Urteil des OLG Frankfurt vom 17.09.2008

OLG Frankfurt: rechtliches gehör, vergütung, abrechnung, provision, nichtigkeit, vorschuss, abrede, handelsvertreter, aufrechnung, rüge

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Gericht:
OLG Frankfurt 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 137/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 134 BGB, § 491 BGB, § 507
BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1
BGB, § 32 KredWG
Handelsvertreter: Rückzahlung nicht verdienter
Provisionsvorschüsse
Leitsatz
Zur Rückzahlungspflicht des Handelsvertreters von Provisonen, die er als Vorschuss
erhalten, aber nicht verdient hat
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 15. Juni 2007 verkündete Urteil der 4.
Zivilkammer des Landgerichts Hanau – Az.: 4 O 1549/05 – teilweise abgeändert
und zur Klarstellung wie folgt insgesamt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 42.058,47 Euro nebst Zinsen in Höhe
von 3 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. September
2002 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrags
abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Rückzahlungsansprüche bezüglich an die Beklagte
geleisteter Provisionsvorschüsse sowie – erstmals in der zweiten Instanz –
Gegenforderungen der Beklagten.
Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im
angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage weitgehend, nämlich in Höhe von 44.058,65 Euro,
stattgegeben und dies damit begründet, dass die Beklagte nach der vertraglichen
Vereinbarung verpflichtet sei, die Hälfte der als Vorschuss erhaltenen Beträge –
abzüglich der Hälfte der nach Vertragsbeendigung noch entstandenen
Provisionsansprüche – zu erstatten. Dies ergebe sich aus dem Consultant-Vertrag
vom 21. Januar 2002, der in § 6 Ziff. 11 eine entsprechende Zahlungspflicht
vorsehe. Dem stehe auch eine von der Beklagten angenommene
Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen, da auch dann die Rückzahlungspflicht
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Arbeitnehmereigenschaft nicht entgegen, da auch dann die Rückzahlungspflicht
bestehe. Diese sei auch nicht verjährt, da die Beklagte im Jahr 2002 die Tätigkeit
bei der Klägerin beendet habe, was erst zur Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs
und zum Beginn der Verjährung geführt habe, die bei Klageerhebung noch nicht
abgelaufen gewesen sei.
Die vertragliche Regelung verstoße auch nicht gegen § 134 BGB, da auch dann,
wenn die Gewährung des Vorschusses als i.S.v. § 32 KWG unerlaubte Gewährung
eines Darlehens anzusehen sei, dies nicht zur Nichtigkeit des Vertrags führe.
Insofern richte sich das KWG nicht dagegen, dass Darlehensverträge geschlossen
würden.
Unter Berücksichtigung der verdienten Provisionen stünde der Klägerin eine
Forderung von 46.720,52 Euro zu, zu der einerseits weitere Kosten in Höhe von
1.509,38 Euro zu addieren, von der andererseits aber nachträglich verdiente
Provisionen in Höhe von 4.171,43 Euro abzuziehen seien.
Daraus ergebe sich eine zuzusprechende Forderung von 44.058,47 Euro, die
entsprechend der vertraglichen Regelung zu verzinsen sei.
Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Sie ist zunächst der Ansicht, für das Berufungsverfahren sei nicht der 23.
Zivilsenat zuständig, da die Voraussetzungen dafür (Vorliegen einer Erlaubnis
nach § 32 KWG) nicht gegeben seien.
Die Klage sei schon deshalb unbegründet, weil eine Anspruchsgrundlage fehle.
Entgegen der Ansicht des Landgerichts ergebe sich diese nicht aus dem
Consultant-Vertrag, wobei dieser den vorher bestehenden Mitarbeiter-Vertrag –
und damit auch eine gegebenenfalls danach bestehende Zahlungspflicht –
ersatzlos aufgehoben habe. Auf die Frage, ob daneben ein Verstoß gegen § 32
KWG zur Nichtigkeit des Vertrags führe, komme es daher nicht an. Daneben sei
auch keine wirksame Vereinbarung über eine Provisionshöhe erfolgt.
