Urteil des OLG Frankfurt vom 21.07.2010

OLG Frankfurt: einkünfte, befristung, abänderungsklage, beruf, private krankenversicherung, ausbildung, unterhalt, trennung, nettoeinkommen, kündigung

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Gericht:
OLG Frankfurt 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 UF 63/10
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1573 Abs 4 BGB, § 1609
BGB
Leitsatz
1. Wird Altersvorsorgeunterhalt gefordert, ist dieser im Rahmen der
Dreiteilungsmethode auch für die zweite Ehefrau zu berechnen. Bei der
Bedarfsermittlung ist die zweite Ehefrau damit so zu behandeln, als sei der
Scheidungsantrag zugestellt. Zur Ermittlung des Elementarunterhalts sind beide
Altersvorsorgeunterhaltsbeträge vom Einkommen des Verpflichteten in Abzug zu
bringen.
2. Bei der Ermittlung des Unterhaltsbedarfs nach der Dreiteilungsmethode sind im
Verhältnis zur zweiten gleichrangigen Ehefrau berücksichtungsfähige Schuldendienste
bei der Ermittlung des bereinigten Einkommens des Unterhaltsschuldners in Abzug zu
bringen und wirken sich damit auf die Höhe des Unterhaltsanspruchs der ersten
Ehefrau aus. Im Rahmen der Kontrollberechnung, bei der die zweite Eheschließung
unbeachtet bleibt, sind diese Belastungen nicht zu berücksichtigen.
Tenor
Auf die Berufungen wird das Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Kassel
vom 7. Januar 2010 - Az.: 520 F 1809/08 - abgeändert und wie folgt gefasst:
Das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 31.01.2001 – Az.: 2 UF
155/2000 wird dahin abgeändert, dass der Kläger ab dem 1. Juli 2011 keinen
Unterhalt mehr an die Beklagte zu zahlen hat.
Im Übrigen wird die Abänderungsklage abgewiesen.
Im Übrigen werden die Berufungen zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Pflicht des Klägers zur Fortzahlung nachehelichen
Ehegattenunterhalts.
Der am … 1947 geborene Kläger und die am … 1951 geborene Beklagte haben im
Jahr 1974 geheiratet. Kinder sind aus ihrer Ehe nicht hervorgegangen. Nach der
Trennung im Jahre 1992 ist die Ehe rechtskräftig im Jahre 1994 geschieden worden.
Die Parteien haben bereits mehrere Unterhaltsverfahren geführt. Zuletzt ist der
Kläger durch Urteil des Senats vom 31. Januar 2001 verurteilt worden, monatlich
690 DM Elementarunterhalt und 460 DM Vorsorgeunterhalt zu zahlen. Grundlage
dieses Urteils waren Einkünfte des Klägers aus seiner Tätigkeit als Studienrat unter
Bereinigung um Kindesunterhaltspflichten für die beiden aus einer späteren
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Bereinigung um Kindesunterhaltspflichten für die beiden aus einer späteren
Beziehung hervorgegangenen Kinder (X, geboren am … 1993, und Y, geboren am
… 1996). Grundlage waren ferner die um die Krankenvorsorge bereinigten
Einkünfte der Beklagten aus ihrer Heilpraktikerpraxis in Höhe von 610 DM. Der
Senat ging davon aus, dass es der Beklagten zumutbar wäre, im Bereich einer
geringfügigen Beschäftigung 600 DM hinzuzuverdienen.
Die Beklagte war zwischen 1973 und 1975 Büroleiterin bei der ... mit einem
Bruttoeinkommen in Höhe von etwa 2.000 DM. Unter im Einzelnen streitigen
Umständen hat sie diese Stelle 1975 aufgegeben. Die Beklagte hat im Jahr 1976
eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht, die sie als Jahrgangsbeste
abgeschlossen hat. Gleichwohl hat sie in diesem Beruf nie gearbeitet. Von 1987 an
hat sie eine Ausbildung zur Heilpraktikerin absolviert, die nach der Trennung der
Parteien im Jahr 1994 abgeschlossen wurde. Seither ist sie als selbständige
Heilpraktikerin niedergelassen, erzielt jedoch nur geringe Einkünfte.
Mit der am 10. Juni 2008 erhobenen Abänderungsklage hat der Kläger beantragt,
den Fortfall der Unterhaltsverpflichtung seit Juli 2008 festzustellen. Zur
Begründung hat er sich darauf berufen, dass die Beklagte zwischenzeitlich aus
dem von ihr ausgeübten Beruf als Heilpraktikerin so hohe Einkünfte erzielen
müsste, dass sie den im Urteil des Senats mit 1.800 DM (richtig: 1.900 DM)
festgestellten Bedarf durch eigene Anstrengung erwirtschaften könne. Im Übrigen
sei als Abänderungsgrund zu berücksichtigen, dass er im Jahr 2006 seine
langjährige Lebensgefährtin geheiratet habe. Ehebedingte Nachteile habe die
Beklagte nicht erlitten. All dies rechtfertige es nach dem reformierten
Unterhaltsrecht, den Unterhaltsanspruch bis zum Juli 2008 zu befristen.
Im Übrigen beruft sich der Kläger auf Verwirkung. Dazu behauptet er zum einen,
die Beklagte verschweige Einkünfte. Angesichts der Höhe der Unterhaltszahlungen
und ihrer eigenen Einkünfte verfüge sie nach Abzug der Fixkosten (Miete 254,
Vorauszahlung Strom, Gas etc. 42 €, Krankenversicherung 306 €) über lediglich 60
bzw. 100 €. Davon könne sie weder ihren Lebensunterhalt bestreiten noch
Rücklagen schaffen, aus denen sie nach eigenem Vortrag zum Teil lebt. Zum
anderen sei der Unterhaltsanspruch verwirkt, weil die Beklagte den
Altersvorsorgeunterhalt nicht in eine Rentenversicherung eingezahlt habe. Die
Beklagte hat - insoweit unstreitig - den ihr überlassenen Altersvorsorgeunterhalt
auf einem Sparkonto angelegt und greift darauf mittlerweile auch zurück, um ihren
Lebensunterhalt zu bestreiten.
