Urteil des OLG Hamburg vom 22.08.2012

OLG Hamburg: Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht: Gewichtung der Gestaltungsfreiheit und des vorbekannten Formenschatzes im Rahmen der Bestimmung des Schutzumfangs eines Geschmacksmusters im Fall eines elastischen Trainingsstabs; Eingreifen des ergänzenden

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Gemeinschaftsgeschmacksmusterrecht: Gewichtung der Gestaltungsfreiheit und des
vorbekannten Formenschatzes im Rahmen der Bestimmung des Schutzumfangs eines
Geschmacksmusters im Fall eines elastischen Trainingsstabs; Eingreifen des ergänzenden
wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg 5. Zivilsenat, Urteil vom 22.08.2012, 5 U 49/10
Art 10 Abs 1 EGV 6/2002, Art 10 Abs 2 EGV 6/2002, Art 14 Abs 1 EGV 6/2002, Art 19 Abs 1 EGV 6/2002, Art 96
Abs 1 EGV 6/2002, § 3 UWG, § 4 Nr 9 UWG
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom
18.02.2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Hamburg sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund dieses Urteils
bzw. des angefochtenen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien konkurrieren als Anbieter von elastischen Trainingsstäben.
Die Klägerin vertreibt den sog. „F...-B...“, die dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster GM 51461-0001
nachgebildet ist. Der Inhaber des Musters, Herr F... K…, ist der Ehemann der Geschäftsführerin der Klägerin.
Er hat der Klägerin eine Benutzungsberechtigung erteilt. Das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (im
Folgenden: Klagegeschmacksmuster) enthält die folgenden beiden Abbildungen (vgl. Anl. K 1):
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Es wurde am 14.07.2003 angemeldet und eingetragen. Die Veröffentlichung erfolgte am 25.11.2003.
Der Anmelder F... K... hat die Klägerin zur Geltendmachung des nach ihrer Auffassung bestehenden
zustehenden Unterlassungsanspruchs gegen die Beklagte ermächtigt und ihr die weiteren mit der behaupteten
Geschmacksmusterverletzung in Zusammenhang stehenden Ansprüche abgetreten (Anl. K 2).
Die Standardausführung des F...-B... der Klägerin besteht, dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster
entsprechend, aus einem roten, dünnen Stab, einem daran mittig angeordneten schwarzen Griffstück und zwei
schwarzen Endstücken. Das Griffstück und die Endstücke des F...-B... sind zylinderförmig, wobei die Kanten
jeweils leicht abgerundet sind. Das Griffstück hat einen Durchmesser von etwa 4 cm, die Endstücke einen
Durchmesser von etwa 5 cm. Hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung wird auf das Exemplar verwiesen, das
von der Klägerin als Anlage K 4 eingereicht wurde.
Die Klägerin bietet der F...-B... außerdem in anderen Farbkombinationen an, wobei das Griffstück und die
Endstücke jeweils schwarz sind und nur die Farbe der Stange variiert. So vertreibt die Klägerin den F...-B... als
beige Sonderausführung und außerdem in weiteren Farbgebungen, die besondere Eigenschaften indizieren: So
wird ein blauer „F...-B... intensiv“ zur „verstärkten Fettreduzierung“, ein schwarzer „F...-B... Athletic“ speziell
„für sehr kräftige und geübte Sportler“ und ein grüner „F...-B... Kids“ angeboten (Anl. K 3).
Die Klägerin beliefert Fitnessstudios und physiotherapeutische Praxen und bietet den „F...-B...“ außerdem im
Teleshopping, im Internet (www.F...-B...com und www.f...-s...com) und im Lagerverkauf an (Anlage K 3). Sie
bewirbt den „F...-B...“ unter anderem in Katalogen, Faltblättern, sowie in Printanzeigen in Tageszeitungen und
Zeitschriften, insbesondere Sportzeitschriften. Teilweise wird der „F...-B...“ als Bestandteil von Warenpaketen,
beispielsweise einem „Rückenpaket“, verkauft, in dem neben dem Trainingsgerät außerdem eine Anleitungs-
DVD, ein Trainingsplan sowie ein Ratgeber in Buchform mit Audio-CD enthalten sind (Anlage K 5).
Die Beklagte vertreibt seit 2005 elastische Trainingsstäbe unter der Bezeichnung „S...k“ und „S...k TO GO“
(Abbildungen in den Anträgen sowie als Anlagen K 10 und K 11 zur Akte gereichte Exemplare). Die Endstücke
des „S...k“ und „S...k TO GO“ sind an den Seitenflächen abgerundet. Sie weisen eine ringförmige, fingerbreite
Verdickung auf. Das Griffstück des „S...k“ legt sich ellipsenförmig um den Stab und verjüngt sich auf beiden
Seiten zu einem flaschenhalsartigen Abschluss. Längs über den Griff des „S...k“ ziehen sich erhabenen
Gummibahnen hin. Der „S...k TO GO“ (untere Abbildung) besteht aus zwei Teilen, die in der Mitte
zusammengeschraubt werden. Beim „S...k TO GO“ bestehen Unterschiede zum Klagegeschmacksmuster in
der bauchigen Gestaltung des Griffstücks und den wulstigen Verdickungen an dessen Enden sowie den
reliefartigen Rillen, die den Griff durchziehen.
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An jedem „S...k“ und „S...k TO GO” ist im Verkauf eine Trainings-DVD befestigt.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 04.05.2009 mahnte die Klägerin die Beklagte ab und forderte
diese erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf (Anlagen K 14 und K 15).
Die Klägerin ist der Auffassung,
der „S...k“ und der „S...k TO GO“ verletzten das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, das dem „F...-B...“
zugrunde liegt. Sie seien nahezu identisch ausgestaltet wie das Muster und vermittelten denselben
ästhetischen Gesamteindruck. Dieser werde geprägt durch den glatten roten Stab, die beiden schwarzen
Endstücke und den mittig angeordneten schwarzen Griffbereich, der im Verhältnis zu den Endstücken
wesentlich breiter sei. Die Proportionen der Komponenten zueinander prägten den Gesamteindruck im
Zusammenhang mit dem glatten roten Stab.
Der von der Beklagten entgegengehaltene Schwingstab „S...y“ enge den Schutzbereich ihres
Klagegeschmacksmusters nicht ein. Es sei nicht ersichtlich, dass die von der Beklagten vorgelegte Gestaltung
jemals angeboten worden sei. Aus der auf der Internetseite www.s...y.de in Bezug genommenen Patentschrift
(Anlage K 16) ergebe sich vielmehr, dass der Prototyp des „S...y“ gerade nicht über glatte Endstücke und
einen zylindrischen geformten Griff verfüge, sondern ein vollkommen anderes Aussehen habe. Auch im
Übrigen unterscheide sich das Klagegeschmacksmuster von allen zum Zeitpunkt der Offenbarung im Markt
bekannten Mustern deutlich.
Die „S...ks“ seien unlautere Nachahmungen des „F...-B...“, die zu einer vermeidbaren Herkunftstäuschung der
Abnehmer über die Herkunft der Trainingsgeräte führten. Der „F...-B...“ verfüge über eine wettbewerbliche
Eigenart und eine große Bekanntheit im Verkehr.
Die Klägerin hat erstinstanzlich behauptet, sie habe von dem „F...-B...“ bis dato 500.000 Stück verkauft, wobei
die rot-schwarze Ausführung mindestens 85 % der Verkäufe ausmache. Die Farben Rot und Schwarz seien im
Hinblick auf die Werbewirkung gezielt ausgewählt worden. 98 % der Werbemaßnahmen bezögen sich auf die
rot-schwarze Variante. In dieser Farbgestaltung als "Erkennungsmerkmal" sei ihr Produkt bei den Verbrauchern
bekannt. Seit Aufnahme des Vertriebs seien etwa 25 % des Erlöses für Werbemaßnahmen aufgewendet
worden.
Die übrigen heute auf dem Markt befindlichen elastischen Trainingsstäbe seien erst nach dem „F...-B...“ auf
den Markt gelangt und jeweils sichtbar anders gestaltet, und zwar im Hinblick auf die Farbgebung, die
Gestaltung der Griff- und der Endstücke sowie teilweise auch die Stangenform (Anlagen K 8 a - K 8 r).