Jedenfalls sei aber die Abrede über den „Vorschuss“ als Vereinbarung einer
Mindestvergütung auszulegen, was sich u.a. daraus ergebe, dass die Beklagte vor
der Übernahme der Tätigkeit als Geschäftsstellenleiterin in ... angestellte
Mitarbeiterin der Klägerin (im Innendienst) gewesen sei. Die Tätigkeit als
Geschäftsstellenleiterin habe sie dabei auf Anweisung der Klägerin übernommen.
Da sich in der Folge erwiesen habe, dass die als Vorschuss bezeichneten Beträge
nicht als Provision zu verdienen seien, folge daraus ebenfalls eine feste Vergütung.
Schließlich hätten die Parteien diese auch ausdrücklich vereinbart.
Aufgrund des Umstands, dass Provisionen in Höhe der geleisteten Zahlungen
auch nicht zu verdienen gewesen seien, sei die entsprechende
Rückzahlungsvereinbarung auch nach § 134 BGB nichtig.
Bedenken gegen den Rückforderungsanspruch würden sich im Übrigen auch
deshalb ergeben, weil die Klägerin der Beklagten mit den Zahlungen ein
Existenzgründungsdarlehen gewährt habe, ohne dass die entsprechenden
gesetzlichen Vorgaben eingehalten worden seien.
Weiter sei ein etwaiger Zahlungsanspruch der Klägerin auch nicht substantiiert
dargelegt worden, die entsprechenden, von der Beklagten verdienten Provisionen
seien nicht zutreffend berechnet worden. Außerdem seien die Kosten, die seitens
der Klägerin und, ihr folgend, dem Landgericht zu Lasten der Beklagten
berücksichtigt seien, nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden. Im Hinblick
auf eine deshalb bestehende Pflicht zur Nachabrechnung stünde der Beklagten ein
Zurückbehaltungsrecht zu.
Sofern eine Forderung aber tatsächlich bestehe, stünden dieser
Gegenforderungen der Beklagten gegenüber, mit denen sie – hilfsweise – die
Aufrechnung erklärt:
a) So sei der Beklagten bei Beginn der Tätigkeit als Geschäftsstellenleiterin
zugesagt worden, dass Firmenkunden, die bisher bei der Zentrale der Klägerin
geführt worden seien, ihr zur Bearbeitung übertragen werden sollten, was zu
entsprechenden Provisions-Einnahmen geführt hätte. Gleiches habe auch für die
Firmenkunden gegolten, die von anderen Beratern im Bereich ihrer Geschäftsstelle
betreut worden seien. Diese Übertragung sei aber insgesamt nicht erfolgt, weshalb
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betreut worden seien. Diese Übertragung sei aber insgesamt nicht erfolgt, weshalb
ihr insoweit ein Schadensersatzanspruch zustehe, der mindestens die
Klageforderung erreiche.
b) Im Rahmen der Tätigkeit als Leiterin der Geschäftsstelle habe sie Leistungen
erbracht, die nicht vom Consultant-Vertrag und der dort enthaltenen
Vergütungsregelung erfasst gewesen seien und die daher gesondert zu vergüten
gewesen seien. So habe sie in mehreren Privatkundengeschäftsstellen das
Firmenkundengeschäft vorgestellt. Außerdem habe sie verschiedenen Schulungen
abgehalten, die teilweise in der Zentrale der Klägerin und teilweise in anderen
Geschäftsstellen erfolgt seien. Hieraus würden sich mindestens Ansprüche in Höhe
von 38.000,- Euro netto ergeben, wobei eine Vergütung von 2.000,- Euro netto pro
Schulung angemessen sei.
