Urteil des OLG Frankfurt vom 19.05.2006

OLG Frankfurt: deckung, kündigung, gegenleistung, bezahlung, gläubigerbenachteiligung, vorleistungspflicht, genehmigung, anfechtung, insolvenz, werkvertrag

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Gericht:
OLG Frankfurt 24.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
24 U 203/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 129 InsO, § 130 InsO, § 134
InsO, § 142 InsO, § 143 InsO
Ansprüche im Insolvenzverfahren: Inkongruenz einer
Vorschusszahlung auf eine Beratungsleistung zur
Insolvenzplanerstellung; Zulässigkeit einer
Bargeschäftsausnahme nach § 142 InsO bei Inkongruenz
einer Deckung
Leitsatz
Nach dem dem Insolvenzrecht zugrundeliegenden Grundgedanken soll eine
Benachteiligung von Gläubigern durch einseitige Begünstigungen im engen zeitlichen
Zusammenhang mit der Insolvenz vermieden werden. Dies erlaubt lediglich eine
leistungskongruente Bezahlung von Sanierungsberatungen, weil ansonsten eine
Bevorzugung dieser Berater auf Kosten der Insolvenzmasse erfolgen würde.
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 13 (a). Zivilkammer des
Landgerichts Darmstadt vom 5. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über eine Bezahlung an den Beklagten für die Erstellung
eines Insolvenzplans. Der Kläger ist Insolvenzverwalter der X-AG. Die X-AG ist
Muttergesellschaft der Y-GmbH. Der Beklagte erhielt den Auftrag zur Prüfung und
Vorbereitung eines Insolvenzplanverfahrens für die X-AG (GA 73). Die
Übersendung von Unterlagen an den Beklagten erfolgte am 14. Mai 2002 (GA 75).
Der Beklagte erstellte ein Angebot zur „Beratung und Begleitung“ eines
Insolvenzverfahrens für die X-AG und die Y-GmbH zu je 116.000,00 € brutto am 21.
Mai 2002 (GA 36, 38). Die S-AG überwies dem Beklagten am 28. Mai 2002
232.000,00 €, deren Rückzahlung der Kläger nun begehrt. Die X-AG und die Y-
GmbH erteilten dem Beklagten eine Vollmacht für die Sanierung/Insolvenz am 29.
Mai 2002 (GA 94, 97). Am 30. Mai 2002 stellte der Beklagte Insolvenzantrag für
beide Gesellschaften „wegen Zahlungsunfähigkeit“ (GA 92, 95). Die X-AG und die
Y-GmbH kündigten das Mandat gegenüber dem Beklagten und entzogen ihm die
Vollmacht per 17. Juni 2002 aufgrund Beschlusses des Gläubigerausschusses (GA
45, 46). Der Beklagte erhielt eine Aufforderung zur Abrechnung des gezahlten
Vorschusses durch den Kläger am 27. Juni 2002 für die X-AG und am 12. August
2002 für die Y-GmbH (GA 47, 49). Der Beklagte erwiderte darauf mit einem
Hinweis an den Kläger auf die Rechtsnatur durch geschlossenen Vertrages als
Werkvertrag mit der Folge des § 649 BGB am 11. Juli 2002 (GA 132). Die
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Werkvertrag mit der Folge des § 649 BGB am 11. Juli 2002 (GA 132). Die
Insolvenzeröffnung der X-AG und der Y-GmbH erfolgte am 1. September 2002. In
der Folge schlossen der Kläger für die X-AG und Dr. A für die S-GmbH als
Insolvenzverwalter eine Vereinbarung dahingehend, dass der Kläger den gesamten
Rückzahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten geltend machen und hiervon 25
% an Dr. A abführen soll (GA 52). Mit der am 5. Juli 2004 eingereichten Klage hat
der Kläger die an den Beklagten geleistete Zahlung und hilfsweise auch den
Beratungsvertrag nach §§ 131 ff. InsO angefochten.
