Urteil des OLG Frankfurt vom 17.11.2009

OLG Frankfurt: squeeze out, ex tunc, heilende wirkung, satzung, vollmachten, handelsregister, bestätigung, ausschluss, vertreter, entlastung

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Gericht:
OLG Frankfurt 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 116/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 319 Abs 6 S 8 AktG, § 327e
Abs 2 AktG
Orientierungssatz
Anfechtungs-/Nichtigkeitsklage gegen Übertragungsbeschluss einer AG
(Squeeze-Out).
(Keine weiteren Angaben)
Tenor
Die Berufungen der Kläger zu 2), 3), 4), 5), und 6) gegen das am 26.8.2008
verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt
am Main werden zurückgewiesen.
Von den zweitinstanzlichen Gerichtskosten sowie von den zweitinstanzlichen
außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Kläger zu 3) und 4) jeweils 26
% und die Kläger zu 2), 5) und 6) sowie der Streithelfer zu 7) jeweils 12 % zu
tragen. Im Übrigen haben die Parteien ihre zweitinstanzlichen außergerichtlichen
Kosten selbst zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern zu 2), 3), 4), 5), 6) und dem
Streithelfer zu 7) wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer
Sicherheit in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I.
Die Beklagte ist eine deutsche Aktiengesellschaft mit dem Sitz in O1. Mit
Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 16.10.2007 lud sie zu
ihrer Hauptversammlung am 28.11.2007 ein.
Die Teilnahmeberechtigung war wie folgt formuliert:
Grundlage dieser Veröffentlichung war § 16 der am 4. September 2006
geänderten Satzung der Antragstellerin, für die auf den Ausdruck (Anlagenband)
Bezug genommen wird. Gegen die Wirksamkeit dieser Satzungsänderung wurde
Nichtigkeits-/Anfechtungsklage erhoben, über welche noch nicht rechtskräftig
entschieden ist. Die Satzungsänderung wurde am 1. November 2006 in das
Handelsregister eingetragen.
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Für den weiteren Inhalt der Einladung wird auf den Ausdruck aus dem
elektronischen Bundesanzeiger, Anlagenband B 1, Bezug genommen.
Die Kläger zu 2) und 6) nahmen nicht in Person an der Hauptversammlung teil.
Stattdessen unterzeichneten sie jeweils eine Vollmachtsurkunde, welche sie an
einen Bevollmächtigten, Herrn Dr. X, per Telefax sandten. Als Herr Dr. X auf der
Hauptversammlung am 28.11.2007 die Faxkopien vorlegte, wurde ihm seitens der
Beklagten die Teilnahme für die Kläger zu 2) und 6) mangels Vorlage einer
schriftlichen Vollmacht verweigert.
Auf der Hauptversammlung wurden u.a. folgende Beschlüsse gefasst:
Unter TOP 2. über die Verwendung des Bilanzgewinns 2006, unter TOP 3. über die
Entlastung des Vorstands, unter TOP 4. über die Entlastung des Aufsichtsrats,
unter TOP 7. über die Bestätigung des Beschlusses der Hauptversammlung vom
5.9.2006 über die Entlastung des Vorstands für das Geschäftsjahr 2005, unter TOP
8. über die Bestätigung des Beschlusses der Hauptversammlung vom 4.9.2006
über eine Änderung der Satzung sowie unter TOP 10. über die Übertragung der
Aktien der Minderheitsaktionäre der Antragstellerin auf die Hauptaktionärin Y
Holding AG gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe von 42,32 € je Aktie.
Die Kläger haben jeweils Anfechtungs-/Nichtigkeitsklage gegen den
Übertragungsbeschluss zu TOP 10., die Kläger zu 3) und 4) darüber hinaus auch
gegen die Beschlussfassungen zu TOP 2., 3., 4., 7. und 8. erhoben.
Die Kläger zu 3) und 4) haben geltend gemacht, dass die auf der
streitgegenständlichen Hauptversammlung gefassten Beschlüsse nichtig seien.
