die in § 5 LfBG geregelten Haftungsfolgen der auf Grund des LfBG eingetretenen
Eigentumswechsel nicht nachträglich mit der Aufhebung des Gesetzes umgestaltet
werden sollten.
c) Es kommt für die vorliegende Entscheidung nicht darauf an, ob durch § 5 LfBG allein
die von Gesetzes wegen zu Inhabern (auch) der Längenfelder oder Teilen von solchen
gewordenen Eigentümer der Geviertfelder von der Haftung für Bergschäden freigehalten
werden sollten, oder ob auch ihre durch Rechtsgeschäft zu Eigentümern der
Geviertfelder (mit ursprünglichen Längenfelderteilen) gewordenen Rechtsnachfolger in
gleicher Weise privilegiert werden sollten. Der Senat läßt diese unter den Parteien
umstrittene Frage offen.
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d) Ein Gleiches gilt für die Frage, ob hinsichtlich des Steinkohlenlängenfeldes, zu dem
der Schacht L1 gehörte, ein Eigentümerwechsel auf Grund der Bestimmungen der §§ 1,
2 LfBG eingetreten ist. Nur in einem solchen Fall könnte sich die Klägerin auf § 5 Satz 2
LfBG berufen, wonach eine Haftung des neuen Eigentümers nicht eintritt, während die
des früheren Eigentümers fortbesteht, § 5 Satz 1 LfBG. Die Parteien streiten, wie sich im
Senatstermin gezeigt hat, darüber, ob in dem Längenfeld, zu dem der Schacht L1 gehört
hat, bis zur sog. großen Konsolidation von 1961 mit anschließender Teilung noch
betriebsplanmäßig zugelassener Bergbau umging. Davon hängt, wie oben bereits
erwähnt worden ist, gemäß § 8 LfBG die Anwendbarkeit dieses Gesetzes ab, wenn nicht
Längenfeld und überdeckendes Geviertfeld bereits in einer Hand waren. Weder die
Frage, wie sich die Eigentumslage hinsichtlich der beiden Felder hier bis 1961
darstellte, noch die weitere Frage, wie lange Bergbau betrieben wurde, ist bisher
geklärt. Die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits nötigt zu ihrer Klärung nicht.
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e) § 5 Satz 2 LfBG kann einer Inanspruchnahme der Klägerin als Zustandsstörer hier
schon nicht entgegengehalten werden, weil diese Bestimmung nur die zivilrechtliche
Haftung für sog. Bergschäden regelt und die Fragen der öffentlich-rechtlichen
Verantwortlichkeit für die von dem Betrieb oder seinen Teilen ausgehende Gefahren
nicht betrifft. Der Senat tritt insoweit den überzeugenden Darlegungen des Landgerichts
in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils bei, die er sich zu eigen macht
und auf die verwiesen werden kann. Es ist hinzuzufügen, daß § 5 LfBG an
tatbestandliche Voraussetzungen anknüpft, die mit denjenigen, die für die
Zustandsverantwortlichkeit im Rahmen ordnungsbehördlicher Gefahrenabwehr
maßgeblich sind (§ 18 OBG NW), nicht in Einklang zu bringen sind. § 5 Satz 1 LfBG
perpetuiert die Haftung des früheren Längenfeldeigentümers "für die Bergschäden, die
nach dem auf Grund dieses Gesetzes erfolgten Eigentumsübergang entstehen und
durch seinen (gem.: des Eigentümers) Abbau verursacht sind". Demgegenüber kommt
es für die Zustandsverantwortlichkeit nach Ordnungsbehördengesetz nicht darauf an, ob
und wann ein (Berg-) Schaden entsteht. Auch die Frage der Verursachung spielt für die
Feststellung des Zustandsstörers keine Rolle. Es kommt allein auf die gegenwärtige
Gefährdungslage an. Wollte man mit der Klägerin § 5 LfBG auch auf die öffentlich-
rechtliche Zustandsverantwortlichkeit anwenden, wäre deshalb eine gegenständliche
Eingrenzung der von dieser Bestimmung erfaßten Gefahren sinnvoll nicht möglich. Das
ist ein weiterer Beleg dafür, daß die Bestimmung die Fragen der öffentlich-rechtlichen
Verantwortlichkeit im Hinblick auf die Gefahrenabwehr nicht regeln will und nicht regelt.
Deshalb trifft auch der Vorwurf der Klägerin nicht zu, für die landgerichtliche Auslegung,
die der durchgängigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte folgt, gebe es nur
"begriffsjuristische" Argumente.
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5. Den Hinweis der Klägerin auf den Verjährungsgedanken – anknüpfend an die seit der
Verfüllung des Schachts verstrichene Zeit – hat das Landgericht überzeugend widerlegt.
Darauf wird verwiesen. Die Berufung bringt erhebliche Angriffe dagegen nicht vor.
Soweit die Klägerin dazu verfassungsrechtliche Gesichtspunkte hervorhebt (Stichwort
"Ewigkeitshaftung"), sind diese jedenfalls zur Begründung des Ausschlusses der
Inanspruchnahme als Zustandsstörer ungeeignet. Die fortwährende, nicht verjährende
Verantwortlichkeit für den nicht gefahrbringenden Zustand der Gegenstände des
Pflichtigen steht mit Art. 14 GG im Einklang.
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6. Unbegründet ist auch die Rüge der Klägerin, ihre Inanspruchnahme sei unter Verstoß
gegen § 15 OBG NW erfolgt.
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a) Es berührt die Verhältnismäßigkeit nicht, wenn neben der Klägerin nicht auch ein
weiterer Pflichtiger, z.B. der Grundstückseigentümer, in Anspruch genommen wurde.