Der Kläger hat geltend gemacht, die Zahlung an den Beklagten zwei Tage vor
Antragstellung und drei Tage vor Eröffnung der Insolvenz habe zu einer
Gläubigerbenachteiligung geführt. Es liege ein inkongruente Deckung vor, weil eine
Gegenleistung jedenfalls nicht unmittelbar erbracht worden sei. Aus diesem Grund
liege auch eine unentgeltliche Leistung der Gesellschaften vor. Auch bei Annahme
einer kongruenten Deckung sei die Zahlung an den Beklagten anfechtbar, weil die
Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaften dem Beklagten bei Leistungsempfang
bekannt gewesen sei. Auch sei eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung nach §§
133 InsO gegeben. Eine Bargeschäftsausnahme nach § 142 InsO scheide mangels
unmittelbarer gleichwertiger Gegenleistung aus. Im übrigen greife die
Bargeschäftsausnahme bei einer vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung und
inkongruenter Deckung nicht. Die Leistungen des Beklagten seien auch insgesamt
ohnehin wertlos und unbrauchbar. Der Beklagte habe aufgrund des geschlossenen
Dienstvertrages nur Anspruch nach § 628 BGB auf anteilige Vergütung für die
bisher erbrachten Leistungen. Da diese wertlos seien, liege der Anteil seiner
Vergütung bei Null. Die Leistungen des Beklagten seien deshalb wertlos, weil der
von ihm angedachte Insolvenzplan weder zustimmungs- noch realisierungsfähig
gewesen sei.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 232.000,00 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat gemeint, eine Bargeschäftsausnahme nach § 142 InsO sei
deshalb gegeben, weil seine unmittelbare Gegenleistung in einem Anspruch der
Gesellschaften auf insolvenzrechtliche Beratung gelegen habe. Bei dieser
Konstellation sei eine Vorauszahlung wie hier geschehen auch sowohl üblich als
auch notwendig, weil nach Insolvenzeröffnung ein Insolvenzverwalter weiteren
Zahlungen nicht zustimmen werde. Verweigerte man die Rechtswirksamkeit einer
derartigen Vorauszahlung für die gesamte insolvenzrechtliche Beratung, mache
man eine solche insgesamt unmöglich. Aus diesem Grund seien Zahlungen für
Sanierungsberatung grundsätzlich nicht anfechtbar. Es handele sich bei dem
abgeschlossenen Vertrag auch um einen Werkvertrag, weil der Beklagte
hauptsächlich mit der Erstellung eines Insolvenzplans beauftragt worden sei. Aus
diesem Grund stehe dem Beklagten nach der Kündigung seitens der
Gesellschaften der volle Werklohn gemäß § 649 BGB zu. Schließlich seien die
Leistungen des Beklagten auch durchaus brauchbar gewesen, weil die
Gläubigerbanken mit seinen Vorschlägen einverstanden gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vortrags wird auf den Inhalt
der gewechselten Schriftsätze und den Tatbestand des angefochtenen Urteils
Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und dies auf § 131 InsO gestützt. Der
Beklagte habe keinen Anspruch aus Vertrag, weil seine Angebote vom 21. Mai
2002 von der X-AG und der Y-GmbH nicht angenommen worden seien. Eine
Annahme des Vertragsangebotes des Beklagten sei allenfalls durch Zahlung für
die überweisende X-AG erfolgt. Auch sei eine Annahme durch Willenserklärung
nicht dargelegt insbesondere angesichts der Vertretungsvorschriften der
Gesellschaften. Der Beklagte habe auch widersprüchliche Ausführungen zur
Annahme seines Vertragsangebotes nach der Besprechung am 28. Mai 2002
gemacht. Aus diesem Grunde komme eine Annahme des Vertragsangebotes des
Beklagten durch Zahlung nur im Rahmen des Angebots des Beklagten vom 21.
Mai 2002 in Betracht. Nachdem der Beklagte selbst formuliert habe, dass er „für
eine Überweisung dankbar wäre“ folge daraus keine Fälligkeit zur Bezahlung des
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eine Überweisung dankbar wäre“ folge daraus keine Fälligkeit zur Bezahlung des
von ihm geforderten Honorars bereits vor Leistungserbringung zum 28. Mai 2002.
Damit hatte der Beklagte keinen Zahlungsanspruch sondern die übliche
Vorleistungspflicht nach Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag. Denn es sei
auch gerade das vom Beklagten postulierte Hauptwerk – die Insolvenzpläne – noch
nicht erbracht gewesen.
