Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.01.2005

OLG Düsseldorf: eintragung im handelsregister, öffentliches interesse, squeeze out, anfechtungsklage, aktionär, entlastung, gesellschaft, geschäftsjahr, hoheitsakt, geschäftsführung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Vorinstanz:
Nachinstanz:
Rechtskraft:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, I-6 U 5/04
20.01.2005
Oberlandesgericht Düsseldorf
6. Zivilsenat
Urteil
I-6 U 5/04
Landgericht Düsseldorf, 39 O 74/03
Bundesgerichtshof, II ZR 48/05
Nichtzulassungsbeschwerde zuürckgewiesen durch Beschluss des BGH
vom 15.05.2006.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Dezember 2003 verkündete
Urteil der 9. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf
wird zurückge-wiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die
Kosten der Streithilfe im zweiten Rechtszug werden der Streithelferin
auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
Höhe von 110 % des je-weils zu vollstreckenden Betrages leistet.
G r ü n d e:
A.
Wegen des Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf die tatsächlichen
Feststellungen, wegen der zur Abweisung der Klage durch das Landgericht führenden
Erwägungen auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin - unter Änderung eines Antrages - ihre
erstinstanzlichen Anträge weiter. Hierzu bringt sie insbesondere vor:
Auch nach ihrem Ausscheiden als Aktionärin der Beklagten bestehe ihr
Rechtsschutzinteresse fort. Die Aktionärsklage solle eine Kontrolle der Rechtmäßigkeit des
Organhandelns gewährleisten und nehme daher auch ein öffentliches Interesse wahr. Die
Anfechtungsklage könne nicht durch ein registergerichtliches Verfahren mit einem ganz
eingeschränkten, insbesondere auf formale Gesichtspunkte konzentrierten,
Prüfungsumfang ersetzt werden. Im Gegenteil habe die Rechtsprechung zu den §§ 142,
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144 FGG immer darauf hingewiesen, dass die umfassende gerichtliche Kontrolle von
Hauptversammlungsbeschlüssen im Anfechtungsverfahren zu erfolgen habe. Auch aus §
248 Abs. 1 Satz 3 AktG ergebe sich, dass die Eintragung eines
Hauptversammlungsbeschlusses und die anschließende Eintragung eines einer
Anfechtungsklage stattgebenden Urteils miteinander vereinbar seien. Der
Amtshaftungsklage komme ohnehin nur eine subsidiäre Bedeutung zu, nachdem ein
Beschluss einer Hauptversammlung einer inhaltlichen gerichtlichen Überprüfung
unterworfen worden sei.
Insgesamt müsse daher demjenigen, der zum Zeitpunkt der Fassung des
Hauptversammlungsbeschlusses Aktionär der Gesellschaft gewesen sei, eine umfassende
Überprüfung im Wege einer Anfechtungsklage möglich bleiben, solange die
Anfechtungsfrist noch nicht abgelaufen sei und sein Widerspruch Bestand habe. Darüber
hinaus ergebe sich aus dem Rechtsgedanken des § 265 ZPO, der auch auf Übertragungen
durch Hoheitsakt anwendbar sei, dass mit einer Übertragung der Aktien, wie sie im Streitfall
in Rede stehe, weder das Rechtsschutzinteresse noch die Klagebefugnis des Aktionärs
entfalle. Vorliegend komme erschwerend hinzu, dass die Beklagte ihre Erklärungen vor
dem Registergericht verfrüht abgegeben habe. Schließlich verletze ein anderes Ergebnis
auch den im Grundgesetz verankerten Justizgewährleistungsanspruch, indem die hier
gefassten Hauptversammlungsbeschlüsse nicht mehr umfassend in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht überprüft werden könnten.
Die Klägerin und ihre Streithelferin beantragen,
I.
unter Abänderung des am 12. Dezember 2003 verkündeten Urteils des Landgerichts
Düsseldorf zu erkennen, dass
1. der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Mai 2003 zu
Tagesordnungspunkt 2 gefasste Beschluss über die Entlastung des Vorstands für das
Geschäftsjahr 2001/2002 nichtig ist;
2. der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Mai 2003 zu
Tagesordnungspunkt 3 gefasste Beschluss über die Entlastung des Aufsichtsrats für das
Geschäftsjahr 2001/2002 nichtig ist;
3. der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Mai 2003 zu
Tagesordnungspunkt 6 gefasste Beschluss über die Übertragung der Aktien der
Minderheitsaktionäre an der G-GmbH auf die G-GmbH & Co. KG gegen Gewährung einer
angemessenen Barabfindung nichtig ist;
4. der in der Hauptversammlung der Beklagten vom 13. Mai 2003 gefasste
Beschluss, in dem der Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers abgelehnt wurde, für
nichtig erklärt wird und dass festgestellt wird, dass der folgende Antrag angenommen
wurde:
Es wird beschlossen, den Wirtschaftsprüfer Dr. H. zum Sonderprüfer zu bestellen.
