Urteil des OLG Frankfurt vom 18.06.2007

OLG Frankfurt: eltern, wahrscheinlichkeit, leistungsfähigkeit, selbstbehalt, zusammenleben, zuwendung, haushalt, entlastung, europarecht, berechtigung

1
2
Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 WF 210/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1361 Abs 1 S 1 Halbs 1 BGB,
§ 114 ZPO
(Trennungsunterhalt: Erhöhtes Einkommen des
Unterhaltsschuldners bei finanzieller Unterstützung aus
dem Familienkreis)
Leitsatz
Zuwendungen sind bei der Ermittlung der Bedüftigkeit im PKH-Verfahren nur dann als
geldwerte Beträge zu werten, die die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners
steigern, wenn diese Zuwendungen der Entlastung des Unterhaltsgläubigers dienen
sollen. Bei Leistungen aus dem Familienkreis spricht eine tatsächliche Vermutung
dafür, dass die Leistungen dem begünstigten Familienangehörigen allein zu Gute
kommen soll.
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Biedenkopf vom 24. April 2007 wird auf die
sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 25.05.2007 abgeändert.
Der Antragstellerin wird unter Beiordnung von Rechtsanwalt … Prozesskostenhilfe
bewilligt, soweit sie rückständigen Trennungsunterhalt für die Monate Oktober und
November 2006 in Höhe 250,66 Euro und laufenden Unterhalt ab Februar 2007 in
Höhe von 125,33 Euro geltend macht.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdegebühr wird auf die Hälfte ermäßigt (KV Nr. 1812 zu § 3 Abs. 2
GKG); außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
Die Antragstellerin und der Antragsgegner sind seit dem 22.07.1993 verheiratet.
Sie leben seit September 1999 dauerhaft voneinander getrennt. Der
Antragsgegner hat eine Zeit lang auf einen anwaltlichen Rat hin 270,26 Euro
monatlichen Unterhalt gezahlt. Die Antragstellerin bezieht bereits Rente in Höhe
von monatlich 264,22 Euro. Zusätzlich verdient sie im Rahmen einer
Nebentätigkeit 345 Euro. Der Antragsgegner erzielt monatliche Einkünfte in Höhe
von 1.257,33 Euro aus Erwerbstätigkeit. Er bewältigt eine Fahrtstrecke zur Arbeit
von 24 km. Auf eine Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt der Antragsgegner
monatlich 98,73 Euro. Der Antragsgegner lebt im Haus seiner Eltern. Ob er dort
Miete zahlt, ist streitig.
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für den Antrag, den Antragsgegner
zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 427,76 Euro zu
verurteilen. Trennungsunterhalt für die Monate Oktober und November 2006
macht sie in Höhe von insgesamt 540,52 Euro geltend. Dabei legt sie die
ursprünglich gezahlten monatlichen Unterhaltsbeträge in Höhe von 270,26 Euro
zugrunde und vertritt dazu die Meinung, dieser Unterhaltsbetrag sei vertraglich
vereinbart.
3
4
5
6
7
8
Mit Beschluss vom 24.04.2007 hat das Amtsgericht Biedenkopf der Antragstellerin
Prozesskostenhilfe gewährt, soweit sie monatlich 26,60 Euro Unterhalt begehrt.
Diesen Betrag hat das Amtsgericht Biedenkopf auch für die Rückstände zugrunde
gelegt und daher Prozesskostenhilfe für Rückstände in Höhe von 53,20 Euro
bewilligt. Gegen diesen Beschluss führt die Antragstellerin zulässig sofortige
Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
Auf die sofortige Beschwerde hin war der Prozesskostenhilfebeschluss teilweise
abzuändern, da die beabsichtigte Klage in höherem Umfang erfolgreich sein kann,
als dies im angefochtenen Beschluss zugrunde gelegt worden ist. Die hinreichende
Erfolgsaussicht der von der Antragstellerin beabsichtigten Unterhaltsklage muss
nach dem Maßstab des § 114 ZPO danach beurteilt werden, ob nach einer
vorläufigen Prüfung eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Antragstellerin der
begehrte Unterhalt zusteht. Für bestrittene Tatsachen reicht zunächst aus, dass
diese dem Beweis zugänglich sind; es ist nicht erforderlich, dass Beweis bereits
angetreten worden ist Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist auch keine
überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Erfolgsaussicht zu fordern, vielmehr ist es
ausreichend, wenn nach den bisherigen Umständen eine gewisse
Wahrscheinlichkeit für die Berechtigung der Unterhaltsansprüche spricht
(Baumbach/Lauterbach/Hartmann, 64. Auflage, Rn. 80 zu § 114 ZPO).
Danach war der Antragstellerin Prozesskostenhilfe für die im Eingang genannten
Unterhaltsbeträge zu bewilligen, weil diese mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit
nach vorläufiger Prüfung geschuldet sein könnten.