Weiter hilfsweise beruft sich die Beklagte darauf, dass bezüglich ihrer Vergütung
als Leiterin der Geschäftsstelle noch keine Abrechnung erfolgt sei. Ihr sei nach
ihrem Kenntnisstand keine solche erteilt worden bzw. es seien keine Zahlungen
erfolgt, weshalb sich insofern ein Zurückbehaltungsrecht bis zur Erstellung der
Abrechnung ergebe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hanau vom 15. Juni 2007, Az. 4 O 1549/05,
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und
Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags, wobei sie den neuen Vortrag der
Beklagten als präkludiert rügt.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Senat auf die Bedenken
hinsichtlich der Erfolgsaussichten des Rechtsmittels, soweit das Urteil nicht
abgeändert wurde, hingewiesen. Die Beklagte hat darauf keinen
Schriftsatznachlass beantragt.
II.
Der 23. Zivilsenat ist entgegen der Rüge der Beklagten für die Entscheidung über
die Berufung zuständig, da die Klägerin zumindest bei Einlegung der Berufung (9.
Juli 2007) über eine Erlaubnis als Finanzdienstleister i.S.v. § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1,
2 KWG verfügte. Diese war ihr unter dem 15. März 2006 erteilt worden (Bl. 245
d.A.), was von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird. Damit war nach dem
Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (GVP) des
Jahres 2007 die Zuständigkeit des 23. Zivilsenats begründet. Nach den im Jahr
2007 geltendem GVP ist es – anders als nach der Neufassung 2008 – unerheblich,
dass diese Erlaubnis nicht bei Klageerhebung vorlag, da der GVP für die
Bestimmung der Zuständigkeit allgemein auf den Zeitpunkt des Eingangs der
Sache bei dem OLG abstellt.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung hat in der Sache in geringem Umfang Erfolg. Die angefochtene
Entscheidung beruht insofern auf einer Rechtsverletzung bzw. rechtfertigen die
nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§
513 ZPO).
Das Urteil des Landgerichts ist in sich teilweise unschlüssig hinsichtlich der
Berechnung der Klageforderung. Nach dem Tatbestand (S. 3) hat die Beklagte im
Zeitraum Februar 2001 bis Juli 2002, mithin für 18 Monate, jeweils 4.000,- Euro
erhalten, was sich auch mit dem Vortrag der Klägerin deckt (Bl. 26 d.A.). Daraus
ergibt sich aber folgende Berechnung:
In der Tabelle des Landgerichts im Urteil (S. 5f.) werden diese Zahlungsdaten
übernommen und daraus der zutreffende Saldo errechnet (118.016,28 Euro).
Allerdings wird in der Folge das falsche Ergebnis berechnet (93.441,03 Euro), da
die unstreitig gezahlten Provisionen (28.575,25 Euro) von einem Betrag von
122.016,28 Euro abgezogen werden, der sich nur ergibt, wenn auch im August
2002 Zahlungen erfolgten. Dies ergibt dann die auch vom Landgericht
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2002 Zahlungen erfolgten. Dies ergibt dann die auch vom Landgericht
angenommene Klageforderung (44.058,47 Euro, S. 7), wobei allerdings 18 ct.
mehr zugesprochen werden, nämlich 44.058,65 Euro, ohne dass dafür ein Grund
ersichtlich ist. Diese Berechnung ist auch insofern nicht vollständig
nachvollziehbar, da das Landgericht selbst (vgl. Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 4. Mai 2007, Bl. 195 d.A.) auf den Umstand, dass die Summe
der Provisionszahlungen nur zu einem Betrag von 118.016,28 Euro führen,
hingewiesen hatte. Die Berufung ist insofern hinsichtlich eines Betrags von
2.000,18 Euro begründet.
Im Übrigen ist die Berufung dagegen unbegründet, da die Beklagte keine
zulässigen und erheblichen Einwände gegen das angefochtene Urteil vorbringt.
So war für das Begehren der Klägerin der Zivilrechtsweg eröffnet und das
Landgericht Hanau damit auch zuständig. Dies folgt aus der Rechtskraft des
Beschlusses des Landgerichts vom 1. Februar 2007 (Bl. 176 d.A.), der gemäß §
17a Abs. 1 GVG bindend geworden ist.