Die Beklagte ist dem Abänderungsbegehren entgegengetreten und hat die
Meinung vertreten, dass die Abänderungsklage bereits nicht zulässig sei. Gemäß §
36 EGZPO sei infolge des neuen Unterhaltsrechts zwar eine Abänderung möglich.
Dies gelte jedoch nicht, wenn vorausgegangene Titel - wie hier - bereits zweimal
abgeändert worden seien. Die Beklagte behauptet, sie habe ehebedingte
Nachteile erlitten. Es habe einem gemeinsamen Entschluss entsprochen, dass sie
während der Ehezeit nicht gearbeitet hat. Den Einwand, sie verschweige
offenkundig Einkünfte, weise sie zurück. Sie lebe besonders sparsam und habe
Rücklagen bilden können.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 7. Januar 2010, auf das ergänzend Bezug
genommen wird (Bl. 284 ff. d.A.), hat das Amtsgericht den für die Beklagte
geschuldeten Altersvorsorgeunterhalt auf 152 € monatlich herabgesetzt und es
bei der Höhe des Elementarunterhalts mit 690 DM monatlich belassen; gleichzeitig
sind die Unterhaltsansprüche bis Juli 2012 befristet worden. Das Urteil beruht auf
der Erwägung, dass zwischen der Beklagten und der jetzigen Ehefrau des Klägers
ein Gleichrang im Sinne des § 1609 BGB besteht. Im Rahmen einer Dreiteilung sei
daher der Unterhaltsanspruch der Beklagten zu errechnen.
Dabei sei davon auszugehen, dass die zweite Ehefrau des Klägers über ein
monatliches Einkommen in Höhe von 400 € verfüge und davon 238,90 € für eine
Kranken- und Pflegeversicherung aufwende. Für die Beklagte sei das
Durchschnittseinkommen aus den Jahren 2005 - 2007 einschließlich der
Zinseinnahmen 2007 mit 312,77 € zugrunde zu legen und wegen der
Bindungswirkung des abzuändernden Urteils vom 31. Januar 2001 eine
Nebentätigkeit im Geringverdienerbereich (400 €) hinzuzurechnen. Vom
Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 3.774,52 € seien Aufwendungen für die
Krankenversicherung in Höhe von 252,32 € sowie 5 % berufsbedingte
Aufwendungen in Abzug zu bringen. Unter Berücksichtigung der
Unterhaltsverpflichtung für die Kinder und die zweite Ehefrau führe die Berechnung
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Unterhaltsverpflichtung für die Kinder und die zweite Ehefrau führe die Berechnung
nach dem Dreiteilungsgrundsatz zu den ausgeurteilten Beträgen.
Verwirkung komme nicht in Betracht. Dies sei weder aus dem Gesichtspunkt der
fehlenden Einzahlung der Altersvorsorgebeträge in ein
Rentenversicherungssystem noch aus dem Gesichtspunkt verschwiegener
Einkünfte anzunehmen.
Im Hinblick auf die Befristung müsse berücksichtigt werden, dass kein
schutzwürdiges Vertrauen für die Zeit nach Juli 2012 mehr erkannt werden könne.
Die Beklagte sei zwar 58 Jahre alt und von daher nur schwer in abhängige Arbeit zu
vermitteln. Billigkeitsgesichtspunkte, insbesondere die Langfristigkeit der
Unterhaltsverpflichtung, sprächen aber dafür, den Unterhaltsanspruch zu
befristen. Eine Herabsetzung zu einem früheren Zeitpunkt komme nicht in
Betracht, da die Beklagte einschließlich der Unterhaltszahlungen nur auf Einkünfte
in Höhe von weniger als 1.000 € komme.
Gegen dieses Urteil führen beide Parteien zulässig Berufung.
Der Kläger ist der Meinung, das Amtsgericht habe den Verwirkungseinwand nicht
richtig gewertet. Die Beklagte habe bereits zum Grund der Kündigung bei der ...
falsch vorgetragen. Außerdem verschweige die Beklagte Einnahmen. Das
Amtsgericht habe verkannt, dass der Unterhaltsanspruch bereits ab Juli 2008 zu
befristen sei, da die Beklagte keinerlei ehebedingte Nachteile erlitten habe.
Der Kläger beruft sich außerdem darauf, dass er sich Ende 2009 von seiner
zweiten Ehefrau getrennt hat. Von daher sei bei ihm nunmehr von anderen
Abzugsbeträgen auszugehen. Die Kinder seien in seinem Haushalt verblieben, was
dazu führe, dass er neben dem Barunterhalt Betreuungsunterhalt leisten müsste.
Der Unterhaltsanspruch des jüngsten Sohnes sei deswegen nicht nur mit 420 € in
Ansatz zu bringen, sondern mit 840 €. Für den älteren Sohn sei ein
Unterhaltsbetrag in Höhe von 420 € in Abzug zu bringen. Seine zweite Ehefrau
habe keinen Beruf erlernt und seit der Geburt der Kinder nur im
Geringverdienerbereich gearbeitet. Er bedient die mit der zweiten Ehefrau
erworbene Immobilie mit monatlich 839,53 €; einschließlich der Nebenkosten
entstehen hier Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 1.061 €. Das Haus hat eine
Wohnfläche von 200 qm, der Mietwert je Quadratmeter beläuft sich auf rund 4,50
€. Der Kläger verdient ausweislich der im Berufungsrechtszug vorgelegten
Verdienstabrechnung für den Monat Dezember 2009 jährlich 56.063,56 € (brutto).
Der Kläger beantragt,
in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Kassel - Familiengericht - vom 7.
Januar 2010, Az.: 520 F 1809/08 UE - das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main vom 31. Januar 2001 - 2 UF 155/2000 - über den bereits abgeänderten
Teil hinaus weiter dahin abzuändern, dass der Kläger ab August 2008 nicht mehr
verpflichtet ist, Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt an die Beklagte zu zahlen,
hilfsweise,
in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Kassel - Familiengericht - vom 7.
