Urteil des OLG Frankfurt vom 14.03.2008

OLG Frankfurt: urkunde, herausgabe, besitz, erwerb, verpfändung, vollstreckungstitel, auszahlung, zwangsvollstreckung, miteigentum, altersgrenze

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Gericht:
OLG Frankfurt 19.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
19 U 205/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 812 Abs 1 S 1 BGB, § 952
BGB, § 1225 BGB, § 51
BeurkG, § 52 BeurkG
(Verpfändung eines zur Kreditsicherheit dienenden
Wertpapierdepots an eine andere Bank: Anspruch der
Verpfänders auf Erteilung einer vollstreckbaren
Teilausfertigung der dem ursprünglichen
Darlehensgläubiger erteilten notariellen
Unterwerfungsurkunde)
Leitsatz
1. Der teilweise Erwerb einer Darlehensforderung nach § 1225 BGB führt nicht zu einem
Anspruch nach § 952 BGB auf Erteilung einer vollstreckbaren Teilausfertigung einer dem
ursprünglichen Darlehensgläubiger erteilten notariellen Unterwerfungsurkunde.
2. Er führt auch nicht zu einem Anspruch auf vollstreckbare Teilausfertigung nach § 812
Abs. 1 S. 1 BGB, da ein Bereicherungsausgleich wegen des erteilten
Schuldanerkenntnisses bzw. der Unterwerfungsurkunde nur im Verhältnis
Altgläubiger/Schuldner in Betracht kommt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main
vom 06.09.2007 (Az. 2-25 O 435/06) wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 255.720,00 € festgesetzt.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg; die Rechtssache hat keine
grundsätzliche Bedeutung, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Berufungsgerichts
nicht (§ 522 Abs. 2 ZPO).
Die Parteien streiten über die Frage, ob die Klägerin Miteigentum an einer der
Beklagten erteilten vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen Urkunde erlangt
hat. Die Klägerin als Verpfänderin eines Wertpapierdepots an die
Rechtsvorgängerin der Beklagten, die A-Bank, begehrt die Herausgabe der im
Besitz der Beklagten befindlichen vollstreckbaren Ausfertigung einer notariellen
Urkunde vom 10.8.1998 zum Zwecke der Herstellung einer Teilausfertigung wegen
und in Höhe des von ihr gezahlten Betrages von 255.645,-- EUR sowie die
Übergabe der Teilausfertigung an sie, hilfsweise die Feststellung, dass die
Vollstreckungsklausel in Höhe eines Teilbetrages ungültig ist. Das Wertpapierdepot
der Klägerin diente der weiteren Absicherung eines den Darlehensnehmern B und
C seitens der A-Bank gewährten Darlehens über 5.900.000,- DM. Im Wesentlichen
wurde das Darlehen über eine Buchgrundschuld über 6 Mio. DM besichert.
Überdies übernahmen die Darlehensnehmer in der notariellen Urkunde für die
Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des Grundschuldbetrages einschließlich der
Zinsen die persönliche Haftung und unterwarfen sich insoweit der sofortigen
Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen. Am 23.03.2004 zahlte die
Klägerin auf Anforderung der Beklagten und ohne selbst persönliche
Darlehensschuldnerin zu sein unter Auflösung ihres Wertpapierdepots einen
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Darlehensschuldnerin zu sein unter Auflösung ihres Wertpapierdepots einen
Betrag von 255.720,- Euro auf die Forderung aus dem Darlehensvertrag.
Die Grundschuld ist mittlerweile gelöscht. Das Begehren der Klage richtet sich
ausschließlich auf die persönliche Vollstreckungsunterwerfung der
Darlehensnehmer in der notariellen Urkunde (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom
20.06.2007 / Bl.55f. d.A.)
Das Landgericht hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Ein Anspruch auf
Erteilung einer vollstreckbaren Teilausfertigung sei nicht gegeben. § 952 BGB
scheide als Anspruchsgrundlage aus, da die Ausfertigung einer notariellen
Urkunde ausschließlich Eigentum desjenigen werde, dem sie gem. §§ 51, 52
BeurkG erteilt worden sei. Für den Hilfsantrag fehle es am Feststellungsinteresse.