Auch der Einwand der Beklagten, dass es für das Begehr der Klägerin an einer
Anspruchsgrundlage fehle, da der (ursprüngliche) Mitarbeitervertrag ersatzlos
aufgehoben worden sei, ist nicht erheblich. Nach § 16 des Consultant-Vertrags
sollte der Mitarbeitervertrag aufgehoben werden. Dass damit – was die Beklagte
wohl meint – ein Verzicht der Klägerin auf bereits begründete Ansprüche
verbunden ist, ist nicht ersichtlich. Der Anspruch auf Rückzahlung der nicht
verdienten Provisionsvorschüsse war in dem Mitarbeitervertrag ausdrücklich
enthalten, allerdings noch nicht fällig geworden, da die Beklagte (noch) nicht
ausgeschieden war. Dass dieser Anspruch, auch wenn er einstweilen nicht
durchsetzbar gewesen sein sollte, von der Klägerin aufgegeben werden würde,
musste sich auch der Beklagten nicht aufdrängen, enthielt doch der Consultant-
Vertrag in § 6 Ziff. 11 eine nahezu wortgleiche Regelung wie § 4 Ziff. V des
Mitarbeitervertrags.
Selbst bei Fehlen einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung besteht ein solcher
Rückzahlungsanspruch aber aufgrund des Rechtscharakters einer
Vorschusszahlung, dem eine Rückzahlungspflicht bei Nichtverdienen der Provision
immanent ist (vgl. BAG, Urteil vom 20. Juni 1989, 3 AZR 504/87, zit. nach Juris, Rn.
20). Daneben ergibt sich der Anspruch auch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB,
wobei es im Übrigen unerheblich ist, ob der Handelsvertreter als Arbeitnehmer
einzustufen ist oder nicht (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Dezember 2006, 11
Sa 686/06, zit. nach Juris, Rn. 46).
Die Behauptung der Beklagten, es seien gerade keine rückzahlungspflichtigen
Vorschüsse, sondern ein monatliches Fixum – ähnlich wie ein Gehalt – vereinbart
worden, ist zum einen unsubstantiiert, zum anderen steht sie auch im Widerspruch
zu den unstreitigen Tatsachen, so dass es auf die Frage, ob dieser neue Vortrag
überhaupt berücksichtigt werden kann (§§ 529, 531 ZPO) nicht ankommt. So trägt
die Beklagte zunächst nicht vor, wann sie mit wem eine solche, vom schriftlichen
Wortlaut des Vertrags sehr deutlich abweichende Regelung vereinbart haben will.
Dies geschieht auch nicht nach der entsprechenden Rüge durch die Klägerin, die
diesen Vortrag bestreitet. Daneben hat aber die Klägerin vorgetragen, dass die
Beklagte aus eigenen Stücken ihren Tätigkeitsbereich verändern wollte, wobei sie
auch aus privaten Gründen in das Rhein-Main-Gebiet habe wechseln wollen. Diesen
Vortrag bestreitet die Beklagte ebenfalls nicht (mehr), so dass aus diesem
deutlich wird, dass es die Beklagte war, die eine Änderung der vertraglichen
Rahmenbedingungen wollte. Schließlich ist auch auffällig, dass die Beklagte den
Vortrag der Klägerin zu ihrem ehemaligen Tätigkeitsbereich nicht in Abrede stellt.
Danach war die Beklagte u.a. für die Betreuung der Handelsvertreter zuständig,
wusste also um die Art und Weise der Bezahlung derselben. Wenn sie dann in eine
solche Position wechselt, spricht wenig dafür, dass sie einerseits von der dann
eintretenden Rechtslage überrascht war und dass andererseits für sie allein eine
besondere Vereinbarung getroffen wurde.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der Behauptung der Beklagten,
dass die vereinbarten Vorschüsse nicht durch Provisionen hätten erwirtschaftet
werden können. Unabhängig von der Frage, ob sich selbst dann, wenn dies zuträfe,
die von der Beklagten erstrebte Rechtsfolge ergebe, ist der Vortrag der Beklagten
zu diesem Punkt sehr unsubstantiiert. So hätte sie darlegen müssen, welche
Anstrengungen sie im Einzelnen unternommen hat, provisionspflichtige Geschäfte
abzuschließen und dabei angeben müssen, dass und warum über diese
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abzuschließen und dabei angeben müssen, dass und warum über diese
Tätigkeiten hinaus keine weiteren Geschäfte möglich gewesen seien. Die bloß
pauschale Behauptung reicht hier nicht aus, da die Frage, welche Provision erzielt
werden kann, im Wesentlichen von der eigenen Tätigkeit des Handelsvertreters
abhängt. Mangels Erheblichkeit kann auch hier die Frage nach der Präklusion offen
bleiben.