Die Einberufung sei nicht rechtmäßig erfolgt, da die Satzungsänderung, aufgrund
derer die Teilnahme- und Stimmberechtigung angegeben worden sei, in einer
Hauptversammlung beschlossen worden sei, die ihrerseits unter Verstoß gegen
die Vorschriften des Aktiengesetzes einberufen worden sei.
Im Übrigen haben die Kläger geltend gemacht, dass die angebotene Abfindung
unangemessen sei. Auch habe die Hauptaktionärin nicht nachgewiesen, dass sie
mindestens 95 % der Aktien der Beklagten halte. Jedenfalls habe sich die
Hauptaktionärin nicht rechtzeitig zu der Hauptversammlung mit ihrem
Aktienbesitz angemeldet. Außerdem habe die Hauptaktionärin einem
Stimmverbot nach § 28 WpHG unterlegen, da die entsprechende Meldung nach §
21 WpHG nicht erfolgt sei.
Die Kläger zu 2) und 6) haben geltend gemacht, dass sie in ihren
Teilnahmerechten verletzt worden seien, da ihrem Bevollmächtigten die Teilnahme
an der Abstimmung für sie zu Unrecht verweigert worden sei.
Alle Kläger und ihre Streithelfer haben beantragt,
den Beschluss der Hauptversammlung der Antragstellerin vom
28.11.2007 zu TOP 10. (Übertragungsbeschluss) für nichtig zu erklären, bzw.
festzustellen, dass der Beschluss nichtig ist.
Darüber hinaus haben die Kläger zu 3) und 4) beantragt,
festzustellen, dass auch die Beschlüsse zu TOP 2., 3., 4., 7. und 8.
nichtig sind.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, dass die angefochtenen Beschlüsse wirksam seien.
Für die weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils, S. 3 ff. (Bl. 248 ff. d.A.) Bezug genommen.
Mit Urteil vom 26.8.2008 hat das Landgericht die Klagen in vollem Umfang
abgewiesen, da weder ein Einladungsmangel noch sonst ein Anfechtungs- oder
Nichtigkeitsgrund hinsichtlich der streitgegenständlichen
Hauptversammlungsbeschlüsse vorliege. Auch die Zurückweisung des
Bevollmächtigten Dr. X mangels Vorlage einer schriftlichen Vollmacht sei nicht zu
beanstanden. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die
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beanstanden. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die
Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, S. 6 ff. (Bl. 301 ff. d.A.) Bezug
genommen.
Mit Beschluss vom 12.9.2008 (5 W 21/08) hat der Senat die Eintragung des
Übertragungsbeschlusses (TOP 10.) freigegeben. Er wurde daraufhin am 6.10.2008
in das Handelsregister der Gesellschaft eingetragen. Auf einer weiteren
Hauptversammlung der Beklagten am 20.3.2009 wurden sodann die
streitgegenständlichen Beschlüsse nochmals bestätigt. Eine Anfechtung ist
insoweit nicht erfolgt.
Mit ihren Berufungen verfolgen die Kläger zu 2) bis 6) und der Streithelfer zu 7)
ihre ursprünglichen Anträge weiter. Sie wiederholen und vertiefen ihr
erstinstanzliches Vorbringen.
Die Kläger zu 2) bis 6) sowie der Streithelfer zu 7) beantragen,
das am 26.8.2008 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen
des Landgerichts Frankfurt am Main aufzuheben und den Beschluss zu TOP 10.
(Übertragungsbeschluss) für nichtig zu erklären, bzw. seine Nichtigkeit
festzustellen.
Darüber hinaus beantragen die Kläger zu 3) und 4),
festzustellen, dass die Beschlüsse zu TOP 2., 3., 4., 7. und 8. nichtig
sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt und vertieft ihren
erstinstanzlichen Vortrag. Darüber hinaus vertritt sie die Auffassung, dass die
Berufung des Streithelfers zu 7) mangels Begründung bereits unzulässig sei. Im
Übrigen sei die Anfechtungsbefugnis der Kläger entfallen, da sie mit der
Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister am 6.10.2008
ihre Aktionärsstellung verloren hätten. Die geltend gemachten Verfahrensmängel
seien überdies durch die Bestätigung der angefochtenen Beschlüsse in der
Hauptversammlung vom 20.3.2009 geheilt worden.
Wegen des weiteren Vorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze
des Klägers zu 2) vom 29.10.2008 (Bl. 400 d.A.) und 25.9.2009 (Bl. 514 ff. d.A.),
der Kläger zu 3) und 4) vom 3.12.2008 (Bl. 424 ff. d.A.), der Klägerin zu 5) vom
27.11.2008 (Bl. 417 ff. d.A.), des Klägers zu 6) vom 28.10.2008 (Bl. 390 ff. d.A.)
sowie der Beklagten vom 30.4.2009 (446 ff. d.A.) Bezug genommen.
II.
1. Die Berufungen sind zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und
begründet worden. Durch seine Berufung unterstützt der Streithelfer zu 7) die
Berufungsführer. Seine Bezugnahme auf deren Vortrag begegnet daher keinen
Bedenken.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Berufungsführer besteht allerdings nur
hinsichtlich der Klagen gegen die Beschlussfassungen zu TOP 2. (Verwendung des
Bilanzgewinns 2006) und 10. (Übertragungsbeschluss). Es fehlt, soweit die Kläger
zu 3) und 4) darüber hinaus auch die Beschlussfassungen zu TOP 3., 4., 7. und 8.
angreifen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 9.10.2006, II ZR
46/05, zitiert nach juris, Rdn. 17 ff.) besteht die Klagebefugnis eines Aktionärs
analog § 265 Abs. 2 ZPO grundsätzlich auch nach einem Zwangsausschluss
gemäß §§ 327 a ff. AktG weiter. Etwas anderes gilt (nur) dann, wenn die
Anfechtung gegen Beschlüsse gerichtet ist, an deren Vernichtung der
ausgeschiedene Aktionär kein berechtigtes Interesse mehr hat (BGH a.a.O. Rdn.
17 unter Hinweis auf RGZ 66, 134, 138 und BGHZ 43, 261, 267 - zur GmbH).
b) Hinsichtlich des „Squeeze-Out“-Beschlusses selbst (TOP 10) folgt ein
berechtigtes Interesse bereits aus §§ 327e Abs. 2, 319 Abs. 6 Satz 8 AktG. Denn
nach diesen Vorschriften stünde den Kläger jedenfalls dem Grunde nach ein
Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn im vorliegenden Hauptsacheverfahren die
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Anspruch auf Schadensersatz zu, wenn im vorliegenden Hauptsacheverfahren die
Nichtigkeit des aufgrund der Entscheidung im Freigabeverfahren eingetragenen
Beschlusses festgestellt oder erklärt würde.
Ebenfalls besteht ein berechtigtes Interesse der Kläger zu 3) und 4) an der
Vernichtung des Beschlusses zur Verwendung des Bilanzgewinns für das Jahr 2006
(TOP 2), da dieser einen Zeitraum vor ihrem Ausschluss betrifft.
c) Anders als hinsichtlich der Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 10 ist hingegen ein
rechtliches Interesse der Kläger zu 3) und 4) an einer Vernichtung der Beschlüsse
zu TOP 3., 4., 7. und 8. nicht (mehr) erkennbar, nachdem sie durch die Eintragung
des Übertragungsbeschlusses ihre Aktionärsstellung verloren haben. Denn eine
Auswirkung auf die ihnen zustehende Barabfindung oder sonstige
Vermögensinteressen ist nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.
3. Entgegen der Meinung der Kläger zu 3) und 4) unterlag die Einladung zu der
streitgegenständlichen Hauptversammlung keinen Mängeln. Dies hat der Senat
bereits im Freigabebeschluss vom 12.9.2008 (S. 8 ff.) festgestellt hat, wo es heißt:
Diese Begründung erhält der Senat in vollem Umfang aufrecht.