Januar 2010 - Az.: 520 F 1809/08 UE - das Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt
am Main vom 31. Januar 2001 - Az.: 2 UF 155/2000 - über den abgeänderten Teil
hinaus weiter dahin abzuändern, dass der Kläger ab August 2008 den
Altersvorsorgeunterhalt an einen von der Beklagten zu benennenden
Rentenversicherungsträger oder Lebensversicherungsträger zu zahlen hat.
Die Beklagte beantragt,
in Abänderung des Urteils des Amtsgerichts - Familiengerichts - Kassel vom 7.
Januar 2010, Az.: 520 F 1809/08 UE, die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Beklagte wendet sich mit der Begründung gegen das Urteil, dass sie
ehebedingte Nachteile durch die Aufgabe ihrer Stelle bei der ... erlitten habe. Dort
könne sie heutzutage ein Nettoeinkommen in Höhe von rund 2.400 € erzielen. Der
Abänderungsklage stehe auch der Vertrauensschutz des § 36 EGZPO entgegen.
Die Beklagte rügt weiterhin, dass das Amtsgericht bei der Ermittlung des
eheprägenden Bedarfs beim Dreiteilungsgrundsatz das Einkommen der zweiten
Ehefrau des Klägers zu niedrig eingesetzt habe. Diese sei so zu behandeln, als
lebe sie getrennt und daraus ergebe sich, dass für sie ein Einkommen in Höhe von
700 € einzustellen sei. Für die Beklagte sei deren tatsächliches Einkommen
zugrunde zu legen, dem ein Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung
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zugrunde zu legen, dem ein Einkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung
hinzuzurechnen sei. Das Absinken der tatsächlichen Einkünfte gehe auf den
zunehmenden Konkurrenzdruck in den Heilberufen zurück, sodass die im
abzuändernden Urteil berücksichtigten höheren Einkünfte keine Grundlage bei der
Neuberechnung des Unterhalts darstellen könnten.
II.
Auf die zulässige, insbesondere fristgereicht eingelegte und begründete Berufung
des Klägers ist das Urteil des Amtsgerichts im Ausspruch zur Befristung dahin
abzuändern, dass bereits ab dem Monat Juli 2011 kein Unterhalt mehr für die
Beklagte zu zahlen ist. Im Übrigen ist die Berufung des Klägers als unbegründet
zurückzuweisen. Auf die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung
der Beklagten ist das Urteil des Amtsgerichts abzuändern, soweit eine
Herabsetzung des Unterhalts vorgenommen worden ist. Im Übrigen ist die
Berufung der Beklagten unbegründet.
1. Die Abänderungsklage ist zulässig. Der von Amts wegen zu prüfende Einwand
fehlender Zulässigkeit, den die Beklagte in erster Instanz darauf gestützt hat, dass
nach mehrfacher Abänderung gemäß § 36 EGZPO keine weitere Abänderung
möglich sei, greift nicht durch. In § 36 EGZPO Nr. 2 EGZPO hat der Gesetzgeber
für Abänderungsklagen, die Unterhaltstitel aus der Zeit vor dem 1. Januar 2008
betreffen, vorgeschrieben, dass eine erstmalige Abänderung selbst ohne die
Beschränkungen der §§ 323 Abs. 2, 767 Abs. 2 ZPO möglich ist. Damit sind diese
Abänderungsklagen bezüglich der Zulässigkeit sogar privilegiert und, anders als
die Beklagte meint, nicht ausgeschlossen.
2. Die Abänderungsklage ist unbegründet, soweit sich der Kläger darauf beruft, der
für die Beklagte zu zahlende Unterhalt sei wegen des Hinzutretens einer weiteren
Unterhaltsverpflichtung für seine zweite Ehefrau herabzusetzen.
Im Grundsatz ist dem Kläger zuzugeben, dass durch die zweite Eheschließung eine
weitere Unterhaltslast entstanden ist. Das führt jedoch rechnerisch nicht zu einer
Verringerung des Unterhaltsanspruchs der Beklagten nach §§ 1573, 1578 BGB, wie
sich aus den nachfolgenden Erwägungen ergibt:
a) Zu Recht ist das Amtsgericht bei der Ermittlung des eheangemessenen Bedarfs
gemäß § 1578 BGB davon ausgegangen, dass die beiden Ehefrauen nach § 1609
BGB im gleichen Rang stehen. § 1609 Nr. 2 BGB stellt für Bewertung der Frage, ob
eine lange Ehedauer vorliegt, nicht allein auf den Zeitablauf ab. Vielmehr müssen
auch ehebedingte Nachteile vorliegen (FamRZ 2008, 1911-1919, zitiert nach Juris,
Tz. 65, 66; BGH, FamRZ 2010, 111-117, zitiert nach Juris, Tz. 32). Auf der Seite der
Beklagten sind, wie noch auszuführen sein wird (s. dazu unter 4.) keine
ehebedingten Nachteile erkennbar. Damit gehört ihr Unterhaltsanspruch nicht
unter die nach § 1609 Nr. 2 BGB zweitrangig zu erfüllenden Unterhaltspflichten,
sondern sie fällt unter die nach § 1609 Nr. 3 BGB im dritten Rang stehenden
Unterhaltsberechtigten. Das gilt auch für die zweite Ehefrau des Klägers. Da sie im
Fall einer Scheidung infolge des Alters der Kinder bereits im Jahr 2008 tatsächlich
keinen Betreuungsunterhalt mehr hätte verlangen können, gehört auch sie nicht
zu den in § 1609 Nr. 2 BGB beschriebenen Unterhaltsberechtigten. Denn die
zweite Ehefrau ist erst seit 2006 mit dem Kläger verheiratet und kann sich
deswegen nicht auf eine lange Ehedauer berufen. Der Umstand, dass sie schon
vor der Eheschließung die beiden Söhne erzogen hat, kann nicht berücksichtigt
werden.