Soweit die Beklagte hinsichtlich der vertraglichen Vereinbarung im Übrigen
einwendet, es fehle an einer wirksamen Vereinbarung einer Provisionsregelung,
steht dies zum einen im Widerspruch zu den vertraglichen Regelungen, zum
anderen wird aber nicht deutlich, was die Beklagte damit bezwecken will. Würde
tatsächlich eine solche Regelung fehlen, wäre die Höhe der Provisionen derzeit
nicht schlüssig dargetan, da die Beklagte nichts zu der dann maßgeblichen Höhe
(vgl. § 87b Abs. 1 HGB: Üblichkeit eines bestimmten Satzes) vorträgt. In diesem
Fall wäre derzeit überhaupt kein Abzug von der Forderung der Klägerin
vorzunehmen, was die von der Beklagten zu leistende Zahlung um 28.575,25 Euro
erhöhen würde.
Die vertragliche Regelung ist auch nicht unter Berücksichtigung der Vergabe eines
Darlehens unwirksam. Ein Verstoß gegen § 32 KWG, selbst wenn dieser hier
vorgelegen hätte, führt nicht nach § 134 BGB zur Nichtigkeit des
Darlehensvertrags (Fischer, in: Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 2. Aufl. (2004),
§ 32 KWG, Rn. 16 m.w.N.).
Soweit sich die Beklagte auf die Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschriften
der §§ 491-506 BGB bezieht, scheitert dies hier daran, dass nach § 507 Halbsatz 2
BGB diese Schutzvorschriften bei Darlehen zur Existenzgründung dann nicht
anwendbar sind, wenn der Nettodarlehensbetrag 50.000,- Euro übersteigt. Dies
war hier – bezogen auf die Gesamtsumme der von der Beklagten erhaltenen
Leistungen – der Fall. Dass der Zahlungsbetrag nicht explizit im Vertrag enthalten
war, führt zu keiner Änderung. Der Begriff „Nettodarlehensbetrag“ in § 507 BGB ist
entsprechend § 492 Abs. 2 Nr. 1 BGB auszulegen (Schürnbrand, in: Münchener
Kommentar zum BGB, 5. Aufl. (2008), § 507 BGB, Rn. 8). Wird dabei – was zu der
vorliegenden Konstellation vergleichbar ist – eine Kreditlinie bzw. ein Kreditrahmen
eingeräumt, den der Kreditnehmer nach eigener Entscheidung in Anspruch
nehmen kann, ist auf den Höchstbetrag abzustellen (Schürnbrand, a.a.O., § 492
BGB, Rn. 42). Hier ergibt sich schon aus dem Gegenstand des Verfahrens, dass
die Beklagte bei vollständiger Anwendung der Vorschussregelung einen Anspruch
gegen die Klägerin hatte, der deutlich über 50.000,- Euro lag.
Eine Nichtigkeit der Rückzahlungsvereinbarung wegen einer sittenwidrigen
Übervorteilung der Beklagten durch die Klägerin scheidet ebenfalls aus. Eine
solche liegt entweder vor, wenn durch eine nicht den Verdienstmöglichkeiten
entsprechende Vorschusszahlung eine unzulässige Bindung erreicht wird (BAG,
Urteil vom 20. Juni 1989, a.a.O., Rn. 25) oder ein Gewinn von vornherein gänzlich
ausgeschlossen wäre (LAG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rn. 26). Mangels eines
substantiierten Vortrags dazu (s.o.) sind diese Voraussetzungen nicht dargetan.