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
I. die Beklagte zu verurteilen,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im
Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, zu vollziehen an ihrem jeweiligen Geschäftsführer, es zu
unterlassen, das nachstehend abgebildete Trainingsgerät in der Farbkombination rot/schwarz
anzubieten und/oder in den Verkehr zu bringen:
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2. Der Klägerin darüber Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagte
die vorstehend zu Ziffer 1 benannten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe
a) der Namen und Anschriften der Hersteller, der Lieferanten und der anderen Vorbesitzer
sowie der Mengen der erhaltenen und bestellten Trainingsgeräte;
b) der einzelnen Liefermengen, -zeiten und -preise sowie der Namen und Anschriften der
jeweiligen gewerblichen Abnehmer und Auftraggeber;
c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe,
Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet;
d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten des
erzielten Gewinns;
3. an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 4.721,60 EUR nebst 5 % Zinsen seit 22.09.2009 zu
zahlen;
II. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu erstatten, der ihr aus den
vorstehend zu Ziffer 1 benannten Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird;
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat gegen den geschmacksmusterrechtlichen Anspruch eingewendet, der „F...-B...“ bediene sich
vorbekannter Formen, wodurch der Schutzbereich des Klagegeschmacksmusters erheblich eingeschränkt
werde. Trainingsstäbe mit mittlerem Griff und zylindrischen Endstücken bzw. Gewichten habe es bereits vor
Anmeldung des Klagegeschmacksmusters gegeben. Bereits im Jahr 2001 sei mit dem „S...y“ der Prototyp
eines Schwingstabes entwickelt worden, der in seiner Gestaltung des „F...-B...“ der Klägerin und damit auch
dem Klagegeschmacksmuster äußerst ähnlich sei. Die Zeugin A... B..., Geschäftsführerin der S...y
Fitnessgeräte S.W.H.C. GmbH, habe 2001 auf der IFAA, der internationalen Fitness und Aerobic Akademie,
der Öffentlichkeit den „S...y Prototyp“ präsentiert. Dabei handle es sich um einen flexiblen Trainingsstab, der
mit glatten, zylindrisch geformten Endstücken und einem glatten, zylindrisch geformten mittig angebrachten
Griff ausgestattet gewesen sei.
Die Beklagten behauptet unter Bezugnahme auf eine Abbildung (Anlagen B 1 und B-K 1), die von der Website
www.S...y.de stammt, der 2001 vorgestellte S...y habe wie folgt ausgesehen:
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Des Weiteren hält die Beklagte dem geschmacksmusterrechtlichen Anspruch entgegen, die Farbkombination
Rot-Schwarz eigne sich nicht als Erkennungsmerkmal im Sinne einer Herkunftskennzeichnung für die
klägerischen Stäbe, da zum einen die Klägerin selbst ihre Stäbe auch in anderen Farben anbiete und zum
anderen auch andere Hersteller ähnliche Trainingsstäbe in rot-schwarzer Farbgebung anböten. Die Farbauswahl
diene vielmehr dazu, den unterschiedlichen Verwendungszweck des jeweiligen Stabes sichtbar zu machen,
und außerdem zur Erregung besonderer Aufmerksamkeit. Rot sei eine Signalfarbe, die allgemein häufig für
Produktwerbung und für die Farbgestaltung von Produkten verwendet werde. Zahlreiche Sportprodukte wiesen
eine rot-schwarze Farbgebung auf (Anl. B 2 – 4).
Die Beklagte verweist ferner darauf, dass – was von der Klägerin nicht bestritten wird – auch andere Hersteller
flexible Trainingsstäbe mit vergleichbarem Funktionsprinzip wie der „F...-B...“ und der „S...k“ in rot-schwarzer
Farbgebung anböten (Anl. K 8 b und B 5 - 8).
Ferner seien die Möglichkeiten zur Gestaltung der Endstücke technisch eingeschränkt, da sich eine
gleichmäßige Beweglichkeit des Stabes in alle drei Ebenen nur dann erzielen lasse, wenn die Endstücke
rotationssymmetrisch zur Achse angebracht seien. Eine solche Symmetrie könne am besten durch die
Gestaltung der Endstücke in Kugel- oder Zylinderform erreicht werden. Der informierte Nutzer erkenne, dass
eine symmetrische Gestaltung der Endstücke eine technische Voraussetzung für die gleichmäßige
Beweglichkeit des Stabes in alle drei Ebenen sei. Der Schutzumfang des Klagegeschmacksmusters sei
entsprechend eingeschränkt.
Ihre, der Beklagten, „S...ks“ unterschieden sich im Gesamteindruck hinreichend vom
Klagegeschmacksmuster. Unter Berücksichtigung der technisch bedingten Vorgaben für die Endstücke und der
allgemeinen Gebräuchlichkeit der Farbkombination Rot-Schwarz könne sich der Schutzbereich des
Klagegeschmacksmusters letztlich nur auf die konkrete Ausgestaltung des Klagegeschmacksmusters,
nämlich die konkrete Ausgestaltung der Endstücke sowie des mittig angebrachten Griffstücks erstrecken.
Diese Merkmale seien bei den angegriffenen Produkten sichtbar abweichend gestaltet, so dass ein informierter
Benutzer sie feststellen könne.
Gegen den Anspruch aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz führt die Beklagte ebenfalls
die genannten Unterschiede in der Ausgestaltung des Griffstücks und der Endstücke an. Nur die konkrete
Gestaltung aus zylindrischen Endstücken sowie der mittigen Griffstange seien geeignet, als Herkunftshinweis
der Klägerin zu dienen, wobei wiederum die technische Einschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten der
Endstücke zu beachten sei. Die Beklagte verweist weiter darauf, dass der „S...k“ und der „S...k TO GO“
ausschließlich mit einer daran befestigten Trainings-DVD und in einer Verpackung oder einem Display
angeboten werden, die auf sie – die Beklagte – als Herstellerin hinwiesen. Überdies würde eine Verkaufszahl
von 500.000 Stück - als wahr unterstellt - nicht für die erforderliche gewisse Bekanntheit des „F...-B...“
genügen.
Auch habe die Klägerin keine Tatsachen dargelegt, die eine unlautere Rufausbeutung oder Produktnachahmung
belegen könnten. Der von der Klägerin beschriebene Werbeaufwand würde – ebenfalls als wahr unterstellt -
noch kein besonderes Image des „F...-B...“ begründen. Auch bestünden keine Anhaltspunkte für eine
besondere Qualität der Ware der Klägerin. Für einen ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz sei
auch deshalb kein Raum, weil sämtliche Gesichtspunkte schon von der geschmacksmusterrechtlichen Prüfung
erfasst seien.
Das Landgericht hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil vom 18.02.2010 abgewiesen. Hiergegen wendet
sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin. Die Klägerin verfolgt in zweiter Instanz ihre
Klagebegehren unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiter.
Sie ist der Auffassung,
die Entscheidung des Landgerichts sei schon deshalb unzutreffend, weil sich die Überprüfung der
geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche nicht am Klagegeschmacksmuster in der eingetragenen Fassung,
sondern an dem von ihr vertriebenen Produkt „F...-B...“ orientiere. Im Rahmen der wettbewerbsrechtlichen
Ansprüche seien die von ihr – der Klägerin – hervorgehobenen Merkmale, die die wettbewerbliche Eigenart
ihres Trainingsstabes ausmachten, nicht gewürdigt worden. Prägend für die Gestaltung des „F...-B...“ seien der
zylinderförmige Griff, der sich in den ebenfalls zylinderförmigen Endstücken fortsetze, sowie die
Farbgestaltung Rot-Schwarz. Der vom Landgericht angeführte Gesichtspunkt, dass der „F...-B...“ auch in
anderen Farbkombinationen angeboten werde, sei für die geschmacksmusterrechtliche Beurteilung unerheblich,
da insofern nur auf das Geschmacksmuster abzustellen sei. Unrichtig sei auch die Auffassung des
Landgerichts, der Schutzumfang des Klagegeschmacksmusters sei aufgrund ausschließlich technisch
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bedingter Merkmale beschränkt. Eine zylinderförmige Gestaltung der Endstücke sei für ein
rotationssymmetrisches Training nicht zwingend erforderlich, da beispielsweise auch die Kugelform diesen
Effekt erziele.
Schließlich sei dem Landgericht auch nicht darin zu folgen, dass der „F...-B...“ keine wettbewerbliche Eigenart
aufweise. Andere Trainingsstäbe, die sowohl die rot-schwarze Farbgebung, als auch die zylindrische
Gestaltung der Griff- und Endstücke aufwiesen, seien im wettbewerblichen Umfeld nicht vorhanden. Die
Klägerin behauptet zweitinstanzlich ferner, die Zahl der verkauften „F...-B...s“ habe sich mittlerweile auf
750.000 erhöht.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18.02.2010 abzuändern und nach den bei Schluss der
mündlichen Verhandlung in erster Instanz gestellten Klageanträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
hilfsweise,
der Beklagten nachzulassen, die Zwangsvollstreckung gemäß § 712 ZPO gegen Sicherheitsleistung
abzuwenden sowie der Beklagten eine Aufbrauchfrist von 12 Monaten, beginnend ab Rechtskraft des
Urteils zuzubilligen,
ferner hilfsweise,
der Beklagten die Befugnis einzuräumen, Sicherheitsleistung durch eine Bankbürgschaft stellen zu
können.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil auf Grundlage ihres erstinstanzlichen Vortrages, den sie in zweiter
Instanz vertieft. Sie ist der Auffassung, der Schutzumfang des Klagegeschmacksmusters sei aufgrund der
Verwendung vorbekannten Formenschatzes eingeschränkt. Die Farbgestaltung Rot-Schwarz werde vom
informierten Benutzer nicht als prägend für den Gesamteindruck des Geschmacksmusters und auch nicht als
betrieblicher Herkunftshinweis angesehen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils
sowie auf die von den Parteien zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1. Das Landgericht hat der Klägerin einen Anspruch gem. Art. 19 Abs. 1 Verordnung Nr. 6/2002 EG
(Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, im Folgenden: GGV) aus abgetretenem Recht nicht zuerkannt.