Die Möglichkeit des Rückgriffs gegen einen solchen ebenfalls Ordnungspflichtigen
hängt nicht von dessen Inanspruchnahme durch die Behörde ab.
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b) Außerdem war die Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers
hier nicht gegeben. Er ist nicht Zustandsstörer, weil der Schacht nicht in seinem
Eigentum stand und steht. Selbst wenn dies anders wäre, müßte eine Entscheidung, die
den aus Bergbaurecht Verpflichteten "näher" an der Störung sieht, als
ermessensfehlerfrei respektiert werden.
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7. Ohne Erfolg bleibt die Berufung schließlich, soweit die Klägerin meint, es sei nach
den Maßstäben der Verfassungsgerichtsentscheidung vom 16.2.2000 (NJW 2000, 2573;
Volltext Bl. 224 ff d.A.) geboten gewesen, daß die Bergbehörden gleichzeitig mit der
Entscheidung über ihre Inanspruchnahme auch das Ausmaß, in welchem die Klägerin
mit den Kosten der Gefahrenbeseitigung belastet werde und bleibe, hätten begrenzen
müssen.
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a) Im Ausgangspunkt ist der Klägerin einzuräumen, daß der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts die Möglichkeit einer solchen verfassungsrechtlichen
Anforderung an ordnungsbehördliche Entscheidungen gegenüber Zustandsstörern und
auch die Voraussetzungen zu entnehmen sind. Die Voraussetzungen sind aber im
vorliegenden Fall nicht verwirklicht.
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b) Es kommt nicht darauf an und kann offen bleiben, ob das Landgericht die
Grenzziehung für eine zumutbare Belastung mit Kosten einer Sanierung an Hand der
richtigen Erwägungen ermittelt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat (im Fall einer
Altlastensanierung eines Grundstücks) als Anhaltspunkt das Verhältnis zwischen dem
Verkehrswert des Grundstücks nach ordnungsbehördlich aufgegebener Sanierung und
dem damit verbundenen finanziellen Aufwand erwogen. Diesen Vergleichsmaßstab hat
das Landgericht mit beachtlichen Gründen unter Berücksichtigung der anders
gelagerten wirtschaftlichen Gegebenheiten im Fall eines Bergwerks angelehnt an die
Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts weiter zu entwickeln versucht. Der Senat
teilt die Auffassung des Landgerichts, daß bei einem Teil eines
Wirtschaftsunternehmens, wie vorliegend einem Bergwerkseigentum, der statische Wert
des zu sanierenden Objekts nach der Sanierung einen überzeugenden Vergleichswert
für die Ermittlung der zumutbaren Kostenbelastung nicht abgibt. Es wird vielmehr
geboten sein, notfalls die dem Unternehmen aus der gefahrbringenden Gegenstand
zufließenden oder zugeflossenen Vorteile mit zu berücksichtigen. All dies ist aber für
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den vorliegenden Fall nicht von entscheidender Bedeutung.
c) Zu Recht hat das Landgericht jedenfalls entschieden, der Klägerin sei die Belastung
mit den vollen Kosten der Sicherung des Schachts ohne Verstoß gegen
Verfassungsrecht zuzumuten, weil sie das Risiko der entstandenen Gefahr bewußt in
Kauf genommen hat. Bei Übernahme des Geviertfeldes mit dem gefahrbegründenden
Schacht im Wege der Einbringung in die Klägerin (im Jahr 1969) wußten die für die
Klägerin handelnden Personen, daß zu diesem Geviertfeld mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit zahlreiche in früherer Zeit abgeteufte Schächte und andere
Bestandteile gehörten, aus denen wegen der in früherer Zeit noch anders gehandhabten
Sicherungsmaßnahmen nicht unwesentliche Risiken im Hinblick auf Gefährdungen der
Oberfläche, des Lebens und der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit von
Dritten und des Verkehrs zu besorgen waren. Insofern ist dieser Fall vergleichbar mit
den vom Bundesverfassungsgericht genannten Fällen des Betriebs einer Deponie oder
einer Auskiesung mit anschließender Verfüllung. Diese Risiken hat die Klägerin bei
Erwerb bewußt in Kauf genommen. Das Maß der Fahrlässigkeit, welches nach der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts für das Ausmaß zumutbarer
Kostenbelastung ebenfalls Bedeutung hat, ist hier zumindest ein herausgehobenes. Für
einen im Bergbau Kundigen – als solchen muß die Klägerin, die unter maßgeblicher
Beteiligung der einbringenden Bergbauunternehmen gegründet worden ist, sich
behandeln lassen – drängte sich die oben beschriebene Besorgnis geradezu auf. Es
kann dabei offen gelassen werden, ob die Klägerin, die - u.a. von den im Bergbau
tätigen Unternehmen - zu dem Zweck der Übernahme der alten Bergbauanlagen und
Bergwerksberechtigungen gegründet worden ist, sich die eigenen
Verursachungsbeiträge ihrer Rechtsvorgänger hinsichtlich der gefährdenden
Gegenstände entgegenhalten lassen muß. Bei Berücksichtigung der oben dargestellten
Umstände ergibt sich, daß auch unter Würdigung der vom Bundesverfassungsgericht
betonten Gesichtspunkte die Klägerin nicht schutzwürdig ist hinsichtlich der Begrenzung
ihrer Kostenbelastung, soweit es um die hier fragliche und unstreitig für die Klägerin
nicht existenzgefährdende Summe geht. Der hier aufzuwendende Betrag von ca.
210.000 DM ist gemessen an dem Gesamtvermögen der Klägerin, das ohne Zweifel
weit über diesen Betrag hinausgeht, eine angesichts der bewußten Inkaufnahme der
Risiken zumutbare Belastung.
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II. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.
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