Bei Einkünften in Höhe von 1.257,33 Euro ist der Antragsgegner gegebenenfalls zu
einer Leistung von höheren Unterhaltszahlungen als rund 30 Euro monatlich in der
Lage. Soweit die Antragstellerin allerdings die Auffassung vertritt, für den
Antragsgegner sei ein höheres Einkommen zu veranschlagen, weil er mietfrei im
Haus seiner Eltern lebt, kann dem nicht gefolgt werden. Auch die Auffassung der
Antragstellerin, der Selbstbehalt des Antragsgegners sei niedriger anzusetzen,
weil er mietfrei lebe und im Haushalt der Eltern verköstigt wird, ist nicht tragfähig.
Soweit die Eltern des Antragsgegners diesem über die Bereitstellung von
Wohnraum oder die Teilhabe an Mahlzeiten eine finanzielle Unterstützung
kommen lassen, handelt es sich um eine Zuwendung. Zuwendungen sind nur
dann als geldwerte Beträge zu werten, die die Leistungsfähigkeit des
Unterhaltsschuldners steigern, wenn diese Zuwendungen der Entlastung des
Unterhaltsgläubigers dienen sollen. Bei Leistungen aus dem Familienkreis spricht
eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Leistungen dem begünstigten
Familienangehörigen allein zu Gute kommen soll (BGH, FamRZ 1995, Seite 537,
so auch Ziffer 8 der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt am Main, Stand
01.07.2005). Dazu, dass die Eltern des Antragsgegners diesem den Wohnvorteil
bzw. weitere finanzielle Vergünstigungen zukommen lassen, um dessen
Leistungsfähigkeit im Hinblick auf den Ehegattenunterhalt zu steigern, fehlen
Anhaltspunkte. Es ist daher für das leistungsfähige Einkommen des
Antragsgegners davon auszugehen, dass dieser über monatlich 1.257,33 Euro
verfügt.
Soweit das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung davon ausgegangen
ist, dass die Beiträge zur Berufsunfähigkeitsversicherung in Abzug gebracht
werden können, ist dem für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens nicht zu
folgen.
Beiträge zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung können allgemein die
Leistungsfähigkeit nur unter bestimmten Bedingungen schmälern. So kann davon
ausgegangen werden, dass eine Abzugsfähigkeit besteht, wenn für den
Unterhaltsgläubiger die Möglichkeit besteht, von der
Berufsunfähigkeitsversicherung zu profitieren (so OLG Hamm, FamRZ 2001, 625).
Im Übrigen müssen besondere Gründe dafür vorgetragen werden, warum eine
Berufsunfähigkeitsversicherung abzugsfähig sein soll. Derartige Gründe hat der
Antragsgegner bisher nicht vorgebracht, so dass für die vorläufige Prüfung des
Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens nicht von einer Abzugsfähigkeit
ausgegangen werden kann. Damit ergibt sich, dass von dem Einkommen des
Antragsgegners in Höhe von 1.257,33 Euro lediglich die zutreffend geltend
gemachten Fahrtkosten in Höhe von 132 Euro in Abzug gebracht werden können.
Ihm verbleiben daher 1.125,33 Euro. Unter Berücksichtigung des angemessenen
Selbstbehaltes in Höhe von 1.000 Euro ist der Antragsgegner daher
möglicherweise zur Leistung von 125,33 Euro Ehegattenunterhalten in der Lage.
9
10
11
möglicherweise zur Leistung von 125,33 Euro Ehegattenunterhalten in der Lage.
Da damit selbst der Mindestbedarf der Antragstellerin (890 Euro) nicht gedeckt ist,
ergibt sich ein Unterhaltsanspruch in dieser Höhe aus § 1361 BGB.
Eine Herabsetzung des Selbstbehaltes ist nicht gerechtfertigt. Dafür spricht auch
nicht der Umstand, dass der Antragsgegner im Haushalt seiner Eltern lebt. Hier
gilt zunächst das für die Zuwendung bereits Ausgeführte. Im Übrigen ist davon
auszugehen, dass das Zusammenleben mit den Eltern ebensowenig wie das
Zusammenleben mit einem neuen Lebensgefährten es rechtfertigt, den
Selbstbehalt zu reduzieren (21.5.3 der Unterhaltsgrundsätze des OLG Frankfurt
am Main, Stand 01.07.2005).
Nach alledem war der Beschluss des Amtsgerichts Biedenkopf abzuändern.
Unberücksichtigt bleiben mussten vor dem Hintergrund der mangelnden
Leistungsbereitschaft des Beklagten etwaige Realsplittingvorteile. Denn den
Unterhaltsschuldner trifft eine Obliegenheit zur Geltendmachung des Realsplittings
nur insoweit, als er den Unterhaltsanspruch anerkannt hat, dieser rechtskräftig
feststeht oder soweit er den Unterhaltsanspruch freiwillig erfüllt (BGH, FamRZ
2007, 793).
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren folgt, KV Nr. 1812 zu § 3
Abs. 2 GKG, § 127 Abs. 4 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.