Nur bei einer vereinbarten Vorleistungspflicht der X-AG und der Y-GmbH wären
daher Zahlungs- und Leistungspflicht des Beklagten kongruent gewesen. Damit
liege im vorliegenden Falle eine inkongruente Deckung vor, weil ein Anspruch des
Beklagten bei Eingang der Zahlung an ihn noch nicht bestand.
Bezüglich der S-GmbH schuldete die X-AG sowieso keine Zahlung. Auch insofern
habe der Beklagte keinen Anspruch gegen die X-AG gehabt und folge hieraus eine
inkongruente Deckung.
Schließlich liege auch kein Bargeschäft nach § 142 InsO vor, weil keine
unmittelbare Gegenleistung gegeben sei. Der Beklagte habe allenfalls einen
Vorschussanspruch nach § 17 BRAGO gehabt, wenn man einen Vertrag überhaupt
bejahen wolle. Im übrigen schließe die bereits dargelegte inkongruente Deckung
ein Bargeschäft begrifflich ohnehin aus.
Der Beklagte habe letztlich auch keinen Anspruch auf auch nur anteiliges Honorar.
Denn der Beklagte habe selbst vorgetragen, bis zum 28. Mai 2002 keine
vergütungspflichtigen Leistungen erbracht zu haben (GA 206). Auch bis zur
Kündigung seines Vertrages am 17. Juni 2002 habe der Beklagte keinen Anspruch
für erbrachte Leistungen. Solche habe er nämlich nicht dargelegt bzw.
abgerechnet. Es liege auch keine Aufrechnungserklärung des Beklagten vor.
Schließlich habe es sich nicht um einen Werkvertrag mit dem Beklagten gehandelt,
sondern einen Geschäftsbesorgungsvertrag. Die teilweise bis zur Kündigung
erbrachten Leistungen seien jedoch insgesamt wertlos gewesen, weil die
Poolbanken den Sanierungsplan abgelehnt und der Beklagte das Einverständnis
der Banken am Zahlungseingangstag dem 28. Mai 2002 nicht dargelegt habe. Aus
diesem Grund hätte der Beklagte seine Tätigkeit gar nicht aufnehmen dürfen.
Wegen der weiteren Überlegungen des Landgerichts wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit der Berufung des Beklagten rekurriert er auf seinen – verspäteten – Schriftsatz
vom 21. September 2005 in der eine mündliche Angebotsannahme im Anschluss
an die Besprechung vom 28. Mai 2002 dargelegt worden sei (GA 205). Die
Annahme sei für die Y-GmbH durch Herrn B und qua Genehmigung durch
Professor C erfolgt, wie sich aus der Vollmacht ergebe. Letzterer habe auch
gewusst, dass seine Unterschrift zur wirksamen Annahme nötig gewesen sei. Die
Gläubigerbanken seien auch mit dem Sanierungsplan einverstanden gewesen, wie
sich aus der Pressemitteilung vom 30. Mai 2002 (GA 91) ergebe.
Es liege kein widersprüchlicher Beklagtenvortrag vor, weil der Vertragsschluss bis
zur mündlichen Verhandlung vom 14. September 2005 (GA 203) unstreitig
erschien. Das Landgericht hätte vielmehr die mündliche Verhandlung
wiedereröffnen müssen, weshalb der Schriftsatz vom 21. September 2005 zu
berücksichtigen sei.
§ 129 InsO sei als Anfechtungsvoraussetzung nicht erfüllt. Insolvenzmassen seien
nicht benachteiligt, weil das Insolvenzplanverfahren etwa offensichtlich sinnlos oder
undurchführbar gewesen sei.
Ein Bargeschäft nach § 142 InsO liege vor, weil eine diesbezügliche
Vorleistungspflicht der Gesellschaften vereinbart worden sei, wie sich aus der
Zahlung der S-AG ergebe. Zahlungen für Leistungen im Rahmen von
Unternehmenssanierungen seien in der Regel ebenso Bargeschäfte, wie Honorar
für entsprechende Sanierungsleistungen. Der Beklagte habe zwar nur
Vorleistungen und noch keine Hauptleistung erbracht, die X-AG und die Y-GmbH
hätten als unmittelbare Gegenleistung für ihre Zahlungen jedoch Ansprüche auf
Leistungen des Beklagten erhalten.