4. a) Inhaltliche Mängel des Beschlusses zu TOP 2 (Verwendung des Bilanzgewinns
2006) werden von den Klägern zu 3) und 4), welche diese Beschlussfassung als
einzige angefochten haben, nicht geltend gemacht.
b) Auch die Beschlussfassung zu TOP 10 (Ausschluss der Minderheitsaktionäre) ist
im Gegensatz zur Meinung der Kläger zu 2), 5) und 6) inhaltlich nicht zu
beanstanden, wie dies der Senat bereits in seinem Beschluss vom 12.9.2008 (5 W
21/08, S. 9 ff.) festgestellt hat:
„…
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Auf diese Begründung wird in vollem Umfang Bezug genommen. Gesichtspunkte,
die eine andere Beurteilung gebieten könnten, sind nicht vorgetragen.
Dies gilt auch, soweit die Klägerin zu 5) in ihrer Berufungsbegründung vom
27.11.2008, S. 2 (Bl. 418 d.A.) rügt, dass sich das Landgericht mit der Frage eines
Stimmverbotes zu Lasten der Hauptaktionärin der Beklagten sowie deren
Anmeldung zur Hauptversammlung nicht hinreichend auseinandergesetzt habe.
Denn die Beklagte hat in den Anlagen B 15 und B 16 (Sonderband) das
Anmeldeverzeichnis, welches unter Nr. 123 die Hauptaktionärin enthält, ebenso
vorgelegt wie eine Bestätigung der Z-Bank vom 19.11.2007. Soweit der Kläger zu
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vorgelegt wie eine Bestätigung der Z-Bank vom 19.11.2007. Soweit der Kläger zu
5) rügt, dass in dem angefochtenen Urteil „die Frage der Adressierung“ nicht
problematisiert worden sei, so hat die Beklagte in ihrer Berufungserwiderung vom
30.4.2009, S. 25/26 (Bl. 470/471 d.A.) dargelegt, dass es sich bei der Empfängerin
A um das für die Hauptversammlung beauftragte Dienstleistungsunternehmen
gehandelt habe. Hierauf hat der Kläger zu 5) nicht mehr erwidert.
Ihren Anteilsbesitz von über 95 % (insgesamt einschließlich vorzunehmender
Zurechnungen 98,59 %) hat die Beklagte bereits erstinstanzlich mit den Anlagen B
4 bis B 7 (Sonderband) belegt. Gleiches gilt bezüglich der entsprechenden
Meldungen nach § 21 Abs. 1 WPHG (Anlage B 10 bis B 14, Sonderband). Das
pauschale Bestreiten ohne irgendeine Angabe der möglichen Fehler seitens des
Klägers zu 5) reicht deshalb nicht aus.
5. Nach alledem sind die angefochtenen Beschlüsse der streitgegenständlichen
Hauptversammlung weder nichtig noch anfechtbar. Die Berufungen waren daher
zurückzuweisen.
Eine Verbindung mit dem bei dem Senat anhängigen Verfahren 5 U 65/07 kommt
nicht in Betracht, da das vorliegende Verfahren entscheidungsreif ist (vgl.
Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl., § 147 Rn. 5). Sie widerspräche auch der
Prozessökonomie, da ein Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung das
Verfahren verzögerte. Aus diesem Grund rechtfertigt auch das Vorbringen des
Klägers zu 3) in seinem Schriftsatz vom 26.10.2009 (Bl. 516 ff. d.A.) eine
Verbindung nicht.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Da es sich bei
dem Streithelfer zu 7) gem. § 69 ZPO um einen streitgenössischen
Nebenintervenienten handelt, ist er gem. §§ 101 Abs. 2, 100 Abs. 1 ZPO ebenfalls
zur anteiligen Tragung der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der
Beklagten verpflichtet (BGH, Beschluss vom 18.6.2007, II ZB 23/06, Leitsatz).
Die die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§
708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO
nicht gegeben sind.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.