Urteil des OLG Frankfurt vom 02.03.2011

OLG Frankfurt: erblasser, wirtschaftliches interesse, lebensversicherungsvertrag, abtretung, gesellschafter, anfechtbarkeit, darlehen, pilz, gegenleistung, versicherungsschutz

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Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 W 5/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 134 Abs 1 InsO
Anfechtung einer Schenkung durch Insolvenzverwalter
Leitsatz
Zur Anfechtbarkeit der Prämienzahlung auf eine sicherungshalber abgetretene
Lebensversicherung
Anmerkung
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 26.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt/Main vom 14.12.2010 abgeändert.
Dem Antragsteller wird für die beabsichtigte Klage Prozesskostenhilfe für den
ersten Rechtszug bewilligt und Rechtsanwalt RA1, O1, beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des am ….2008
verstorbenen Herrn A. Er begehrt von der Antragstellerin im Wege der
Insolvenzanfechtung nach § 134 InsO Rückerstattung eines Betrages in Höhe der
Ratenzahlungen, die der Erblasser nicht früher als vier Jahre vor dem Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf eine Lebensversicherung bei der B AG
gezahlt hatte. Seine Ansprüche aus der Lebensversicherung hatte der Erblasser
im Jahre 1998 an die Antragsgegnerin abgetreten. Die Abtretung erfolgte aufgrund
einer Kreditvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Autohaus A
GmbH; sie diente der Antragsgegnerin als Sicherheit für das von ihr bewilligte
Darlehen an die GmbH, deren Gesellschafter der Erblasser war. Wegen des
Todesfalles wurde die versicherte Summe von der B AG an die Antragsgegnerin
ausgezahlt.
Das Landgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt mit der
Begründung, dass die angefochtenen Ratenzahlungen im Verhältnis zum
Gläubiger entgeltlich seien, weil die Antragsgegnerin dem Erblasser einen eigenen
ausgleichenden rechtlichen Vorteil dadurch erbracht habe, dass die GmbH, deren
Gesellschafter er war, ein Darlehen erhielt. Gegen diese Entscheidung richtet sich
die sofortige Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten
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Die sofortige Beschwerde ist begründet. Die Erfolgsaussicht der beabsichtigten
Klage kann nicht verneint werden. Der Antragsteller hat den Klageanspruch
schlüssig dargelegt. Die hier in Rede stehenden Ratenzahlungen des Erblassers
auf den Lebensversicherungsvertrag sind anfechtbar gemäß § 134 InsO.
Durch die Ratenzahlungen hat der Erblasser der Antragsgegnerin etwas
unentgeltlich zugewendet. Hier hat die Antragsgegnerin durch die Abtretung die
Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag des Erblassers unentgeltlich
erlangt. Wird – wie hier – eine dritte Person in einen Zuwendungsvorgang
eingeschaltet, kommt es für die Frage der Unentgeltlichkeit nicht darauf an, ob der
Schuldner – hier also die GmbH – selbst einen Ausgleich für seine Leistung
erhalten hat. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Empfänger – hier die
Antragsgegnerin, die den Kredit gewährt hatte – seinerseits eine Gegenleistung
schuldet. Es entspricht der Wertung des § 134 InsO, dass der Empfänger einer
Leistung dann einen geringeren Schutz verdient, wenn er keine ausgleichende
Gegenleistung zu erbringen hat (BGH, Urt. v. 11.12.2008, IX ZR 194/07, Rn. 14
m.w.N., juris). Nach diesen Grundsätzen ist die Besicherung einer fremden Schuld
entgeltlich, wenn der Sicherungsnehmer dem Sicherungsgeber für seine Leistung
die Kreditgewährung an einen Dritten verspricht (BGH a.a.O.). So liegt es hier aber
nicht. Weder die Sicherungsabrede noch der Kreditvertrag lassen erkennen, dass
sich die Antragsgegnerin als Sicherungsnehmerin gegenüber dem Erblasser als
Sicherungsgeber zur Auszahlung des Darlehens an die GmbH verpflichtet hatte.
Der Umstand, dass der Erblasser an der Darlehensgewährung als Gesellschafter
der GmbH ein eigenes wirtschaftliches Interesse hatte, reicht nach neuer
Rechtsprechung zur Begründung der Entgeltlichkeit der Besicherung einer fremden
Forderung nicht aus (BGH, Urt. v. 01.06.2006, XI ZR 159/04, Rn. 14, juris).
Zutreffend gehen die Parteien davon aus, dass die Abtretung der Ansprüche aus
dem Lebensversicherungsvertrag im Jahre 1998 bereits damals – wie bei
Einräumung eines unwiderruflichen Bezugsrechts – der Antragsgegnerin eine
gesicherte Rechtsstellung verschaffte; demgemäß ist die Abtretung der Ansprüche
aus dem Lebensversicherungsvertrag als nicht innerhalb der gesetzlichen Frist
erworben anzusehen.
In einem solchen Fall ist jedoch die Prämienzahlung innerhalb des in § 134 InsO
normierten Vierjahreszeitraumes anfechtbar (Hirte in: Uhlenbruck,
Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 134 Rn. 15; Braun, Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 134
Rn. 23; Lind/Stegmann, ZInsO 2004, 413, 418; Armbrüster/Pilz, KTS 2004, 481,
500). Der Erblasser hat der Antragsgegnerin durch die Ratenzahlungen wie schon
durch die Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungsvertrag etwas
unentgeltlich zugewandt. Durch die angefochtenen Ratenzahlungen hat der
Erblasser zu Gunsten der Antragsgegnerin die Aufrechterhaltung der für den
Todesfall vereinbarten Versicherungssumme „erkauft“ (Armbrüster/Pilz, a.a.O. S.
500; Lind/Stegmann, a.a.O. S. 419). Wären die Ratenzahlungen eingestellt worden,
hätte sich der Versicherungsschutz nach den Bedingungen des
Lebensversicherungsvertrages auf die beitragsfreie Versicherungssumme
verringert. Indem der Erblasser durch seine Ratenzahlungen der Antragsgegnerin
den Wert des ihr im Todesfall zustehenden Anspruchs erhalten hat, hat er mit der
Prämienzahlung zugleich auch eine Leistung an die Antragsgegnerin erbracht.
Zurückzugewähren sind allerdings nicht die Prämien selbst, sondern der
Mehrbetrag, den die Antragsgegnerin aufgrund der hier in Rede stehenden
Ratenzahlungen erlangt hat im Vergleich zu der hypothetischen
Versicherungssumme, die die Antragsgegnerin ohne weitere Beitragszahlungen im
Todesfall erlangt hätte. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der
Differenzbetrag die Klageforderung unterschreitet, ist nicht dargetan.
Der Ausspruch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 127
Abs. 4 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen
nicht vor.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.