Bei einem derartigen Bargeschäft sei auch bei inkongruenter Deckung eine
Anfechtung der Leistungen ausgeschlossen. Dies erfordere eine
tatbestandseinschränkende Auslegung des § 142 InsO, so dass eine Anfechtung
nur nach § 133 InsO in Frage komme.
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Durch die Zahlung für die Y-GmbH habe auch die X-AG einen Gegenwert erhalten,
nämlich die Sanierung ihrer Tochtergesellschaft, die auch für die X-AG
überlebenswichtig gewesen sei. Aus diesem Grunde liege eine kongruente
Deckung auch hier vor.
Die mit dem Beklagten geschlossenen Verträge seien Werkverträge gewesen,
nämlich qua Prägung durch die zu erstellenden Insolvenzpläne. Diese
Gewerkanforderungen ergäben sich aus § 217 ff. InsO. Auch der Insolvenzantrag
und der Antrag auf Eigenverwaltung seien werkvertragliche Angelegenheiten. Die
übrigen vom Beklagten angebotenen Dienstleistungen seien hingegen bloße
Nebenleistungen. Dies ergebe sich auch aus den Abrechnungsgewichten der
BRAGO. Abweichend hiervon hat der Beklagte mit der Berufung ferner
vorgetragen, dass bei der Annahme eines Dienstvertrages die Teilleistungen nach
§ 628 BGB zu vergüten seien. Dies seien im Zweifel auch die Leistungen vor dem
28. Mai 2002. Die Leistungen bis zur Kündigung am 17. Juni 2002 hätten dagegen
schon 2/3 der Leistung nämlich durch eine erhebliche Beratungstätigkeit
entsprochen. Es habe bis nach der Kündigung nur noch die Ausformulierung der
Insolvenzpläne und deren Vertretung in der Gläubigerversammlung gefehlt.
Der Beklagte sei bezüglich des Herrn D entreichert, weil er an diesen 58.000,00 €
gezahlt habe.
Auf diesen Betrag entfielen auch keine Zinsen, weil der Beklagte keine Nutzungen
des empfangenen Geldes gezogen habe.
Schließlich seien die Zinsen dadurch auf insgesamt 82.000,00 € weniger
zuzusprechen und belaufe sich der Zinssatz nach § 246 BGB nur auch 4 %.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 5. Oktober 2005 verkündeten Urteils des
Landgerichts Darmstadt die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Erwiderung des Klägers stützt sich auf einen Rückgewähranspruch aus §§ 628
Abs. 1 Satz 3 und 812 BGB. Der Auftrag sei jedoch nach Beklagtenvortrag selbst
erst am 28. Mai 2002 erteilt worden. Bis zu seiner Kündigung habe der Beklagte
jedoch nur den Insolvenzantrag gestellt. Überdies habe der Beklagte selbst erklärt,
für Arbeiten vor dem 28. Mai 2002 sei nichts geschuldet. Dass der Beklagte
nunmehr behaupte, seine bis zum 17. Juni 2002 erbrachten Leistungen hätten
bereits 2/3 des geschuldeten Arbeitsumfanges erreicht, sei neuer Vortrag und
unbeachtlich. Richtig sei vielmehr, dass der Beklagte zwischen dem 28. Mai und
17. Juni 2002 keine wesentlichen Leistungen erbracht habe. In einer Gesamtschau
stelle sich eine Vereinbarung mit dem Beklagten als Dienstvertrag dar. Dies sei
auch sachgerecht, weil aufgrund des besonderen Vertrauensverhältnisses eine
Kündigung der Beziehung möglich sein müsse. Schließlich habe der Beklagte eine
fortlaufende begleitende Beratung geschuldet.