Die Sonderprüfung soll sich auf die nachfolgenden Vorgänge der Geschäftsführung
beziehen und mögliche Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstands und
des Aufsichtsrates, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft XY, die Hauptaktionärin und ihre
verbundenen Gesellschaften und Organe beziffern, ggf. auch als Gesamtschuldner:
a) Finanzielle Beeinflussung der Geschäftsführung des Vorstandes im Sinne der
Hauptaktionärin im Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot, dem
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Beherrschungsvertrag, der Bestellung des Abschlussprüfers, der Fremdfinanzierung, der
Eingehung von Rechtsgeschäften im Konzern sowie dem Squeeze-out durch Einräumung
von pekuniären Vorteilen an den Vorstand;
b) Vorliegen von verdeckten Gewinnausschüttungen zwischen der Gesellschaft
und der Hauptaktionärin bzw. dieser verbundenen oder assoziierten Unternehmen durch
die seit Eintritt der Hauptaktionärin abgeschlossenen oder durchgeführten Vereinbarungen
und Rechtsgeschäf-te sowie die mögliche Verletzung der §§ 57, 71 a AktG durch die Ge-
staltung der Rahmenkreditvereinbarung bzw. des Eintritts der G-Gruppe in diese
Vereinbarung;
c) Planmäßiges Abschmelzen der Eigenkapitalrelation der Gesellschaft, ggf. auf
Anraten von XY;
d) Mangelhafte Überwachung der Geschäftsführung durch den Aufsichtsrat in den
vorbezeichneten Sachverhalten;
hilfsweise,
5. festgestellt wird, dass der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten
vom 13. Mai 2003 zu Tagesordnungspunkt 2 gefasste Beschluss über die Entlastung des
Vorstands für das Geschäftsjahr 2001/2002 rechtswidrig zustande gekommen und daher
nichtig ist;
6. festgestellt wird, dass der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten
vom 13. Mai 2003 zu Tagesordnungspunkt 3 gefasste Beschluss über die Entlastung des
Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2001/2002 rechtswidrig zustande gekommen und daher
nichtig ist;
7. festgestellt wird, dass der in der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten
vom 13. Mai 2003 zu Tagesordnungspunkt 6 gefasste Beschluss über die Übertragung der
Aktien der Minderheitsaktionäre an der G-GmbH auf die G-GmbH & Co. KG gegen
Gewährung einer angemessenen Barabfindung rechtswidrig zustande gekommen und
daher nichtig ist.
II.
die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens gemäß § 538 ZPO an das
Landgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht namentlich geltend:
Entscheidend sei, dass es sich auch bei der aktienrechtlichen Anfechtungsklage nicht um
eine Popularklage handele, die Klägerin aber im maßgeblichen Zeitpunkt der
Klageerhebung schon keine Aktionärin mehr gewesen sei. Von einer Erwirkung der
Eintragung im Handelsregister als desjenigen Hoheitsaktes, aufgrund dessen die Klägerin
ihre Aktionärsstellung verloren habe, mit unlauteren Mitteln könne keine Rede sein. Auch
helfe der Rechtsgedanke des § 265 ZPO nicht weiter, da der vorbezeichnete Hoheitsakt
nicht nach, sondern vor Rechtshängigkeit erfolgt sei. Schließlich würden schützenwerte
grundrechtliche Positionen der Klägerin schon deshalb nicht unzulässig beeinträchtigt, weil
ihr die Möglichkeiten sowohl eines Spruchverfahrens als auch einer Amtshaftungsklage
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blieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte
gereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Sitzungsniederschriften beider Rechtszüge und
die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Gründen zu B. Bezug genommen.
B.
I.
Die Berufung ist auch mit dem geänderten Klageantrag zu Ziff. 4. zulässig. Soweit in dieser
Änderung eine Klageänderung liegen sollte, ist sie nach § 533 ZPO zulässig, da auch
bezüglich des neuen Antrages Entscheidungsreife besteht, die Änderung mithin
sachdienlich ist und der Prozessstoff der nämliche bleibt.