Dieses Ergebnis hält einer Überprüfung stand. Dass das Landgericht seine Prüfung überwiegend am nationalen
GeschmMG ausgerichtet hat, obgleich aus einem Gemeinschaftsgeschmacksmuster geklagt wird, ist zwar
unzutreffend, aber letztlich unschädlich.
a. Das eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster gewährt seinem Inhaber nach Art. 19 Abs. 1 Satz 1
GGV das Recht, Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Dabei wird der Umfang des
Verbotsrechts vom Schutzumfang des Gemeinschaftsgeschmacksmusters bestimmt. Der Schutz aus dem
Muster erstreckt sich auf jedes Geschmacksmuster, das beim informierten Benutzer keinen anderen
Gesamteindruck erweckt (Art. 10 GGV).
b. Zur Prüfung des Schutzumfangs gem. Art. 10 GGV ist zunächst der Gesamteindruck des verletzten
Musters unter Berücksichtigung dreier normativer Kriterien zu bestimmen: des Grades der Gestaltungsfreiheit
des Entwerfers, der technischen Vorbedingungen und des Abstandes zum vorbekannten Formenschatz.
Sodann ist der Gesamteindruck des angegriffenen Musters mit dem Gesamteindruck des
Klagegeschmacksmusters zu vergleichen. Dies geschieht in der Weise, dass das Ausmaß der
Übereinstimmungen und Abweichungen festzustellen und in ihren Auswirkungen auf den Gesamteindruck zu
gewichten ist (vgl. zu § 38 Abs. 2 GeschmMG: Senat, NJOZ 2007, 3055, 3056 f. – Handydesign, sowie
Eichmann, in: Eichmann/von Falckenstein, GeschmMG, 4. Aufl., § 38 Rn. 17).
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aa. Die Notwendigkeit, bei der Ermittlung des Schutzumfangs des Gemeinschaftsgeschmacksmusters den
Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers zu berücksichtigen, ergibt sich unmittelbar aus Art. 10 Abs. 2
GGV. Zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters besteht eine
Wechselwirkung. Ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers führt zu einem engen Schutzumfang des
Musters, mit der Folge, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen
anderen Gesamteindruck hervorrufen können. Dagegen führt ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers
zu einem weiten Schutzumfang des Musters, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim
informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken (BGH GRUR 2011, 142, 144
– Untersetzer sowie GRUR 2012, 512, 516 – Kinderwagen, jeweils m.w.N.).
bb. Zweites normatives Merkmal zur Bestimmung des Schutzumfangs eines
Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist die technische Bedingtheit von Gestaltungselementen. So besteht
gemäß Artikel 8 Abs. 1 GGV ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster nicht an Erscheinungsmerkmalen eines
Erzeugnisses, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind. Soweit ein
Erscheinungsmerkmal nicht ausschließlich, aber zumindest teilweise durch dessen technische Funktion
bedingt ist, ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers eingeschränkt (Art. 10 Abs. 2 GGV), so dass
die partielle technische Bedingtheit auf diesem Wege zu einer Einengung des Schutzbereichs führt.
cc. Als drittes Kriterium zur Bestimmung des Schutzbereichs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist der
Abstand vom vorbekannten Formenschatz zu beachten. Dieses Kriterium hat infolge der europäischen
Gesetzgebung sowohl im geschmacksmusterrechtlichen Bereich – sowohl im Hinblick auf
Gemeinschaftsgeschmacksmuster (GGV), als auch im Hinblick auf nationale Geschmacksmuster (98/71/EG
über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen, ABlEG Nr. L 289, S. 28 v. 28.10.1998, umgesetzt
durch das Geschmacksmusterreformgesetz vom 12.03.2004, BGBl. I, 390 ff.) – einen anderen dogmatischen
Anknüpfungspunkt erhalten, jedoch nicht an Bedeutung eingebüßt.
aaa. Soweit der Senat den Schutzumfang deutscher Geschmacksmuster im Rahmen von § 38 Abs. 2
GeschmMG in der Vergangenheit unter vorrangiger Berücksichtigung derjenigen Merkmale bestimmt hat,
welche die Eigenart der jeweiligen Geschmacksmuster nach § 2 GeschmMG ausmachen (etwa Senat, NJOZ
2007, 3055, 3056 f. – Handydesign m.w.N.), so kann diese Vorgehensweise jedenfalls nicht für die Prüfung des
Schutzumfangs eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters gem. Art. 10 GGV aufrechterhalten werden. Der
BGH hat in seinem Urteil vom 19.05.2010 (I ZR 71/08, BGH GRUR 2011, 142 – Untersetzer) dargelegt, dass
es zur Bestimmung des Schutzumfangs eines Geschmacksmusters grundsätzlich unerheblich sei, woraus
sich dessen Eigenart im Einzelnen ergebe. Der Schutzumfang hänge nicht vom Grad der Eigenart des
Geschmacksmusters ab. Soweit Gemeinschaftsgeschmacksmuster in Rede stehen, sprechen für die
Sichtweise des BGH bereits gesetzessystematische Gründe. Ob ein Gemeinschaftsgeschmacksmuster
Eigenart besitzt, soll gemäß Erwägungsgrund 14 GGV danach beurteilt werden, „inwieweit sich der
Gesamteindruck, den der Anblick des Geschmacksmusters beim informierten Benutzer hervorruft, deutlich von
dem unterscheidet, den der vorbestehende Formenschatz bei ihm hervorruft“. Dies ist aber gerade das
Kriterium, von dem gemäß Art. 10 GGV der Schutzumfang abhängt. Eine Definition des Schutzbereichs
anhand der Eigenart wäre folglich redundant.
bbb. Gleichwohl ist der Abstand eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters zum vorbekannten Formenschatz
nach wie vor für seinen Schutzumfang bedeutsam (BGH GRUR 2012, 512, 516 – Kinderwagen und GRUR
2011, 142 – Untersetzer, jeweils m.w.N.). Der Gesamteindruck, den eine Gestaltung beim „informierten
Benutzer“ hervorruft, hängt entscheidend davon ab, welche Gestaltungsmittel und Formprägungen im jeweiligen
Gestaltungsbereich bereits gebraucht wurden. Daher müssen Merkmale des Klagegeschmacksmusters, die
aus dem Formenschatz bekannt sind, bei der Bestimmung des Schutzumfangs geringer, solche, die einen
großen Abstand zum Formenschatz haben, stärker gewichtet werden (Ruhl,
Gemeinschaftsgeschmacksmuster, Art. 10, Rn. 28 f. m.w.N.). Der Schutzumfang ist damit umso größer, je
stärker sich das Klagegeschmacksmuster vom bekannten Formenschatz abhebt.
c. Im hier zu beurteilenden Fall ergibt sich aus den genannten Vorgaben ein sehr enger Schutzumfang des
Klagegeschmacksmusters. Deshalb sind bereits vergleichsweise geringe gestalterische Unterschiede bei
fremden Gestaltungen geeignet, aus dem Schutzumfang des Klagegeschmacksmusters herauszuführen.
aa. Die Eigenart des Klagegeschmacksmusters wird von der Beklagten nicht infrage gestellt. Die
Rechtsgültigkeit des Musters könnte von der Beklagten aufgrund von Art. 85 Abs. 1 Satz 2 GGV auch nur mit
einer Widerklage auf Erklärung der Nichtigkeit bestritten werden. Da dies nicht geschehen ist, hat der Senat
wegen Art. 85 Abs. 1 Satz 1 GGV aus Rechtsgründen von der Rechtsgültigkeit und damit auch von der
Neuheit (Art. 5 GGV) und der Eigenart (Art. 6 GGV) des Klagegeschmacksmusters auszugehen (vgl. BGH
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GRUR 2011, 142 – Untersetzer), selbst wenn in Bezug auf die Voraussetzungen der Eigenart erhebliche
Bedenken bestehen.
bb. Wie die Klägerin zu Recht beanstandet, war der Ansatz des Landgerichts unzutreffend, für die
geschmacksmusterrechtliche Prüfung auf einen Vergleich des „F...-B...“, also des nach dem Muster gebildeten
Endprodukts, und der Produkte der Beklagten abzustellen (Urteil S. 7, Bl. 110 d.A.). Wird aus einem
Geschmacksmuster geklagt, ist für die Verletzungsprüfung allein das Muster in seiner eingetragenen Form,
nicht die daraus entwickelten, möglicherweise modifizierten Formgestaltungen maßgeblich. Dieser
unzutreffende Prüfungsansatz fällt hier für das Ergebnis der geschmacksmusterrechtlichen Prüfung aber
letztlich nicht ins Gewicht.