Im Übrigen bedeutet bereits der Verzicht auf 50% der Forderung eine erhebliche
Erleichterung für die Beklagte, was ebenfalls gegen eine sittenwidrige
Übervorteilung spricht.
Aus diesem Grund scheidet ebenfalls die Annahme einer Nichtigkeit (§ 134 BGB)
der Rückzahlungsregelung wegen einer unzulässigen Beschränkung des
Kündigungsrechts der Beklagten aus.
Die Beklagte kann auch mit den Einwendungen zur Höhe der Forderung nicht
durchdringen. Soweit sie zum ersten Mal in der zweiten Instanz die vorher nicht
bzw. nicht hinreichend bestrittenen Kosten und deren Substantiierung in Zweifel
zieht, ist dies nach § 531 Abs. 2 Satz 1 ZPO verspätet. Dies hätte bereits in erster
Instanz geltend gemacht werden können, wobei die Beklagte trotz der
entsprechenden Rüge der Klägerin keine Gründe angibt, warum der Vortrag bzw.
das Bestreiten erst jetzt erfolgt. Soweit die Beklagte vorträgt, ein solches
Bestreiten sei bereits in der ersten Instanz erfolgt, ist dies unzutreffend. Das
Landgericht hat – für den Senat bindend (§ 529 ZPO) – die Höhe der Forderung
festgestellt, wobei dies ausweislich des Urteils und des Tatbestands deshalb
möglich war, weil die in die Abrechnung der Klägerin eingestellten Beträge
insgesamt nicht bestritten wurden.
Dass das Bestreiten der Provisionszahlungen durch die Beklagte im Übrigen
unsubstantiiert ist, weil ihr selbst bekannt sein müsste, welche Geschäfte sie
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unsubstantiiert ist, weil ihr selbst bekannt sein müsste, welche Geschäfte sie
vermittelt hat und welche Provision daraus entstanden sein könnte, führt ebenfalls
zu diesem Ergebnis. Aus diesem Gesichtspunkt steht der Beklagten also auch
nicht das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht im Hinblick auf eine
Neuabrechnung zu.
Gegenforderungen der Beklagten, die diese im Wege der Aufrechnung oder der
Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts einwenden kann, hat sie ebenfalls
nicht schlüssig dargelegt.
Ein zur Aufrechung gestellte Schadensersatzanspruch wegen unterbliebener
Übertragung von Firmenkunden hat die Beklagte nicht substantiiert dargestellt. So
fehlt zunächst eine schlüssige Behauptung dazu, wann sie mit wem die
Übertragung welcher Kunden vereinbart haben will. Ihr Vortrag, dies sei vereinbart
gewesen und die Klägerin habe insofern nichts unternommen, steht zudem im
Widerspruch zu ihrem eigenen Vortrag, sie habe – gerade im Auftrag der Klägerin –
Schulungsveranstaltungen durchführen sollen, die erst zu einer solchen
Übertragung durch die Privatkundebetreuer hätten führen sollen.
Daneben ist die Höhe eines solchen Anspruchs nicht schlüssig dargetan. Die
Beklagte behauptet, der Schaden erreiche mindestens die Höhe der
Klageforderung, eine Darlegung, welche Kunden ihr hätten übertragen werden
sollen, welche Geschäfte sie mit diesen hätte abschließen können und welche
Provision daraus verdient worden wäre, fehlt jedoch.
Auch der weiter hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Vergütungsanspruch wegen
überobligationsmäßiger Tätigkeiten als Geschäftsstellenleiterin ist nicht
nachvollziehbar dargetan. Trotz eines entsprechenden Bestreitens durch die
Klägerin hat sie weder die Daten bzw. nähren Umstände der von ihr abgehaltenen
Schulungen angegeben, noch hat sie angegeben, warum ihr insofern überhaupt
eine Vergütung zugestanden haben soll. Eine konkrete Vergütungsvereinbarung
behauptet sie nicht, dem Vortrag der Klägerin, diese Art von Schulungen würden
zu der bei der Klägerin praktizierten Form der Wissensvermittlung gehören und sei
für die Referenten daher unentgeltlich, ist sie nicht weiter entgegengetreten.
Der Beklagten steht insofern auch nicht die Vermutung des § 612 Abs. 1 BGB zur
Seite. Sie hat nicht, was ihr oblegen hätte (vgl. Müller-Glöge, in: Münchener
Kommentar zum BGB, 4. Aufl. (2005), § 612 BGB, Rn. 38), Umstände dargetan,
die die Annahme rechtfertigen würden, gerade für diese Tätigkeit sei eine
besondere, mithin zusätzlich Vergütung zu erwarten.
Mangels eines konkreten Vortrags zu den hier relevanten Umständen war dem
Antrag der Beklagten nach § 142 ZPO auf Vorlage des Vertrags nicht
nachzukommen. Eine solche Vorlageanordnung hätte, da es an substantiiertem
Vortrag fehlt, zu einer Ausforschung geführt.
Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 32 KWG, wobei es sich
hier um ein Schutzgesetz handelt (BGH, Urteil vom 11. Juli 2006, VI ZR 339/04, zit.
nach Juris, Rn. 13; Urteil vom 11. Juli 2006, VI ZR 340/04, NJW-RR 06, 1713, 1714),
besteht ebenfalls nicht. Zum einen ist ein Verschulden der Klägerin, die sich
unwidersprochen auf eine vorher nicht bekannte Änderung der Praxis der BAFin
berufen hatte, nicht ohne weiteres erkennbar. Zum anderen ist nicht klar, woraus
sich hier für die Beklagte ein konkreter Schaden aufgrund einer unzulässigen
Darlehensgewährung ergeben haben soll.
Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, ihre Ansprüche aus
der Zeit als Geschäftsstellenleiterin seien nicht abgerechnet worden bzw. seien
noch offen. Der Vortrag der Beklagten zu der bisher angeblich nicht erfolgten
Abrechnung ist sehr vage („nach dem Kenntnisstand der Beklagten…“) und lässt
nicht erkennen, ob überhaupt noch – und wenn ja, welche – Ansprüche aus dieser
Zeit offen sind. Dass die Klägerin hier Zahlungen geleistet hat, wird von der
Beklagten nicht ausdrücklich in Abrede gestellt, so dass sie vortragen könnte,
welche Forderungen aus ihrer Sicht überhaupt noch bestehen. Hierzu fehlt aber
jeder Vortrag, obwohl sie für das Bestehen der Gegenforderungen darlegungs- und
beweisbelastet ist. Sind aber keine Zahlungsansprüche mehr gegeben, kann sie
auch keine – erneute – Abrechnung verlangen. Dass sie eine solche aus anderen,
z.B. steuerrechtlichen, Gründen benötigt, legt die Beklagte schließlich auch nicht
dar.
Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 11. September 2008 war – unabhängig von
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Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 11. September 2008 war – unabhängig von
Zweifeln an dessen Berücksichtigungsfähigkeit (§ 296a ZPO) – nicht erneut in die
mündliche Verhandlung einzutreten. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt
nicht vor, da der Senat in der mündlichen Verhandlung die einzelnen Aspekte,
warum die Berufung über den Betrag von 2.000,18 Euro hinaus keinen Erfolg
haben wird, dargelegt hat. Die Beklagte hatte dabei über ihre anwaltliche
Vertreterin Gelegenheit zur Stellungnahme und hat im Übrigen von einem Antrag
nach § 139 Abs. 5 ZPO, mithin der Einräumung einer Schriftsatzfrist, abgesehen.
Im Übrigen hat die Beklagte in dem Schriftsatz nicht dargelegt, in welchem Punkt
sie ihr rechtliches Gehör als verletzt ansieht bzw. was sie für diesen Fall weiter bzw.
ergänzend vorgetragen hätte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, da die Zuvielforderung
verhältnismäßig gering (weniger als 10% der Klageforderung) ist und keine
besonderen Kosten verursacht hat. Die ursprünglich in den Zahlungsantrag
eingerechneten Zinsen führen insofern nicht zu einer Änderung (§ 4 Abs. 1 ZPO).
Das Urteil ist nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung
hat und weder der Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.