Urteil des OLG Frankfurt vom 27.01.2005

OLG Frankfurt: gebäude, auszahlung der versicherungsleistung, eintritt des versicherungsfalls, eintritt des versicherungsfalles, kontrolle, grobe fahrlässigkeit, obliegenheit, heizungsanlage

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Gericht:
OLG Frankfurt 14.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
14 U 104/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 11 Nr 1 Buchst d VGB 1988
(Leistungsfreiheit der Wohngebäudeversicherung:
Verletzung der Obliegenheit zur Beheizung von Gebäuden
in der kalten Jahreszeit)
Leitsatz
Zur Leistungsfreiheit des Gebäudeversicherers bei einer Obliegenheitspflichtverletzung
des Versicherungsnehmers (hier: mangels Kontrolle ausgefallene Heizung).
Gründe
I.
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Entschädigungsansprüche aus einer
Gebäudeversicherung gegen Leitungswasserschäden geltend. Versichert sind die
Gaststättenräume und die darüber gelegene Privatwohnung. Dem
Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen -
Leitungswasser - Gebäude und Inhalt (SV-LW 2001 E) zugrunde. Hier heißt es in §
7 Nr.1 c:"Der Versicherungsnehmer hat während der kalten Jahreszeit alle
Gebäude und Gebäudeteile genügend zu beheizen und genügend häufig zu
kontrollieren oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen
abzusperren, zu entleeren und entleert zuhalten“.
Am 04.01.2003 fuhr die Klägerin mit ihrem Ehemann in Urlaub. Während der
Abwesenheit der Klägerin wurde die Gaststätte nicht betrieben und niemand hatte
die Möglichkeit, das Gebäude mittels eines Schlüssels zu betreten. Am 04.01.2003
herrschten Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, ab dem 05.01.2003
traten Minustemperaturen auf, die am 08.01. 2003 mit -16°C ihren Höhepunkt
erreichten, noch am 09.01. 2003 herrschten Minustemperaturen von -8° C bis -
14° C, am 10.04. 2003 noch von -4,8° C bis -13° C. Nach ihrer Rückkehr aus dem
Urlaub stellte die Klägerin am 10.01.2003 fest, dass die Heizung ausgefallen war.
Die wasserführenden Leitungen und Rohre waren geplatzt und es war erheblicher
Sachschaden entstanden. Die Klägerin meldete den Schaden am 10.01.2003.
Noch am selben Tag nahm der Außendienstmitarbeiter A der Beklagten den
Schaden in Augenschein. Am 15.01.2003 besichtigte ein Schadensregulierer der
Beklagten den Schaden. Die Beklagte lehnte die Regulierung des Schadens mit
Schreiben vom 21.01.2003 ab, berief sich auf eine Obliegenheitsverletzung durch
die Klägerin, weil die Heizung nicht hinreichend häufig kontrolliert worden sei und
kündigte den Versicherungsvertrag.
Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Wasserzufuhr abgestellt und die Heizung
auf Stufe 2 von 7 Stufen laufen lassen. Außerdem habe sie einen Nachbarn
beauftragt, auf das Gebäude zu achten. Die Heizung müsse zwischen dem 08. und
10.01.2003 ausgefallen sein. Die Heizung sei erst zwei Jahre alt, arbeite
vollautomatisch und kontrolliere sich damit selbst. Sie habe bis dahin immer
ordnungsgemäß funktioniert.
Außerdem habe der Mitarbeiter A für die Beklagte am 10.01.2003 zugesagt, dass
der Schaden von der Beklagten getragen werde. Deshalb sei sie davon
ausgegangen, dass der Eintritt der Beklagten für den Schaden bereits abgeklärt
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ausgegangen, dass der Eintritt der Beklagten für den Schaden bereits abgeklärt
sei und ihr die Auszahlung der Versicherungsleistung zugesagt werde.
Die Beklagte hat bestritten, dass die Heizung während der Abwesenheit der
Klägerin überhaupt in Betrieb gewesen sei. Sie hat außerdem behauptet,
gegenüber ihrem Regulierungsbeauftragten sei erklärt worden, dass zwischen dem
03. und 10.01 2003 die Heizung überhaupt nicht kontrolliert worden sei. Das
Ausmaß der am 10.01.2003 festgestellten Schäden lasse es auch ausgeschlossen
erscheinen, dass die Heizung am 08. oder 09.01.2003 noch gelaufen sei, denn alle
Leitungen im 1. Obergeschoss und Dachgeschoss seien aufgefroren gewesen,
ebenfalls die Gastherme, die Spülmaschine und zwei Durchlauferhitzer. Die
Klägerin habe keinerlei Kontrollen veranlasst.
Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Zur
Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei nicht leistungsfrei geworden. Zwar
sei das Gebäude während der Abwesenheit der Klägerin nicht genügend beheizt
worden und es sei auch nicht kontrolliert worden. Diese Obliegenheitsverletzungen
beruhten aber weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit. Es habe sich
nämlich der Klägerin nicht aufdrängen müssen, dass die Heizungsanlage während
ihrer Abwesenheit aufgrund eines technischen Defekts ausfallen könne. Nach der
Aussage des Zeugen Z sei die Heizungsanlage bis zum Schadensfall nie
ausgefallen. Sie sei auf Dauerbetrieb in der Stufe 2 gestellt gewesen. Außerdem
seien die Heizkörper mit automatischen Temperaturreglern versehen gewesen.
Die Obliegenheitsverletzung der Klägerin sei deshalb nicht grob fahrlässig.
Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, auch bei einer modernen
vollautomatischen Heizung sei die Einhaltung von Plus-Temperaturen nur
gewährleistet, wenn die Heizung tatsächlich laufe. Gerade um das sicherzustellen,
seien die Kontrollen erforderlich, die bei den im fraglichen Zeitraum herrschenden
Minustemperaturen und bei einer Einstellung der Heizung auf Stufe 2 und der
Heizkörperthermostate auf nur 5° C wegen der Gefahr des schnellen Einfrierens
wasserführender Leitungen besonders engmaschig hätten sein müssen. Das
Unterlassen jeglicher Kontrolle sei deshalb grob fahrlässig gewesen.
Sie beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Sicherheitsvorschrift des § 7
Nr.1 c der Leitungswasser-Versicherungsbedingungen sei nicht anwendbar, weil
das Gebäude nicht ungenutzt gewesen sei, denn die Klägerin sei nur kurzzeitig
abwesend gewesen. Jedenfalls aber sei das Unterlassen von Kontrollen bei einer
bisher störungsfrei gelaufenen Heizungsanlage nicht grob fahrlässig gewesen, weil
die Klägerin nur sieben Tage abwesend gewesen sei. Bei einer so kurzen
Abwesenheit müsse überhaupt keine Kontrolle erfolgen.
II.
Die Berufung ist zulässig, weil sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt
und begründet worden ist.
Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen
Anspruch auf Versicherungsschutz aus der Leitungswasserversicherung wegen des
aufgrund der eingefrorenen Heizung im Januar 2003 eingetretenen Schadens.
Die Beklagte ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil die Klägerin eine vor
Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit grob fahrlässig verletzt
hat.
Die Sicherheitsvorschriften des § 7 der SV-LW 2001 E sind Obliegenheiten. Nach §
7 Nr. 1 c) SV-LW 2001 E ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, in der kalten
Jahreszeit das Gebäude zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren
oder dort alle wasserführenden Einrichtungen zu entleeren. Es kommt also nicht
darauf an, ob das Gebäude genutzt oder bewohnt wird. Im Winter ist jedes
Gebäude zu beheizen und die Heizung genügend häufig zu kontrollieren. Wenn das
Gebäude ständig bewohnt wird, findet diese Kontrolle ohnehin statt, weil der Ausfall
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Gebäude ständig bewohnt wird, findet diese Kontrolle ohnehin statt, weil der Ausfall
der Heizung sich durch unangenehme Kälte rechtzeitig bemerkbar macht. Wenn
sich aber längere Zeit niemand in dem Gebäude aufhält, ist eine regelmäßige
Kontrolle des Funktionierens der Heizung erforderlich.
Eine mangels Kontrolle ausgefallene Heizung verstößt objektiv gegen die
Obliegenheit. Objektiv ist die Obliegenheit verletzt, sobald die Heizung ausfällt, weil
das Gebäude dann nicht mehr beheizt wird (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht,
3. Auflage, M I 71 und 75). Die objektive Verletzung der Obliegenheit begründet
gleichzeitig auch den Schuldvorwurf. Nach § 6 I VVG ist der Entschuldigungsbeweis
Sache des Versicherungsnehmers. Das bedeutet, dass die Klägerin sich vom
zunächst vermuteten schwereren Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit)
bei der Nichterfüllung der Obliegenheit entlasten muss. Die von der Klägerin
vorgetragenen und die unstreitigen Umstände ergeben jedoch nichts, was die
Klägerin vom Vorwurf des groben Verschuldens entlasten könnte. Nach § 7 Ziffer
1. c) SV-LW 2001 E muss die Beheizung des Gebäudes in der kalten Jahreszeit
genügend häufig kontrolliert werden. Dafür, dass dies geschah, war die Klägerin
verantwortlich. Der Zweck dieser Sicherheitsvorschrift ist die Vermeidung von
Leitungswasserschäden durch Frost. An diesem Zweck müssen sich die zu
ergreifenden Maßnahmen orientieren. Es reichte deshalb nicht aus, die Heizung
auf Stufe 2 in Betrieb zu halten und dafür zu sorgen, dass die Temperaturregler
der Heizkörper auf mindestens 5°C Raumtemperatur eingestellt waren. Um ein
Einfrieren der Heizung zu vermeiden, war nämlich bei den zu erwartenden
Minustemperaturen - bereits am 04.01.2003 herrschten Tagestemperaturen
knapp über dem Gefrierpunkt und ab dem 05.01.2003 setzte strenger Frost ein,
was die Klägerin bereits bei ihrer Abreise dem Wetterbericht hätte entnehmen
können -eine engmaschige Kontrolle des Funktionierens der Heizung erforderlich,
um einen unerwarteten, aber jederzeit möglichen Ausfall der Heizung rechtzeitig
festzustellen. Die Klägerin hatte sicher zu stellen, dass nach einem
Heizungsausfall ein Einfrieren der Heizung zuverlässig verhindert wurde. Bei
Minustemperaturen auch tagsüber waren verstärkte Kontrollen notwendig, unter
den hier gegebenen Umständen sogar täglich. Denn die Heizung war so niedrig
eingestellt worden, dass bei einem Ausfall mit einem schnellen Einfrieren
gerechnet werden musste, zumal, wie die Klägerin vorgetragen hat, der
Heizungsraum besonders der Kälte ausgesetzt ist und einige Heizungsrohre
ungedämmt an einer Außenwand verlaufen. Auch die Tatsache, dass die
Heizungsanlage nach der Aussage des Zeugen Z erst drei Jahre alt war,
vollautomatisch funktioniert und bisher niemals ausgefallen war, entlastet die
Klägerin nicht vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Denn auch neuwertige
Heizungen, gerade wenn sie mit zahlreichen elektronischen Bauteilen
funktionieren, können ausfallen. Es reicht deshalb nicht aus, die Heizung lediglich
auf niedriger Stufe in Betrieb zu halten, wenn bei drohendem strengen Frost eine
Abwesenheit von sieben Tagen geplant ist. Die Sicherheitsvorschrift des § 7 Nr. 1
c) SV-LW 2001 E ist schon dann grob fahrlässig verletzt, wenn nicht durch eine
ausreichende Kontrolle sichergestellt ist, dass das Wasser in der Heizungsanlage
nicht einfrieren kann. Die Umstände des vorliegenden Falles geben keinen Anlass,
das Verschulden der Klägerin in milderem Lichte zu sehen, vielmehr begründet
hier das Unterlassen jeglicher Kontrolle den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, weil
bei der bevorstehenden Kältewelle vorhersehbar war, dass es bei einem
plötzlichen Ausfall der Heizung binnen kurzer Zeit zu einem Frostschaden
kommen würde. Es lag deshalb auf der Hand und musste jedermann einleuchten,
dass eine Kontrolle des Funktionierens der Heizung in kurzen Abständen
erforderlich war. Wenn die Klägerin eine solche Kontrolle nicht sicherstellte, ist
darin auch ein subjektiv vorwerfbarer besonders schwerer Verstoß gegen die
verkehrserforderliche Sorgfalt zu sehen, weil sie ganz naheliegende Überlegungen
nicht angestellt hat, die sich unter den gegebenen Umständen aufdrängen
mussten.
Den Beweis, dass die Verletzung der vereinbarten Sicherheitsvorschriften keinen
Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang des Schadens
gehabt hat (§ 6 II VVG), hat die Klägerin nicht geführt. Denn es kann nicht
ausgeschlossen werden, dass bei ausreichend häufigen Kontrollen zwischen dem
05. und dem 10.01.2003 der Ausfall der Heizung bemerkt worden wäre, bevor der
Frostschaden eingetreten war.
Da die Beklagte auch fristgerecht den Versicherungsvertrag unter Berufung auf die
Obliegenheitsverletzung gekündigt hat, ist sie von der Verpflichtung zur Leistung
frei.
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Die Klägerin kann auch keine Ansprüche aus einer etwaigen Erklärung des
Mitarbeiters der Beklagten herleiten, der Schaden werde von der Beklagten
getragen. Denn eine solche noch am Tag der Schadensmeldung von einem
Mitarbeiter, der - der Klägerin bekannt - im Außendienst der Beklagten tätig ist,
abgegebene Erklärung kann nicht einmal als deklaratorisches Schuldanerkenntnis
verstanden werden. Bei dem hier schon am 10.01.2003 erkennbaren Umfang des
Schadens und angesichts der noch völlig ungeklärten Umstände der Entstehung
des Schadens konnte die Klägerin eine Äußerung eines kurzfristig zur ersten
Orientierung über die örtliche Situation erschienenen Mitarbeiters, die Beklagte
werde den Schaden regulieren, nicht als eine Erklärung verstehen, mit der die
Beklagte sich hinsichtlich ihrer Eintrittspflicht bereits endgültig binden wollte. Es ist
der Beklagten deshalb nicht aus dem Gesichtspunkt eines deklaratorischen
Anerkenntnisses verwehrt, sich auf die Obliegenheitsverletzung der Klägerin zu
berufen.
Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Grundurteil abzuändern und die
Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Entscheidung nicht von der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts
abweicht und als Einzelfallentscheidung auch keine grundsätzliche Bedeutung hat
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.