Die X-AG und Y-GmbH hätten sich auch nicht anfechtungsfest zur Bezahlung von
Leistungen verpflichten können, deren Brauchbarkeit und Notwendigkeit gar nicht
absehbar gewesen sei, sondern nur zu einer leistungsgerechten kongruenten
Bezahlung von seitens des Beklagten erbrachten Leistungen. Die Poolbanken
hatten das Vertrauen in die bisherige Geschäftsführung aufgrund erheblicher
Unregelmäßigkeiten ohnehin verloren, weshalb der Insolvenzplan und die vom
Beklagten vorgeschlagene Eigenverwaltung ohnedies inakzeptabel war. Hierfür sei
auch gar keine Liquidität vorhanden gewesen, weil die Banken und Bürgen ihre
Sicherheiten nicht freigeben wollten. Damit habe sich das gesamte „Konzept“ des
Beklagten als ohne Grundlage herausgestellt.
Die Anfechtung sei jedenfalls aus § 130 InsO begründet, weil die Zahlung an den
Beklagten innerhalb von drei Monaten vor Insolvenzantrag in Kenntnis der
Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaften erfolgt sei. Eine weitere
Anspruchsgrundlage ergebe sich aus § 131 InsO wegen der vorfristigen Zahlung
der Gesellschaften.
Bezüglich Herrn D liege keine Entreicherung vor, weil § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO
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Bezüglich Herrn D liege keine Entreicherung vor, weil § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO
Bösgläubigkeit im Sinne von Rechtshängigkeit des Rückgewehranspruchs fingiere.
Eine Haftungsmilderung nach § 143 Abs. 2 ergäbe sich nur, wenn die Rückgewähr
ausschließlich auf § 134 InsO gestützt werde. Im übrigen sei die Beauftragung von
und die Zahlung an Herrn D bestritten.
Es liege auch keine Genehmigung des Vertrages mit der S-GmbH vor, weil
Professor C die schwebende Unwirksamkeit einer bereits geschlossenen
Vereinbarung hätte kennen müssen, um eine derartige genehmigen zu können.
Eine Beauftragung durch die X-AG werde bestritten. Ein Verstoß des Landgerichts
nach § 139 ZPO liege schließlich deshalb nicht vor, weil der Beklagte nachträglich
umfangreich Stellung genommen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Parteivortrages wird auf
den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Das Berufungsgericht macht sich zunächst die zutreffenden Ausführungen des
Landgerichts zu eigen. Mit dessen Begründung ist ein Vertragsschluss mit dem
Beklagten abzulehnen. Der Schriftsatz des Beklagten vom 21. September 2005 ist
verspätet. Die mündliche Verhandlung am Landgericht war am 14. September
2005, hier hätte vorgetragen werden müssen. Auch ist ein Schriftsatznachlass
seitens des Beklagten nicht beantragt worden, so dass auch kein Grund zur
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung vorliegt. Im übrigen hat das
Landgericht tatsächlich hilfsweise den nicht nachgelassenen Schriftsatz des
Beklagten vom 21. September 2005 verarbeitet.
Soweit der Beklagte auf die Pressemitteilung der X-AG (GA 91) vom 30. Mai 2002
verweist, hat diese keinen Beweiswert. Vielmehr mag ihr ein erhebliches
Eigeninteresse im Sinne einer Stimmungsmache seitens der Herausgeberin
zugrunde liegen. Eine Gläubigerbenachteiligung nach § 129 InsO ist auch nicht
durch den vom Beklagten angestrebten Insolvenzplan sondern durch die Zahlung
an ihn erfolgt. Hier ergab sich eine Vorleistungspflicht nicht aus der bloßen
Vorleistung selbst, sondern wäre durch den Beklagten darzulegen und zu beweisen
gewesen. Eine Vorleistung wie hier ist auch keine Honorarzahlung für erbrachte
Leistungen wie vielleicht woanders. Da eine (Vor-) Leistungspflicht nicht gegeben
ist, liegt auch kein Bargeschäft vor. Der vom Beklagten hierfür ins Feld geführte
Anspruch der Gesellschaften auf die Beratungsleistungen des Beklagten ist eben
keine „unmittelbare“ Gegen-„leistung“ für die erfolgte Zahlung der
Gesellschaften. Dabei ist irrelevant, ob der Beklagte ohne die entsprechende
Vorleistung der Gesellschaften überhaupt tätig geworden wäre oder dies deshalb
unterlassen hätte, weil er mit einer Nichtbezahlung aufgrund entsprechender
Verfügungen des späteren Insolvenzverwalters gerechnet hätte.