cc. Der Klägerin ist darin zu folgen, dass der Gesamteindruck des von ihr verwendeten
Gemeinschaftsgeschmacksmusters maßgeblich durch zwei Elemente geprägt wird: Zum einen durch die
zylindrische Form des Griffstücks und der Endstücke und zum anderen durch die Farbkombination Rot-
Schwarz (Bl. 148 f. d.A.). Im Hinblick auf den vorbekannten Formenschatz ist allerdings kein Vergleich der
einzelnen das Klagegeschmacksmuster prägenden Elemente mit den einzelnen Merkmalen vorbekannter
Modelle vorzunehmen, sondern jeweils der Gesamteindruck des Klagegeschmacksmusters mit jedem Muster
aus dem vorbekannten Formenschatz zu vergleichen (BGH GRUR 2012, 512, 516 – Kinderwagen).
dd. Somit sind zunächst sämtliche äußeren Merkmale des „F...-B...“ für die Bestimmung des Gesamteindrucks
heranzuziehen. Grundsätzlich zur Prägung des Gesamteindrucks des „F...-B...“ geeignet sind die folgenden
Gestaltungsmerkmale:
- die längliche Gesamtform der Trainingsstange und die Proportionen der Stange zu dem mittigen
Griffstück und den Endstücken,
- die glatte Oberfläche der Stange ohne Gravuren oder Verzierungen,
- die Form des Griffstücks und der Endstücke und ihre Proportionen untereinander,
- die Oberflächenstruktur des Griffstücks und der Endstücke.
- die rot-schwarze Farbgebung,
Insofern ist zu berücksichtigen, dass der Gesamteindruck eines Erzeugnisses durch Gestaltungsmerkmale
geprägt oder mitgeprägt werden kann, die für sich genommen nicht geeignet sind, eine Eigenart zu begründen.
ee. Ausgehend von der Gesamtheit der äußeren Merkmale des Klagegeschmacksmusters sind zur näheren
Bestimmung des Schutzbereichs gem. Art. 10 Abs. 1 GGV sodann die drei genannten normativen Kriterien
anzuwenden (Gestaltungsspielraum des Entwerfers, technische Bedingtheit, Abstand vom vorbekannten
Formenschatz). Diese Kriterien ergeben in Bezug auf das gegenständliche Klagegeschmacksmuster einen
ausgesprochen engen Schutzumfang.
aaa. Der Beklagten ist in ihrer Auffassung zuzustimmen, dass die Möglichkeiten zur Gestaltung der Endstücke
sowie des Griffstücks bis zu einem gewissen Grad technisch bedingt eingeschränkt sind. Insoweit ist der
Gestaltungsspielraum des Entwerfers und damit der Schutzumfang des Klagegeschmacksmusters begrenzt
(Art. 10 Abs. 2 GGV). Das Griffstück muss die Stange funktionsbedingt mittig umschließen, damit sie dort
gegriffen und im Gleichgewicht gehalten werden kann. Das Griffstück darf, den Maßen einer menschlichen
Hand entsprechend, einen bestimmten Umfang nicht überschreiten. Inwieweit das Griffstück aber darüber
hinaus geformt ist, etwa streng zylindrisch wie im Klagegeschmacksmuster oder eher flaschenförmig mit
auslaufenden Enden wie beim „S...k“, ist technisch nicht vorgegeben. Insbesondere die Farbe und die
Oberflächenstruktur des Griffstücks können variiert werden, ohne dass die Funktionalität beeinträchtigt wird.
Dies zeigen exemplarisch die von den Parteien eingereichten Vergleichsmodelle anderer Hersteller (etwa Anl. B
4 bis B 7).
Die Endstücke müssen eine gleichmäßige Beweglichkeit in alle drei Ebenen gewährleisten. Ob sich hierfür, wie
die Beklagte ausgeführt und wie auch das Landgericht angenommen hat, ausschließlich
„rotationssymmetrische“ Körper eignen, mag angesichts der Tatsache, dass auf den zur Akte gereichten
Abbildungen der Trainingsstäbe anderer Anbieter teilweise asymmetrische geformte Endstücke vorzufinden
sind (Anl. K 8 n – K 8 p), bezweifelt werden. Unstreitig zwischen den Parteien ist jedoch, dass sich jedenfalls
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nicht ausschließlich die glatte Zylinderform, wie sie im Klagegeschmacksmuster abgebildet ist, für die
Trainingsstäbe eignet, sondern ebenso eine runde Form oder andere Formen wie beispielsweise ein
sphärischer Zylinder (Anl. K 8 q). Die Formgebung in Bezug auf die Endstücke ist daher zu einem gewissen
Grad, aber nicht vollständig eingeschränkt.
bbb. Die äußerliche Form des im Klagegeschmacksmuster abgebildeten Trainingsstabes geht nicht nur in
seinen wesentlichen Elementen, sondern letztlich vollständig allein auf einen vorbekannten Formenschatz
zurück. Insoweit kann das Muster deshalb letztlich praktisch keinen Schutzumfang beanspruchen.
(1) Die Beklagte hat einen Auszug der Website www.S...y.de vorgelegt (Anlage B 1), auf der eine rot-weiße
Trainingsstange mit einem zylindrischen Griff und zylindrischen Endstücken abgebildet ist. Das Bild trägt die
Unterschrift „der Prototyp“. Es soll sich hierbei um die Grundversion des elastischen Trainingsstabes „S...y“
handeln. Die Beklagte hat vorgetragen, der S...y sei in dieser Form 2001 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht
worden, was die Klägerin mit Nichtwissen bestritten hat.
(2) Die streitige Behauptung der Beklagten ist durch die Aussage der Zeugin A... B... bestätigt worden. Der
Senat hat die Zeugin auf Antrag der Beklagten in der Senatssitzung am 20.06.2012 vernommen. Die Zeugin
B... hat bekundet, sie habe den Prototyp des von ihr selbst entwickelten Schwingstabes „S...y“ erstmals am
10./11.11.2001 anlässlich eines Kongresses der Öffentlichkeit vorgestellt, nämlich bei dem „8. Internationalen
IFAA Aerobic Congress“ in Berlin. Auch in der Folgezeit habe sie das Trainingsgerät mehrfach auf weiteren
Kongressen präsentiert, u.a. vom 07. bis 09.12.2001 auf einem Kongress in Düsseldorf. Weitere Vorstellungen
auf Messen seien im Februar sowie im März 2002 erfolgt. Von dem Prototyp „S...y“ habe sie ca. 100 bis 200
Stück produzieren lassen und diese später auch verkauft. Dies sei in Fachkreisen geschehen. In den
allgemeinen Handel sei das Gerät nicht gelangt.
(3) Diese Aussage der Zeugin B... ist nach Auffassung des Senats glaubhaft. Die Zeugin hat bei ihrer
Vernehmung einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen. Die Tatsache, dass sie mit der Klägerin des hiesigen
Rechtsstreits in einem Patentrechtsstreit steht und auch ansonsten Anlass haben könnte, der Klägerin und
deren Geschäftsgebaren in Bezug auf den von ihr vertriebenen Schwingstab kritisch gegenüberzustehen, hat
nach der Einschätzung des Senats den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage in keiner Weise beeinträchtigt. Die
Zeugin hat das Beweisthema klar, umfassend und unbefangen beantwortet. Die Richtigkeit ihrer Angaben wird
in besonderer Weise dadurch gestützt, dass sie zu den jeweiligen Messen, auf denen sie den „S...y“ vorgestellt
hat, weitere schriftliche Unterlagen hat vorlegen können. In den Messeprospekten war nicht nur die Zeugin B...
namentlich im Zusammenhang mit den hier streitgegenständlichen Trainingsmethoden erwähnt, sondern auch
zum Teil mit Lichtbildern abgebildet. Vor diesem Hintergrund kann für den Senat kein begründeter Zweifel an
der Richtigkeit der Darstellung der Zeugin bestehen.