b) Der in sich konsequenten Berechnung der Unterhaltsansprüche, die das
Amtsgericht vorgenommen hat, kann in einigen Details nicht gefolgt werden. Das
Amtsgericht hat die zweite Ehefrau des Klägers mit ihrem tatsächlichen
Einkommen in die Berechnung eingestellt. Nach der zwischenzeitlich gefestigten
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, FamRZ 2010, 365-372) ist sie
auch schon vor ihrer tatsächlichen Trennung vom Kläger so zu behandeln, als sei
auch sie bereits geschieden. Da die zweite Ehefrau des Klägers keinen
Betreuungsunterhalt vom Kläger fordern könnte und darauf verwiesen wäre,
vollschichtig zu arbeiten, ist nicht ihr wirkliches Einkommen zu berücksichtigen. Bei
der Bemessung ihres Unterhaltsanspruchs ist stattdessen auf ihre tatsächliche
Möglichkeit, Einkünfte zu erzielen, abzustellen. Der Kläger, der für die Umstände,
die die Unterhaltsbedürftigkeit der zweiten Ehefrau begründen, darlegungs- und
beweispflichtig ist (BGH, FamRZ 2010, 869-874, zitiert nach Juris, Tz. 36; BGH,
FamRZ 2010, 111, Tz. 46 ff), hat unwidersprochen dargelegt, dass die zweite
Ehefrau als ungelernt anzusehen ist. Da sie außerdem bereits seit der Geburt des
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Ehefrau als ungelernt anzusehen ist. Da sie außerdem bereits seit der Geburt des
ersten Sohnes im Jahr 1993 nur noch geringfügig berufstätig war, sind ihre
Chancen, eine gut bezahlte vollschichtige Anstellung zu bekommen, zunächst
denkbar gering. Damit kann - wie auch die Beklagte angibt – ihr realistisch
erzielbares bereinigtes Nettoeinkommen mit 700 € angenommen werden. Einen
Abzug für Krankenversicherungskosten kann sie nicht mehr geltend machen, da
sie bei Annahme einer solchen Stelle gesetzlich krankenversichert wäre.
Auch die Einkünfte der Beklagten sind anders als vom Amtsgericht angenommen
in die Berechnung einzustellen, weil sich aus dem Urteil des Senats eine
dauerhafte Sicherung der Einkünfte in Höhe von rund 610 DM (311,88 €, bereits
nach Abzug der Krankenvorsorge) ergibt, die um den Ertrag aus einer
geringfügigen Beschäftigung zu erhöhen sind.
Nach § 1573 BGB kann ein Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit
es ihm nach der Scheidung nicht gelungen ist, durch eigene Einkünfte seinen
eheangemessenen Bedarf sicherzustellen. Nach § 1573 Abs. 4 BGB gilt das auch
dann, wenn eine nachhaltige Sicherung nicht erfolgen konnte. Eine Absenkung des
nach der Scheidung erzielten Einkommens kann daher nur dann die
Unterhaltsberechnung beeinflussen, wenn keine nachhaltige Sicherung vorlag
Davon kann nach den Feststellungen des abzuändernden Senatsurteils vom 31.
Januar 2001 nicht ausgegangen werden. Die Beklagte hatte in dem Zeitraum, der
dem Urteil vorausging, sogar weitaus höhere Einkünfte aus ihrer
Heilpraktikerpraxis erzielen können. Daraus ergibt sich, dass hr Einkommen auf
dem Niveau abgesichert war, das die Grundlage für die Berechnung des Unterhalts
im Senatsurteil vom 31. Januar 2001 bildete. Eine danach eingetretene
Einkommensabsenkung fällt in den Risikobereich der Beklagten und kann auch
nicht zur Verteidigung gegen eine Abänderungsklage einer Unterhaltsberechnung
zugrunde gelegt werden (vgl. Brudermüller, in: Palandt, Kommentar zum
Bürgerlichen Gesetzbuch, 69. Aufl. 2010, Rn. 26 zu § 1573 BGB). Auf welchen
Ursachen der Rückgang der Einkünfte beruht, ist dabei nicht beachtlich. Deswegen
kommt es auch nicht darauf an, ob die tatsächliche Einkommensverringerung auf
die zunehmende Konkurrenz in dem Beruf der Beklagten zurückgeht.
Soweit in dem abzuändernden Urteil weitere 600 DM als Einkommen aus einem
zumutbaren Eigenerwerb eingesetzt worden sind, entfaltet die Betragsnennung
keine Bindungswirkung. Seit dem Erlass der Urteils sind fast neun Jahre
verstrichen; aus einer geringfügigen Beschäftigung konnten auch im Jahr 2008
bereits Einkünfte in Höhe von 400 € (bereinigt um 5%: 380 €) erzielt werden.
Damit ist bei der Bedarfsberechnung das Einkommen der Beklagten mit 691,88 €,
um 1/7 bereinigt mit 593,04 € einzustellen.
Das Einkommen des Klägers ist unter Vorwegabzug des Barunterhalts für die
beiden Kinder zu ermitteln. Auch nach dem Auszug seiner zweiten Ehefrau Ende
2009 können hier für die Kinder nur die Barunterhaltsbeträge angenommen
werden, eine Verdoppelung des Betrags für den noch betreuungsbedürftigen
jüngeren Sohn kommt nicht in Betracht. Damit macht der Kläger letztlich einen
Betreuungsbonus für überobligatorische Betreuung geltend, der aber angesichts
des Alters des jüngsten Sohnes (knapp 14 Jahre) auch gegenüber der zweiten
Ehefrau nicht in Betracht kommt (BGH, FamRZ 2010, 1050-1055, zitiert nach Juris,
Tz. 37). Der Unterhaltsbetrag ist ab dem Jahr 2010 deswegen zu verändern, weil
sich der Bezugsrahmen der Düsseldorfer Tabelle verändert hat und nunmehr der
Tabellenunterhalt geschuldet ist, wenn zwei statt drei Berechtigte vorhanden sind.