Die der Klägerin bereits erstinstanzlich wirksam (§§ 66, 70 ZPO) beigetretene Streithelferin
hat sich auch am Berufungsverfahren durch Anschluss an die Anträge der Klägerin in
zulässiger Weise beteiligt. Für ihre gegenteilige Auffassung bringt die Beklagte nichts vor,
insbesondere bestreitet sie nicht die von der Streithelferin schon im ersten Rechtszug
vorgetragene Aktionärsstellung. Eines förmlichen Zwischenstreits über die Zulässigkeit der
Streithilfe bedurfte es nicht, da sich die Äußerung der Beklagten im Senatstermin erkennbar
auf die Äußerung einer bloßen Rechtsansicht - ohne Antrag auf Zurückweisung der
Nebenintervention durch Zwischenurteil - beschränkt hat.
Mehr als eine Beteiligung am Berufungsverfahren erstrebt die Streithelferin erkennbar auch
mit ihrem Schriftsatz vom 16. Dezember 2004 nicht, der ausdrücklich auf die Antragstellung
Bezug nimmt und vom Senat nicht als selbständige - offensichtlich verfristete -
Berufungsschrift gewertet wird.
II.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die
Klageanträge teilweise als unzulässig, teilweise als unbegründet abgewiesen, weil der
Klägerin die Aktionärseigenschaft fehle.
Ist ein Kläger nicht Aktionär der beklagten Gesellschaft, führt dies zur Unbegründetheit
einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage und dazu, dass es sich bei von ihm gestellten
Feststellungsanträgen nicht um Nichtigkeitsfeststellungsklagen nach § 249 AktG, sondern
um gewöhnliche Feststellungsklagen nach § 256 ZPO handelt (Hüffer, AktG, 6. Aufl. 2004,
§ 245 Rdnr. 2 sowie § 249 Rdnr. 2, jeweils m.w.N.).
Danach sind im Streitfall die Anträge zu 1. bis 3. sowie der erste Teil des jetzigen Antrags
zu 4. als Anfechtungsanträge unbegründet, der zweite Teil des Antrages zu 4. sowie die
Hilfsanträge zu 5. bis 7. gemäß § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig. Letzteres folgt daraus, dass
sich die Klägerin nicht auf ein Feststellungsinteresse berufen kann; dies hat das
Landgericht im angefochtenen Urteil (Ausfertigung Seite 11) näher, zutreffend und von der
Berufung nicht gesondert angegriffen begründet.
Die Aktionärseigenschaft der Klägerin war im vorliegenden Fall nicht erst im Zeitpunkt der
Klageerhebung, sondern sogar schon bei Einreichung der Klageschrift entfallen, weil der
Übertragungsbeschluss neun Tage zuvor in das Handelsregister eingetragen worden war.
Die Klägerin kann sich auch auf keine tragfähigen Erwägungen berufen, die ihr über dieses
Hindernis für den Erfolg ihrer Klageanträge hinweghelfen würden.
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Geschehnisse und Rechtsfragen innerhalb des registergerichtlichen Verfahrens sind für
den vorliegenden Rechtsstreit ohne Belang. Entscheidend ist hier lediglich das Ergebnis
jenes Verfahrens, nämlich der Bestand der Handelsregistereintragung. Dieser Hoheitsakt
zeitigt für den vorliegenden Rechtsstreit Tatbestandswirkung.
Danach kommt es nicht darauf an, welche Auffassung der Senat zu der Frage vertreten
würde, ob die Eintragung von Amts wegen zu löschen sei oder nicht. Gleiches gilt
bezüglich des Gesichtspunktes der von der Klägerin sinngemäß behaupteten
"Erschleichung" der Handelsregistereintragung durch die Beklagte. Anders als
beispielsweise bei dem Erlass von Mahnbescheiden im Hinblick auf die materiell-recht-
liche Lage ist nämlich eben dieser Gesichtspunkt im hier gegebenen registergerichtlichen
Verfahren geprüft und letztinstanzlich verneint worden (OLG Düsseldorf AG 2004, S. 676 f.).