(4) Die Zeugin B... hatte in den Senatstermin zudem ein Originaltrainingsgerät „S...y“ sowie einen „F...-B...“ der
Klägerin mitgebracht. Beide Schwingstäbe haben dem Senat auf den ersten Blick den Eindruck vermittelt, als
handele es sich hierbei allein um verschiedenfarbige Varianten desselben Modells. Sie waren selbst bei
näherer Betrachtung auch in den Gesamtabmessungen und der Gestaltung der einzelnen Elemente - mit
Ausnahme der Farbgebung – praktisch nicht voneinander zu unterscheiden, sondern zum Verwechseln ähnlich.
ccc. Die weiteren von den Parteien eingeführten Abbildungen der Trainingsstäbe anderer Hersteller sind vor
dem Hintergrund der Angaben der Zeugin B... für die Feststellung des vorbekannten Formenschatzes ohne
Belang. Allerdings belegen die von den Parteien im Rahmen dieses Rechtsstreits eingereichten Beispiele aus
dem Formenschatz nachdrücklich einen erheblichen Grad an Gestaltungsfreiheit, den der Entwerfer auch des
Klagegeschmacksmusters im Sinne von § 10 Abs. 2 GGV besessen hat. Die auf dem Markt – vor bzw. nach
dem hier relevanten Zeitpunkt – verfügbaren Muster weisen einen nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum
auf. Hiervon hat der Entwerfer des Klagegeschmacksmusters aber keinen Gebrauch gemacht, sondern letztlich
den vorbekannten Schwingstab „S...y“ in seiner formgebenden Gestaltung 1:1 kopiert. Die Zeugin B... hatte im
Rahmen ihrer Vernehmung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass anlässlich des Kongresses in Düsseldorf im
Dezember 2001, bei dem sie ihren Schwingstab „S...y“ präsentiert hat, auch die beiden Geschäftsführer der
Klägerin anwesend gewesen sind. Vor diesem Hintergrund hält der Senat eine nur zufällige Doppelschöpfung
des „F...-B...“ durch den Ehemann der Geschäftsführer der Klägerin praktisch für ausgeschlossen. Vielmehr
sprechen alle Umstände dafür, dass sich der Musterentwerfer in Kenntnis des „S...y“ bewusst an diesem
orientiert und sein Modell sodann zum Geschmacksmuster angemeldet hat.
ddd. Maßgebliche Unterschiede zwischen dem Schwingstab „S...y“ und dem Klagegeschmacksmuster
bestehen danach praktisch ausschließlich in der abweichenden Farbgebung. Während der „S...y“ ein weißes
Gestänge mit rotem Griff- und Endstücken aufweist, ist die Stange des „F...-B...“ rot, die Griff- und Endstücke
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sind schwarz. Anders als das Landgericht in seinem Urteil zu Grunde gelegt hat, ist allerdings auch die
Farbkombination Rot-Schwarz bei der Beurteilung des Gesamteindrucks des Klagegeschmacksmusters zu
berücksichtigen. Dieses Gestaltungsmerkmal ist nicht gänzlich aus dem Schutzbereich des
Klagegeschmacksmusters auszunehmen. Die abweichende Betrachtungsweise des Landgerichts ist nach
Auffassung des Senats mit Art. 10 Abs. 1 GGV nicht vereinbar. Gefordert ist eine Gegenüberstellung des
jeweiligen Gesamteindrucks.
eee. Die abweichende Farbgestaltung prägt den Gesamteindruck des Klagegeschmacksmusters indes nicht
maßgeblich. Zwar ist das Klagegeschmacksmuster in einer bestimmten farbigen Gestaltung eingetragen. Diese
vermittelt dem informierten Benutzer indes keine Anhaltspunkte dafür, dass gerade diese Farbgebung für den
Musterschutz eine bestimmte oder gar besondere Bedeutung haben könnte. Insbesondere der Umstand, dass
sowohl das Griffelement als auch die Endstücke in schwarzer Farbe gehalten sind, legt nicht in erster Linie die
Annahme gestalterischer, sondern eher praktischer Motive nahe. Denn bei abweichenden, insbesondere hellen
Farbgebungen kann das Griffstück durch ständige Benutzung und Schweißaustritt leicht unansehnlich werden.
Da zwischen den Griffstück und den Endstücken offensichtlich eine gestalterische Einheit ersichtlich sein soll,
bietet sich insoweit auch eine einheitliche Farbgebung an. Diese Umstände hindern zwar nicht, dass auch die
eingetragene Farbgebung an dem Musterschutz teilnimmt. Sie tritt aus Sicht des maßgeblichen Betrachters
jedoch hinter den ergonomischen und sonstigen Gestaltungselementen deutlich zurück. Insbesondere vermag
sie den in Bezug auf die vorbekannte Gestaltung des „S...y“ sehr engen Schutzumfang nicht wesentlich
erweitern.
e. Der nach den geschilderten Maßgaben ermittelte Schutzumfang des Klagegeschmacksmusters ist weder
von dem „S...k“ noch von dem „S...k TO GO“ tangiert. Sie erwecken beim informierten Benutzer einen anderen
Gesamteindruck als das Klagegeschmacksmuster.
aa. Nach der Rechtsprechung des EuGH (GRUR 2012, 506, 508 – PepsiCo) ist der insoweit maßgebliche
„informierte Benutzer“ zwischen dem im Markenbereich maßgeblichen „Durchschnittsverbraucher“, von dem
keine speziellen Kenntnisse erwartet werden und der im Allgemeinen keinen direkten Vergleich zwischen den
einander gegenüberstehenden Marken anstellt, und dem „Fachmann“ als Sachkundigem mit profunden
technischen Fertigkeiten anzunehmen. Somit kann der Begriff des informierten Benutzers als Bezeichnung
eines Benutzers verstanden werden, dem eine durchschnittliche Aufmerksamkeit, aber eine besondere
Wachsamkeit eigen ist, sei es wegen seiner persönlichen Erfahrung oder seiner umfangreichen Kenntnisse in
dem betreffenden Bereich. Der informierte Benutzer ist zwar nicht nur ein durchschnittlich informierter,
aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher, der ein Geschmacksmuster in der Regel als
Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet, aber auch kein Sachkundiger oder
Fachmann, der minimale Unterschiede, die zwischen den einander gegenüberstehenden Geschmacksmustern
bestehen können, im Detail feststellen kann. Der informierte Benutzer kennt, ohne dass er ein Entwerfer oder
technischer Sachverständiger wäre, verschiedene Geschmacksmuster, die es in dem betroffenen
Wirtschaftsbereich gibt. Er besitzt gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente, die diese
Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und benutzt diese Produkte auf Grund seines Interesses an
ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit.
bb. Der nach diesen Maßstäben charakterisierte „informierte“ Benutzer elastischer Trainingsstäbe gewinnt bei
Betrachtung der angegriffenen Formgestaltungen des „S...k“ und des „S...k TO GO“ einen anderen
Gesamteindruck als aus dem Klagegeschmacksmuster. Er interessiert sich für die äußere Gestaltung der
Stäbe und besitzt gewisse Kenntnisse über die im Markt gebräuchlichen Gestaltungen. Aufgrund der
langjährigen Befassung als Spezialspruchkörper für Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des
Geschmacksmusterrechts vermag der Senat diese Feststellungen aufgrund der eigenen Sachkunde seiner
Mitglieder zu treffen, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf.
aaa. Der informierte Benutzer wird zunächst feststellen, dass der „S...k“ und der „S...k TO GO“ in ihren
Gesamtproportionen dem Klagegeschmacksmuster entsprechen. Dieses zeigt einen langen, schmalen Stab,
um den mittig ein längliches Griffstück und an dessen Enden deutlich kürzere Aufsätze angebracht sind, die
ungefähr den Durchmesser des Griffstücks aufweisen. Jedoch weiß der informierte Benutzer, dass die
längliche Form der Stange, die mittige Anbringung eines Griffstücks sowie die Beschwerung der Stangenenden
mit Endstücken die Grundvoraussetzungen für die Funktionalität des Trainingsstabes sind. Er wird dieser
äußerlichen „Grundkonzeption“, da sie für Trainingsstäbe marktgängig ist, keine nähere Aufmerksamkeit
schenken.
bbb. Der informierte Benutzer kennt auch den zum vorbekannten Formenschatz zählenden Schwingstab „S...y“
der Zeugin B... Dieser ist nach Aussage der Zeugin B... in einer relevant hohen Stückzahl in den Fachkreisen
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eingeführt worden. Vor diesem Hintergrund erkennt der informierte Benutzer, dass zwischen dem „S...y“ und
dem „F...-B...“ in der Gestaltung – mit Ausnahme der Farbgebung – praktisch keine nennenswerten
Abweichungen bestehen. Er weiß deshalb auch, dass weder die Form noch die Anordnung oder die
Abmessungen der Griff- und Endstücke geeignet sein können, den Schutzumfang des
Klagegeschmacksmusters gegenüber konkurrierenden Gestaltungen maßgeblich zu beeinflussen.
ccc. Allerdings wird der informierte Benutzer ebenfalls die offenkundige Übereinstimmung der Farbgebung beim
Klagegeschmacksmuster und beim „S...k“ und „S...k TO GO“ wahrnehmen.
(1) Die Farbgestaltung der Stange selbst ist für ihn auch deshalb von untergeordnetem Interesse, weil sie sich
nicht auf die Funktion des Trainingsstabes auswirkt, auf die es ihm als Benutzer des Stabes aber maßgeblich
ankommt. Die Trainingsstäbe sind in erster Linie Sportgeräte, also Gebrauchsgegenstände, bei denen die
ästhetische Zweckbestimmung hinter der Funktionalität zurücktritt. Er nimmt solche Gestaltungselemente,
welche die Funktion des Stabes beeinflussen, stärker und solche, die rein ästhetischer Natur sind, schwächer
wahr. Zur letzteren Kategorie gehört für ihn die Farbgebung.