Der Beklagte wusste zur Überzeugung des Berufungsgerichts bei Entgegennahme
der Zahlung auch, dass die X-AG und die Y-GmbH zahlungsunfähig waren, wie sich
aus seinem Insolvenzantrag zwei Tage später ergibt. Nach dem dem
Insolvenzrecht zugrundeliegenden Grundgedanken soll eine Benachteiligung von
Gläubigern durch einseitige Begünstigungen im engen zeitlichen Zusammenhang
mit der Insolvenz vermieden werden. Dies erlaubt lediglich eine
leistungskongruente Bezahlung von Sanierungsberatungen, weil ansonsten eine
Bevorzugung dieser Berater auf Kosten der Insolvenzmasse erfolgen würde. Die
entsprechende Gläubigerbenachteiligung erfolgt vorliegend aus dem Mittelabfluss
seitens der Gesellschaften. Es fehlte an einer Kongruenz mangels einer
Zahlungspflicht, insbesondere einer Vorleistungspflicht und einer entsprechenden
unmittelbaren Gegenleistung des Beklagten. Im übrigen hat der Beklagte nach
seinem eigenen – wenn auch widersprüchlichen – Vortrag nur einen minimalen Teil
seiner Leistung erbracht, nämlich gerade nicht den Hauptteil - den Insolvenzplan -
erstellt. Stellt der Beklagte einerseits darauf ab, dass dies der Hauptteil der von
ihm geschuldeten Leistung gewesen sei, hat er danach widersprüchlich behauptet,
2/3 seiner Tätigkeit nämlich durch Beratung sei bereits bis zur Kündigung erbracht
gewesen. Dass die Leistungen des Beklagten insgesamt keine Aussicht auf
Genehmigung hatten, ergibt sich schon aus der bereits am 17. Juni erfolgten
Kündigung seitens der Gesellschaften auf Veranlassung der Gläubigerausschüsse.
Dass die Banken und Bürgen den Sanierungsideen des Beklagten gegenüber
positiv eingestellt worden seien, ist vom Beklagten nicht hinreichend dargelegt. Die
seinerzeitigen Rahmenbedingungen werden auch durch die veröffentlichen
Unregelmäßigkeiten der betroffenen Gesellschaften und die Ablehnung ihrer
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Unregelmäßigkeiten der betroffenen Gesellschaften und die Ablehnung ihrer
Eigenverwaltung hinreichend illustriert. Mit der wirksamen Kündigung vertraglicher
Beziehungen zum Beklagten ist auch der rechtliche Grund für die Leistung an
diesen entfallen, weshalb er das Erlangte herauszugeben hat.
Es greift auch keine Bargeschäftsausnahme nach § 142 InsO. Eine solche scheidet
bei inkongruenter Deckung bereits begrifflich aus. Es fehlt hier an einer
„unmittelbaren gleichwertigen Gegenleistung“. Dabei kommt es auf Vorarbeiten
des Beklagten bis zum 28. Mai 2002 nicht an, da hierfür nach dem
Beklagtenvortrag selbst nicht die streitige Summe gezahlt worden ist. Für Arbeiten
des Beklagten danach fehlt es einer Differenzberechnung für anzurechnende
Geschäfte des Beklagten. Auch die S-AG hat durch die Zahlung für die Y-GmbH
keinerlei Gegenleistung sondern nur einen Anspruch erlangt, hat also
unverpflichtet vorgeleistet.
Dass es sich bei den angedachten Vereinbarungen zwischen den Parteien nicht
um Werkverträge handelt, zeigt zur Überzeugung des Berufungsgerichts ein Blick
auf die Vereinbarungen (GA 36, 38). Darin ist von einer fortlaufenden
„insolvenzrechtlichen Beratung und Begleitung“ die Rede, sowie von einer
„Vertretung in allen insolvenzrechtlichen Rechtsfragen“.
Aus dem oben gesagten ergibt sich, dass Leistungen des Beklagten vor dem 28.