Mit ihrem gegenüber der ersten Instanz geänderten Hauptantrag – Herausgabe
der dritten vollstreckbaren Ausfertigung der notariellen Urkunde vom ...1998 an
die Notarin N1 als Verwahrerin der Akten des Notars Dr. N2 zum Zwecke der
Erteilung einer Teilvollstreckungsurkunde zu ihren, der Klägerin, Gunsten – trägt
die Klägerin dem Umstand Rechnung, dass einerseits die Beklagte nach Vorlage
der zweiten vollstreckbaren Ausfertigung nunmehr, was unstreitig ist, im Besitz
einer dritten vollstreckbaren Ausfertigung und andererseits der Notar Dr. N2 nach
Erreichen der Altersgrenze zwischenzeitlich aus dem Notaramt ausgeschieden ist.
Hilfsweise begehrt die Klägerin die Feststellung der Ungültigkeit der der Beklagten
erteilten Vollstreckungsklausel hinsichtlich eines Teilbetrages von 255.645,- Euro
nebst Zinsen.
In Übereinstimmung mit dem Landgericht nimmt der Senat an, dass die Klägerin
im Hinblick auf die von ihr auf die Darlehensforderung der Beklagten gegen die
Darlehensnehmer B und C am 23.03.2004 erbrachte Zahlung i.H.v. 255.645,- Euro
aus keinem Rechtsgrund, insbesondere nicht aus § 952 BGB, einen Anspruch auf
die Erteilung einer vollstreckbaren Teilausfertigung der notariellen
Unterwerfungsurkunde hat. Ohne Erfolg bleibt der Einwand der Berufung, die
Klägerin habe durch den Erwerb eines Forderungsteils insoweit auch einen Titel
erhalten. Denn sie sei nach § 952 Abs.1 Miteigentümerin der im Besitz der
Beklagten befindlichen Ausfertigung geworden mit der Folge, dass zwischen den
Parteien eine Eigentumsgemeinschaft entstanden sei, deren Aufhebung nur durch
die Herstellung zweier Teilausfertigungen bewirkt werden könne. Das Landgericht
verkenne deshalb, dass die Ausfertigung nicht „ewig" im Eigentum desjenigen
verbleibe, dem sie erteilt worden sei.
Nach § 952 Abs.1 S.1 BGB steht das Eigentum an dem über eine Forderung
ausgestellten Schuldschein dem Gläubiger zu. Hierdurch soll sichergestellt werden,
dass die Inhaberschaft an einem Recht und das Eigentum an einer Urkunde, in der
dieses Recht verbrieft ist, nicht auseinanderfallen. Schuldschein im Sinne dieser
Vorschrift ist jede vom Schuldner über seine Verpflichtung ausgestellte Urkunde,
gleichgültig ob diese nur zum Zwecke der Beweissicherung ausgestellt ist oder ob
durch die Urkunde eine Verbindlichkeit erst begründet wird wie bei einem
abstrakten Schuldversprechen oder einem Schuldanerkenntnis (Soergel-Henssler,
BGB, 13. Aufl., § 952 Rdnr.1, Rdnr.6; Staudinger-Gursky, BGB, 2004, § 952 Rdnr.3;
Münchener Kommentar-Füller, BGB, 4.Aufl., § 952 Rdnr.3, jeweils m.w.N.). Zwar ist
der Klägerin zuzugestehen, dass die Übernahme der persönlichen Haftung für die
Zahlung eines Grundschuldbetrages ein selbstständiges Schuldversprechen nach
§ 780 BGB darstellt (BGH NJW 1985, 1831, BGH NJW 1992, 971f.). Sie lässt
allerdings unberücksichtigt, dass § 952 BGB, worauf die Beklagte zu Recht
hinweist, nur Urkunden des privaten Rechts erfasst und Ausfertigungen von
Urteilen, Beschlüssen sowie vollstreckbaren notariellen Urkunden nach §§ 47ff.
BeurkG aufgrund ihres hoheitlichen Charakters nicht hierunter fallen (OLG
München, DNotZ 1954m 552ff., 552; OLG Hamm NJW-RR 1997, 1232f., 1233
m.w.N.; Münchener Kommentar, a.a.O., § 952 Rdnr.2; Soergel, a.a.O., § 952
Rdnr.11; BGB RGRK-Pikart, 12. Aufl., § 952 Rdnr.19; Staudinger, a.a.O., § 952
Rdnr.6). Wenn aber Ausfertigungen gerichtlicher Entscheidungen oder
vollstreckbarer Urkunden nicht zu den Schuldscheinen i.S.d. § 952 BGB gehören,
bleibt es dabei, dass sie der hoheitsrechtlichen Natur der Erteilung entsprechend
Eigentum dessen werden, dem sie erteilt werden.Die Annahme eines
Eigentumserwerbs nach § 952 BGB scheitert auch aus einer weiteren Erwägung.
Die allgemeinen Vorschriften betreffend die Übertragung oder den Erwerb von
Eigentum, insbesondere die § 929ff. BGB, werden durch die Sondervorschrift des §
952 BGB nur verdrängt, wenn die Urkunde ausschließlich als Schuldschein
verwendet wird. Dokumentiert die Urkunde neben der Schuldverpflichtung noch
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verwendet wird. Dokumentiert die Urkunde neben der Schuldverpflichtung noch
andere Rechte oder sonstige Angelegenheiten von Belang, findet § 952 BGB keine
Anwendung(Staudinger, a.a.O., § 952 Rdnr.4, Soergel, a.a.O., § 952 Rdnr.1). So
liegt der Fall hier. Der Inhalt der notariellen Urkunde vom 10.08.1009 (Kopie Bl.9ff.
d.A.) erschöpfte sich keineswegs in der Erteilung eines Schuldversprechens durch
Übernahme der persönlichen Haftung für den Grundschuldbetrag. Wesentlicher
Inhalt der in Großdruck mit, Bestellung einer Buchgrundschuld' überschriebenen
Urkunde war die Bestellung einer Grundschuld über immerhin 6 Mio. DM nebst
Zinsen. Dass neben diesem Belastungsgegenstand der weiteren
Darlehensbesicherung durch die von den Bestellern zusätzlich übernommene
persönliche Haftung mit Vollstreckungsunterwerfung in ihr sonstiges Vermögen
nur eine vergleichsweise untergeordnete Bedeutung zugekommen ist, liegt auf der
Hand. Dies wird zudem daran deutlich, dass die A-Bank als Darlehensgeberin gem.
S.3 des Darlehensvertrages die Auszahlung der ersten Grundstückskaufpreisrate
von immerhin 4.620.616,- DM von der rangrichtigen Eintragung der Grundschuld
abhängig gemacht hat, also die Übernahme der persönlichen Haftung mit
Unterwerfungserklärung hierfür nicht für ausreichend erachtet hat. Gleiches galt
für die weitere Rate über 1.279.384,- DM, deren Auszahlung erst nach
Verpfändung des Wertpapierdepots mit Kurswert von seinerzeit 775.000,- DM
erfolgen sollte.
Folglich hat die Zahlung der Klägerin und damit die (Teil-)Befriedigung der
Beklagten als Pfandgläubigerin mit Forderungsübergang nach § 1225 BGB lediglich
eine Veränderung im schuldrechtlichen Bestand bewirkt. Die Klägerin hat damit
nicht gleichzeitig nach § 952 Abs.1 ZPO Miteigentum an der im Besitz der
Beklagten befindlichen vollstreckbaren Ausfertigung der Schuldurkunde erlangt.
Der Berufung bleibt der Erfolg auch versagt, soweit sie den Hilfsantrag betrifft. Die
Feststellungsklage ist unzulässig. Denn sie bezieht sich nicht auf ein zwischen den
Parteien bestehendes Rechtsverhältnis. Die begehrte Feststellung, dass die
erteilte Vollstreckungsklausel wegen des angegebenen Teilbetrages ungültig sei,
betrifft vielmehr eine abstrakte Rechtsfrage.
Das Vorbringen der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 26.02.2008 (Bl. 133 f.
d.A.) rechtfertigt keine hiervon abweichende Beurteilung. Ohne Erfolg bleibt der
Einwand, ein Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung folge aus
§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung ist
die Beklagte hinsichtlich der Teilforderung über 255.645,00 € nicht auf Kosten der
Klägerin um einen Vollstreckungstitel (teilweise) bereichert. Die Annahme eines
Bereicherungsanspruchs im Verhältnis zwischen Klägerin und Beklagter scheitert
bereits daran, dass die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin die Grundschuld
auf Grund einer Leistung oder auf sonstige Weise von den Darlehensnehmern B
und C erhalten hat. Gleiches gilt für das Schuldanerkenntnis nebst Unterwerfung in
die sofortige Zwangsvollstreckung, welches in der Übernahme der Haftung für die
Zahlung eines Geldbetrages in Höhe des Grundschuldbetrages liegt. Damit kann
auch ein Bereicherungsausgleich nur in diesem Verhältnis erfolgen.
Ein Anspruch der Klägerin auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung folgt
auch nicht aus Ziffer IV Abs. 2 der notariellen Urkunde vom 10.08.1998. Soweit es
hierin heißt, der jeweilige Gläubiger sei berechtigt, weitere Ausfertigungen dieser
Urkunde auf Kosten des Bestellers zu erlangen, ist hiermit der
Grundschuldgläubiger, also seinerzeit die A-Bank, nicht aber der der
Darlehensforderung gemeint. Dies ergibt sich aus Abs. 1 der genannten
Bestimmung, der sich allein auf die Begründung der Grundschuld bezieht.
Nur der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass ein Anspruch der Klägerin auf
Herausgabe des (Teil-)Vollstreckungstitels im Hinblick auf den Übergang der
Darlehensforderung auch nicht aus den aus § 402 i.V.m. §§ 1225, 412 BGB folgt.
Hiernach ist der bisherige Gläubiger verpflichtet, dem neuen Gläubiger die zur
Geltendmachung der Forderung nötige Auskunft zu erteilen und ihm die zum
Beweis der Forderung dienenden Urkunden, soweit sie sich in seinem Besitz
befinden, auszuliefern. Zwar wird in der Literatur teilweise die Auffassung
vertreten, dass in entsprechender Anwendung des § 402 BGB der Zedent auch zur
Herausgabe eines über die Forderung erwirkten Titels verpflichtet ist (Soergel,
BGB, 12. Aufl., § 402 Rn. 4; Münchner-Kommentar, BGB, 5. Aufl., § 402 Rn. 9 unter
Hinweis allein auf Soergel, a.a.O.). Die analoge Anwendung des § 402 BGB auch
auf Vollstreckungstitel scheitert aber bereits daran, dass die Pflicht zur
Auslieferung von Urkunden sich auf alle Urkunden, aus denen sich etwas
Beweiserhebliches über die Forderung ergibt, erstreckt, ein Vollstreckungstitel
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Beweiserhebliches über die Forderung ergibt, erstreckt, ein Vollstreckungstitel
hingegen nicht Beweis-, sondern Vollstreckungszwecken dient. Letztlich kann diese
Frage aber dahinstehen, weil nicht die nach § 1225 BGB übergangene
Darlehensforderung tituliert ist, sondern lediglich die darüber hinaus bestehende
Pflicht der Darlehensnehmer zur Übernahme des Grundschuldbetrages
(Schuldanerkenntnis).
Soweit die Klägerin abweichend von ihrem Vortrag in der Berufungsbegründung
nunmehr richtig stellt, dass es weder eine zweite noch eine dritte vollstreckbare
Ausfertigung der notariellen Urkunde, sondern nur eine für die Beklagte, und zwar
vom 31.10.2003, existiert, erfordert dieser neue Vortrag mangels
Anspruchsgrundlage keinen neuen Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.