(2) Zwar trifft es zu, dass das Muster in einer bestimmten Farbkombination eingetragen ist. Es kann deshalb
auch davon ausgegangen werden, dass dies nicht zufällig geschehen ist, sondern der Anmelder hiermit -
gegenüber einer Eintragung in Schwarz-Weiß - einen geschmacksmusterrelevanten Zweck verfolgt hat. Auch
hieraus kann die Klägerin jedoch nichts Günstiges für sich herleiten. Grundlage der
geschmacksmusterrechtlichen Beurteilung der Farbgebung kann nur derjenige Eindruck sein, der sich aus der
Eintragung selbst ergibt. Insoweit ist für den informierten Nutzer schon nicht erkennbar, dass bzw. aus welchen
Gründen die Farbgebung ein wesentlicher Bestandteil ist bzw. sein soll. Der informierte Benutzer wird die
Farbkombination zwar wahrnehmen, ihr aber keine überdurchschnittliche Bedeutung beimessen. Insofern ist
der Einwand der Beklagten von Bedeutung, dass die Farbgebung Rot-Schwarz insbesondere im
Sportmittelbereich durchaus nicht unüblich ist und auch ansonsten ein nahe liegender Kontrast ist.
Insbesondere sind Griffstücke in schwarzer Farbe häufig anzutreffen, wenn nicht gar in vielen Bereichen die
Norm. Eine Einheitlichkeit der Farbgebung mit den Endstücken ist vor diesem Hintergrund nur folgerichtig.
Dementsprechend hat der informierte Benutzer keine Anhaltspunkte dafür, der Farbgebung eine besondere
Bedeutung beizumessen. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass gerade diese Farbgebung für die
Zweckbestimmung dieses Musters eine im Vordergrund stehende Aussagekraft besitzt. Er wird sie deshalb
lediglich als eines von vielen Gestaltungselementen betrachten, die in einen Gesamtvergleich mit
einzubeziehen sind.
(3) Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass eine rot-schwarze Farbgebung für ihre Produkte in Verkehr
aufgrund langjähriger Verwendung und intensiver Bewerbung „bekannt“ sei, fehlt es insoweit bereits an
substantiierten Darlegungen. Die Erhebung der von der Klägerin angebotenen Beweise käme einer
Ausforschung gleich. Ohnehin kommt es darauf im Rahmen des geschmacksmusterrechtlichen Anspruchs
auch nicht an. Denn Beurteilungsgegenstand sind allein das aus der Eintragung ersichtlichem Muster und der
Verletzungsgegenstand. Das tatsächliche Markt vertriebene Produkt und sonstige
Marktverhaltensgegebenheiten spielen gerade keine Rolle.
ddd. Seine hauptsächliche Aufmerksamkeit wird der informierte Nutzer auf die konkrete Gestaltung des
Griffstücks richten. Bei dem Griffstück handelt es sich um das zentrale „Bedienelement“ der Trainingsstäbe.
Der informierte Nutzer weiß, dass sich die auf dem Markt befindlichen Trainingsstäbe hauptsächlich in Bezug
auf die Oberflächenstruktur und die genaue Formgestaltung des Griffstücks unterscheiden. Insoweit kommt
dem Klagegeschmacksmuster aus den genannten Gründen aber gerade kein relevanter Schutzumfang i.S.v. §
10 Abs. 2 GGV zu.
(1) Aufgrund seiner besonderen Wachsamkeit erkennt der Nutzer ohne Weiteres, dass das mittige Griffstück
beim „S...k“ nicht – wie im Klagegeschmacksmuster – aus einem glatten Zylinder mit kreisrunden
Abschlussflächen besteht, sondern aus einer bauchigen, in der Länge eher elliptischen Form, die an ihren
Enden in flaschenhalsartigen Verengungen ausläuft. Auch wird ihm die deutlich hervortretende
Oberflächenstruktur auffallen, die sich auf dem Griffstück des „S...ks“ befindet und ihn vom Muster
unterscheidet. Bei diesen Abweichungen der Griffstücke handelt es sich nicht lediglich um minimale
Unterschiede im Gesamtmuster, die nur ein Fachmann bemerken müsste. Sie fallen im Hinblick auf den
Gesamteindruck schon deshalb erheblich ins Gewicht, weil die Gestalt eines Trainingsstabes nach dem
streitgegenständlichen Muster von einer – verglichen mit anderen Mustern – simplen Struktur ist und überhaupt
nur wenige Gestaltungselemente aufweist. In Mustern mit zahlreichen und/oder komplizierten Einzelelementen
können Unterschiede in Einzelmerkmalen bisweilen untergehen und selbst vom wachsamen Nutzer übersehen
werden. Um solch ein komplexes Muster handelt es sich beim hier streitgegenständlichen aber gerade nicht.
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(2) Beim „S...k TO GO” wird das deutlich sichtbare Ringmuster auf dem Griffstück die Aufmerksamkeit des
informierten Benutzers erlangen. Dieses Muster ist nicht nur oberflächlicher Natur, sondern gibt dem Griffstück
eine unebene Struktur, die offenkundig die Greifbarkeit verbessern oder jedenfalls optisch einen solchen
Eindruck vermitteln soll. Zwar ist das Griffstück beim „S...k TO GO“ – wie im Klagegeschmacksmuster –
zylindrisch gestaltet, sieht man von der durch die Ringstruktur verursachten Unebenheit sowie von einer
geringfügigen Verdickung an beiden Seiten des Griffes ab. Jedoch weiß der informierte Benutzer, dass die
Zylinderform eine für den Griff elastischer Trainingsstäbe bekannte Grundform ist, denn er weiß, dass bereits
vor der Anmeldung des Klagegeschmacksmusters Trainingsstäbe mit zylindrischer Griffgestaltung in
Fachkreisen bekannt waren (nämlich der „S...y“ im Jahr 2001). Daher wird er der Zylinderform an sich
tendenziell wenig Beachtung schenken. Soweit er diese beachtet, bemerkt er jedoch zugleich das Ringmuster,
welches den „S...k“ und den „S...k TO GO“ vom Klagegeschmacksmuster unterscheidet.
f. Eine Gesamtbetrachtung aller relevanten Merkmale ergibt danach, dass der Klägerin ein
Unterlassungsanspruch aus Art. 14 Abs. 1 GGV gegen die Beklagte nicht zusteht. Denn unter besonderer
Berücksichtigung des stark eingeschränkten Schutzumfangs des Gemeinschaftsgeschmacksmusters kann
trotz der identischen Farbgebung nicht festgestellt werden, dass die angegriffene Gestaltung bei dem
informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck i.S.v. Art. 10 Abs. 1 GGV als das
Klagegeschmacksmuster erweckt.
2. Der Klägerin steht ein Unterlassungsanspruch auch nicht aus ergänzendem wettbewerblichen
Leistungsschutz gemäß §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a bzw. lit. b UWG zu.
a. Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Vorschriften des ergänzenden Leistungsschutzes sind nach
Auffassung des Senats neben den Vorschriften des geschmacksmusterrechtlichen Sonderrechtsschutzes
nicht anwendbar. Sie werden vielmehr von diesen im Wege der Spezialität verdrängt. Dies gilt jedenfalls unter
Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Rechtsstreits.
aa. Allerdings lässt Art. 96 Abs. 1 GGV Bestimmungen der Mitgliedstaaten über den unlauteren Wettbewerb
unberührt, wozu auch die Vorschriften über den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz nach
den §§ 3, 4 Nr. 9 lit. a UWG zählen (OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2012, 200 – Tablet-Computer). Der
ergänzende Leistungsschutz darf die Wertungen des Sonderrechtsschutzes jedoch nicht konterkarieren. Die in
der Vergangenheit verbreitet vertretene "Vorrangthese“ wird zwischenzeitlich in Rechtsprechung und Schrifttum
jedoch immer mehr infrage gestellt bzw. eingeschränkt (vgl. Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl. § 4 Rdn. 9.6).