Das Urteil des Amtsgerichts setzt überdies die Pauschale für berufsbedingte
Aufwendungen mit 5 % an. Hier ist mit der ständigen Rechtsprechung des
Oberlandesgerichts Frankfurt mangels konkreter Nachweise nicht anzunehmen,
dass ein Betrag über 150 € aufzuwenden ist (Ziff. 10.1.2. der
Unterhaltsgrundsätze des Oberlandesgerichts Frankfurt, Stand 1. Juli 2010).
Außerdem ist beim Kläger ein positiver Mietwert für die mit der zweiten Ehefrau bis
Ende 2009 und seither allein mit den Kindern bewohnten Immobilie zu
berücksichtigen. Dieser beläuft sich auf 60,47 €. Der Wohnwert ist auf 900 € zu
beziffern ( 4,50 € /m ; 200 m2), während der Kläger Kredite mit 839,53 € monatlich
bedient. Soweit der Kläger auch die Kosten für Gebäudeversicherung,
Grundsteuer, Abfallentsorgung, Straßenreinigung und Abwasser abgesetzt sehen
will, ist dem nicht zu folgen, da es sich um Kosten handelt, die auf Mieter umgelegt
werden könnten (BGH, FamRZ 2009, 1300-1306, zitiert nach Juris, Tz. 29ff.). Dieser
positive Mietwert ist bei der Bedarfsermittlung im Wege der Dreiteilungsmethode
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positive Mietwert ist bei der Bedarfsermittlung im Wege der Dreiteilungsmethode
zu berücksichtigen. Letztlich basiert diese Bedarfsermittlung auf der Erwägung,
dass zunächst das gesamte allen Beteiligten tatsächlich zur Verfügung stehende
Einkommen berücksichtigt wird. Einkünfte, die im Verhältnis zu dem konkreten
Unterhaltsberechtigten nicht angesetzt werden können (etwa aus Karrieresprung
oder Splittingvorteil, vgl. BGH, FamRZ 2009, 579-585, zitiert nach Juris, Tz. 40)
werden dabei eingesetzt; erst bei der Kontrollberechnung, die fiktiv die zweite
Eheschließung außen vor lässt, errechnet sich ohne diese Beträge gegebenenfalls
ein geringerer Betrag.
Für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 ist zu berücksichtigen, dass der Kläger sich
Ende 2009 von seiner zweiten Ehefrau getrennt hat. Danach müsste er sein
Einkommen jetzt mit Lohnsteuerklasse 2 versteuern, sodass sich ab 2010 die
Einkünfte verringern.
Da die Beklagte ihren Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt verteidigt, muss nach
Auffassung des Senats wegen des zwischen beiden Ehefrauen bestehenden
unterhaltsrechtlichen Gleichrangs bei der Dreiteilungsberechnung auch für die
zweite Ehefrau der Altervorsorgeunterhalt berücksichtigt werden.
Für beide unterhaltsberechtigte Ehefrauen ist der Altersvorsorgeunterhalt wie
üblich aus dem Unterhaltsbetrag zu ermitteln. Der Senat hatte im Urteil vom 31.
Januar 2001 zwar angenommen, der Kläger müsse für den gesamten
eheprägenden Bedarf die Altersvorsorge sicherstellen, und ist deswegen aus
einem Gesamtbedarf in Höhe von 1.900 DM zu einem Altersvorsorgeunterhalt in
Höhe von 460 DM gekommen (Bl. 253 d.A.). Die Bindung an diese Entscheidung
hätte zur Folge, dass auch der Altersvorsorgeunterhalt für die zweite Ehefrau aus
deren vollständigen Einkünften ermittelt werden müsste. Durch die
Gesetzesänderung, die eine Dreiteilungsberechnung erforderlich macht, ist jedoch
die Bindung an diesen Teil des Urteils entfallen. Denn die nach altem Recht
vorgenommene Ermittlung eines eheangemessenen Bedarfs kann – auch nicht in
Teilen – für eine Neuberechnung oder für die Berechnung des
Altersvorsorgeunterhalts für die zweite Ehefrau herangezogen werden.
c) Danach ergeben sich bis heute keine geringeren als die titulierten
Unterhaltsbeträge, wie nachfolgende Berechnung zeigt:
Juli 2008 bis Dezember 2008
(1) Unterhalt nach Dreiteilungsgrundsatz:
(a) Elementarunterhalt:
(b) Altersvorsorgeunterhalt:
Damit ist der Altersvorsorgeunterhalt der Beklagten wie folgt zu ermitteln: 579,11
€ + 13 % = 654,40 €, daraus 19.9 % = 130,22 €. Der Altersvorsorgeunterhalt der
zweiten Ehefrau ergibt sich wie folgt: 1.172,15 € - 600 € = Unterhaltsanspruch
517,15 € + 13 % = 584,37 €, daraus 19,9 % = 116,29 €.
(c) Elementarunterhalt nach Abzug des Altersvorsorgeunterhalts:
Insgesamt kann die Beklagte rechnerisch 496,94 € Elementarunterhalt und
130,22 € Altersvorsorgeunterhalt vom Kläger fordern, insgesamt also 627,16 €.
Das abzuändernde Urteil hat der Beklagten insgesamt 1.150 DM (587,98 €)
zugesprochen. Damit kann der Kläger rechnerisch keine Abänderung geltend
machen.
(2) Kontrollberechnung nach der Differenzmethode:
Für die Kontrollberechnung wird das Einkommen der Klägers nach
Lohnsteuerklasse 1 angenommen. Anhand der Jahresabrechnung für das Jahr
2007 (Bl. 82 d.A.) ist das Einkommen bei Steuerklasse 1 aus einem Jahresbrutto
von 52.660,43 € zu berechnen (4.277,18 € x 12 + 1.334,27 €). Außerdem bleibt
bei der Kontrollberechnung der Wohnvorteil außen vor, der die ehelichen
Lebensverhältnisse nicht geprägt hat.
(1) Elementarunterhalt:
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Da der Elementarunterhalt bereits höher ausfällt als nach der
Dreiteilungsmethode steht fest, dass die Kontrollberechnung auch höhere
Altersvorsorgebeträge für die Beklagte ergeben wird. Damit kommt es auf die
Dreiteilungsberechnung an, die jedoch wie erwähnt keine für den Kläger günstige
Veränderung im Verhältnis zum abzuändernden Urteil zeigt.
Januar 2009 bis Dezember 2009
(1) Unterhaltsberechnung nach Dreiteilungsmethode:
Aus einem Bruttoeinkommen in Höhe von 56.063,56 € ergibt sich folgendes
gesetzliches Nettoeinkommen:
(a) Elementarunterhalt
(b) Altersvorsorgeunterhalt:
Damit ist der Altersvorsorgeunterhalt der Beklagten wie folgt zu ermitteln: 590,00
€ + 14 % = 672,60 €, daraus 19,9 % = 133,84 €. Der Altersvorsorgeunterhalt der
zweiten Ehefrau berechnet sich wie folgt: 1183,04 € – 600 € = Unterhaltsanspruch
583,04 € + 14 % = 664,66 €, daraus 19,9 % = 132,26 €.
(c) Elementarunterhalt nach Abzug des Altersvorsorgeunterhalts:
Der gesamte Unterhaltsbetrag in Höhe von 635,14 € (501,30 € + 133,84 €) liegt
über dem im Jahr 2001 titulierten Betrag in Höhe von 587,98 €.
(2) Kontrollberechnung nach der Differenzmethode:
Da bereits der errechnete Elementarunterhalt höher ausfällt als nach der
Dreiteilungsmethode steht fest, dass auch der Altersvorsorgeunterhalt der
Beklagten nach der Kontrollberechnung höher ausfallen würde und es daher auf
die Dreiteilungsberechnung ankommt.
Unterhaltszeitraum ab 2010:
Anhand der Jahresabrechnung für das Jahr 2009 (Bl. 439 d.A.) ist das Einkommen
bei Steuerklasse 2 berechnet worden. Die Krankenvorsorgebeträge, die der Kläger
für sich und seine beiden Kinder trägt, sind angestiegen, sie belaufen sich auf
291,38 €. Weil das Bürgerentlastungsgesetz ab dem Jahr 2010 vorsieht, dass die
Krankenversicherungsbeiträge für eine der gesetzlichen Krankenversicherung
vergleichbare private Krankenversicherung die Einkommenssteuerlast senken (§
10 Abs. 1 Nr. 3 a,b EStG), ist für den Kläger ein entsprechender Freibetrag zu
berücksichtigen. Denn der Kläger kann die Krankenvorsorge im laufenden Jahr
geltend machen. Es ergibt sich folgende Berechnung seines Einkommens:
(1) Unterhaltsberechnung nach Dreiteilungsgrundsatz:
(a) Elementarunterhalt
(b) Altervorsorgeunterhalt:
Altersvorsorgeunterhalt Beklagte: 487,64 € + 14 % = 555,91 €, daraus 19,9 %
=110,62 €
Altersvorsorgeunterhalt zweite Ehefrau: 1.080,68 € - 600 € = 480,68 € + 14 % =
547,97 €, daraus 19,9 % = 109,04 €.
(c) Elementarunterhalt nach Abzug des Altersvorsorgeunterhalts:
Damit ist ab dem Jahr 2010 insgesamt ein Betrag in Höhe von 638,88 €
rechnerisch geschuldet (110,62 € + 528,25 €), mithin etwas mehr als in dem
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rechnerisch geschuldet (110,62 € + 528,25 €), mithin etwas mehr als in dem
Urteil, dessen Abänderung der Kläger anstrebt.
(2) Kontrollberechnung:
(a) Elementarunterhalt:
Die Kontrollberechnung ergibt danach bereits einen höheren Elementarunterhalt
als in dem abzuändernden Urteil, sodass geschuldet nur der nach dem
Dreiteilungsgrundsatz errechnete geringere Unterhaltsbetrag wäre. Eine
Berechnung des Altersvorsorgeunterhalts sowie eine Berechnung eines
Unterhaltsbetrags mit den nach § 10 EStG geltend zu machenden
Realsplittingvorteilen ist daher nicht notwendig.
3. Die Beklagte hat den Unterhaltsanspruch nicht verwirkt. Dem Kläger ist es nicht
gelungen, den ihm obliegenden Nachweis dafür zu erbringen, dass die Beklagte
sich wahrheitswidrig geäußert und damit gegen seine Vermögensinteressen
gehandelt hat, § 1579 Nr. 5 BGB nF. Es spricht zwar einiges dafür, dass die
Beklagte von den nachgewiesenen Einkünften nicht leben kann. Diese
Plausibilitätserwägung kann jedoch die Beweisführung nicht ersetzen. Eine
Verwirkung kommt auch nicht deswegen in Betracht, weil die Beklagte zu den
Umständen der Kündigung des Arbeitsplatzes bei der ... nicht die Wahrheit gesagt
haben soll. Abgesehen davon, dass diese Umstände bis jetzt streitig sind, kommt
dieser Kündigung nicht ausreichend Bedeutung zu. Denn diese Kündigung kann,
wie weiter auszuführen sein wird, bereits nicht als (einziger) Grund dafür
angesehen werden, dass die Beklagte während der Ehe keiner Berufstätigkeit
nachging (s. dazu eingehend unter 4). Deswegen kann eine wahrheitswidrige
Angabe dazu bereits nicht die vermögensrechtlichen Interessen des Klägers
verletzen.
Die Beklagte hat den Unterhaltsanspruch auch nicht dadurch verwirkt, dass sie
den Altersvorsorgeunterhalt auf ein Sparkonto statt in ein Altersvorsorgesystem
eingezahlt hat. Dieser Einwand kann nur beim Altersunterhalt greifen, weil die
Bedürftigkeit als schuldhaft herbeigeführt angesehen werden kann, wenn in der
Vergangenheit geflossener Altersvorsorgeunterhalt nicht zum Aufbau einer
eigenständigen Altersvorsorge verwendet worden ist (vgl. Kalthoener/Büttner, 10.
Aufl., Tz. 426).
4. Mit dem Amtsgericht ist davon auszugehen, dass der Unterhaltsanspruch
gemäß § 1578 b BGB zu befristen ist, weil ehebedingte Nachteile fehlen und die
unbefristete Fortzahlung des Unterhalts den Kläger unbillig treffen würde. Unter
Berücksichtigung der Gesamtumstände ist der Ehegattenunterhalt bis zum 30.
Juni 2011 zu befristen.
Auf den in § 36 EGZPO Abs. 1 Nr. 1 aE erwähnten Vertrauensschutz kann sich die
Beklagte nicht berufen. § 36 EGZPO betrifft den Vertrauensschutz für
Unterhaltsberechtigte in dem Fall, in dem (allein) die Änderung des
Unterhaltsrechts zum 1. Januar 2008 eine Verringerung des Unterhaltsanspruchs
mit sich bringt. § 36 Nr. 1, 2 EGZPO stellt in diesem Fall die Abänderung unter die
einschränkende weitere Voraussetzung der Zumutbarkeit. Hier hat sich indessen
durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz vom 21. Dezember 2007 keine
Änderung ergeben. Im Hinblick auf den Aufstockungsunterhalt war eine Befristung
schon nach der zuvor bestehenden Gesetzeslage gemäß § 1573 Abs. 5 BGB a.F.
zulässig (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010, XII ZR 143/08, zitiert nach Juris, Tz. 41).
Eine Abänderungsklage, die mit der Begründung geführt worden wäre, dass die
Erwerbsobliegenheit der Beklagten es rechtfertigen könnte, von einer
eigenständigen Sicherung des eheangemessenen Bedarfs auszugehen, wäre auch
nach dem bis zum 1. Januar 2008 geltenden Recht zulässig gewesen. Deswegen
greift der Vertrauensschutz des § 36 EGZPO nicht (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010,
VII ZR 143/08, zitiert nach Juris, Tz. 41).
Eine Bindung an das Senatsurteil vom 31. Januar 2001 spricht ebenfalls nicht
gegen eine Befristung. Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs ist eine allein auf die Änderung des Unterhaltsrechts gestützte
Abänderungsmöglichkeit nur abzulehnen, wenn die Titulierung nach der Änderung
der Befristungsrechtsprechung in der Entscheidung von 15. März 2006 (BGH,
FamRZ 2006, 683) erfolgte (BGH, FamRZ 2010, 111-117). Das ist hier nicht der
Fall.
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Nach § 1578 b BGB kommt eine Befristung oder Herabsetzung des
Unterhaltsanspruchs nach einer angemessenen Übergangszeit für den
Unterhaltsberechtigten in Betracht, wenn eine unbefristete Unterhaltsverpflichtung
unbillig erscheint und der Unterhaltsberechtigte keine wesentlichen ehebedingten
Nachteile erlitten hat. Diese Nachteile sind auch unter Berücksichtigung von
Zeiten der Kindererziehung während der Ehe und der Dauer der Ehe zu bewerten
(BGH, FamRZ 2008, 1508 ff., zitiert nach Juris Tz. 13; OLG Frankfurt, Urteil vom 13.
August 2008 zu 2 UF 185/07, zitiert nach Juris, Tz. 9). Bei der Befristung des
Ehegattenunterhaltes ist zu berücksichtigen, welche Übergangszeit der
Unterhaltsberechtigte benötigen wird, um sich darauf einzustellen, seinen
Lebensunterhalt nach den eigenen Fähigkeiten zu bestreiten (BGH, FamRZ 2008,
Seite 134, zitiert nach Juris, Tz. 20; BGH, FamRZ 2008, 1508 - 1511, zitiert nach
Juris, Tz. 12).
Der Senat geht davon aus, dass eine Befristung nach billigem Ermessen hier dazu
führen muss, dass der Beklagten nur noch bis einschließlich Juni 2011
Unterhaltszahlungen zustehen und danach nicht mehr.
Aus der Ehe sind keine Kinder hervorgegangen. Deswegen kommt es für das
Vorliegen ehebedingter Nachteile darauf an, inwieweit die Beklagte durch Abreden
während der Ehe in ihrem beruflichen Fortkommen so gehindert worden ist, dass
sie einen nicht ausgleichsfähigen Nachteil erlitten hat. Die unstreitigen Tatsachen
sprechen gegen das Vorliegen eines ehebedingten Nachteils.
Der zwischen den Parteien hoch streitigen Frage, warum die Beklagte die Stelle bei
der ... gekündigt hat, kommt nur geringe Bedeutung zu, nachdem die Beklagte im
Rahmen ihrer Anhörung vor dem Senat angegeben hat, dass sie ihre Ausbildung
zur Heilpraktikerin bereits im Jahr 1987 begonnen hat. Die Frage, ob die Beklagte
die Stelle in Erwartung eines berufsbedingt notwendigen Umzugs des Klägers
gekündigt hat, oder ob sie dies unabhängig davon tat, darf den Blick auf ihre
weitere Erwerbsvita nicht verstellen. Die Beklagte hat nicht behauptet, dass sie die
Ausbildung zur Kosmetikerin nur deswegen begonnen hat, weil sie in ihrem
erlernten Beruf am neuen Wohnort keine Stelle bekam. Sie hat sich dagegen
offenkundig aus eigenen Stücken dazu entschieden, etwas anderes zu lernen. Zu
Recht weist sie zwar darauf hin, dass der Kläger sich nicht darauf berufen kann,
dass sie absprachewidrig nicht wieder arbeiten gegangen ist. Allerdings war die
eheliche Lebensplanung eben nicht darauf ausgerichtet, dass sie sich um den
Haushalt kümmert. Das zeigt sich daran, dass sie 1987 begonnen hat, die weitere
Ausbildung zur Heilpraktikerin zu absolvieren. Die Beklagte hat nicht behauptet,
dass sie diesen Beruf nicht ausüben wollte. Von daher ist davon auszugehen, dass
spätestens zu diesem Zeitpunkt die eheliche Lebensplanung dahin ging, dass die
Beklagte Einkünfte aus ihrem erlernten Beruf würde erzielen können.
Bei der Trennung der Eheleute im Jahre 1991 war die Beklagte 40 Jahre alt. Einen
nicht aufholbaren Nachteil hatte sie damals nicht erlitten. Der Grund dafür, dass
es der Beklagten bis heute nicht gelungen ist, aus dem von ihr gewählten Beruf
den eheangemessenen Bedarf zu decken, ist nicht in der Gestaltung der ehelichen
Lebensverhältnisse zu erblicken; vielmehr hat sich hier ein allgemeines
wirtschaftliches Risiko der Selbständigkeit verwirklicht.
Es kommt auch nicht in Betracht, das Einkommen, das sie aus der Bürotätigkeit
bis 1974 erzielte, als den nach eigenen Kräften angemessenen Bedarf anzusehen,
den der Kläger auch nach Anwendung des § 1578 b BGB dauerhaft sicherstellen
müsste. Denn diese Erwerbstätigkeit hat die Beklagte - wie erwähnt - wenn nicht
schon im Jahr 1974 freiwillig, dann doch aus eigenem Entschluss später mit dem
Beginn der Ausbildung zur Kosmetikerin bzw. der Ausbildung zur Heilpraktikerin
aufgegeben, ohne dass darin ein ehebedingter Nachteil zu erkennen wäre. Die
Beklagte hat nach der Stelle bei der ... nie wieder versucht, im Bürobereich Arbeit
zu finden, und stattdessen zwei Ausbildungen absolviert. Der Umstand, dass sie
derzeit nicht in diesem Bereich tätig ist und tatsächlich geringere Einkünfte hat, ist
nicht mit der notwendigen Kausalität auf die ehe-internen Absprachen
zurückzuführen.
Wie von Amtsgericht richtig erkannt, kommt eine Herabsetzung letztlich nicht in
Betracht, weil diese bei 1.000 € ihre Grenze findet. Klarstellend ist hinzuzufügen,
dass umgekehrt eine Abänderung des titulierten Unterhaltsbetrags zu Gunsten
der Beklagten nicht in Betracht kommt. Denn der titulierte Unterhaltsbetrag
erreicht zusammen mit den ihr bis zum Auslaufen der Unterhaltsverpflichtung
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erreicht zusammen mit den ihr bis zum Auslaufen der Unterhaltsverpflichtung
zuzurechnenden Einkünften den Bedarf, der als eigenangemessener Bedarf zu
decken ist. Da die Beklagte nicht weniger als 1.000 € beanspruchen kann, ist er
darauf zu reduzieren.
Eine Herabsetzung auf diesen Betrag wäre unter Berücksichtigung der nun 16
Jahre andauernden Phase der wirtschaftlichen Entflechtung angemessen.
Der Umstand, dass die Beklagte nach dem Juni 2011 möglicherweise von
Rücklagen leben bzw. auf staatliche Transferleistungen angewiesen sein wird, weil
sie mit dann 60 Jahren kaum mehr Fuß im Berufsleben wird fassen können, spricht
nicht gegen eine Befristung. Der Gesetzgeber hat mit der Befristungsmöglichkeit
in Kauf genommen, dass Unterhaltsberechtigte nicht mehr ausreichend
alimentiert sind, auch ein drohender Sozialhilfebezug führt nicht dazu, dass § 1578
b BGB nicht zur Anwendung kommt (BGH v. 28. April 2010, XII ZR 141/08, zitiert
nach Juris, Tz. 18).
Bei der Gesamtabwägung muss berücksichtigt werden, dass die Beklagte bei
Trennung der Eheleute 40 Jahre alt war, bei der Ehescheidung 42 Jahre, zum
Zeitpunkt der jetzigen Entscheidung 59 Jahre. Es ist nicht erkennbar, dass die
Beklagte in der Vergangenheit ernsthafte Anstrengungen unternommen hat,
wirtschaftlich auf eigenen Füßen zu stehen. Sie hat trotz eingeschränktester
wirtschaftlicher Möglichkeiten bis zur Klageerhebung rund 14 Jahre lang darauf
vertraut, dass ihr Lebensunterhalt durch Unterhaltszahlungen sichergestellt wird.
Dies ist bei der Bemessung der Länge einer Übergangsphase zu berücksichtigen.
Auf der Seite des Klägers muss bedacht werden, dass er nun seit rund 19 Jahren
den Unterhalt für die Beklagte sicherstellt und dass das ihm zur Verfügung
stehende Einkommen trotz ordentlicher Einkünfte sich vor dem Hintergrund einer
Unterhaltsverpflichtung für zwei Söhne und zwei Ehefrauen nahe am Selbstbehalt
bewegt.
5. Der Hilfsantrag des Klägers ist zurückzuweisen. Ein Anspruch des Verpflichteten
darauf, dass der Altersvorsorgeunterhalt in eine zu benennende
Rentenversicherung oder in eine anerkannte Lebensversicherung einzuzahlen ist,
besteht nicht. Anerkannt ist zwar, dass es treuwidrig sein kann, wenn der
Unterhaltsberechtigte die Fortzahlung des Altersvorsorgeunterhalts an sich
verlangt, obwohl er den Betrag in der Vergangenheit zweckwidrig verwendet hat
(BGH, FamRZ 1987, 1130-1132, zitiert nach Juris, Tz. 31). Hier fehlt es jedoch
bereits an der zweckwidrigen Verwendung, weil die Beklagte die Beträge unstreitig
angespart hat. Da die Beklagte nicht zwingend gehalten war, eine
Lebensversicherung oder eine gesetzliche Rentenversicherung zu bedienen, kann
ihr das nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Wenn sie jetzt, da sie wegen der Hinterlegung der Unterhaltsbeträge durch den
Beklagten keine Unterhaltszahlungen mehr erhält, diese Sparbeträge teilweise
angreift, kann ihr das nicht als treuwidrig ausgelegt werden.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Da der Kläger mit seinem Antrag
auf Befristung durchdringt, ist eine Kostenaufhebung angezeigt. Die Entscheidung
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.