Urteil des OLG Düsseldorf vom 27.02.2007

OLG Düsseldorf: auszahlung der versicherungsleistung, einwilligung, eintritt des versicherungsfalles, mangel des verfahrens, zustandekommen des vertrages, gütliche beilegung, unfallversicherung

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-4 U 104/06
Datum:
27.02.2007
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-4 U 104/06
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des
Land-gerichts Düsseldorf – Einzelrichterin - vom 26.4.2006 (11 O
325/05) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen
Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 120 %
des beizutreibenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
G r ü n d e
1
I.
2
Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Unfallversicherung geltend.
3
Sie schloss aufgrund eines Antrags vom 22.10.2002 bei der Beklagten eine
Unfallversicherung ab, Versicherungsnehmerin sollte die Klägerin sein, versicherte
Person die am 22.2.1920 geborene Mutter der Klägerin, Frau E. E. E.. Die Beklagte
erstellte am 30.10.2002 einen entsprechenden Versicherungsschein über eine
dynamische Unfallversicherung gem. AUB 99. Als Versicherungssumme waren u.a. für
den Todesfall 10.000 € und für den Fall der Invalidität 100.000 € vorgesehen. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf die Kopie des Versicherungsscheins, die in den
Akten enthalten ist, verwiesen.
4
Frau E. E. E. stürzte am 29.12.2002 und brach sich das rechte Handgelenk und die
rechte Hüfte.
5
In zwei Schadensanzeigen vom 30.12.2002 und 27.3.2993 werden keine
Vorerkrankungen angegeben.
6
Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie aufgrund dieses Unfalls Leistungen von der
Beklagten beanspruchen kann.
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Sie ist der Ansicht, dass der Versicherungsvertrag wirksam sei, die Mutter der Klägerin
habe sich mit dem Abschluss des Vertrages wirksam einverstanden erklärt. Der bei
Abschluss des Vertrages tätige Versicherungsmakler H. habe für die versicherte Person
aufgrund einer Vollmacht die entsprechende Erklärung vorgenommen. Die Mutter der
Klägerin habe der Versicherungsagentur H. am 8.1.2002 eine entsprechende Vollmacht
erteilt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Mutter der Klägerin geschäftsfähig und
gesundheitlich "absolut fit" gewesen.
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Zudem habe die Mutter der Klägerin mit notarieller Urkunde vom 30.8.1994 eine
Generalvollmacht erteilt, aufgrund derer die Klägerin den Versicherungsvertrag wie
geschehen habe schließen können.
9
Die Mutter der Klägerin sei zudem auch in die Gespräche zwischen der Klägerin und
dem Versicherungsmakler H. im Vorfeld des Vertragsschlusses eingebunden und mit
dem Vertrag einverstanden gewesen. Auch habe die Klägerin für ihre Mutter aufgrund
der erteilten Generalvollmacht in den Abschluss des Unfallversicherungsvertrages mit
einer Erklärung vom 30.3.2006 eingewilligt und zugleich Ansprüche ihrer Mutter aus der
Versicherung an sich abgetreten.
10
Die Klägerin vertritt weiter die Ansicht, dass selbst dann, wenn keine hinreichende
Einwilligung der versicherten Person vorläge, das Vertragsverhältnis nicht unwirksam
sei, vielmehr sei dann von einem Fremdversicherungsvertrag zugunsten der Mutter der
Klägerin auszugehen.
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Die Beklagte könne sich auch nicht auf eine angeblich fehlende schriftliche Einwilligung
der Mutter der Klägerin berufen, hierauf hätte sie sich zu Beginn des
Versicherungsverhältnisses berufen müssen, stattdessen habe sie die Police übersandt
und damit dokumentiert, dass sie das Versicherungsverhältnis von einer schriftlichen
Einwilligung der versicherten Person nicht abhängig mache. Mit einem entsprechenden
Einwand verhalte sich die Beklagte treuwidrig. Die Beklagte habe auch nicht vor
Vertragsschluss nach Vorerkrankungen der versicherten Person gefragt und auch
hiervon nicht das Zustandekommen des Vertrages abhängig gemacht. Bei der 82-
jährigen Mutter der Klägerin sei aber davon auszugehen, dass Vorerkrankungen
bestehen.