Sofern ein Erzeugnis auf ein Geschmacksmuster zurückgeht, wie etwa der „F...-B...“ auf das
Klagegeschmacksmuster, der Schutzumfang des Musters jedoch nicht eröffnet ist oder ein Anspruch aus
einem anderen spezialgesetzlichen Grund scheitert, so kann der wettbewerbliche Leistungsschutz jedenfalls
dann eingreifen, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des Geschmacksmusterrechts
liegen (BGH GRUR 2010, 80, 81 – Laufräder).
bb. Der vorliegende Rechtsstreit bietet entscheidungserhebliche Besonderheiten in einem Umfang, der es nach
Auffassung des Senats verbietet, die Grundsätze des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes neben
dem Sonderrechtsschutz zur Anwendung kommen zu lassen. Denn andernfalls würde die spezialgesetzliche
Regelung nicht nur sachwidrig unterlaufen, sondern geradezu in ihr Gegenteil verkehrt.
aaa. Es fehlt im vorliegenden Fall bereits an relevanten Abweichungen zwischen dem Gegenstand des
Geschmacksmusterschutzes und dem tatsächlich vertriebenen Produkt. Während in einer Vielzahl anderer
Fallgestaltungen der musterrechtlich geschützte Gegenstand und das auf dessen Grundlage entwickelte und
im Markt platzierte Produkt nicht nur unerheblicher Abweichungen aufweisen, ist dies hier nicht der Fall. Die
Gestaltung des „F...-B...“ entspricht optisch vollständig dem Klagegeschmacksmuster, so dass ein
wettbewerblicher Leistungsschutz nicht an Gestaltungselementen ansetzen kann, die sich nur am Produkt,
nicht aber im Muster finden. Als äußerst geringfügige Abweichung des tatsächlichen Endproduktes gegenüber
dem Muster könnte allenfalls die glänzende Oberfläche der Stange des „F...-B...“ erscheinen. Dieses Detail
allein eröffnet allerdings keinen Raum für einen abweichenden Eindruck.
bbb. Fehlt es aber schon dem Produkt an einem überschießenden „Wettbewerbsbezug“ gegenüber dem
Geschmacksmuster, bedarf es nach Auffassung des Senats einer gesteigerten Rechtfertigung für die
Eröffnung eines Anspruchs aus ergänzendem wettbewerblichen Leistungsschutz, der
geschmacksmusterrechtlich gerade deshalb verschlossen ist, wenn der Entwerfer sich bei seiner Gestaltung
an einem vorbekannten Gerät orientiert hat, das ebenfalls bereits als fertiges Produkt zumindest in den Markt
der Fachkreise gelangt ist. Wollte man in derartigen Fallgestaltungen wettbewerbsrechtliche Ansprüche
uneingeschränkt zur Anwendung bringen, würde hierdurch der Geschmacksmusterrechtsschutz letztlich
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unterlaufen.
ccc. Dies zeigt sich besonders an der vorliegenden Fallgestaltung. Wie bereits dargelegt, spricht alles dafür,
dass der Entwerfer/Anmelder sich bei der Gestaltung des „F...-B...“ in Kenntnis des vorbekannten „S...y“ an
diesen weitestmöglich angelehnt hat. Er hat sein Muster, das de facto bereits eine Nachahmung des „S...y“ ist,
jedoch vor der Entwerferin des tatsächlichen Originals zum Geschmacksmuster angemeldet. Die Zeugin B...
hat im Rahmen ihrer Vernehmung nachvollziehbar und glaubhaft erläutert, sie habe nur deshalb von ihrem
eigenen Entwurf – dem „S...y“ mit zylindrischen Endstücken – Abstand genommen und sei zu runden
Endstücken übergegangen, weil der Markt durch das von der Klägerin eingeführte Konkurrenzprodukt bereits
verunsichert gewesen sei. Beruht danach die Rechtsposition des Entwerfers des Klagegeschmacksmusters
seinerseits auf einer letztlich wettbewerbsrechtlich zu beanstandenden Position, so kann es nicht überzeugen,
diese makelbehaftete Position wiederum wettbewerbsrechtlich gegenüber Dritten zu schützen.
ddd. Bei dieser Wertung ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass sich seinerzeit – in den Jahren 2001 bis 2003
– bereits der Prototyp „S...y“ der Zeuging B... voraussichtlich wettbewerbsrechtlich gegenüber dem „F...-B...“
hätte durchzusetzen vermocht. Der „S...y“ verfügte damals auf Grund seiner prägnanten, von den übrigen am
Markt befindlichen Produkten abweichenden Gestaltung ersichtlich über eine nicht unerhebliche
wettbewerbliche Eigenart i.S.v. § 4 Nr. 9 UWG. Der Umstand, dass der „S...y“ nur in einer Stückzahl von 100
bis 200 Exemplaren lediglich in Fachkreisen abgesetzt worden und nicht in den Markt der Endverbraucher
gelangt ist, hinderte das Entstehen einer wettbewerblichen Eigenart nicht. Denn es ist anerkannt, dass für die
Annahme einer wettbewerblichen Eigenart allein die Eignung des Leistungsergebnisses als Hinweis auf seine
betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten erforderlich ist. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der
Hersteller des Originals bereits einen wettbewerblichen Besitzstand durch Verkehrsbekanntheit erlangt hat.
Andernfalls würden noch nicht oder erst kurz auf den Markt gebrachte Erzeugnisse vom Schutz
ausgeschlossen (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rdn. 9.25; BGH WRP 1976, 370, 371 – Ovalpuderdose; BGH
GRUR 1992, 523, 524 - Betonsteinelemente).
eee. Jedenfalls vor diesem Hintergrund kann die Klägerin aus Sicht des Senats ihre Ansprüche nicht
erfolgreich auf ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz stützen. Denn damit wäre die
spezialgesetzliche Wertung auch unter Berücksichtigung der gerade seinerzeit bestehenden typischen
Wettbewerbslage in ihr Gegenteil verkehrt. Denn letztlich hätte die Zeugin B... der Klägerin nach dem
gegenwärtigen Erkenntnisstand ihrerseits damals den Vertrieb des „F...-B...“ gem. § 4 Nr. 9 UWG unter dem
Gesichtspunkt des ungeschriebenen Merkmals einer gezielten „Behinderung“ in wettbewerbsrechtlicher
Hinsicht untersagen können. Eine unlautere Behinderung ist nämlich dann anzunehmen, wenn dem Schöpfer
des Originals durch das Anbieten der Nachahmung die Möglichkeit genommen wird, sein Produkt in
angemessener Zeit zu vermarkten. Eigenständige Bedeutung kommt der Behinderung insbesondere dann zu,
wenn das Original noch keinen "guten Ruf" erlangt hat, etwa weil es noch nicht oder erst kurze Zeit auf dem
Markt angeboten wird (Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 4 Rdn. 9.64). Eine geschmacksmusterrechtlich nicht
bestehende und wettbewerbsrechtlich makelbehaftete Rechtsposition kann nach Auffassung des Senats nicht
Grundlage für eine Durchbrechung eines grundsätzlich zu beachtenden Vorrangs von Sonderschutzrechten
sein. Dies vor allem auch deshalb nicht, weil der Beurteilungsmaßstab eines wettbewerbsrechtlichen
Anspruchs - der nicht auf den "informierten Benutzer" abstellt – in der Regel deutlich niedriger ist. Abzustellen
ist lediglich auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher
(BGH GRUR 2005, 349, 352 – Klemmbausteine III), d.h. auf die allgemeinen Verkehrskreise, die im Regelfall
über keine vertieften Kenntnisse vorbekannter Gestaltungsformen in dem jeweiligen Fachgebiet verfügen und
deshalb die ausgeführten Hintergründe gerade nicht beurteilen können. Hierdurch würde die Klägerin, die
letztlich selbst eine Produktnachahmung vertreibt, ungerechtfertigt bevorzugt.
cc. Aber auch unabhängig davon fehlt es vorliegend an dem spezifisch wettbewerbsrechtlichen „Überschuss“,
der nach Auffassung des Senats eine Anwendung von § 4 Nr. 9 UWG rechtfertigen könnte.
aaa. Dabei kann zu Gunsten der Klägerin unterstellt werden, dass der im Markt vertriebene „F...-B...“ jedenfalls
dann über eine hinreichende wettbewerbliche Eigenart verfügt, wenn man unterstellt, dass der Prototyp des
„S...y“ den angesprochenen Verkehrskreisen unbekannt geblieben ist. In diesem Fall könnte die strenge
Zylinderform des Griffes und der Endstücke eine Zuordnung zur Klägerin bewirken. Die Gesamtgestaltung des
„F...-B...“ wirkt durch die glatten Oberflächen des Griffes und der Endstücke sowie die geometrische Stringenz
der Gestaltung harmonisch und kompakt. Abgesehen von dem „S...y“ (Anl. B 1 und B-K 1) besitzt keines der in
den Prozess eingeführten Konkurrenzprodukte zylinderförmige, glatte Griff- und Endstücke. Die verschiedenen
Ausformungen der Griffe bei den anderen Trainingsstäben reichen von Rillenmustern (bei „S...k“ und „S...k TO
GO“) bis hin zu Spiralformen (Anl. B 6).
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bbb. Angesichts der von der Klägerin vorgetragenen Verkaufszahlen könnte auch davon ausgegangen werden,
dass das im Rahmen von § 4 Nr. 9 lit. a UWG geforderte Merkmal einer "gewissen Bekanntheit" für den Fall
vorliegt, dass Original und Nachahmung nicht nebeneinander vertrieben werden.
ccc. Gleichwohl wäre der Anspruch nicht begründet. Denn die angegriffenen Produkte sind nicht als
wettbewerbswidrige Nachahmungen anzusehen. Auch für die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise sind
die relevanten Unterschiede so maßgeblich, dass eine Fehlzuordnung nicht zu befürchten ist.
(1) Es erscheint dem Senat bereits nicht als hinreichend gesichert, dass die Beklagte gerade das Produkt der
Klägerin nachzuahmen versucht hat. In Bezug auf die Formgebung erscheint es nicht ausgeschlossen, dass
die Beklagte das Modell „S...y“ der Zeugin B... zum Vorbild genommen hat. In diesem Fall wäre die Klägerin
schon insoweit wettbewerbsrechtlich nicht beeinträchtigt. Für eine Nachahmung des Produkts der Klägerin
könnte zwar die Identität in der Farbgebung sprechen. Auch insoweit verbleiben jedoch durchgreifende Zweifel.
