Urteil des OLG Düsseldorf vom 09.02.2005

OLG Düsseldorf: handelsvertreter, bargeld, verfügung, unternehmer, entlastung, arbeitsrecht, beweislast, verschulden, richtigstellung, vergleich

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
6
7
Aktenzeichen:
Vorinstanz:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-16 U 84/04
09.02.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf
16. Zivilsenat
Beschluss
I-16 U 84/04
Landgericht Düsseldorf, 11 O 27/04
wird der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für
die Durchführung der Berufung gegen das am 19. Mai 2004 verkündete
Urteil der
1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld zurückgewiesen.
G r ü n d e :
Die Voraussetzungen, unter denen einer Partei für die beabsichtigte Rechtsverfolgung
gemäß §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, liegen nicht vor.
I. Die Berufung des Beklagten hat nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg
1. Der Streit der Parteien geht darum, ob in der von dem Beklagten betriebenen
Postagentur eine Bargelddifferenz von 30.000,-- € zu Lasten des Beklagten aufgetreten ist.
2. Von einer solchen Bargelddifferenz ist das Landgericht unter Zugrundelegung des
Vorbringens der Parteien mit Recht ausgegangen.
a) Es ist unstreitig, dass am 4. September 2002 nach einem unter der Journalnummer 6163
durchgeführten Soll-/Ist-Vergleich in dem von der Klägerin zur Verfügung gestellten und
von dem Beklagten benutzten Buchungssystem eine Bargelddifferenz von 31.818,72,-- €
geführt worden ist, die in dem vom EPOS-System erzeugten elektronischen
Buchungsjournal dokumentiert ist. Entsprechendes gilt für die zuvor in dem
Buchungssystem geführten Bargelddifferenzen.
b) Der Verweis auf den im Buchungssystem ermittelten Minussaldo reicht zur schlüssigen
Darlegung der Klageforderung aus. Weiteres Vorbringen bedürfte es nur dann, wenn
erhebliches Vorbringen des Beklagten vorläge, insbesondere, wenn nach dem Vorbringen
des Beklagten allgemein oder aufgrund besonderer Umstände des vorliegenden Falles
Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass das Buchungserfassungssystem der Klägerin generell
oder jedenfalls hinsichtlich der von dem Beklagten geführten Postagentur unzuverlässig
oder fehlerhaft ist. Das ist aber nicht der Fall.
8
9
10
11
12
13
14
15
c) Soweit der Beklagte das Zustandekommen der von der Klägerin dargetanen
Bargelddifferenz bestreitet, ist sein Bestreiten unsubstanziiert. Der Beklagte zeigt nicht auf,
dass und aus welchem Grunde die in dem Buchungssystem ausgewiesene
Bargelddifferenz falsch sein könnte, obwohl er bei entsprechender Kontrolle zur
Aufdeckung von Fehlern und Unstimmigkeiten im Buchungssystem in der Lage gewesen
wäre.
aa) Der Beklagte hatte den alleinigen Zugriff auf die von ihm geführte Postagenturkasse
und er trug auch die alleinige Verantwortung für die Buchungsvorgänge in seiner Agentur.
bb) Über den aktuellen Bargeld-Sollbestand und die Entwicklung seiner
Gesamtverbindlichkeiten (Bargeld-Sollbestand zuzüglich einer Bargelddifferenz) konnte er
sich täglich aufgrund eines bei jedem Kassenschluss ausgedruckten Abschluss-Blattes
informieren. Zusätzlich konnte er bei jedem Kassenschluss eine Transaktionsliste aller
durchgeführten Buchungen ausdrucken lassen. Anhand dieser Listen konnte er die
einzelnen im EPOS-System erfassten Buchungen nachvollziehen. Für den Fall, dass in der
Liste Buchungen enthalten gewesen wären, die er sich nicht hätte erklären können, hätte er
sich dann wegen dieser konkret von ihm als klärungsbedürftig zu benennenden Buchung
an die Klägerin wenden und auf eine Klärung und Richtigstellung hinwirken können und
müssen.
cc) Dass er derartige Kontrollen und Überprüfungen durchgeführt habe und hierbei
irgendwelche Fehler oder Unstimmigkeiten entdeckt habe, trägt der Beklagte nicht vor.
dd) Unstreitig ist zwar, dass der Beklagte bei den bereits vor dem 4. September 2002
durchgeführten Soll/Ist-Vergleichen gegenüber Mitarbeitern der Klägerin behauptete, er
könne sich die im Buchungssystem aufgeführten Bargelddifferenzen nicht erklären. Auf
bestimmte Fehler oder Unregelmäßigkeiten hat der Beklagte bei diesen Gelegenheiten
aber nicht hingewiesen. Insbesondere hat er keine Beanstandungen in Bezug auf
bestimmte Buchungen vorgebracht oder Fehlbuchungen behauptet.
ee) Ohne Erfolg macht der Beklagte geltend, dass das von der Klägerin zur Verfügung
gestellte Buchungssystem nicht ordnungsgemäß arbeite und deshalb diese
Fehlerhaftigkeit für die im Buchungssystem angegebene Bargelddifferenz ursächlich sein
müsse. Die bloße pauschale Behauptung, das Buchungssystem sei unzuverlässig oder
mangelhaft, reicht nicht aus, die Brauchbarkeit und Funktionstüchtigkeit dieses Systems,
mit welchem der Beklagte jahrelang gearbeitet hat, sowie die Richtigkeit der von diesem
System ermittelten Ergebnisse in Frage zu stellen. Insoweit bedürfte es konkreten und
nachprüfbaren Vortrags zu bestimmten Fehlern, Unregelmäßigkeiten oder Schwierigkeiten,
die sich auf die angegebenen Bargelddifferenzen ausgewirkt haben könnten. Solcher
Vortrag fehlt jedoch und insoweit liegen auch weder allgemeine noch auf den vorliegenden
Einzelfall bezogene konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass das Buchungssystem der
Klägerin für ihre Postagenturen generell oder jedenfalls für die von dem Beklagten
geführten Postagentur mangelhaft oder unzuverlässig ist.
d) Damit ist davon auszugehen, dass in der Postagentur des Beklagten ein
Bargeldfehlbestand in Höhe von 30.000,-- € aufgetreten ist.
3. Für diesen Fehlbestand haftet der Beklagte schon kraft Gesetzes nach den
Rechtsgrundsätzen des bürgerlichen Rechts über die Haftung eines Verwahrers oder
Geschäftsführers (§§ 675, 667, 280 Abs. 1, 276 BGB). Davon, dass der Beklagte schuldhaft
gehandelt hat, ist auszugehen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er einen
16
17
18
19
Fehlbestand nicht zu vertreten hat, trifft den Handelsvertreter. Er muss den Fehlbestand
also erklären und sich insoweit entlasten, nicht hingegen muss ihm der Unternehmer ein
Verschulden nachweisen. Zu seiner Entlastung trägt der Beklagte hier aber nichts vor.
4. Die im Arbeitsrecht entwickelten Grundsätze über eine Haftungsminderung wegen
"gefahrgeneigter" oder "schadensgeneigter Arbeit" sind auf den Beklagten als
Handelsvertreter nicht übertragbar. Für den Handelsvertreter des § 84 HGB gelten die
besonderen arbeitsrechtlichen Fürsorgepflichten nicht (vgl. Löwisch in:
Ebenroth/Boujong/Joost, HGB, § 84 Rdnr. 4 m.w.N.).
II.
Berufung vor dem Verhandlungstermin zurück zu nehmen.
Düsseldorf, 9. Februar 2005 OLG, 16. Zivilsenat
R... ... R... F...
Oberlandesgericht Oberlandesgericht