12
Die Klägerin behauptet weiter, den Unfall am 30.12.2002 der Versicherungsagentur H.
schriftlich gemeldet zu haben. Zu den der Beklagten vorliegenden Schadensmeldungen
behauptet sie, dass die Angaben in der Schadensanzeige vom 7.1.2003 zwischen ihr
und dem Versicherungsagent H. nicht "ausdiskutiert" worden seien. Sie verweist darauf,
dass diese Anzeige unstreitig auch keine Belehrung über die Folgen wahrheitswidriger
Angaben enthalte.
13
Bei der weiteren Schadensanzeige vom 27.3.2003 habe die Klägerin nicht gewusst,
was sie in das Formular hineinschreiben solle, sie sei davon ausgegangen, dass das
durch Herrn H. erstellte Formular der Beklagten bereits vorgelegen habe. Dieses
Formular habe eine Schwester aus der Unfallabteilung des Krankenhauses, in dem sich
ihre Mutter damals befand, nach Einblick in die Krankenakte ausgefüllt, die Klägerin
14
habe das Formular dann unterzeichnet.
Sie verweist weiterhin darauf, dass sie die Frage nach Vorerkrankungen nicht
absichtlich offengelassen habe, sowie darauf, dass sie – unstreitig – nach Anforderung
der Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 12.7.2004 sämtliche versicherte
Krankenunterlagen über die versicherte Mutter der Klägerin der Beklagten zugeleitet
habe.
15
Zum Unfallhergang behauptet sie, dass die Mutter über ein kleines Holzspielzeug
gestürzt sei, das das Kind von Interessenten einer Hausbesichtigung zurückgelassen
habe. Die Mutter sei nicht aufgrund einer Bewusstseinsstörung gestürzt. Bis zum
Unfallzeitpunkt sei ihre Mutter auch ohne Stock genügend mobil gewesen, infolge des
Unfalls sei sie jedoch zu 100 % invalide, sie könne seitdem weder selbständig gehen
noch stehen, ohne Hilfe nicht mehr aufstehen, sich waschen oder anziehen.
16
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte daher die Zahlung der vollständigen
Versicherungssumme von 100.000 € schulde und hat in erster Instanz beantragt,
17
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 100.000 € nebst Zinsen hieraus i.H.v.
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.2.2005 sowie
außergerichtliche Kosten i.H.v. 612,19 € zu zahlen.
18
Im Hinblick auf die Regelung in § 11 Abs. 1 (1.)) S. 2 i.V.m. § 19 Abs. 1 AUB 99
(Rentenzahlung, wenn der Versicherte bei Eintritt des Unfalls das 65. Lebensjahr
vollendet hat) hat sie behauptet, dass die unfallbedingten Heilbehandlungen am
6.6.2002 abgeschlossen gewesen seien und hat hilfsweise beantragt,
19
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 41.667,12 € nebst Zinsen i.H.v.
5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 3.472,26 € vom
jeweils 2.1., 2.4., 2.7. und 2.10. der Jahre 2003, 2004 und 2005 zu zahlen sowie
20
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 4.1.2006
jeweils zum 4.1., 2.4., 2.7. und 2.10. der folgenden Jahre und endend mit dem
Vierteljahr, in dem die Mutter der Klägerin, Frau E. E. verstirbt, vierteljährlich
3.472,26 € zu zahlen.
21
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Sie hat sich darauf berufen, dass der Vertrag unwirksam sei, weil die schriftliche
Einwilligung der versicherten Mutter der Klägerin fehle. Die auf den
Versicherungsmakler H. ausgestellte Vollmacht genüge den Anforderungen
ebensowenig wie die Generalvollmacht vom 30.8.1994 nicht. Es könne auch nicht von
einem Fremdversicherungsvertrag ausgegangen werden, da die
Versicherungsnehmerin die Auszahlung der Versicherungsleistung an sich selbst
vorbehalten habe.
24
Die Mutter der Klägerin habe dem Vertrag auch nicht wirksam zustimmen können, sie
sei infolge einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung zum Zeitpunkt des
Vertragsschlusses und zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung geschäftsunfähig
25
gewesen.
Die Beklagte sei zudem nach § 2 Abs. 1 (1) AUB 99 leistungsfrei geworden. Ursache
des Sturzes sei eine Bewusstseinsstörung infolge Demenzerkrankung und cerebraler
Durchblutungsstörung. Sie sei schon zuvor mehrfach infolge cerebraler
Durchblutungsstörungen und Demenzerkrankung gestürzt.
26
Die Klägerin und ihre Mutter hätten zudem gegenüber Ärzten und in einer
Schadenanzeige vom 7.1.2003 angegeben, dass die Mutter ohne erkennbaren äußeren
Anlass gestürzt sei. Erstmals mit Klageerhebung werde behauptet, dass die Mutter über
ein Spielzeug gestürzt sei, das Schreiben vom 30.12.2002 an den Makler sei
offensichtlich unrichtig und rückdatiert.
27
Jedenfalls aber sei die Beklagte wegen vorsätzlicher Verletzung der Obliegenheiten der
Klägerin gem. §§ 14, 15 AUB 99 von der Leistungspflicht befreit.
28
In der Schadenmeldung vom 7.1.2003 sei die Frage, ob die Verletzte vor Eintritt des
Unfalls vollkommen gesund und arbeitsfähig gewesen sei, wahrheitswidrig mit "ja"
beantwortet, die Frage, ob die Verletzte in den letzten Jahren wegen allgemeiner
Erkrankungen in ärztlicher Behandlung gewesen sei, sei wahrheitswidrig mit "nein"
beantwortet. Diese falschen Angaben seien in der zweiten Schadensmeldung vom
27.3.2003 nicht korrigiert worden. Das Formular dieser Schadensmeldung habe unter
Ziff. 9.1. eine Belehrung über die Wahrheitspflicht bei der Schadenanzeige enthalten,
was unstreitig ist. Tatsächlich sei die Mutter der Klägerin seit 1999 – unstreitig - wegen
Demenzerkrankung in ärztlicher Behandlung gewesen, zuletzt sieben Tage vor
Abschluss des Unfallversicherungsvertrages.
29
Schließlich beruft sich die Beklagte auf eine Nichtigkeit des Vertrages, sie vertritt die
Ansicht, dass die Klägerin bei Abschluss des Vertrages die erheblichen und
unfallträchtigen Vorerkrankungen der Mutter vorsätzlich verschwiegen habe. Zur
Offenbarung von gravierenden Vorerkrankungen sei die Klägerin auch ungefragt
verpflichtet gewesen. Der Klägerin sei bewusst gewesen, dass die Mutter in hohem
Maße unfallträchtige Vorerkrankungen hatte, dies folge schon daraus, dass sie
angegeben habe, bei der Beklagten nachfragen zu lassen, ob diese auf Fragen zu
Vorerkrankungen verzichte.
30
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 26.4.2006 die Klage
abgewiesen und ausgeführt, dass ein wirksamer Versicherungsvertrag zwischen den
Parteien nicht zustande gekommen sei. Es fehle an der nach § 179 Abs. 3 VVG
erforderlichen schriftlichen Einwilligung der zu versichernden Person. Hierzu genüge
eine Blankovollmacht nicht. Es hätte eine schriftliche Einwilligung vorliegen müssen, die
die Umstände erfasse, von denen das Risiko der Versicherten im Wesentlichen
abhinge. Das Fehlen einer derartigen Einwilligung führe zur Unwirksamkeit des
Vertrages. Von einer Fremdversicherung könne nicht ausgegangen werden, weil die
Klägerin alleinige Begünstige des Vertrages sein sollte. Auch die sonstigen Umstände
sprächen für eine Versicherung für eigene Rechnung der Klägerin.
31
Eine nachträgliche Genehmigung des unwirksamen Versicherungsvertrages durch die
Versicherte sei nicht möglich. Das nichtige Rechtsgeschäft sei auch nicht nach § 141
BGB formgerecht bestätigt worden.
32
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin die Anträge
erster Instanz weiter, wobei sie den Hilfsantrag dem Zeitfortschritt anpasst und höchst
hilfsweise Zahlung an ihre Mutter verlangt für den Fall, dass der Senat die
Genehmigung des Vertrages und die Abtretung für unwirksam halten sollte.
33
Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, dass das Landgericht gegen § 278
ZPO verstoßen habe und es versäumt habe, auf eine gütliche Beilegung des
Rechtsstreits hinzuwirken.
34
In materiell-rechtlicher Hinsicht habe das Landgericht rechtsfehlerhaft das
Zustandekommen des Versicherungsvertrages an dem Fehlen der nach § 179 Abs. 3
S. 1 VVG erforderlichen Einwilligung scheitern lassen.
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Die Klägerin verweist erneut auf die notarielle Generalvollmacht vom 30.8.1994 und
darauf, dass die dem Makler durch die Mutter der Klägerin erteilte Vollmacht ausreiche.
Auch genüge die Erklärung vom 30.3.2006, eine Einwilligung sei auch nachträglich
möglich.
36
Das Landgericht habe weiterhin zu Unrecht eine Unwirksamkeit des
Versicherungsvertrages angenommen. Unwirksam sei ein Versicherungsvertrag nur in
dem Fall, wenn eine Unfallversicherung ausschließlich Leistungen für den Todesfall
vorsehe, wobei es sich dann nicht um eine Unfall-, sondern um eine
Lebensversicherung handele. Bei einer fehlenden Einwilligung sei der
Unfallversicherungsvertrag als Fremdversicherung zu bewerten, dies folge schon aus
§ 179 Abs. 2 VVG. Ein entsprechender Anspruch der Mutter der Klägerin sei mit der
Erklärung vom 30.3.2006 an die Klägerin abgetreten worden.
37
Das Landgericht habe zudem unter fehlerhafter Anwendung des § 286 ZPO der
Entscheidung zugrundegelegt, dass die Klägerin die Auszahlung der
Versicherungsleistung ausdrücklich nur an sich selbst vorbehalten habe. Das sei
tatsächlich nicht der Fall, der Versicherungsvertrag enthalte eine solche Beschränkung
nicht.
38
Der Beklagten sei es auch verwehrt, sich auf die fehlende Einwilligung zu berufen, weil
sie, ohne diesen Punkt zu beanstanden, den Versicherungsschein ausgestellt und die
Prämien kassiert habe. So habe sie für die Klägerin einen Vertrauenstatbestand
geschaffen.
39
Die Klägerin beantragt,
40
unter Aufhebung des am 26.4.2006 verkündeten und am 11.5.2006 zugestellten
Urteils des Landgerichts Düsseldorf – 11 O 325/05 – die Beklagte zu verurteilen, an
die Klägerin 100.000 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem
jeweiligen Basiszinssatz seit 15.2.2005 sowie außergerichtliche Kosten i.H.v.
612,19 € zu zahlen,
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hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 48.611,64 € nebst Zinsen
i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus jeweils 3.472,26 €
vom jeweils 2.1., 2.4., 2.7. und 2.10. der Jahre 2003, 2004 und 2005 sowie vom
2.1.2006 und 2.4.2006 zu zahlen sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet
ist, der Klägerin ab dem 2.7.2006 jeweils zum 2.7. und 2.10.2006 sowie zum
42
jeweils 2.1., 2.4., 2.7. und 2.10. der folgenden Jahre und endend in dem Vierteljahr,
in dem die Mutter der Klägerin, Frau E. E. E. verstirbt, vierteljährlich 3.472,26 € zu
zahlen,
höchst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an Frau E. E. E., T. X, K. 48.611,64 €
nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus
jeweils 3.472,26 € vom jeweils 2.1., 2.4., 2.7. und 2.10. der Jahre 2003, 2004 und
2005 sowie vom 2.1.2006 und 2.4.2006 zu zahlen sowie festzustellen, dass die
Beklagte verpflichtet ist, Frau E. E. E. ab dem 2.7.2006 jeweils zum 2.7. und
2.10.2006 sowie zum jeweils 2.1., 2.4., 2.7. und 2.10. der folgenden Jahre und
endend in dem Vierteljahr, in dem sie verstirbt, vierteljährlich 3.472,26 € zu zahlen.
43
Die Beklagte beantragt,
44
die Berufung zurückzuweisen.
45
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und ist der Ansicht, dass das Landgericht eine
Umdeutung des Vertrages nach § 179 Abs. 2 VVG zu Recht abgelehnt habe. Die
Klägerin sollte die alleinige Begünstigte des Versicherungsvertrages sein, die von ihr
vorgelegte Einwilligung bzw. Abtretung sei unwirksam, weil die Mutter der Klägerin
mittlerweile geschäftsunfähig sei.
46
Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin auf eine fehlende
schriftliche Einwilligung hinzuweisen, weil die Klägerin sich bei Vertragsschluss eines
kundigen Maklers bedient habe, der diesen Hinweis hätte erteilen können.
47
II.
48
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
49
1. Ein – angenommener – Verstoß des Landgerichts gegen § 278 Abs. 2 ZPO führt nicht
zur Abänderung und Aufhebung des angefochtenen Urteils.
50
§ 278 Abs. 2 ZPO verpflichtet das erstinstanzliche Gericht in der Regel, vor der
mündlichen Verhandlung eine Güteverhandlung durchzuführen. Von einer solchen
Güteverhandlung kann abgesehen werden, wenn bereits ein Einigungsversuch vor
einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden hat, oder die Güteverhandlung
erkennbar aussichtslos erscheint.
51
Ein angenommener Mangel des Verfahrens erster Instanz hat sich jedenfalls (wie auch
im Regelfall, vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 278 Rdz. 23) nicht auf das Ergebis
ausgewirkt. Denn es kann nicht festgestellt werden, dass das angefochtene Urteil darauf
beruht, dass keine Güteverhandlung stattgefunden hat. Auch mit der
Berufungsbegründung trägt die Klägerin nicht vor, dass konkrete Aussichten zur
vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreits bestanden hätten, abgesehen von dem
von der Klägerin als nicht akzeptabel empfundenen unstreitigen Angebot der Beklagten,
7.500 € zu zahlen.
52
2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch gegen die Beklagte auf
Auszahlung der Versicherungsleistung verneint.
53
a) Dabei hat das Landgericht allerdings zu Unrecht angenommen, dass der Vertrag
ungültig sei.
54
aa) Es fehlt zwar an der nach § 179 Abs. 3 VVG erforderlichen schriftlichen Einwilligung
der versicherten Person, der Mutter der Klägerin, zu einem Versicherungsvertrag, der
eine Unfallversicherung für eigene Rechnung der Klägerin begründen soll.
55
Die genannte Vorschrift hat den Zweck, jede Spekulation mit der Gesundheit Dritter
ohne deren Einverständnis zu unterbinden (Prölss/Martin-Knappmann, VVG, 27. Aufl.,
§ 179 Rdz. 9). Es soll – ebenso wie durch § 159 Abs. 3 VVG, der das Recht der
Lebensversicherung entsprechend regelt – der versicherte Dritte geschützt werden. Der
Dritte ist insbesondere vor der Gefahr zu schützen, dass der Versicherungsnehmer den
Versicherungsfall herbeiführt (BGH, NJW 1997, 2381 für das Recht der
Lebensversicherung). Das Gesetz kommt diesen Schutzgedanken nach, indem es die
Entscheidung, welchem Risiko, insbesondere gegenüber dem Versicherungsnehmer
sich die Gefahrperson aussetzen möchte, ausschließlich der Entscheidung der
Gefahrperson vorbehält (BGH, VersR 1999, 347, 348; VersR 1995, 409; VersR 1989,
465). Diese Schutzfunktion gebietet es, am Formerfordernis der Einwilligung
konsequent festzuhalten und nicht im Einzelfall zu prüfen, ob tatsächlich eine konkrete
Gefahr für die Gefahrperson besteht (OLG Frankfurt, r+s 1998, 126). Diese – für das
Recht der Lebensversicherung von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze – sind
auf das Recht der Unfallversicherung übertragbar. Die theoretische Gefährdungslage im
Bereich der Unfallversicherung ist nicht geringer anzusetzen als im Bereich der
Lebensversicherung. Der Eintritt des Versicherungsfalles bedeutet für den Betroffenen
oftmals ein weiteres Leben unter erheblichen Beeinträchtigungen und Schmerzen.
56
bb) Rechtsfolge der fehlenden Einwilligung der versicherten Person ist aber nicht die
Nichtigkeit des Vertrages, sondern entsprechend der Zweifelsregel des § 179 Abs. 2
VVG die Annahme einer Fremdversicherung.
57
Über die Rechtsfolge des Fehlens einer wirksamen Einwilligung besteht Einigkeit,
soweit durch einen Unfallversicherungsvertrag ausschließlich Todesfallleistungen
bedungen werden, dann handelt es sich im Ergebnis um eine Lebensversicherung und
§ 159 Abs. 2 VVG findet Anwendung, ein solcher Vertrag ist ohne Einwilligung nichtig
(BGH, VersR 1999, 347; VersR 1995, 501; VersR 89, 465).
58
Bei der Unfallversicherung wird darüber hinaus Nichtigkeit angenommen, wenn eine
Fremdversicherung durch den Vertragsinhalt ausgeschlossen ist, so, wenn sich der
Versicherungsnehmer ausdrücklich die Auszahlung der Versicherungsleistung an sich
selbst vorbehalten hat (Prölss/Martin-Knappmann, § 179 Rdz. 10 m.w.N.).
59
Zu Unrecht ist das Landgericht bei der Auslegung des Versicherungsvertrages zu dem
Ergebnis gelangt, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Versicherung gegen
Unfälle, die einem anderen zustoßen, handelt und als für Rechnung des anderen
angenommen anzusehen ist. Eine Versicherung für eigene Rechnung liegt nahe, wenn
der Versicherungsnehmer seinerseits Verpflichtungen gegenüber dem Versicherten,
insbesondere Fürsorge und Versorgungspflichten hat (Prölss/Martin-Knappmann, § 179
Rdz. 8), allerdings ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Vertrag damit als für
fremde Rechnung geschlossen anzusehen ist.
60
Das OLG Hamm hat in seinem Urteil vom 28.11.1975 – 20 U 163/75, im Volltext
61
veröffentl. bei Juris – ausgeführt, dass jedenfalls dann, wenn der Vertragsinhalt nicht
eindeutig auf eine Versicherung für eigene Rechnung hinweist, der Vertrag nicht nichtig,
sondern zwingend als Vertrag für fremde Rechnung anzusehen sei. Dies entspricht der
Regel des § 179 Abs. 2 VVG und dem ist, jedenfalls für den vorliegenden Fall, zu
folgen.
Denn dem Versicherungsvertrag kann nicht entnommen werden, dass sich die Klägerin
die Auszahlung der Versicherungsleistung an sich ausdrücklich vorbehalten hat.
62
b) Unbegründet ist die Klage aber deswegen, weil die Beklagte nach §§ 14, 15 AUB 99
i.V.m. § 6 Abs. 3 VVG wegen Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit der Klägerin
leistungsfrei geworden ist.
63
Die Klägerin hat ihre in § 14 Abs. 2 AUB 99 vertraglich festgelegte Verpflichtung, die
übersandte Unfallanzeige wahrheitsgemäß auszufüllen, verletzt.
64
Weder die von der Klägerin unterzeichnete Unfallanzeige, eingegangen bei der
Beklagten am 9.1.2003, noch die mit Datum vom 27.3.2003 unterzeichnete und mit einer
Belehrung über die Wahrheitspflicht versehene Anzeige enthalten Angaben zu
Vorerkrankungen der Mutter der Klägerin. Auf dem am 27.3.2003 unterzeichneten
Formular wird die Frage nach Krankheiten zum Zeitpunkt des Unfalls nicht beantwortet.
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Dabei gab es unstreitig Vorerkrankungen, insbesondere auch solche, die für die
Beurteilung des Unfallgeschehens von Interesse sein konnten. So ergibt sich aus den
ärztlichen Berichten der Dres. M. vom 7.12.1999 und L. vom 29.12.1999, dass die
Klägerin schon häufiger gestürzt war und eine beginnende Hirnleistungsschwäche
vorlag, bzw. dass bei ihr vier Synkopen (Ohnmacht, kurze Bewusstlosigkeit, lt.
Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl.) aufgetreten seien.
66
Diese Vorerkrankungen sind in beiden Anzeigen objektiv wahrheitswidrig nicht
angegeben. Ob dieser Umstand, allein bezogen auf die zweite Schadensanzeige, in der
die Frage offengeblieben ist, für sich genommen ausreicht, um eine
Obliegenheitsverletzung zu begründen kann dahinstehen, weil die Frage jedenfalls in
dem ursprünglichen Fragebogen definitiv verneint worden ist. Dieser Fragebogen vom
7.1.2003 enthält zwar nicht die notwendige Belehrung über die Folgen
wahrheitswidriger Angaben, dies ist im vorliegenden Fall jedoch unschädlich, da die
Gesamtumstände den Schluss auf ein vorsätzlich arglistiges Verhalten der Klägerin
zulassen (vgl. Römer/Langheid-Römer, § 6 Rdz. 69).
67
Hierfür sprechen folgende Umstände:
68
Schon in der ersten Schadensanzeige vom 7.1.2003 wird die Mutter der Klägerin
fälschlich als vollkommen gesund bezeichnet und die Frage nach ärztlichen
Behandlungen wegen allgemeiner Erkrankungen in den letzten Jahren wahrheitswidrig
verneint.
69
Nach dem Vorbringen der Klägerin im Schriftsatz vom 29.11.2005 hat die von der
Klägerin beauftragte Versicherungsmaklerin H. sich vor Abschluss des Vertrages eigens
bei der Beklagten erkundigt, ob sie die Mutter der Klägerin ohne Gesundheitsprüfung
versichere. Die Vorerkrankungen und gesundheitlichen Probelme der Mutter waren der
Klägerin demnach bewusst. Unstreitig ist die Mutter der Klägerin zuvor immer häufiger
70
gestürzt. Bei ihr wurden cerebrale Durchblutungsstörungen diagnostiziert und
wiederholt auftretende Schwindelanfälle ärztlich dokumentiert. Unter Berücksichtigung
der u.a. in dem Schreiben von Dr. L. vom 29.12.1999 dokumentierten Gangunsicherheit
bestand damit, und zwar für die Klägerin ohne weiteres erkennbar, ein signifikant
erhöhtes Unfallrisiko.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass sich der Unfall lediglich zwei Monate nach
Abschluss des Versicherungsvertrages ereignete. Aufgrund dieser Umstände hält der
Senat die Angaben der Klägerin, dass sie ohne jede böse Absicht in beiden von ihr
unterzeichneten Unfallberichten die Angaben zu den Vorerkrankungen nicht gemacht
bzw. wahrheitswidrig beantwortet hat, für widerlegt. Dabei kann es die Klägerin nicht
entlasten, wenn das Formular vom 7.1.2003 durch einen Mitarbeiter oder eine
Mitarbeiterin des Versicherungsmaklers H. und das Formular vom 27.3.2003 durch eine
Krankenschwester ausgefüllt worden sein soll. Die Anzahl der gestellten Fragen war
überschaubar. Der Text umfasste lediglich zwei Seiten. Gerade das wiederholte
Verlangen der Beklagten nach Ausfüllen einer Schadensmeldung hätte einen redlichen
Versicherungsnehmer dazu veranlasst, das zweite Formular sorgfältig zu lesen und von
sich aus die Angaben zu den Vorerkrankungen zu beantworten bzw. richtig zu stellen.
Rechtlich sind die Angaben in den beiden Formularen ohnehin der Klägerin
zuzurechnen, sie hat beide Erklärungen unterzeichnet und sich damit die Angaben der
ausfüllenden Personen zu eigen gemacht (vgl. BGH NJW 1995, 662; OLG Oldenburg,
VersR 1998, 1148).
71
Angesichts des arglistigen Verhaltens der Klägerin bleibt die Beklagte auch nicht
deshalb leistungspflichtig, weil die Klägerin im Nachhinein die Vorerkrankungen nach
Einschalten ihres Bevollmächtigten umfangreich offengelegt hat. Die Berufung auf eine
Obliegenheitsverletzung durch einen Versicherer in solchen Fällen ist nur dann
treuwidrig, wenn der Versicherungsnehmer seine Falschangaben freiwillig berichtigt
(BGH VersR 2002, 173).
72
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin die Vorerkrankungen aber nicht freiwillig und von
sich aus offenbart. Die Beklagte hatte auf ergänzenden Angaben bestanden, nachdem
sich aus einem ihr vorliegenden Gutachten des Elisabeth-Krankenhauses ergeben
hatte, dass die Mutter der Klägerin an unfallunabhängigen Erkrankungen litt.
73
Die Leistungsfreiheit der Beklagten entfällt auch nicht im Hinblick auf die "Relevanz-
Rechtsprechung" des Bundesgerichtshofs. Danach tritt Leistungsfreiheit des
Versicherers bei vorsätzlicher folgenloser Obliegenheitsverletzung des
Versicherungsnehmers nur dann ein, wenn die Obliegenheitsverletzung geeignet war,
die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden und ein erhebliches Verschulden
des Versicherungsnehmers vorliegt (BGH VersR 1970, 241; VersR 1997, 1021).
74
Die Obliegenheitsverletzung der Klägerin war indes geeignet, die Interessen der
Beklagten ernsthaft zu gefährden, denn wenn die Beklagte es bei den Angaben der
Klägerin belassen hätte, hätte sie keine Anhaltspunkte gehabt zu hinterfragen, ob die
Ursache des Sturzes der Mutter der Klägerin ein Unfall war, oder ob die Mutter – wie
schon in der Vergangenheit – aufgrund einer Bewusstseinsstörung stürzte. Der
Beklagten hätten nicht alle Unterlagen zur Beurteilung ihrer Leistungspflicht vorgelegen.
Das gilt im vorliegenden Fall erst recht, weil die Beklagte bei Begründung des
Versicherungsvertrages nicht nach Vorerkrankungen gefragt hatte.
75
Das erhebliche Verschulden der Klägerin ist nach den obigen Ausführungen zur Arglist
zu bejahen, denn die Klägerin hat den Auftrag zum Abschluss eines
Versicherungsvertrages bei der Versicherung erteilt, bei der nach Vorerkrankungen
nicht gefragt wurde.
76
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
77
Streitwert für das Berufungsverfahren: 100.000 €.
78
Dr. R. Dr. W. C.
79