Mai 2002 nicht Gegenstand der hier streitigen Zahlungen sind. Eine Aufrechnung
ist seitens des Beklagten nicht erklärt worden. Leistungen bis zum 17. Juni 2002,
dem Kündigungsdatum betreffen daher lediglich einen Zeitraum von einer Woche
seit dem 28. Mai 2002. Wie in diesem Zeitraum 2/3 der vom Beklagten
geschuldeten Leistungen erbracht worden sein sollen, bleibt das Geheimnis des
Beklagten, insbesondere dann, wenn er die Insolvenzpläne als seine eigentliche
Leistung angesehen hat. Für diese hat er jedoch noch mit Schriftsatz vom 11. Juli
2002 (GA 132) drei Monate Arbeitszeit eingeplant gehabt. In zweiter Instanz hat
sich der hierfür erforderliche Arbeitsaufwand sogar noch gesteigert, wie sich aus
dem Beklagtenschriftsatz vom 4. Dezember 2005 (GA 266) ergibt. Danach will der
Beklagte für die geschuldete Herstellung der Insolvenzpläne „einen Zeitraum von
sechs Monaten reserviert“ haben.
Für die rechtliche Einordnung einer Sanierungsberatung kann zur Überzeugung
des Berufungsgerichts auch nicht entscheidend sein, ob ein Insolvenzverwalter
derartige Verträge als Dienstverträge sodann jederzeit kündigen kann. Vielmehr
ergibt sich der Charakter des Vertrages aus diesem selbst.
Bei dieser Sachlage ist vorliegend einer Anfechtung aufgrund der inkongruenten
Deckung und mangels Vorliegen eines Bargeschäftes nicht ausgeschlossen.
Bezüglich der Zahlung des Beklagten an Herrn D liegt keine Entreicherung des
Beklagten vor, vergleiche nur MÜ-KO-Kirchhoff, InsO, 2002, Rn. 101 zu § 143 InsO.
Bezüglich der Vereinbarung mit der Y-GmbH liegt keine Genehmigung durch Prof.
C vor, weil dieser hierfür die schwebende Unwirksamkeit des Grundgeschäfts
kennen musste.
Letztlich greift auch das Argument des Beklagten nicht durch, eine
Sanierungsberatung wäre mit der hier vertretenen Lösung gar nicht mehr möglich.
Der mit einem Insolvenzplan beauftragte Berater mag für seine unmittelbar
bevorstehenden Leistungsabschnitte einen Vorschuss vom Auftraggeber
verlangen. Nicht notwendig ist jedoch die vollständige Vorabzahlung seitens des
Mandanten für Leistungen, die möglicherweise niemals abgefragt werden oder gar
keinen Sinn mehr machen. Insbesondere muss es gerade dem Insolvenzverwalter
möglich sein, derart langfristige und umfangreiche Verbindlichkeiten des
insolventen Schuldners zu beenden. Verweigert demgemäß der Insolvenzverwalter
weitere Zahlung, ist dies eine vom Gesetz gewollte Folge. Eine Vorauszahlungs-
„Pflicht“ im Sinne des Beklagten würde nach Auffassung des Berufungsgerichts
den Gläubigerschutz aushebeln. Insofern kann sich der Schuldner eben nicht
anfechtungsfest über die Insolvenzeröffnung hinaus verpflichten. Die Richtigkeit
der hier vertretenen Lösung zeigt sich vorliegend auch daran, dass der Schuldner
selbst noch im vorläufigen Insolvenzverfahren einen Beratungsvertrag mit dem
Beklagten gekündigt hat (GA 45, 46).
Der zugesprochene Zinsanspruch folgt aus Rechtshängigkeit, weshalb es auf
seitens des Beklagten gezogenen Nutzungen nicht ankommt. Die Zinshöhe ergibt
sich aus den vom Landgericht herangezogenen Rechtsgrundlagen, da § 246 BGB
lediglich subsidiär anwendbar ist. Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
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Das Berufungsgericht hat die Revision deshalb zugelassen, weil es dem Beklagten
zugesteht, dass der Fall grundsätzliche Fragen im Zusammenhang mit der
Vorfinanzierung eines Sanierungsplankonzeptes aufwirft, die eine Zulassung nach
§ 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen.
Nebenentscheidungen: §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.