Soweit die Klägerin für die herkunftshinweisende Wirkung maßgeblich auf die Farbkombination Rot-Schwarz
abstellt, trägt ihr Sachvortrag diese Darstellung nicht. Zum einen handelt es sich bei dieser Ausführung nur um
eine von mehreren Farbvarianten ihres Angebots. Die Klägerin bietet unstreitig selbst gleichartige
Trainingsgeräte in verschiedenen anderen Farben an, nämlich als beige Sonderausführung und außerdem in
weiteren Farbgebungen, die besondere Eigenschaften indizieren: Einen blauen „F...-B... intensiv“ zur
„verstärkten Fettreduzierung“, einen schwarzen „F...-B... Athletic“ speziell „für sehr kräftige und geübte
Sportler“ und einen grünen „F...-B... Kids“ (Anl. K 3) Da andererseits mehrere Konkurrenzprodukte – nämlich
der „F…..-Fun“ (Anl. B 4 und B 5) sowie die bei den Konzernen ALDI (Anl. B 6) und PLUS (Anl. B 7)
angebotenen Trainingsstäbe – ebenfalls in der Farbkombination Rot-Schwarz angeboten werden bzw. wurden,
ist zudem noch nicht einmal ersichtlich - und von der Klägerin auch nicht nachvollziehbar dargelegt -, dass
Trainingsgeräte in dieser Farbkombination von den angesprochenen Verkehrskreisen gerade oder sogar
ausschließlich ihr als Herstellerin zugeordnet werden. Die von der Klägerin dargelegte Gestaltung ihres
Internetauftritts (Anlage K 3 bis K 6) trägt ebenfalls noch nicht einmal im Ansatz ein nach außen erkennbares
„corporate design“ in dieser Farbgebung. Vor dem Hintergrund aller Umstände hätte es erheblich verstärkter
Nachweise bedurft, um zumindest darzulegen, dass Trainingsgeräte im rot-schwarzer Farbgebung im Verkehr
gerade - und zwar ausschließlich – mit der Antragstellerin in herkunftshinweisender Form in Verbindung
gebracht werden.
(2) Auch diese Frage bedarf hier jedoch keiner abschließenden Beurteilung. Denn etwaige
wettbewerbsrechtliche Ansprüche scheitern zumindest daran, dass der „S...k“ und der „S...k TO GO“ auch in
ihrer Gestaltung im Übrigen nicht als Nachahmungen des „F...-B...“ zu betrachten sind. Bei der Beurteilung der
Ähnlichkeit kommt es auf die Gesamtwirkung der sich gegenüberstehenden Produkte an (BGH GRUR 2010,
80, 83 – Laufräder). Denn der Verkehr nimmt ein Produkt in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen
wahr, ohne es einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen. Da der „F...-B...“ – soweit ersichtlich - optisch
vollständig dem Klagegeschmacksmuster entspricht, kann hinsichtlich der Übereinstimmungen zwischen dem
„F...-B...“ und dem „S...k“ sowie dem „S...k TO GO“ auf die obigen Erörterungen zum Vergleich der
Gesamteindrücke des Musters und der Produkte Beklagten verwiesen werden. Die Gemeinsamkeiten liegen
vor allem in den Gesamtproportionen und der Farbgebung. Die Gemeinsamkeiten genügen letztlich nicht, um
beim durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher den gleichen Gesamteindruck
zu erzeugen. Die Unterschiede in den Gestaltungen reichen vielmehr aus, um eine Nachahmung begrifflich
auszuschließen. Die geometrisch stringente Gestaltung, die aus den glatten, an den Seitenstücken nur minimal
abgerundeten Zylinderformen des Griffstücks und der Endstücke des „F...-B...“ resultiert, findet sich beim
„S...k“ und beim „S...k TO GO“ gerade nicht. Das Griff des „S...k TO GO“ ist schon nicht zylinderförmig. Das
Griffstück des „S...k“ unterscheidet sich durch das Rillenmuster und die leicht bauchige Form mit der dickeren
Verendung vom Griff des „F...-B...“. Auch den Endstücken fehlt gerade diese geometrisch stringente
Gestaltung in Zylinderform. Sie vermitteln durch die deutliche wahrnehmbaren Einkerbungen vielmehr einen
abweichenden Eindruck. Somit sind die Merkmale, die charakteristisch für das Produkt der Klägerin sind,
gerade nicht übernommen worden.
(3) Dieser Beurteilung lässt sich auch nicht entgegenhalten, derartige Unterschiede fielen nur bei einem
direkten Vergleich der Produkte auf. Jedenfalls bei der Beurteilung durch die allgemeinen Verkehrskreise aus
dem undeutlichen Erinnerungsbild ergäbe sich in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht keine relevante Abweichung,
weil hierbei regelmäßig die übereinstimmenden Merkmale stärker hervortreten als die Unterschiede, so dass es
maßgeblich nicht so sehr auf die Unterschiede als auf die Übereinstimmungen ankommt (BGH GRUR 2010,
80, 83 – Laufräder). Dieser zutreffende Grundsatz kommt hier jedoch nicht zum Tragen. Denn gerade bei
Trainingsgeräten der hier vorliegenden Art ist für die Kaufentscheidung nicht in erster Linie die „Optik“, sondern
neben der Funktionalität vor allem die „Ergonomie“ von Bedeutung. Unter dem Gesichtspunkt der Handhabung
eines Trainingsstabes ist es für die angesprochenen Verkehrskreise von erheblicher Bedeutung, ob das
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Griffstück als einheitlicher glatter Zylinder gefertigt ist („F...-B...“) oder deutlich sichtbare und spürbare Rillen in
der Oberfläche aufweist („S...k“ sowie „S...k TO GO“). Diese Vertiefungen bzw. Einkerbungen werden von den
angesprochenen Verkehrskreisen im Zweifel nicht als rein optisches Gestaltungsmerkmal, sondern als
haptisches Element wahrgenommen, das für die Bedienbarkeit, insbesondere die Griffsicherheit (z.B. bei
feuchten Händen und bei starken Schwingungen/Drehungen) von erheblicher Bedeutung sein kann. Vor diesem
Hintergrund bleiben derartige Abweichungen den angesprochenen Verkehrskreisen nicht verborgen, die sich für
ein Sportgerät interessieren, bei dem nicht unerhebliche Kraft und Ausdauer aufgewendet werden muss, was
erhöhte Anforderungen an die Griffsicherheit stellt. Diese Feststellungen zum Verkehrsverständnis kann der
Senat aufgrund der eigenen Sachkunde seiner Mitglieder stellen, die zu den potentiell angesprochenen
Verkehrskreisen gehören.
cc. Vor diesem Hintergrund haben die angesprochenen Verkehrskreise auch keine tragfähige Veranlassung zu
der Annahme, der Schwingstab der Beklagten sei der Klägerin möglicherweise als Zweitlinie, Lizenzprodukt
oder Produkt eines mit ihr verbundenen Unternehmens zuzurechnen.
dd. Aus den genannten Gründen scheidet auch eine Rufausbeutung oder -beeinträchtigung nach § 4 Nr. 9 lit. b
UWG aus. Selbst wenn man unterstellen wollte, dass der „F...-B...“ im Verkehr eine besondere Wertschätzung
genießt, stehen die Unterschiede in den angegriffenen Modellen der Annahme entgegen, dass die
angesprochenen Verkehrskreise diesen „guten Ruf“ auf die Trainingsstäbe der Beklagten übertragen. Zudem
hat die Klägerin noch nicht einmal substantiiert die Bekanntheit ihres Produkts dargelegt. Selbst wenn sie
500.000 bzw. 750.000 Trainingsstäbe verkauft hat, besagen diese absoluten Zahlen ohne Kenntnis der
konkreten Marktumstände, insbesondere der Anzahl und der Gewichtung der einzelnen Anbieter zueinander,
nichts über eine etwaige Bekanntheit der Klägerin und ihrer Produkte. Nähere Darstellungen zum Markt bzw.
dazu, aus welchen sonstigen Umständen die Klägerin ihre Bekanntheit ableitet, hat sie jedoch nicht vorgelegt.
4. Da der Unterlassungsanspruch nicht begründet ist, stehen der Klägerin auch die Folgeansprüche auf
Auskunftserteilung, Schadensersatzfeststellung und Erstattung von Rechtsanwaltskosten nicht zu.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§
708 Nr. 10 Satz 1 + 2, 711 ZPO.
Der Senat lässt die Revision gegen dieses Urteil gem. § 543 Abs. 2 ZPO zu. Der Rechtsstreit hat
insbesondere im Hinblick auf die Frage des Ausschlusses wettbewerbsrechtlicher Vorschriften neben
spezialgesetzlichen Vorschriften des Geschmacksmusterrechts in Fallgestaltungen wie der vorliegenden
grundsätzliche Bedeutung und bedarf einer Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts.