Urteil des OLG Frankfurt vom 24.06.2009

OLG Frankfurt: eigene aktien, unechte rückwirkung, rückstellung, entlastung, aufsichtsrat, tagesordnung, geschäftsjahr, prozesskosten, urkunde, protokollierung

Gericht:
OLG Frankfurt 23.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
23 U 90/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 43 Abs 4 AktG, § 111 AktG, §
118 Abs 3 AktG, § 130 Abs 1
AktG, § 130 Abs 2 AktG
(Hauptversammlungsbeschlüsse der Aktiengesellschaft:
Verweigerung einer Aufsichtsratsentlastung wegen
unberechtigter Verweigerung der Auskunftserteilung zu
einer den Vorstand betreffenden Frage; unterlassene
Bildung einer Rückstellung zur Deckung einer hohen
Klageforderung gegen die Gesellschaft sowie etwaig zu
tragender Prozesskosten)
Leitsatz
1. Die unberechtigte Verweigerung einer Auskunft in der Hauptversammlung einer
Aktiengesellschaft bezüglich einer Frage, die im Wesentlichen den Vorstand betrifft,
rechtfertigt es nicht, dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern.
2. Eine Aktiengesellschaft, die in einem Zivilprozess auf eine sehr hohe Summe in
Anspruch genommen wird, verzichtet zu Recht auf die Bildung einer Rückstellung, wenn
eine praktische, nachvollziehbare Betrachtung der Prozesschancen zum Zeitpunkt der
Aufstellung der Bilanz gute Verteidigungsaussichten ergibt und überdies die Höhe des
unbezifferten Schadens nicht vernünftig abschätzbar ist. Auch die Rückgriffsmöglichkeit
auf Grund einer bestehenden Versicherung kann dazu führen, dass keine Rückstellung
zu bilden ist. Dagegen ist es nicht zulässig, auf die Bilanzierung im Hinblick auf die
geringe Bedeutung in Anbetracht der Bilanzsumme zu verzichten, da sich die
Bedeutung bei einer Bank eher aus dem Vergleich mit dem Gewinn oder Verlust und
der Frage, ob die Höhe der Dividendenzahlung beeinflusst werden kann, ergibt.
Zu dieser Entscheidung gibt es eine Pressemitteilung auf der Homepage des OLG
(www.olg-frankfurt.justiz.hessen.de).
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 13.03.2007 verkündete Urteil der 5.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts in Frankfurt am Main wird
zurückgewiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13.03.2007 verkündete Urteil der 5.
Kammer für Handelssachen des Landgerichts in Frankfurt am Main teilweise
abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen, soweit die Kläger begehren, die Beschlüsse der
ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 02.06.2004 zu
Tagesordnungspunkt 4 zur Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für das
Geschäftsjahr 2003 für nichtig zu erklären.
Hinsichtlich der zu Tagesordnungspunkt 3 gefassten Beschlüsse verbleibt es bei
dem Urteil der Kammer für Handelssachen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Instanzen haben die Kläger zu jeweils 45 % und die Beklagte zu
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Die Kosten beider Instanzen haben die Kläger zu jeweils 45 % und die Beklagte zu
10 % zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120
% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor
der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet oder hinterlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Feststellung der Nichtigkeit bzw. die
Anfechtung von Beschlüssen in der Hauptversammlung der Beklagten vom
02.06.2004. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zutreffende Darstellung im
Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils mit den nachfolgenden Ergänzungen
Bezug genommen.
Für die Frage der Notwendigkeit einer Rückstellungsbildung sind die rechtlichen
Auseinandersetzungen in Folge eines Interviews des damaligen
Vorstandssprechers der Beklagten von Bedeutung. Deren Verlauf war im für den
vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Zeitraum folgender:
Am 03.02.2002 gab der damalige Vorstandssprecher und spätere
Aufsichtsratsvorsitzende der Beklagten Dr. X ein Fernsehinterview, in dem er sich
zur Kreditwürdigkeit der A-Gruppe äußerte. Dieses Interview wurde am
darauffolgenden Tag in Deutschland ausgestrahlt. Aus Sicht der A-Gruppe
entstanden dadurch enorme wirtschaftliche Schäden. Im Mai 2002 erhob Dr. CA
Klage vor dem LG München I auf Feststellung, dass die Beklagte und Dr. X
verpflichtet sind, ihm (teilweise aus abgetretenem Recht) entstandene und noch
entstehende Schäden, deren volles Ausmaß noch nicht absehbar ist, zu ersetzen.
Der Streitwert wurde mit 100 Millionen € angegeben und festgesetzt. Die Klage
hatte beim LG München I Erfolg (Urteil vom 18.2.2003, NJW 2003, 1046 ff.). Die
Berufung der ... gegen dieses Urteil wurde durch Urteil des OLG München vom
10.12.2003 zurückgewiesen, während die Klage gegen Dr. X abgewiesen wurde
(WM 2004, 74 ff.). Außerdem hatte Dr. CA eine unbezifferte Schadensersatzklage
vor dem United States District Court, Southern District of New York, erhoben (Bl.
1940 d.A.). In Anbetracht der Streitwerte wurde die zentrale Rechtsabteilung der
Beklagten informiert, die ihrerseits Gespräche mit der Abschlussprüferin über die
Einschätzung der Risiken führte. Das Audit Committee des Aufsichtsrats wurde
Ende 2002 über den Fall informiert. Die Organe der Beklagten wurden über den
Gang des Feststellungsverfahrens auf dem Laufenden gehalten. Nach
bestrittenem Vortrag der Beklagten soll überdies eine Y Versicherung bis zum
üblichen Betrag von 500 Millionen € bestehen. Dieser Versicherungsschutz soll
durch verschiedene Versicherungsunternehmen gewährleistet sein. Gegenüber
dem federführenden Unternehmen, das über den Gang des Verfahrens auf dem
Laufenden gehalten werde, soll im Oktober 2002 eine „Schadenmeldung“ erfolgt
sein soll (1933 ff. d.A.).
Das Landgericht hat die Klage als teilweise begründet angesehen und zur
Begründung insgesamt ausgeführt:
Ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 241 AktG liege nicht vor. Nichtigkeit wäre
auch dann nicht gegeben, wenn der Notar die Hauptversammlung wie im Vorjahr
beurkundet haben sollte. Eine unterzeichnete notarielle Niederschrift liege vor.
Auch eine Beschlussanfechtung als Folge verspäteter Erstellung oder Einreichung
der Niederschrift komme nicht in Betracht. Es sei für die aktienrechtliche
Wirksamkeit ausreichend, dass der Notar das vom Versammlungsleiter
festgestellte Abstimmungsergebnis protokolliere. Eigene Feststellungen dazu
müsse er nicht treffen. Seitens des Klägers zu 1) werde auch nicht geltend
gemacht, dass es zu Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung gekommen sei. Die
Kläger könnten sich nicht darauf berufen, dass es Unterschiede zwischen der
Ursprungsfassung und der zum Handelsregister eingereichten Abschrift bezüglich
der Beschlüsse gebe. Dieser Vortrag sei erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist in
das Verfahren eingeführt worden und völlig unsubstantiiert. Auch die Übertragung
der Rede- und Fragebeiträge in das back office führe nicht zur Nichtigkeit oder
Anfechtbarkeit, da die Satzung der Beklagten in Einklang mit § 118 Abs. 3 AktG
dem Versammlungsleiter die Befugnis einräume, die Übertragung der
Hauptversammlung über elektronische Medien zuzulassen, wovon er Gebrauch
gemacht habe.
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Ferner liege kein Einberufungsmangel hinsichtlich des Tagungsordnungspunktes 2.
vor. Es sei nicht zu beanstanden, dass in dieser Bekanntmachung der
auszuschüttende Bilanzgewinn mit 872.781.369,00 € angegeben wurde, der zu
einer Dividende in Höhe von 1,50 € je dividendenberechtigter Aktie führe, und der
verbleibende Betrag, der auf eigene Aktien entfalle, auf neue Rechnung
vorgetragen wurde. Dies sei sachgerecht, da zum Zeitpunkt der Bekanntmachung
noch nicht endgültig festgestanden habe, in welchem Umfang eigene Aktien
gehalten würden.
Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses 2003 sei
unbegründet. Nichtigkeit folge nicht aus dem Umstand, dass der Beschluss über
die Bestellung des Abschlussprüfers der Jahreshauptversammlung 2003
angefochten und eine Entscheidung über die Berufung gegen das
klageabweisende Urteil noch nicht ergangen sei. Ein Abschlussprüfer sei auch
dann im Sinne des § 256 Abs. 1 Ziff. 3 AktG bestellt, wenn der Wahlbeschluss
nichtig sei.
Entgegen der Ansicht der Kläger sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen,
Rückstellungen im Hinblick auf Schadensersatzforderungen des Ehemanns der
Klägerin zu 2) zu bilden. Diese seien weder handelsrechtlich, noch steuerrechtlich
geboten gewesen. Sie seien nur erforderlich, wenn zum Bilanzstichtag objektiv die
Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bestanden habe. Am 31.12.2003 hätten
aber nicht mehr objektiv greifbare Gründe für eine Verpflichtung zur
Schadensersatzleistung gesprochen als dagegen, da Ausführungen zur
haftungsausfüllenden Kausalität noch nicht gemacht worden seien und es auch an
objektiven Anhaltspunkten einer ungefähren Größenordnung der
Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme gefehlt habe. Die pessimistischste
Alternative müsse nicht gewählt werden. Die Frage, ob die Sachlage nach dem
Urteil des BGH vom 24.01.2006 und der Bezifferung des Schadens anders zu
beurteilen sei, könne dahinstehen.
Auch für die Prozesskosten bedürfte es keiner Rückstellung. Hinsichtlich der
eigenen, innerbetrieblichen Kosten fehle es am Merkmal der Außenverpflichtung.
Für die gegebenenfalls dem Gegner zu erstattenden außergerichtlichen Kosten
und für die Gerichtskosten bestehe Versicherungsschutz. Dass der dafür
zuständige Aufsichtsrat den Beschluss gefasst habe, die Verfahrenskosten von Dr.
X zu übernehmen, stelle ebenfalls keinen Nichtigkeitsgrund dar. Es entspreche der
Führsorgepflicht eines Dienstherrn, die dem früheren Vorstandsvorsitzenden
entstehenden Kosten zur Abwehr unberechtigt geltend gemachter Ansprüche zu
übernehmen. Zumindest damals habe man davon ausgehen müssen, dass diese
Ansprüche unberechtigt seien.
Da Verstöße gegen die Rückstellungspflicht nicht gegeben seien, könne auch die
Bestellung des bereits in der Vergangenheit tätigen Abschlussprüfers (TOP 5 der
Tagesordnung) nicht angefochten werden.
Im Hinblick auf die beschlossene Entlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats
seien die Klagen dagegen erfolgreich. Dabei sei § 243 Abs. 4 AktG in der seit dem
01.11. 2005 geltenden Fassung anzuwenden. Diese vordringlich prozessuale
Vorschrift gelte mangels Übergangsregelung auch für bereits anhängige
Verfahren. Es liege ein Fall einer verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässigen
unechten Rückwirkung vor, da trotz der nachträglichen Entwertung von
Rechtspositionen gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und
Rechtsbeziehungen betroffen seien, bei denen auch die Veränderungsgründe des
Gesetzgebers im Vergleich zum Bestandsinteresse der Betroffenen überwiegen
würden. Die Beklagte habe, wie in anderen Verfahren festgestellt worden sei, zu
Unrecht eine Reihe von Fragen nicht beantwortet. Seien die Auskünfte zur
sachgemäßen Beurteilung eines Gegenstands der Tagesordnung erforderlich,
würden relevante und damit kausale Pflichtverletzungen vorliegen. Dies sei
hinsichtlich der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat bei Fragen, die das GEC
(Group Executive Committee) betreffen, der Fall.
Gegen dieses Urteil haben sowohl die Kläger als auch die Beklagte fristgemäß
Berufung eingelegt.
Die Berufung des Klägers zu 1) beschränkt sich auf den Beschluss zu TOP 2 der
Tagesordnung. Zur Begründung führt er aus:
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Die rechtliche Begründung des Landgerichts zur Einladung überzeuge nicht. Die
Anzahl der eigenen, nicht dividendenberechtigten Aktien habe die Beklagte leicht
ermitteln können, zumal es sich um Namensaktien handele. Etwaige
Veränderungen hätten den Aktionären dann später mitgeteilt werden können. Die
Beklagte habe diesbezüglich ihre Einladungspraxis auch mittlerweile umgestellt.
Sämtliche Beschlüsse der Hauptversammlung 2004 seien auch wegen eines
weiteren Einladungsmangels gemäß §§ 241 I Nr. 1 i.V.m. 123 III AktG nichtig. Im
Einladungstext sei zu Unrecht ausgeführt, dass die Vollmacht im Falle einer
Vertretung durch einen Bevollmächtigten der Schriftform bedürfe (Bl. 1723 ff.
d.A.).
Es sei auch von Bedeutung, dass nach der damaligen Fassung der Satzung (§ 19)
der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. X nicht kraft Amtes Leiter der Hauptversammlung
gewesen sei. Es habe vielmehr eines entsprechenden Beschlusses des
Aufsichtsrats bedurft. Sollte ein solcher nicht existieren, seien sämtliche
Beschlüsse der Hauptversammlung ungültig, nichtig und anfechtbar (Bl. 1731
d.A.).
Zur Frage der Erstellung des Protokolls hätte das Landgericht eigene
Feststellungen treffen müssen und sich nicht mit einem hypothetischen
Sachverhalt auseinandersetzen dürfen. Das Landgericht habe auch die
Fragestellung verkannt. Es gehe nicht darum, ob ein Verstoß gegen die Pflicht zur
unverzüglichen Protokollierung eine Nichtigkeit der Beschlüsse zur Folge habe,
sondern vielmehr darum, dass möglicherweise eine abgeschlossene Beurkundung
der Hauptversammlung vorgelegen habe, die mittlerweile entsorgt worden sei, so
dass gar keine ordnungsgemäße Niederschrift der Hauptversammlung mehr
existiere. Das Landgericht gehe auch zu Unrecht davon aus, dass den Notar keine
eigene Prüfungspflicht treffe. Er sei kein Schreiborgan und dürfe nur eigene
Wahrnehmungen protokollieren. Zu Unrecht verweise das Landgericht darauf, dass
er, der Kläger zu 1), keine Unregelmäßigkeiten geltend gemacht habe. Darauf
komme es nicht an. Es sei ihm gar nicht möglich, Unregelmäßigkeiten
darzustellen, weil den Aktionären kein Zutritt zum back office gewährt worden sei.
Es sei vielmehr Sache der Beklagten darzulegen und nachzuweisen, dass der
Beurkundungsvorgang rechtlich einwandfrei zustande gekommen sei, weshalb es
erforderlich sei, den beurkundenden Notar hierzu als Zeuge zu vernehmen (Bl.
1926 ff. d.A.).
Der Gewinnverwendungsbeschluss sei unwirksam. Die Ausführungen des
Landgerichts zu den Rückstellungen seien rechtsfehlerhaft. Die Beklagte sei zur
Vorsorge verpflichtet gewesen. Von einer drohenden Inanspruchnahme könne
gesprochen werden, auch wenn die Höhe des Schadens noch nicht feststehe. An
dem festgesetzten Gegenstandswert der Feststellungsklage von 100 Mio. € dürfe
man sich nicht orientieren, zumal der Schaden damals noch im Entstehen
gewesen sei. Auch die ohnehin limitierte Y Versicherung, deren angeblichen
Abschluss die Beklagte nicht dokumentiere, sei in diesem Zusammenhang nicht
zu berücksichtigen, zumal deren Umfang ohnehin völlig unzureichend sei (Bl. 1930
f., 2008 d.A.).
Der Kläger zu 1) beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung festzustellen, dass die auf
der Hauptversammlung der Beklagten vom 02.06.2004 beschlossene und
festgestellte Verwendung des Bilanzgewinns (TOP 2) nichtig ist bzw. diese
(hilfsweise) für nichtig zu erklären.
Die Berufung der Klägerin zu 2) bezieht sich auf die Entscheidung zu Top 2 bis 5
der Tagesordnung. Außerdem begehrt sie die Feststellung der Nichtigkeit des
Jahresabschlusses für 2003.Die Klägerin zu 2) ist der Auffassung, das Landgericht
habe den Sachverhalt nur unzureichend festgestellt. Eine Beweisaufnahme werde
ergeben, dass keine ordnungsgemäße Beurkundung vorliege, sondern eine
Vielzahl von Mängeln und Nachlässigkeiten, insbesondere bezüglich der
Protokollierung der gefassten Beschlüsse gegeben sei. Außerdem sei die beim
Handelsregister eingereichte Niederschrift erst weit nach Überschreitung der
Grenze der „Unverzüglichkeit“ unterzeichnet worden. Das Landgericht habe nicht
berücksichtigt, dass ihrer Meinung nach die in der ursprünglichen Niederschrift der
Hauptversammlung enthaltenen Beschlüsse nicht mit der in der später beim
Handelsregister eingereichten Fassung übereinstimmten. In Anbetracht dieser
schon in erster Instanz erfolgten konkreten Beanstandung treffe die Beklagte die
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schon in erster Instanz erfolgten konkreten Beanstandung treffe die Beklagte die
Darlegungs- und Beweislast für die Richtigkeit des Protokolls. Für das Protokoll des
Vorjahres habe der Notar umfangreiche Änderungen eingeräumt. Das Landgericht
habe auch nicht berücksichtigt, dass der Berichtigung eines
Hauptversammlungsprotokolls enge Grenzen gesetzt seien und im Hinblick auf
Wahrnehmungen eines Dritten gar nicht in Betracht kommen würde.
Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Verletzung von
Informationsrechten auch zur Anfechtung der Wahl des Abschlussprüfers und zur
Nichtigkeit des Jahresabschlusses führe. Gegebenenfalls hätte der Rechtsstreit bis
zur Entscheidung über die Anfechtungsklage 2003 ausgesetzt werden müssen. Es
sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte eine Vielzahl von Fragen nicht
beantwortet habe (Bl. 1476 d.A.). Diese Fragen seien für alle vier
streitgegenständliche Tagesordnungspunkte relevant. Die Auskunftsklage sei
anhängig. Es sei auch ohne Weiteres zulässig, sich die nicht beantworteten Fragen
anderer Aktionäre zu eigen zu machen.
Die von Herrn Dr. CA erhobene Schadensersatzklage habe im Hinblick auf das
Urteil des OLG München vom 10.12.2003 die Bildung von Rückstellungen auch
bezüglich der Prozesskosten erfordert. Es gebe diesbezüglich keinen
Ermessensspielraum, da die Entscheidung nach objektiven Kriterien zu erfolgen
habe. Maßgebend sei die voraussichtlich zu zahlende Schadensersatzsumme
einschließlich der Prozesskosten. Die Beklagte habe sich mit der Frage der
Rückstellungsbildung überhaupt nicht befasst, so dass der Jahresabschluss schon
aus diesem Grund nichtig sei (Bl. 2206 d.A.). Die Beklagte müsse wenigstens
durch Vorlage von Urkunden dokumentieren, aus welchen Gründen sie keine
Rückstellung gebildet habe (Bl. 2187 d.A.). Vorstand und Aufsichtsrat der
Beklagten hätten die Bildung einer Rückstellung unter bewusster Inkaufnahme der
Errichtung eines unrichtigen und nichtigen Jahresabschlusses unterlassen.
Gemessen an Eigenkapital und Bilanzgewinn handele es sich zweifelsfrei um eine
bedeutende und damit zu berücksichtigende Position (Bl. 1908ff. d.A.). Eine
Rückstellung habe mindestens in Höhe von 3.406.271.812,72 € gebildet werden
müssen. Solche Bilanzierungsfehler könnten auch nicht bei der Beklagten als dem
Umfange nach bedeutungslos angesehen werden (Bl. 1887, 1911 d.A.).
Die Klägerin zu 2) beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts in Frankfurt am Main vom 13.
März 2007, 3-5 0 97/04, wie folgt zu erkennen:
1. Die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 02. Juni 2004
Tagesordnungspunkt
2. „Verwendung des Bilanzgewinns“ mit dem Inhalt: „Der Bilanzgewinn von
872.781.369,00 € wird zur Ausschüttung einer Dividende von 1,50 € je
dividendenberechtigter Stück Aktie verwendet. Der verbleibende Betrag, der auf
eigene Aktien entfällt, wird auf neue Rechnung vorgetragen“; Tagesordnungspunkt
3. „Entlastung des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2003 „mit dem Inhalt,„ dass
den Vorständen Dr. B, D, Dr. E und Dr. F wird für das Geschäftsjahr 2003
Entlastung erteilt“ wird; Tagesordnungspunkt
4. „Entlastung des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2003“ mit dem Inhalt,
„dass den Aufsichtsräten Dr. X, G, Dr. rer. oec. H, Dr. I, J, K, L, M, N, Sir O, Prof. Dr.
P, Q, R, S, Prof. Dr. Ing. e. h. T, U, V, Dr. W, Z, XA, XB, XC, XD, XE, Dipl.-Ing. Dr.-Ing.
e. h. XF, Dipl.-Ing. XG und XH wird für das Geschäftsjahr 2003 Entlastung erteilt“
wird; und dem Tagesordnungspunkt
5. „Wahl des Abschlussprüfers für das Geschäftsjahr 2004 „mit dem Wortlaut:„Die
XY Aktiengesellschaft …gesellschaft O1, wird zum Abschlussprüfer für das
Geschäftsjahr 2004 bestellt“ werden für nichtig erklärt.
6. Es wird festgestellt, dass der Jahresabschluss der Beklagten für das
Geschäftsjahr zum 31.12.2003, festgestellt durch den Aufsichtsrat am 19. März
2004, nichtig ist.
Die Beklagte ist der Auffassung, ihre Verurteilung sei zu Unrecht erfolgt.
Eine Informationspflichtverletzung liege nicht vor. Der Vorstand, an den sich alle
Fragen gerichtet hätten, habe diese beantwortet, soweit eine Rechtspflicht dazu
bestanden habe. Es sei auch zu beachten, dass sich der Vertreter der Klägerin zu
2) in der Hauptversammlung treuwidrig, widersprüchlich und rechtsmissbräuchlich
verhalten habe. Er habe seine Fragen weder bestimmten Tagesordnungspunkten
zugewiesen (Bl. 1621 ff. d.A.) noch deren Hintergründe dargelegt. Ferner habe er
sich alle Fragen anderer Redner pauschal zu Eigen gemacht und keinen
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sich alle Fragen anderer Redner pauschal zu Eigen gemacht und keinen
Widerspruch gegen die Feststellung, dass alle gestellten Fragen mit Ausnahme der
als unbeantwortet zu Protokoll des Notars gerügten beantwortet seien, erhoben.
Das Landgericht habe sich auch nicht mit ihrem konkreten Einwand
auseinandergesetzt, dass ihr im Fall einer Antwort zur Vergütung von bestimmten
Mitarbeitern nicht unerhebliche Nachteile durch deren Abwerbung seitens
Wettbewerber drohen würden. Diese Gefahr sei auch konkret, denn solche
Abwerbungen habe es bereits gegeben. Eine etwaige Nichtbeantwortung der
diesbezüglichen Fragen führe auch nicht zur Anfechtbarkeit, da es sich um keine
für die Meinungsbildung der Aktionäre erforderliche Information handele (Bl. 1325
d.A.). Im Übrigen seien diese Fragen auch beantwortet worden (Bl. 1326, 1646 f
d.A.).
Hinsichtlich der Fragen betreffend das GEC gehe das Landgericht ebenso wie der
20. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes in Frankfurt am Main von falschen
tatsächlichen Voraussetzungen aus. Das GEC sei nach der Geschäftsordnung des
Vorstands kein „zentrales Leitungsorgan“. Es sei auch keine „grundlegend neue
Führungsstruktur der Gesellschaft geschaffen“ worden. Das GEC sei nur das
Forum, in welchem sich der Vorstand fortlaufend über Geschäftsentwicklungen und
spezifische Transaktionen unterrichten lasse und in dem strategische Fragen mit
dem Vorstand erörtert sowie Geschäftssegmente der Beklagten regelmäßig
überprüft würden. In diesem Zusammenhang sei es sachgerecht und effizient,
dass die Leiter der einzelnen Geschäftssegmente an den Gesprächen teilnähmen,
da es um die Beratung des Vorstands und die Erarbeitung von Vorstandsvorlagen
gehe (Bl. 1331f. d.A.). Die Entscheidungen würden jedoch weiterhin ausschließlich
auf Vorstandsebene getroffen. Somit sei die Vergütung der GEC-Mitglieder keine
für die Beurteilung der Vorstandstätigkeit im Jahre 2003 erforderliche Information.
Überdies seien eher die Funktion und die Aufgabenverteilung der Mitglieder des
GEC als deren Vergütung von Interesse. Im Übrigen betreffe § 285 Abs. 1 Ziff. 9
HGB keine Auskunftspflichtverletzungen und sei deshalb als Anspruchsgrundlage
ungeeignet. Es stelle schon einen erheblichen Wettbewerbsnachteil dar, wenn die
Konkurrenz aufgrund des Gesamtbetrags die Individualbezüge der GEC-Mitglieder,
die nicht Vorstandsmitglieder sind, auch nur grob schätzen könne. Auch solle eine
hausinterne Vergütungsdiskussion vermieden werden. Im Übrigen habe das
Landgericht inzwischen seine Auffassung zur Auskunftspflicht bezüglich des GEC
aufgegeben (Bl. 1344 d.A.), was bereits die Zustimmung des 5. Zivilsenat des
Oberlandesgerichtes in Frankfurt am Main gefunden habe.
Für das vom Landgericht angenommene gleichsam automatische
„Durchschlagen“ der Informationsmängel auf die Beschlussfassung über die
Entlastung des Aufsichtsrates gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Aufsichtsrat sei
in einer Hauptversammlung zur Auskunftserteilung weder berechtigt noch
verpflichtet. Er könne Informationsrechte gar nicht verletzen. Die
Funktionstrennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat sei zu beachten. Es gehe
auch bei den Fragen, deren Nichtbeantwortung gerügt werde, nicht um die
unmittelbaren Tätigkeitsbereiche des Aufsichtsrates. Der gemäß § 171 Abs. 2
AktG erstellte Bericht reiche zur Information über die Tätigkeit des Aufsichtsrates
aus.
Da Gegenstand des Rechtsstreits eine Reihe grundsätzlicher Fragen sie, wie z.B.
die Auslegung der Neufassung des § 243 Abs. 4 S. 1 Akt, sei für den Fall, dass der
Berufung der Beklagten nicht stattgegeben werde, die Zulassung der Revision
erforderlich.
Den Berufungen der beiden Kläger ist nach Ansicht der Beklagten der Erfolg zu
versagen.
Die Berufung des Klägers zu 1) sei bereits unzulässig, weil er nur seine
Postfachadresse angegeben habe und mehrere Seiten der Berufungsbegründung
fehlten (Bl. 1523 d.A.).
Abgesehen hiervon seien aber auch die gegen das Urteil gerichteten materiell-
rechtlichen Angriffe der Kläger unbegründet.
Die Einladung verstoße nicht gegen § 124 AktG. Die Formulierung trage dem
Umstand Rechnung, dass es zwischen dem Zeitpunkt der Bekanntmachung und
der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung zu Veränderungen kommen
könne und typischerweise auch komme. Im Übrigen missverstehe der Kläger zu 1)
den Einladungstext. Seine überdies verspätete Rüge berücksichtige nicht, dass die
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den Einladungstext. Seine überdies verspätete Rüge berücksichtige nicht, dass die
Einladung gar keine Bedingungen bezüglich der Vollmacht enthalte.
Anforderungen an die mögliche Vollmachtserteilung, die von § 135 AktG abwichen,
lägen nicht vor (Bl. 1737ff.).
§ 19 der Satzung sei so zu verstehen, dass der Aufsichtsratvorsitzende der
geborene Versammlungsleiter sei.
Die Protokollierung der Hauptversammlung sei ordnungsgemäß erfolgt. Der
Vortrag der Kläger, der Notar sei im Jahre 2004 ebenso vorgegangen wie im Jahre
2003, sei hypothetisch. Den Notar treffe nur die Pflicht, das vom
Versammlungsleiter bekanntgegebene Abstimmungsergebnis jeweils zu
protokollieren. Weitergehende eigene Feststellungen habe der Notar nicht zu
treffen. Ein etwaiger, tatsächlich aber nicht vorhandener Verstoß gegen die
Verpflichtung, die Niederschrift „unverzüglich“ einzureichen, führe nicht zur
Nichtigkeit der Beschlüsse. Insgesamt sei die ordnungsgemäße Protokollierung
gemäß § 415 Abs. 1 ZPO durch Vorlage der notariellen Niederschrift bewiesen.
Da die Anfechtung der Wahl der Abschlussprüfer für 2003 auch nach der
Entscheidung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
17.07.2007 keinen Erfolg gehabt habe, sei es nicht mehr möglich, mit Fehlern bei
der Wahl die Nichtigkeit des Jahresabschlusses 2003 zu begründen. Auch sei nicht
ersichtlich, dass die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger gegen das erwähnte
Urteil des 5. Zivilsenates Erfolg haben könne (Bl. 1537, 1672 d.A.).
Eine Bildung von Rückstellungen im Hinblick auf die damals noch gar nicht
bezifferte Schadensersatzforderung des Herrn Dr. CA habe nicht erfolgen dürfen.
Die Begründung der Kläger und das vorgelegte Privatgutachten würden darunter
leiden, dass sie den Kenntnisstand des Jahres 2007 mit dem vom 31.12.2003
gleichsetzen würden. Sie, die Beklagte, sei im Übrigen nach wie vor davon
überzeugt, dass Herr Dr. CA in Anbetracht der zahlreichen Veröffentlichungen über
die Finanzschwierigkeiten der A-Gruppe, die schon vor dem Interview mit Dr. X
erschienen seien, den Nachweis der Kausalität nicht erbringen werde (Bl. 1539
d.A.). Der Zusammenbruch der A-Gruppe sei unabhängig von dem Interview
unvermeidbar gewesen.
Die Entscheidung der Beklagten, im Hinblick auf die Schadensersatzforderung
keine Rückstellung zu bilden, sei sorgfältig abgewogen. Außerdem sei es weder
sachgerecht, noch mit dem Prinzip des gesetzlichen Richters zu vereinbaren, wenn
Frankfurter Gerichte im Rahmen einer Anfechtungsklage die Erfolgsaussichten
einer Schadensersatzklage eines Aktionärs dem Grunde und der Höhe nach
prognostizieren würden; dafür sei allein das LG München I zuständig. Deshalb wäre
es allenfalls in Frage gekommen, eine Rückstellung in Höhe eines niedrigen
Millionenbetrages in Euro zu bilden. Ein solcher Betrag wäre aber gemessen an der
Bilanzsumme der Beklagten unwesentlich und aus diesem Grunde nicht zu
berücksichtigen gewesen (Bl. 1668 ff. d.A.).
Auch die Kosten für die Verteidigung in dem Strafverfahren gegen Herrn Dr. B in
Höhe von 1,9 Millionen Euro seien im Verhältnis zur Gesamtbilanzsumme
unwesentlich.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13.
März 2007 – 3-5 0 97/04 – die Klagen abzuweisen,
sowie,
die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits zuzulassen, falls
ihrer Berufung nicht stattgegeben werde, und die Berufungen des Klägers zu 1)
und der Klägerin zu 2) zurückzuweisen.
Der Kläger zu 1) beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Frankfurt am Main vom
13.03.2007 - 3-5 0 97/04 - durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen.
Der Kläger zu 1) ist der Auffassung, die von der Beklagten eingelegte Berufung sei
unzulässig, weil sie ihre Anschrift nicht in zutreffender Form angegeben habe.
Die Klägerin zu 2) beantragt,
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die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin zu 2) verteidigt das angefochtene Urteil, soweit es ihrem Antrag folgt.
Aus ihrer Sicht falle es auf, dass die Beklagte den Beschluss des 20. Zivilsenates
des Oberlandesgerichtes in Frankfurt am Main vom 30.01.2006 falsch wiedergebe.
Dieser habe für die Hauptversammlung 2004 entschieden, dass die
Gesamtvergütung des GEC mitgeteilt werden müsse. Herr Dr. B habe auch in der
Hauptversammlung 2006 „gerne“ die Vergütung des GEC in Gesamtbeträgen
mitgeteilt. Es sei demnach kein Geheimnis mehr, was die sieben GEC-Mitglieder,
die nicht dem Vorstand angehören, verdienen. Abgeworben worden seien sie
trotzdem nicht. Die Frage nach dem Aktienbesitz dieser GEC-Mitglieder hätte von
der Beklagten problemlos nach Einsicht in das Namensverzeichnis beantwortet
werden können.
Bezüglich der Entlastung des Aufsichtsrates sei keine gleichsam automatische
Übertragung der Anfechtbarkeit vorgenommen worden. Vielmehr sei das
Landgericht wie auch der 20. Zivilsenat davon ausgegangen, dass es nicht
entscheidend sei, an wen die Frage gerichtet werde, sondern ob die Beantwortung
der Frage erforderlich gewesen sei, um ein sachgerechtes Urteil über die
ordnungsgemäße Wahrnehmung der Überwachungsaufgaben des Aufsichtsrats
möglich sei.
II. Alle drei Berufungen sind zulässig.
1. Die Beklagte ist der Auffassung, der Kläger zu 1) habe die von ihm eingelegte
Berufung nicht ordnungsgemäß begründet, da die Begründungsschrift in
unvollständiger Form eingereicht worden ist. Tatsächlich fehlen einige Seiten (vgl.
Bl. 1416 ff. d.A.). Dies steht jedoch der Zulässigkeit dieser Berufung nicht
entgegen, weil der Kläger zu 1) die Begründung bereits früher in vollständiger Form
per Fax übermittelt hat (vgl. Bl. 1280 ff. d.A.). Im Übrigen ist der Kläger zu 1)
notwendiger Streitgenosse der Klägerin zu 2) mit der Folge, dass eine Verwerfung
seiner Berufung als unzulässig im Falle einer zulässigen und durchgeführten
Berufung ihrerseits ohnehin nicht erfolgen dürfte (OLG Frankfurt WM 2008, 986ff.).
2. Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Berufung der Klägerin zu 2) bestehen
nicht.
3. Der Kläger zu 1) macht verschiedene Gründe geltend, die jeweils zur
Unzulässigkeit der Berufung der Beklagten führen sollen. Keiner dieser Gründe
überzeugt.
Soweit der Kläger zu 1) darauf abstellt, die Anschrift der Prozessbevollmächtigten
der Beklagten sei nicht richtig angegeben, ist dies unrichtig. Es ist zwar zutreffend,
dass der Sitz der Partnerschaft „XZ“ O2 ist. Die Partnerschaftsgesellschaft verfügt
aber auch über ein eigenes Büro in O1. In diesem Büro wird der Prozess
bearbeitet, so dass die Angabe völlig korrekt ist.
Der Kläger zu 1) rügt weiterhin, die Beklagte habe ihre Anschrift und ihre
Vertretungsberechtigten falsch angegeben. Prinzipiell ist es zutreffend, dass eine
fehlende oder falsche Bezeichnung der Parteien die Berufung unzulässig machen
kann. Zutreffend ist auch, dass die Angabe der Vertretungsbefugnis der Beklagten
fehlt, wobei im vorliegenden Fall dabei zu beachten ist, dass in Fällen der
Anfechtungsklage die Aktiengesellschaft gemäß § 246 Abs. 2 S. 2 AktG durch
Vorstand und Aufsichtsrat vertreten wird. Die gesetzlichen Vertreter müssen
jedoch nur insoweit angegeben werden, als dies für die Zustellung erforderlich ist.
Die Angabe der Vertretungsorgane gehört daher nicht unbedingt zum
notwendigen Inhalt (vgl. OLG München ZIP 2006, 2370ff). Die Angaben in einer
Berufungsschrift sind überdies der Auslegung fähig, wobei auch das vom
Berufungsführer gegebenenfalls vorgelegte Urteil erster Instanz einzubeziehen ist
(Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 67. Aufl. 2009, § 519 Rn. 27). Unter
Einbeziehung des auch im vorliegenden Fall mit der Berufungsschrift von der
Beklagten eingereichten Urteils erster Instanz ergeben sich somit aus diesen
Gründen keine Zweifel an der Zulässigkeit der Berufung.
Soweit der Kläger auf die von der Beklagten angegebene Postleitzahl abstellt, liegt
keine falsche Angabe vor. Die Beklagte hat ihre Adresse vielmehr korrekt
angegeben. Sie verfügt – wie das bei Großkunden der Deutschen Post üblich ist –
über unternehmensbezogene sowie adressenbezogene Postleitzahlen. Welche
dieser Zahlen sie in der Berufungsschrift anführt, ist irrelevant.
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III. Die Klage des Klägers zu 1) ist zulässig.
Zwar gehört zur ordnungsgemäßen Klageerhebung auch die Angabe der
ladungsfähigen Anschrift des Klägers (§§ 519 Abs. 4, 130 Ziff. 1 ZPO). Nicht
ausreichend ist die Angabe einer Postfachadresse (BVerwG NJW 1999, 2608 ff.).
Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Gericht ohne Weiteres berechtigt wäre, die
Klage als unzulässig zu verwerfen. Es bedarf zunächst eines Hinweises des
Gerichts, dass der Kläger verpflichtet ist, seine Anschrift nachzureichen. Der
Mangel kann zumindest in den Tatsacheninstanzen noch geheilt werden (BGHZ
102, 332 ff.). So ist es im vorliegenden Fall geschehen.
IV. Die Berufungen der Kläger haben keinen Erfolg. Die Berufung der Beklagten
erzielt dagegen einen Teilerfolg in der Form, dass die Klage insoweit abgewiesen
wird, als mit ihr begehrt wird, den zu TOP 4 der Tagesordnung gefassten Beschluss
zur Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats für nichtig zu erklären.
Zur Frage der generellen Wirksamkeit der Beschlussfassungen ist Folgendes
auszuführen:
A. Nichtigkeitsgründe (§ 241 AktG)
1. Etwaiger Einladungsmangel
Der Kläger zu 1) hat mit Schriftsatz vom 16.09.2008 u.a. einen Einladungsmangel
geltend gemacht. Die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG ist damit nicht gewahrt.
Diese gilt jedoch nicht für Nichtigkeitsfeststellungsklagen gemäß § 241 AktG, bei
denen deshalb neuer Tatsachenvortrag nach Ablauf der Anfechtungsfrist zu
berücksichtigen ist (Hüffer in: Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2001, § 246 Rn. 43).
Die Frage, wie in Einladungen zur Hauptversammlung die Möglichkeit der
Übertragung des Stimmrechts im Hinblick auf die Neufassung des § 135 AktG zu
gestalten ist, wird derzeit in der aktienrechtlichen Rechtsprechung und Literatur
intensiv behandelt. Das Schriftformerfordernis für die Vollmacht ist als nicht mehr
zeitgemäß entfallen, soweit Kreditinstitute oder ihnen gemäß § 125 Abs. 5 AktG
gleichgestellte Institute das Stimmrecht für Dritte ausüben sollen. Dabei geht es in
Anbetracht des klaren Wortlautes der §§ 121 Abs. 3 S. 2, 241 Nr. 1 AktG und unter
Berücksichtigung des hohen Informationswerts einer Einladung zur
Hauptversammlung für die Aktionäre um einen potentiellen Nichtigkeitsgrund
(OLG Frankfurt WM 2008, 2169 ff., a.A. OLG München BB 2008, 2366ff.).
Entscheidend für die Beurteilung im Einzelfall ist der exakte Wortlaut des
Einladungstextes, dessen rechtlich umstrittene Passage im vorliegenden Fall wie
folgt lautet:
„Aktionäre, die im Aktienregister eingetragen sind, können ihr Stimmrecht auch
durch einen Bevollmächtigten, zum Beispiel ein Kreditinstitut oder eine
Aktionärsvereinigung, ausüben lassen. In diesem Fall sind die Bevollmächtigten
rechtzeitig anzumelden. Die schriftliche Vollmachtserteilung kann auch per Telefax
nachgewiesen werden. Die … AG behält sich vor, im Einzelfall die Vorlage der
Originalvollmacht zu verlangen.“
Diese Formulierung ist nicht zu beanstanden. Ihr dritter Satz enthält nur eine
allgemeine Aussage für den Fall der – nicht mehr immer bestehenden -
Notwendigkeit der Vorlage einer schriftlichen Vollmacht. Eine Bezugnahme auf den
ersten Satz, die eine inhaltlich unzutreffende Mitteilung darstellen würde, erfolgt
nicht und erscheint von der sprachlichen Gestaltung her bei unbefangener
Betrachtung auch alles andere als naheliegend (ausführlich die Entscheidung des
Senats vom 8.6.2009, Az.: 23 W 3/09).
2. Etwaige Leitung der Versammlung durch eine dazu nicht ermächtigte Person
Der Kläger zu 1) macht geltend, dass es zu Unrecht in dem Protokoll auf S. 5
heiße, dass Dr. X “gemäß § 19 der Satzung“ den Vorsitz in der Versammlung
übernommen habe. Die Leitung der Hauptversammlung durch eine dazu nicht
berechtigte Person würde in der Tat der Rechtsprechung (LG Frankfurt AG 2005,
892ff.) nach die Nichtigkeit aller Beschlüsse der Hauptversammlung zur Folge
haben, da dann ein Unbefugter im Sinne der §§ 241 Ziff. 2 und 130 Abs. 2 AktG die
Feststellungen über die Beschlussfassungen treffen würde.
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Die damals geltende Satzung sah in § 19 Abs. 1 S. 1 vor, dass die
Hauptversammlung von dem Vorsitzenden oder einem anderen Mitglied des
Aufsichtsrats, der Vertreter der Anteilseigner ist, geführt wird. Dieser Formulierung
und Textgestaltung ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung zu entnehmen,
dass der Aufsichtsratsvorsitzende in erster Linie berufen ist. Der Senat schließt
sich insoweit der Judikatur des 5. Zivilsenats im Hause an (WM 2008, 986 ff), die
auch der langjährigen Praxis der Beklagten entspricht. Ein Nichtigkeitsgrund liegt
insoweit auch nicht vor.
3. Etwaiger Beurkundungsmangel
§ 241 Ziff. 2 AktG sieht vor, dass Verstöße gegen die Protokollierungsvorschrift des
§ 130 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 AktG zur Nichtigkeit führen. Zum Mittel der
formalen Beanstandung des notariellen Protokolls wird in Anfechtungsprozessen
gegen Hauptversammlungsbeschlüsse wegen der gravierenden Folge gern
gegriffen (Maaß ZNotP 2005, 50 f.).
Wie die Protokollierung der Hauptversammlung im Jahre 2004 erfolgt ist, ist in
tatsächlicher Hinsicht nicht geklärt worden. Die Parteien und das erstinstanzliche
Gericht halten es offenbar für naheliegend, jedoch nicht für feststehend, dass der
Notar ebenso vorgegangen ist wie im Vorjahr. Mit dieser, im angefochtenen Urteil
detailliert dargestellten Verfahrensweise, setzen sich die Beteiligten auseinander.
Selbst wenn es so gewesen sein sollte, würde dennoch kein Protokollierungsfehler
vorliegen.
Die Protokollierung von Hauptversammlungen von Publikums-Aktiengesellschaften
ist für einen Notar unter anderem wegen der Vielzahl der Redebeiträge und der
verschiedenen Abstimmungen eine schwierige Aufgabe. Selbst bei sorgfältiger
Vorbereitung und Verwendung modernster technischer Hilfsmittel wird es kaum
möglich sein, die Urkunde am Tag der Hauptversammlung vor Ort zu erstellen.
Nun plagt nach Eylmann (ZNotP 2005, 300 f.) eine Reihe von Notaren eine
„übertriebene Todesfurcht“, weswegen sie zunächst eine provisorische Urkunde
erstellen und unterzeichnen und dann, nach gründlicher Durcharbeitung und
gegebenenfalls Rücksprache mit Mitarbeitern der Aktiengesellschaft, die
endgültige und aus ihrer Sicht maßgebliche Urkunde erstellen. Das rechtliche
Hauptproblem resultiert aus der Unterzeichnung der ersten Urkunde durch den
Notar. Dass ein Notar eine Niederschrift bis zu seiner Unterzeichnung jederzeit
berichtigen oder ergänzen kann, liegt auf der Hand. Die Unterzeichnung spricht
aber auf den ersten Blick für die Fertigstellung und wirft damit die Frage auf, ob
diese Urkunde noch abgeändert oder durch eine andere ersetzt werden darf.
Letzteres ist der Fall.
Im Interesse der materiellen Wahrheit müssen Änderungen und gegebenenfalls
auch Ersetzungen der Urkunde durch eine neue und vollständige zugelassen
werden, solange diese nicht durch Erteilung von Ausfertigungen oder Abschriften
oder Anmeldungen bei einem Register in den Rechtsverkehr gebracht worden ist
(vgl. Kubis in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, Bd. 4, 2. Aufl. 2004, §
130 Rn. 20). Die erste Urkunde bildet – auch wenn sie schon unterzeichnet ist –
nur ein „Internum“, solange sie im Gewahrsam des Notars verbleibt. Ihr kommt
damit nicht mehr Gewicht zu als einem Entwurf (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II ZR
185/07, Umdruck S. 8ff.). Dabei sollte der Notar allerdings zum Zwecke der
Beweissicherung die ursprüngliche Fassung aufbewahren.
Der Einwand der Klägerin zu 2), sie habe bereits in erster Instanz ausdrücklich
vorgetragen, die in der ersten Niederschrift protokollierten Beschlüsse seien mit
den in der zweiten nicht identisch, verfängt nicht. Das Landgericht hat zu Recht
darauf hingewiesen, dass dieser Vortrag völlig unsubstantiiert ist. Die Klägerin zu
2) legt in keiner Weise den etwaigen Inhalt abweichender Beschlussformulierungen
dar. Sie äußert erkennbar eine reine, nicht belegbare Vermutung. Es bleibt ihr im
Übrigen unbenommen, sich auf aus ihrer Sicht nicht oder nicht richtig
protokollierte Vorgänge zu berufen, wobei ihr lediglich die Beweisführung mit Hilfe
des Protokolls verschlossen ist (vgl. Kubis, Münchener Kommentar zum
Aktiengesetz, a.a.O., § 130 Rn. 79).
Auch der Vorwurf der Kläger, der Notar habe seine Aufgabenstellung im Rahmen
der Protokollierung eines Hauptversammlungsbeschlusses verkannt, ist nicht
gerechtfertigt. Aufgabe eines Notars im Rahmen des § 130 AktG ist es u.a., die
getroffenen Beschlüsse zu protokollieren. Die Verantwortung für den
gesetzmäßigen Ablauf der Hauptversammlung trifft dagegen den
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gesetzmäßigen Ablauf der Hauptversammlung trifft dagegen den
Versammlungsleiter. Insoweit liegt eine gesetzlich vorgesehene Funktionstrennung
vor (OLG Düsseldorf WM 2003, 1266 ff.). Dementsprechend beschränkt sich die
Aufgabe eines Notars bei Abstimmungen darauf, das vom Versammlungsleiter
bekanntgegebene Ergebnis zu protokollieren. Es ist nicht Aufgabe des Notars, zu
prüfen, ob die Bekanntgabe des Ergebnisses seitens des Versammlungsleiters
korrekt ist (OLG Frankfurt AG 2007, 867 f.). Dementsprechend gehört die
Überwachung der Stimmauszählung nicht zu den Beurkundungsaufgaben des
Notars (OLG Stuttgart AG 2004, 457 ff., OLG Frankfurt OLGR Frankfurt 2007, 792
f.). Es mögen im Einzelfall gewisse weitergehende Prüfungspflichten unter
Beachtung der Kompetenzen des Versammlungsleiters denkbar sein, etwa im
Falle von evidenten Verstößen gegen Gesetz oder Satzung. Geht es aber – wie im
vorliegenden Fall – um die Protokollierung einer von einer Vielzahl von Mitarbeitern
professionell organisierten Hauptversammlung, hat er keine Veranlassung dazu,
Schritte zu unternehmen, die über die Protokollierung der Ergebnisse
hinausgehen. Im Übrigen könnte eine Verletzung einer solchen weitergehenden
Überwachungs- und Protokollierungspflicht kaum zur Nichtigkeit der Beurkundung
führen (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II ZR 185/07, Umdruck S. 13).
Zutreffend ist allerdings der Hinweis der Kläger, dass ein Notar sich nur auf eigene
Wahrnehmungen verlassen darf und nicht auf diejenigen eines Dritten (Kubis,
Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 130 Rn. 20). Die Bekanntgabe
eines Abstimmungsergebnisses wird aber vom Notar selbst wahrgenommen. Der
Umstand, dass der Notar sich möglicherweise vor endgültiger Fassung der
Urkunde mit Mitarbeitern der Rechtsabteilung der Beklagten getroffen und den
Inhalt diskutiert hat, belegt nicht, dass er in unzulässiger Form Erklärungen Dritter
in die Urkunde aufgenommen hätte.
Auch der Umstand, dass der Notar möglicherweise entgegen § 130 Abs. 5 AktG
die Niederschrift der Hauptversammlung erst mehr als einen Monat nach deren
Ende und damit möglicherweise nicht „unverzüglich“ im Sinne des § 130 Abs. 5
des Aktiengesetzes beim Handelsregister eingereicht hat, ist irrelevant. Aus § 241
Ziff. 2 AktG ergibt sich bereits, dass ein solcher Verstoß nicht zur Nichtigkeit der
Beschlüsse der Hauptversammlung führt. Dies ist allgemeine Meinung (Kubis,
Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 130 Rn. 81) und auch
naheliegend, da eine verzögerte Einreichung sich nicht auf den vorher gefassten
Beschluss ursächlich auswirken oder nachträglich zur Nichtigkeit der Beurkundung
führen kann
B. Anfechtungsgründe (§ 243 AktG)
1. Verletzung von Informationsrechten
Gemäß § 131 des AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der
Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der
Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgemäßen Beurteilung des
Gegenstandes der Tagesordnung erforderlich sind. Unter bestimmten, im Gesetz
näher definierten Umständen darf der Vorstand die Auskunft verweigern.
Geschieht dies, kann der Aktionär gemäß § 132 des AktG eine gerichtliche
Entscheidung über die Verpflichtung des Vorstands zur Auskunftserteilung
herbeiführen. Er kann aber auch die Anfechtung eines Beschlusses der
Hauptversammlung mit der rechtswidrigen Verweigerung der Erteilung von
Auskünften begründen. Dieses Anfechtungsrecht ist durch die seit dem
01.11.2005 in Kraft getretene Neufassung des § 243 Abs. 4 des AktG
eingeschränkt worden, die im Wesentlichen auf der sogenannten Relevanz-
Rechtsprechung des BGH beruht. Es unterliegt der freien Entscheidung des
Aktionärs, ob er das Auskunftserzwingungsverfahren oder das
Beschlussanfechtungsverfahren oder beide in Anspruch nimmt (Kubis, Münchener
Kommentar zum AktG, a.a.O., § 131 Rn. 72). Es liegt dabei in der Natur der Sache,
dass die Berechtigung einer Auskunftsverweigerung nicht selten zweifelhaft ist und
häufig erst im Nachhinein durch eine gerichtliche Entscheidung endgültig geklärt
werden kann (BGH BB 1992, 1949 ff.).
Der BGH hat seine Rechtsprechung seit seinem Urteil vom 12.11.2001 so definiert,
dass die Relevanz eines Verfahrensverstoßes aus einer wertenden, am
Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung erfolgen müsse.
Werden einem Aktionär Auskünfte vorenthalten, die aus der Sicht eines objektiv
urteilenden Aktionärs zur sachgerechten Beurteilung des Beschlussgegenstands
erforderlich sind, so liegt darin zugleich ein relevanter Verstoß gegen das
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erforderlich sind, so liegt darin zugleich ein relevanter Verstoß gegen das
Teilnahme- und Mitwirkungsrecht des betreffenden Aktionärs, ohne dass es auf
Kausalitätserwägungen und insbesondere auf die Frage ankommt, ob der
tatsächliche Inhalt der in der Hauptversammlung verweigerten und später –
eventuell erst im Anfechtungsprozess – erteilten Auskunft einen objektiv
urteilenden Aktionär von der Zustimmung zu der Beschlussvorlage abgehalten
hätte (BGHZ 160, 385 ff). Nach der Neufassung des Gesetzes kommt es
insbesondere darauf an, dass der betreffende Gegenstand als wesentliches
Beurteilungselement benötigt wird. Dadurch ist das Informationsrecht in
qualitativer und quantitativer Hinsicht sowie bezüglich des Detaillierungsgrades
begrenzt (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II ZR 185/07, Umdruck S. 26).
Das Landgericht hat § 243 Abs. 4 AktG in der Neufassung angewendet hat, obwohl
diese zum Zeitpunkt der Hauptversammlung noch nicht in Kraft war. Eine solche
Rückwirkungsproblematik stellt sich regelmäßig beim Fehlen einer
Übergangsregelung. Die Rechtsprechung unterscheidet insoweit zwischen einer
unechten Rückwirkung, die nicht nur auf zukünftige, sondern auch auf
gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen
einwirkt und damit die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet, und einer
echten Rückwirkung, bei der das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der
Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Die unechte Rückwirkung wird
als verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig angesehen. Die Grenzen der
Zulässigkeit sind aber überschritten, wenn die vom Gesetzgeber angeordnete
unechte Rückwirkung zur Erreichung des Gesetzeszweckes nicht geeignet oder
erforderlich ist oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die
Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen. Die echte Rückwirkung ist
verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig, wenn auch Ausnahmen denkbar
sind (BVerfGE 30, 392; BGH NJW 2005, 1428 f.). Bestandsinteressen überwiegen
primär bei Eingriffen in materielle Rechte, nicht jedoch bei prozessualen
Neuregelungen. Bei der aktienrechtlichen Anfechtungsbefugnis handelt es sich um
eine materielle Klagevoraussetzung, die aber einem prozessualen Erfordernis
angenähert ist. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber
beabsichtigte die entsprechenden Rechtspositionen mit rückwirkender Kraft zu
beseitigen (BGH WM 2009, 896 ff., OLG München ZIP 2006, 2370 ff., a.A. OLG
Frankfurt DB 2006, 438ff.).
In der Hauptversammlung gab es vierzig Redebeiträge von Aktionären bzw.
Aktionärsvertretern. Es wurde eine Vielzahl von Fragen gestellt, die zum Teil
beantwortet, zum Teil nicht beantwortet und zum Teil eingeschränkt beantwortet
wurden. Aus Sicht der Kläger kommt dem Umstand, dass die Vielzahl der Fragen
betreffend das GEC nicht beantwortet wurde, besondere Bedeutung für die
Anfechtung der Beschlüsse zu (vgl. Bl. 19, 146 ff. u. 151 ff. d.A.) – in Anbetracht
des Einflusses dieses Gremiums auch zu Recht. Die Auskunftsverweigerungen
waren rechtswidrig. Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit dem in dem
angefochtenen Urteil erwähnten Beschluss vom 18.01.2005 (3-5 0 83/04) die
Beklagte im Verfahren gemäß § 132 AktG verpflichtet, drei Fragen zu beantworten,
die im Kern alle auf das GEC abzielen. Der 20. Zivilsenat hat die dagegen
gerichtete Beschwerde mit Ausnahme einer formalen Abänderung zurückgewiesen
(Beschluss vom 30.01.2006, AG 2006, 460 ff.). Er hat sich dabei im Rahmen seiner
uneingeschränkten richterlichen Nachprüfung des Begriffs der
„Nachteilszufügung“ an den Grundsatz gehalten, dass bei
Nichtvorstandsmitgliedern zwar nicht die Vergütung mitgeteilt werden muss, wohl
aber Vergütungsstrukturen offenbart werden müssen (vgl. Kubis, Münchener
Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 131 Rn. 99). Soweit die Beklagte meint,
das Landgericht und der 20. Zivilsenat seien bei ihren Entscheidungen von
falschen Voraussetzungen ausgegangen, kann dem nicht gefolgt werden.
Soweit der 20. Zivilsenat in dem Beschluss vom 30.01.2006 ausführt, dass die
Beklagte sich eine grundlegend neue Führungsstruktur der Gesellschaft
geschaffen habe, die in der Öffentlichkeit starke Beachtung gefunden und eine
breite Diskussion über die Zulässigkeit organexterner Führungsgremien ausgelöst
habe, so enthält dies eine überzeugende Wertung. Soweit die Beklagte die
Kompetenzen dieses Gremiums anders bewertet, handelt es sich ersichtlich um
eine eher formale Betrachtung der Kompetenzen. Der 20. Zivilsenat hat
demgegenüber auch eine Betrachtung des faktischen Einflusses vorgenommen
und ist zu der Schlussfolgerung gekommen, dass das GEC nicht auf gleicher
Ebene wie der Vorstand angesiedelt sein mag und ihm auch keine nach dem
Aktienrecht unzulässige Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die grundlegenden
Führungsentscheidungen der Gesellschaft zugewiesen sein mögen, es sich aber
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Führungsentscheidungen der Gesellschaft zugewiesen sein mögen, es sich aber
dennoch um ein Gremium handelt, dem für die Leitung der Gesellschaft eine
besondere Bedeutung zukommt, da die Leiter der sieben wichtigsten
Geschäftsbereiche innerhalb dieses Gremiums in institutionalisiertem
Zusammenwirken dem Vorstandssprecher berichten.
Für das vorliegende Verfahren kommt dem genannten Beschluss des 20.
Zivilsenates zwar keine formelle Bindungswirkung zu (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II
ZR 185/07, Umdruck S. 23, OLG München BB 2002, 112ff.). Der Senat schließt sich
aber der rechtlichen und tatsächlichen Würdigung des 20. Zivilsenats an.
Ergänzend wird noch darauf hingewiesen, dass die Beklagte nicht in konkreter
Form dargetan hat, dass es zu Abwerbungen gekommen ist. Die Klägerin zu 2)
weist zutreffend darauf hin, dass es in den letzten Jahren keine
Presseveröffentlichungen gegeben hat, aus denen ein Wechsel eines Global-
Business-Heads zu entnehmen war. Erst recht kann keine Rede davon sein, dass
die gewünschte Antwort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit geeignet
war, der Beklagten einen Schaden zuzufügen (LG Frankfurt WM 2005, 2186ff.).
Im Übrigen hat die Beklagte unstreitig die Auskünfte bezüglich der
Gesamtvergütung der GEC-Mitglieder erteilt. Dies ist in der Hauptversammlung
am 01.06.2006 geschehen (Bl. 1580 d.A.).
Unter diesen Umständen kommt es nicht darauf an, dass die Klägerin zu 2) in
ihrer Berufungsbegründung auch auf die Nichtbeantwortung einer Reihe weiterer
Fragen abstellt (Bl. 1464f. d.A.), Deshalb kann es dahingestellt bleiben, ob hierin
ein Verstoß gegen den Grundsatz, dass die Anfechtungsgründe in ihrem
wesentlichen Kern innerhalb der Anfechtungsfrist geltend gemacht werden
müssen, gesehen werden könnte (OLG Frankfurt MDR 2007, 792, 794).
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus dem Verhalten des Vertreters
der Klägerin zu 2) in der Hauptversammlung nicht, dass es auf eine etwaige
Informationspflichtverletzung nicht ankommt. Soweit die Beklagte bemängelt,
dass dieser seine Fragen nicht bestimmten Tagesordnungspunkten zugewiesen
habe, berücksichtigt sie nicht, dass den Aktionären Gelegenheit gegeben wurde,
im Rahmen der Generaldebatte zu sämtlichen Tagesordnungspunkten Fragen zu
stellen. Dann sind aber auch alle Tagesordnungspunkte Prüfungsmaßstab für die
Beurteilung, ob eine gewünschte Auskunft erforderlich ist (BayObLG DB 2001,
1138f., vgl. auch Kubis, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 131
Rn. 23, 37). Der Vertreter der Klägerin zu 2) war auch nicht verpflichtet, die
Hintergründe des Verlangens darzulegen. Ein Aktionär braucht sein
Auskunftsverlangen nicht zu begründen. Seine Motivationslage ist allein seine
Sache (Kubis, Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 131 Rn. 28). Ob
er sich in wirksamer Weise pauschal alle Fragen anderer Redner zu eigen gemacht
hat, ist unmaßgeblich, weil es ohnehin nur auf die Fragen ankommt, die in den
beiden Klageschriften als nicht oder nicht zutreffend beantwortet aufgeführt
werden (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II ZR 185/07, Umdruck S. 22). Den
erforderlichen Widerspruch gemäß § 245 Abs. 1 Nr. 1 AktG a.F. hat der Vertreter
der Klägerin zu 2) zu Protokoll erklärt (S. 14, Bl. 380 d.A.). Unerheblich ist, ob die
Kläger ihre Widersprüche vor oder nach den jeweiligen Beschlussfassungen
eingelegt haben (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II ZR 185/07, Umdruck S. 13).
Die Beklagte argumentiert hilfsweise damit, dass eine etwaige
Auskunftspflichtverletzung nur von Bedeutung sein könne für die Entlastung des
Vorstands, nicht aber für die Entlastung des Aufsichtsrats (Bl. 1344 ff. d.A.).
Insoweit liegt in der Tat keine Verletzung des Informationsrechts vor.
Das Landgericht vertritt die Auffassung, eine unzureichende Beantwortung von
Fragen, die sich auf die Tätigkeit des Vorstandes bezogen und daher zunächst die
Anfechtbarkeit des Entlastungsbeschlusses für den Vorstand betroffen habe,
schlage auch auf die Beschlussfassung über die Entlastung der
Aufsichtsratsmitglieder durch. Dies müsse vor allem deshalb gelten, da die
Aktionäre auch zu beurteilen hätten, ob der Aufsichtsrat seiner
Überwachungsverpflichtung nach § 111 AktG nachgekommen sei. Eine solche
pauschale Wirkung gibt es jedoch nicht. Die Verweigerung einer Auskunft
berechtigt nicht dazu, jeden Hauptversammlungsbeschluss anzufechten (BGH BB
1992, 1949 ff.). Ein Anfechtungsrecht besteht nur, wenn – bezogen auf den
jeweiligen Tagesordnungspunkt – die Nichterteilung einer Antwort von
nachvollziehbarer Relevanz für die Interessen des Aktionärs ist (OLG Frankfurt AG
2007, 867 f.). Es muss um Vorgänge von einigem Gewicht gehen, die für die
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2007, 867 f.). Es muss um Vorgänge von einigem Gewicht gehen, die für die
Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Unternehmensorgane von Bedeutung
sind, da es einem Aktionär nicht zuzumuten ist, die deren Tätigkeit ohne die dazu
erforderlichen Informationen „abzusegnen“ und ihnen das Vertrauen
auszusprechen (BGHZ 160, 385 ff. = WM 2004, 2489 ff.). Wenn ein Sachverhalt in
erster Linie den Vorstand betrifft, so muss dieser für die Bewertung der Tätigkeit
des Aufsichtsrats nicht ohne Weiteres von wesentlicher Bedeutung sein (vgl. BGH,
Urteil vom 16.2.2009, II ZR 185/07, Umdruck S. 25f.). Bei den das GEC
betreffenden Fragen ist der Zusammenhang mit der Tätigkeit des Vorstands
evident. Der ganze Fragenkomplex betrifft im Grunde das Verhältnis von Vorstand
und GEC. Für die Meinungsbildung über die Tätigkeit des Aufsichtsrats ist dieser
Fragenkomplex aber im Grunde ohne Belang und rechtfertigt eine Anfechtung des
Entlastungsbeschlusses nicht.
Soweit die Klägerin zu 2) meint, dass die Auskunftspflichtverletzung auch für die
Beschlussfassung über den Bilanzgewinn (TOP 2 der Tagesordnung) und für die
Wahl des Abschlussprüfers (TOP 5 der Tagesordnung) von Bedeutung sei, kann
dem nicht beigepflichtet werden. Mit dem Landgericht ist der Senat der
Auffassung, dass die wesentliche Relevanz der Fragen und Antworten für diese
Tagesordnungspunkte nicht ersichtlich ist.
2. Beschlussfassung über den Bilanzgewinn (TOP 2 der Tagesordnung)
a) Einberufungsmangel
Der Kläger zu 1) macht geltend, es liege speziell bezüglich TOP 2 der
Tagesordnung ein Einladungsmangel mit der Folge vor, dass gemäß § 124 Abs. 4
des AktG kein wirksamer Beschluss habe gefasst werden können.
Die Einladung (Kopie Bl. 36 d.A.) enthält unter TOP 2 „Verwendung des
Bilanzgewinns“ den gemeinsamen Vorschlag von Vorstand und Aufsichtsrat,
folgenden Beschluss zu fassen:
„Der Bilanzgewinn von 872.781.369,00 € wird zur Ausschüttung einer Dividende
von 1,50 € je dividendenberechtigte Stück Aktie verwendet. Der verbleibende
Betrag, der auf eigene Aktien entfällt, wird auf neue Rechnung vorgetragen.“
Der Kläger zu 1) bemängelt daran, dass es den Aktionären auf Grund dieser
Formulierung nicht möglich sei, den Umfang der Dividendenzahlung zu ermitteln,
da die Beklagte eigene Aktien hält und diese gemäß § 71b AktG nicht
dividendenberechtigt sind (Bl. 18 f. d.A.).
Das Landgericht hat zu Recht einen Einberufungsmangel verneint. Der
Beschlussvorschlag entspricht den Anforderungen des § 124 Abs. 3 AktG. Eine
detaillierte Formulierung war nicht erforderlich, da zum Zeitpunkt der Einladung
noch nicht feststand, in welchem Umfang die Beklagte am Tag der
Hauptversammlung eigene Aktien halten werde. Eine angemessene
Meinungsbildung und eine sinnvolle Ausübung der Aktionärsrechte war auf Grund
der Formulierung des TOP 2 in der Einladung ohne Weiteres möglich. Die
erforderliche Konkretisierung ist dann in der Hauptversammlung erfolgt (S. 17 des
Protokolls, Bl. 183 d.A.). Im Übrigen ist dieser Gesichtspunkt von so marginaler
Bedeutung, dass auch im Hinblick darauf ein Anfechtungsrecht verneint werden
muss (OLG Frankfurt ZIP 2007, 232 ff.).
b) Ein inhaltlicher Mangel des Gewinnverwendungsbeschlusses könnte vorliegen,
falls der Jahresabschluss für das Jahr 2003 seinerseits nichtig wäre, da dann dem
Gewinnverwendungsbeschluss die Basis entzogen wäre. Die Klägerin zu 2) hat
demgemäß auch den Jahresabschluss angefochten, wobei davon auszugehen ist,
dass der Aufsichtsrat den Jahresabschluss gemäß § 172 AktG beschlossen hat, so
dass zu prüfen bleibt, ob ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 256 AktG bezüglich
des Jahresabschlusses vorliegt.
In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, ob der Umstand, dass
der Kläger zu 1) die Bestellung der Abschlussprüfer, die diesen Jahresabschluss
erstellt haben, angefochten hat, von Relevanz ist.
Der Sache nach hat das Landgericht zu Recht entschieden, dass die Anfechtung
der Wahl des Abschlussprüfers keinen Nichtigkeitsgrund darstellt. Eine erfolgreiche
Anfechtung hat nach der Zielrichtung des Bilanzrichtliniengesetzes nur die
Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen der AG und dem
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Nichtigkeit des Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen der AG und dem
Abschlussprüfer mit Konsequenzen für dessen Vergütungsanspruch zur Folge.
Nicht berührt wird die Gültigkeit der Bestellung. Eine Nichtigkeitssanktion hat der
Gesetzgeber als unangemessene Rechtsfolge angesehen. § 256 Abs. 1 des AktG
ist zu entnehmen, dass nur eine Missachtung der formellen Voraussetzungen
einer Abschlussprüfung zur Nichtigkeit führen soll (Habersack NZG 2003, 659 ff.).
Diese „unmissverständliche Regelungsabsicht“ muss man nach Hüffer
(Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 256 Rn. 31) nicht
überzeugend finden, aber zumindest als gesetzliche Regelung hinnehmen. Im
Übrigen steht mittlerweile rechtskräftig fest, dass die Anfechtung des
Gewinnverwendungsbeschlusses unberechtigt war (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II
ZR 185/07, Umdruck S. 30).
Es stellt sich weiterhin die Frage, ob der Jahresabschluss den an ihn zu stellenden
Anforderungen gerecht wird. Breiten Raum nimmt in diesem Zusammenhang die
Frage ein, ob die Beklagte im Hinblick auf die Schadensersatzklage von Dr. CA
bereits damals Rückstellungen hätte bilden müssen. Bekanntlich hat der BGH
zwischenzeitlich mit Urteil vom 24.01.2006 (BGHZ 166, 84 ff.) festgestellt, dass die
Beklagte und Dr. X als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den Schaden eines der
Unternehmen der A-Gruppe zu ersetzen, der ihr aus den Äußerungen des Dr. X in
dem Fernsehinterview entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird. Den
Schaden hat dieses Unternehmen mittlerweile der Höhe nach beziffert. Eine
rechtskräftige Entscheidung hierüber liegt noch nicht vor.
In einem solchen Fall ist eine Wahrscheinlichkeitsbeurteilung erforderlich (BGH,
Urteil vom 16.02.2009, II ZR 185/07, Umdruck S. 31), die im Gegensatz zur
Auffassung der Beklagten nicht in Gegensatz zur Zuständigkeit der Münchner
Gerichte für die Schadensersatzklage steht. Die Wahrscheinlichkeit, ob der geltend
gemachte Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagte in relevantem Umfang
besteht, ist nach dem jeweiligen Erkenntnisstand von Jahr zu Jahr zu beurteilen und
daher keine starre Größe (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II ZR 185/07, Umdruck S.
31).
Der Bilanzierende befindet sich deshalb in einem Konflikt. Einerseits wird es ihm
daran liegen, das aus dem Rechtsstreit resultierende Risiko für nicht übermäßig
hoch einzustufen, um der Gegenseite möglichst wenig positive Signale zu geben.
Er wird deshalb im Regelfall keine Antizipation des Vermögensverlustes
vornehmen wollen, auch wenn damit das Eingeständnis eines Fehlverhaltens nicht
verbunden ist (BGH, Urteil vom 16.2.2009, II ZR 185/07, Umdruck S. 31).
Andererseits muss er den Bilanzvorschriften Rechnung tragen und in diesem
Zusammenhang sogar überlegen, ob auch die Prozesskosten anzusetzen sind.
Bei der Frage, ob Rückstellungen für Prozessrisiken in der Handels- und
Steuerbilanz zu bilden sind, gibt es naturgemäß viele Unsicherheiten (Osterloh-
Konrad, DStR 2003, 1631). Es gibt dazu eine Vielzahl höchstrichterlicher
Entscheidungen – sowohl des BGH, wie auch des BFH – die einander nicht
widersprechen, aber – wie in Anbetracht der Vielgestaltigkeit der Sachverhalte
nicht verwunderlich – unterschiedliche Aspekte hervorheben. Dieses
Nebeneinander der Rechtsprechung ist eine Folge der Bestimmung des § 5 Abs. 1
EStG, wonach die Steuerbilanz auf der Handelsbilanz beruht.
Nach der Rechtsprechung ist eine Rückstellungsbildung erforderlich, wenn mehr
Gründe für eine als gegen eine Inanspruchnahme der Beklagten sprechen (BFH,
DB 2002, 871 ff.). In diesem Zusammenhang ist eine sorgfältige Abwägung aller in
Betracht zu ziehenden Umstände erforderlich, weshalb. es gegebenenfalls
tatsächlicher Feststellungen und rechtlicher Wertungen bedarf (BGH BB 1989,
1518 f). Hierbei ist die Beklagte nicht frei, sondern muss der Pflicht zur Bildung von
Rückstellungen folgen, sobald die Tatbestandsvoraussetzungen hierfür vorliegen
(Stengel BB 1993, 1403 ff.). Ihre subjektive Erwartung eines günstigen
Prozessausgangs ist nicht entscheidend (Osterloh-Konrad DStR 2003, 1675). Es
kommt allein auf objektive Kriterien an (BGH ZIP 1991, 442 ff.). Die Frage, ob mehr
Gründe für als gegen das Bestehen einer Schadensersatzpflicht in relevanter Höhe
sprechen, ist demgemäß auf Grundlage objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender
und spätestens bei Aufstellung der Bilanz erkennbarer Tatsachen (vgl. § 252 Abs.
1 Ziff. 4 HGB, BGH BB 2003, 2423ff.) aus der Sicht eines sorgfältigen und
gewissenhaften Kaufmannes zu beurteilen (BFHE 142, 226). Dabei darf weder die
optimistischste, noch die pessimistischste Schätzungsalternative gewählt werden
(BFH DStRE 2003, 1139 ff.). Vernünftiger kaufmännischer Beurteilung entspricht es
vielmehr, den Rückstellung begründenden Sachverhalt mit allen positiven und
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vielmehr, den Rückstellung begründenden Sachverhalt mit allen positiven und
negativen Aspekten zu berücksichtigen (BFH, BB 1993, 1115 ff.). Die Beklagte
muss also die Forderung in der Höhe ansetzen, in der mit ihr gerechnet werden
muss, wobei vor allem die für sie erkennbaren Vorstellungen des Geschädigten
maßgeblich sind (BFH, BB 1991, 1827 ff.). Wenn bereits der Klageweg beschritten
wird, ist regelmäßig davon auszugehen, dass mehr Gründe für die
Wahrscheinlichkeit einer Zahlungspflicht sprechen als dagegen (BFH, DB 2002,
871 ff.). In der Literatur wird die Klageerhebung teils als starkes Indiz für die
Notwendigkeit einer Rückstellung gesehen (Stengel BB 1993, 1403, 1407), teils
sogar als ein Umstand, der eine Rückstellung erzwingt (Osterloh-Konrad DStR
2003, 1675). Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt, in dem die Klage anhängig
gemacht worden ist, weil spätestens von diesem Zeitpunkt an mit der
Durchsetzung der geltend gemachten Forderung gerechnet werden muss (BGH
BB 1989, 1518 f.). Eine solche Berücksichtigung eines anhängigen Rechtsstreits
entspricht dem in § 252 Abs. 1 Ziff. 4 HGB enthaltenen Grundsatz der vorsichtigen
Bewertung (BFH, BB 1991, 1827 ff., DB 2002, 871 ff.), einem der wichtigsten
Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung. Auch der Grundsatz der
Bilanzvollständigkeit als Ausprägung des Grundsatzes der Bilanzwahrheit spricht
für eine möglichst vollständige Einstellung von Risiken in die Bilanz (Stengel BB
1993, 1403, 1406). Ein Ermessensspielraum kommt dabei dem Bilanzierenden,
der Beklagten, nicht zu. Der Begriff des „Ermessens“ würde einen objektiv nicht
überprüfbaren Entscheidungsfreiraum und damit ein gewisses
Passivierungswahlrecht suggerieren. Eine Bilanz ist vielmehr, wie bereits
ausgeführt, aus objektivierter Perspektive zu betrachten, wobei eine Abwägung
aller Umstände aber mitunter dazu führen kann, dass mehr als ein Ergebnis
vertretbar erscheint (Stengel BB 1993, 1403, 1408). Die Überbewertung auf Grund
Nichtansetzung muss, um die Anfechtung zu rechtfertigen, eine
Maßgeblichkeitschwelle überschreiten (Kubis, Münchener Kommentar zum
Aktiengesetz, a.a.O., § 131 Rn. 46) und darf in ihrem Umfang nicht bedeutungslos
sein (BGHZ 83, 341ff. = WM 1982, 896ff.).
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Definition, wonach mehr
Gründe für als gegen das Bestehen einer Schadensersatzpflicht in relevantem
Umfang sprechen müssen, nicht im Sinne einer mathematischen
Wahrscheinlichkeit (über 50 %) verstanden werden darf, da Wahrscheinlichkeiten
nicht mathematisch exakt dargestellt werden können, und ein gewisser, nicht
vollkommen zu beseitigender Raum für subjektive Erwägungen verbleibt
(Hoyos/Ring in: Beckscher Bilanzkommentar, 6. Aufl. 2006, § 249 Rn. 33, Balwieser
in: Münchener Kommentar zum HGB, Bd. 4, 2001, § 249 Rn. 13 und 16).
Versucht man nun im vorliegenden Fall eine Evaluation zum Bilanzstichtag, dem
31.12.2003, einschließlich der Zeit bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses, sind
insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:
aa. Die Beklagte war zu diesem Zeitpunkt sowohl in erster Instanz, Urteil des LG
München I vom 18.02.2003 (WM 2003, 725), als auch in zweiter Instanz, Urteil des
OLG in München vom 10.12.2003 (WM 2004, 74), verurteilt worden.
bb. Die Revision war zugelassen worden.
cc. Die rechtliche Schlussfolgerung, dass die Äußerungen des früheren
Vorstandsvorsitzenden der Beklagten in dem Fernsehinterview zur Bonität der
Firmen der A-Gruppe eine Pflichtverletzung darstellt, liegt nahe (und wurde
dementsprechend auch – allerdings mit differierenden Begründungen –
übereinstimmend von den Gerichten so beurteilt).
dd. Es stellte sich weiterhin als naheliegend dar, dass Hauptproblem des
Prozesses die Frage sein würde, ob die beanstandeten Äußerungen für die
Insolvenz der Firmen der A-Gruppe tatsächlich kausal geworden sind.
ee. Die Beklagte wurde zunächst nur auf Feststellung der Schadensersatzpflicht
unter Angabe eines Streitwerts von 100 Millionen € in Anspruch genommen und
konnte die Höhe des Schadens aus eigener Kenntnis nicht abschätzen.
ff. Nach allerdings bestrittenen Vortrag der Beklagten soll eine Y Versicherung bis
zum üblichen Betrag von 500 Millionen € bestehen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände erscheint die Schlussfolgerung des
Landgerichts, die Beklagte habe nicht ernstlich damit rechnen müssen, aus dieser
Verbindlichkeit in Anspruch genommen zu werden, letztlich nicht völlig
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Verbindlichkeit in Anspruch genommen zu werden, letztlich nicht völlig
überzeugend. Es kann und konnte keinem Zweifel unterliegen, dass die Beklagte
nach dem Zusammenbruch der Firmen der A-Gruppe, die bekanntlich sehr
umsatzstark und im Handel mit Medienrechten in Deutschland fast dominierend
positioniert war, die Erhebung von Schadensersatzansprüchen in sehr erheblichen
Umfang zur Folge haben würde. Es musste in Anbetracht des Inhalts der Äußerung
auch damit gerechnet werden, dass die Gerichte eine Pflichtverletzung bejahen.
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung, es gehe trotz der beträchtlichen Höhe
der Beträge lediglich um eine unwesentliche Ergebnisminderung (vgl. OLG
Frankfurt WM 2008, 986ff.). Dies hätte zur Folge, dass ganz wesentliche Positionen
unberücksichtigt blieben. Die Bilanzsumme kann insoweit bei einer Bank nicht die
maßgebliche Bezugsgröße darstellen. Die Bedeutung von Bilanzsumme und
Umsatz ist branchenabhängig, da z.B. Handelsumsätze einen anderen Stellenwert
genießen als Verkaufserlöse selbst hergestellter Güter (Kubis, Münchener
Kommentar zum Aktiengesetz, a.a.O., § 131 Rn. 46). Es liegt bei einer Bank näher,
auf die Relation zum Jahresgewinn abzustellen. Dieser wurde für das Geschäftsjahr
2003 mit ca. 870 Millionen € angegeben, so dass selbst dann, wenn mit einer
Schadensersatzverpflichtung von nur 100 Millionen € gerechnet werden musste,
der Gewinn deutlich geschmälert und infolge dessen auch die Höhe der
Dividendenzahlung beeinflusst worden wäre.
Es gibt aber dennoch zumindest ein entscheidendes Argument gegen eine zum
genannten Zeitpunkt bestehende Pflicht zur Rückstellungsbildung. Es kann nicht
gesagt werden, dass es zum Aufstellungszeitpunkt wahrscheinlich erschien, dass
die Voraussetzungen der haftungsausfüllenden Kausalität erfüllt sind. Ein
entsprechender Nachweis ist sehr schwierig, da eine Insolvenz einer bedeutenden
Firmengruppe regelmäßig Folge einer Vielzahl von Faktoren und selten die eines
einzelnen Ereignisses ist. Auch war der Schaden damals weder beziffert, noch für
die Beklagte vernünftig abschätzbar. Eine praktische Betrachtung der
Prozesschancen der Beklagten ergab mit Wahrscheinlichkeit gute
Verteidigungsaussichten. Überdies spricht viel dafür, dass eine etwaige
Verurteilung der Beklagten im Hinblick auf eine abgeschlossene Versicherung nicht
zu einem Schaden führen wird und damit auch nicht zu einer zu bilanzierenden
Position. Die Bedeutung einer Versicherung in diesem Zusammenhang wird auch
durch das Schreiben der XY …-Gesellschaft AG …gesellschaft vom 19.11.2004
(Anlage B 76) bestätigt.
Die Beklagte hat angegeben, für Herrn Dr. X eine Y-Versicherung abgeschlossen
zu haben, also eine Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung für
Organmitglieder (vgl. OLG München ZIP 2005, 1556 ff.). Eine Regressmöglichkeit,
die eng mit der eine Rückstellung begründenden Verbindlichkeit zusammenhängt
und deren Verwirklichung annähernd gesichert erscheint, ist einzubeziehen und
kann im Ergebnis eine Rückstellung ausschließen (Osterloh-Konrad DStR 2003,
1675, 1678, Stengel BB 1993, 1403, 1407). Auf dieser Linie liegt auch das Urteil
des BFH vom 17.02.1993 (BFH, BB 1993, 1115 ff.), in dem ausgeführt wird, dass
ein Rückgriffsanspruch als Kompensation heranzuziehen ist,
- wenn er derart in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der drohenden
Inanspruchnahme steht, dass er dieser wenigstens teilweise spiegelbildlich
entspricht,
- er in rechtlich verbindlicher Weise (z. B. auf Grund eines Versicherungsvertrages)
der Entstehung oder Erfüllung der Verbindlichkeit zwangsläufig nachfolgt
- und vollwertig in dem Sinn ist, dass er vom Rückgriffsschuldner nicht bestritten
wird, der seinerseits von zweifelsfreier Bonität sein muss.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist nach dieser Entscheidung des BFH nicht in
der Form vorzugehen, dass eine Aktivierung der Freistellungsansprüche und eine
Passivierung der bestrittenen Schadensersatzforderungen erfolgt – vielmehr ist die
Rückgriffsmöglichkeit auf der Passivseite betragsmindernd zu berücksichtigen. An
dieser Stelle widerspricht das von der Klägerin zu 2) vorgelegte Privatgutachten
SV1 der Rechtsprechung und weist darauf hin, dass die Verrechnung von
ungewissen Verbindlichkeiten mit Regressansprüchen gegen das
Saldierungsverbot des § 246 Abs. 2 HGB verstoße. Wenn man jedoch davon
ausgeht, dass der Anspruch auf Zahlung gegen eine Y-Versicherung erst mit
Eintreten der Rechtskraft des Urteils im Haftpflichtprozess entsteht (so OLG
München ZIP 2005, 1556), ergibt sich daraus, dass die Rückgriffsforderung noch
gar nicht entstanden ist und dementsprechend auch gar nicht als Aktivposten
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gar nicht entstanden ist und dementsprechend auch gar nicht als Aktivposten
bilanziert werden kann, sondern nur mit der ungewissen Verbindlichkeit als
Passivposten verrechnet werden kann (BFHE 170, 397 = BB 1993, 1115 ff.).
Für das Geschäftsjahr 2002, in dem Dr. X das fragliche Interview gab, soll die Höhe
der Versicherungssumme 500 Millionen € bei einem Selbstbehalt für das
Organmitglied in Höhe von 5.000 € betragen haben. Aus damaliger Sicht gab es
keinen Anhaltspunkt dafür, dass diese Summe nicht ausreichen könnte.
Gegebenenfalls zu bildende Rückstellungen beziehen sich auch auf die
Prozesskosten. Bei einem schwebenden Zivilprozess ist eine Rückstellung für
Prozesskosten zu bilden, die sich in ihrer Höhe nach den entstandenen und noch
zu erwartenden Kosten der jeweils angerufenen Instanz am Bilanzstichtag richtet
(BFH, DB 1996, 1499 ff., BGH, BB 1989, 1518 f., Hoyos/Ring, a.a.O., § 249 Rn. 100
„Prozesskosten“). Dies gilt nicht für eigene Rechtsverfolgungskosten, soweit es
am Merkmal der Außenverpflichtung fehlt (vgl. Osterloh-Konrad, DSR 2003, 1675
f.). Sollten die Prozesskosten bei der Aufstellung des Jahresabschlusses im
vorliegenden Fall nicht berücksichtigt worden sein (vgl. dazu Anlage B 75), spricht
dennoch viel für dessen Richtigkeit, da die
Vermögensschadenshaftpflichtversicherung nach Mitteilung der Beklagten (Bl.
701) die gesamten Anwalts- und Gerichtskosten sowohl des in Deutschland, als
auch des in den USA anhängigen Prozesses übernimmt.
c) Das Landgericht befasst sich weiterhin mit der Frage, ob die Nichtigkeit des
Jahresabschlusses daraus folgen könnte, dass der Aufsichtsrat der Beklagten den
Beschluss gefasst hat, die Verfahrenskosten zu übernehmen, soweit sie dem
früheren Vorstandssprecher Dr. X entstehen. Da Dr. X auch Partei des bereits
mehrfach erwähnten, zunächst am Landgericht München I und am
Oberlandesgericht in München geführten Zivilrechtsstreits war und ist und
überdies möglicherweise Strafverteidigerkosten entstanden sind, dürften im Jahre
2003 Kosten entstanden sein, die auf Grund der Verfahrenskostenübernahme in
die Bilanz eingeflossen sind. Das Landgericht vertritt insoweit die Auffassung, die
Übernahme der Kosten sei nicht zu beanstanden, da sie der Fürsorgepflicht des
Dienstherren entspreche.
Dies ist so nicht völlig richtig und auch nicht entscheidend. Der arbeitsgerichtlichen
Rechtsprechung nach (BAGE 69, 81 ff.) kann die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
als solche nicht Anspruchsgrundlage für etwaige Ersatzansprüche sein. In Betracht
komme nur ein Anspruch gemäß § 670 BGB, der jedoch im Falle grober
Fahrlässigkeit ausscheide. In einem solchen Fall habe der Arbeitnehmer für die
verursachten Folgen allein einzustehen. Es geht jedoch im vorliegenden Fall nicht
um eine Verpflichtung der Beklagten, diese Kosten zu übernehmen. Die Beklagte
hat dies vielmehr freiwillig getan in Form eines Beschlusses des Aufsichtsrates, der
insoweit auch gemäß § 87 Abs. 1 AktG zuständig ist, da er auch die Zusage von
Aufwandsentschädigung an Vorstandsmitglieder abzugeben hat. Selbst wenn man
der Auffassung sein sollte, dass eine solche Kostenübernahme unangemessen ist,
würde dies aktienrechtlich nicht zu ihrer Nichtigkeit führen.
d. Die Beklagte geht in ihrer Berufungserwiderung weiterhin darauf ein, dass sie die
Verteidigungskosten für ihren jetzigen Vorstandssprecher in einem Strafverfahren
übernommen hat. Diese Kostenübernahme ist nicht unzulässig. Die Kosten eines
Strafverteidigers kann eine Gesellschaft übernehmen, soweit die die
Strafverfolgung nachziehende Handlung betrieblich veranlasst war (BAG, DB 1960,
1043). Das BAG weist in dieser Entscheidung darauf hin, dass es auch
unproblematisch für zulässig erachtet werde, eine Versicherung abzuschließen, die
die Kosten der Strafverteidigung abdecke. Eine betriebliche Veranlassung liegt im
Übrigen auch vor, wenn das Vorstandsmitglied einer großen Bank ein
Aufsichtsratmandat bei einem großen Unternehmen wahrnimmt und ihm in
diesem Zusammenhang strafrechtliche Vorwürfe gemacht werden.
e. Es stellt sich noch die Frage, ob den Klägern der Einwand des
Rechtsmissbrauchs entgegenzuhalten ist. Das Institut des Rechtsmissbrauchs ist
immanenter Bestandteil aller Rechtsordnungen und damit auch des Aktienrechts
(BGH ZIP 1989, 1388 ff.). Nach allgemeiner Auffassung bedarf es zur Erhebung
einer Anfechtungsklage grundsätzlich eines berechtigten Eigen- und
Rechtsschutzinteresses nicht (OLG Stuttgart AG 2003, 456 ff., Bürges/Körber,
Heidelberger Kommentar zum Aktiengesetz., 2008, § 245 Rn. 19). Es ist aber auch
anerkannt, dass es Einzelfälle gibt, in denen ein Aktionär seine ihm durch das
Anfechtungsrecht verliehene Kontrollbefugnis aus eigennützigen Motiven
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Anfechtungsrecht verliehene Kontrollbefugnis aus eigennützigen Motiven
individuell missbraucht. Der Umstand, dass eine Anfechtungsklage von der
Konzeption her der Beseitigung eines rechtswidrigen Zustands dient, von dem
auch andere Aktionäre und Gläubiger der Gesellschaft betroffen sind, steht dem
nicht entgegen. Auch jemand, der durch seine Handlung die Interessen anderer
wahrt, kann gleichzeitig einen individuellen Rechtsmissbrauch verüben.
Bei der Anfechtungsklage folgt daraus, dass der Anfechtende sein Handeln als
Gesellschafter nicht an der Kontrollfunktion der Anfechtungsklage ausrichten
muss, sondern Eigeninteressen wahrnehmen und auch jederzeit die
Verfügungsbefugnis über sein Anfechtungsrecht ausüben kann (BGHZ 107, 296
ff.). Solange mit der Anfechtung das Ziel der sachlichen Aufklärung verfolgt wird,
kann kein Rechtsmissbrauch vorliegen (BayObLG DB 2001, 1138f.). Die
Rechtsprechung bejaht daher die Rechtsmissbräuchlichkeit eines
Auskunftsverlangens nur in seltenen Fällen eines schikanösen oder
widersprüchlichen Verhaltens. Es müssen in der Regel mehrere Indizien für die
Annahme eines Rechtsmissbrauchs sprechen (OLG Stuttgart AG 2003, 456 ff.).
Diese Rechtsprechung wird insbesondere in den Fällen angewandt, in denen ein
Aktionär eine Anfechtungsklage erhebt und im Folgenden die Rücknahme dieser
Klage von einer Geldzahlung der Gesellschaft abhängig macht, wobei ein einzelner,
länger zurückliegender Fall bei einer anderen Aktiengesellschaft als Indiz für ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten nicht ausreicht (vgl. OLG Stuttgart AG 2003, 456
ff.)
Bei Anwendung dieser Kriterien ist ein Rechtsmissbrauch seitens der Kläger nicht
festzustellen. Die Kläger machen mit ihren Anfechtungsklagen ja auch teilweise
mit Erfolg in sachlicher Form eine Reihe von aktienrechtlichen Problemstellungen
deutlich. Dies ist nicht zu beanstanden. 3. Die Berufungsbegründung der Klägerin
zu 2) enthält keine Ausführungen speziell zu der Frage, warum die Firma XY nicht
Abschlussprüferin für das Jahr 2004 sein soll. Es ist deshalb davon auszugehen,
dass die Anfechtung zu diesem TOP nur aus den bereits erwähnten Gründen
erfolgt, die jedoch, wie bereits ausgeführt, eine Anfechtung nicht rechtfertigen.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97 und 100 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.
10, 711 und 709 S. 2 ZPO.
Die Voraussetzungen des § 542 Abs. 2 ZPO für die Zulassung der Revision liegen
nicht vor. Der Senat hat dabei berücksichtigt, dass die entscheidungserheblichen
Rechtsfragen im Wesentlichen durch das zitierte Urteil des BGH vom 16.2.2009 (II
ZR 185/07) geklärt sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.