Auch eine analoge Anwendung des § 265 Abs. 2 ZPO kommt nicht in Betracht. Diese
Analogie müsste dahin gehen, dass jene Norm auch anwendbar sein soll, wenn der Verlust
der Legitimation zwar nicht nach Rechtshängigkeit, aber nach Verwirklichung einer ersten
Voraussetzung eines aus mehreren Merkmalen bestehenden Befugnistatbestandes eintritt,
nämlich nach dem Erscheinen des - ehemaligen - Aktionärs in der Hauptversammlung und
seiner dortigen Erklärung des Widerspruchs. Eine solche Konstruktion ist indes nicht
möglich. Nach dem gesetzlichen Konzept der Registersperre kann es bei einem
ordnungsgemäß ablaufenden Verfahren zu der Situation eines Wegfalls der
Aktionärseigenschaft vor Einreichung einer fristgerechten Anfechtungsklage nicht kommen.
Von einer planwidrigen Lücke der gesetzlichen Regelungen kann mithin keine Rede sein.
Ein Rechtsanwendungsfehler kann aber nicht dazu führen, zu seiner Bewältigung den
betroffenen Normenkomplex gegen die Grundsätze der Gesetzesanwendung
"auszulegen". Vielmehr ist entweder schon nach den gegebenen Vorschriften die
nachträgliche Beseitigung des Fehlers als solchem möglich - dann ist der
Primärrechtsschutz des Betroffenen erhalten -, oder der Betroffene kann - wie bei der hier
gegebenen Sachlage - lediglich auf der Sekundär-Ebene eine Kompensation seines
Schadens verlangen.
Die gleichen Erwägungen sprechen gegen die Möglichkeit, § 245 Nr. 1 bis 3 AktG
reduzierend so zu verstehen, dass auch derjenige ehemalige Aktionär anfechtungsbefugt
sei, der in der Zeit zwischen Hauptversammlung und Klageerhebung seine
Aktionärseigenschaft ohne seinen Willen verliere.
Der Erhalt des Primärrechtsschutzes lässt sich auch nicht aus § 248 Abs. 1 Satz 3 AktG
herleiten. Die durch diese Vorschrift eröffnete Möglichkeit einer Eintragung sowohl eines
Hauptversammlungsbeschlusses als auch des diesen Beschluss kassierenden Urteils
besagt nichts darüber, wann die Durchführung eines Anfechtungsverfahrens nach
Beschlusseintragung noch möglich ist und wann nicht.
Soweit die Klägerin nach alledem in ihren Rechtsgütern, nämlich in ihrer Eigenschaft als
Aktionärin und der daraus folgenden Anfechtungsbefugnis, irreparabel beeinträchtigt ist,
gibt es keine übergeordneten Gesichtspunkte, die es geböten, diese Beeinträchtigung
gerade dadurch auszugleichen, dass die Klägerin, sozusagen im Wege der
Naturalrestitution, so gestellt wird, als bestünde ihre Anfechtungsbefugnis fort, statt ihr nur
Geldersatz zu gewähren.
Die verloren gegangene Aktionärsstellung beinhaltete zum einen vermögenswerte
Befugnisse. Insofern ist die Klägerin hinreichend durch die Möglichkeit der
Amtshaftungsklage, gegebenenfalls auch eines Anspruchs aus enteignungsgleichem
Eingriff geschützt. Darüber hinaus umfasste die Aktionärsstellung auch
Mitgliedschaftsrechte und als deren Bestandteil die Anfechtungsbefugnis. In dieser Hinsicht
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wäre eine bloße Kompensation der Rechtsgutbeeinträchtigung auf Sekundär-Ebene dann
unzureichend, wenn es entweder um den Schutz eines derart überragenden
Individualgutes ginge, dass es nicht lediglich materiell kompensiert werden könnte; oder
wenn ein Aktionär sich darauf berufen könnte, durch die Ausübung seiner Befugnis
Interessen der Allgemeinheit zu schützen. Beides ist nicht der Fall.
Die Mitgliedschaft als individuelles Rechtsgut kann nicht schützenswerter sein als die
Aktionärsstellung insgesamt, und in diesem Zusammenhang hat das
Bundesverfassungsgericht bereits in der Vergangenheit ausgesprochen, dass
Anteilseigentum nicht gegen den Verlust der Mitgliedschaft und der aus ihr folgenden
Herrschaftsrechte schützt und der Entzug allein des vollen Ausgleichs des verlorenen
Vermögenswertes bedarf (BVerfG NJW 2001, S. 279 ff.). Was den Gesichtspunkt des
Allgemeininteresses anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsinstitut der
Anfechtungsbefugnis von Anfang an dem Ausschluss von Popularklagen dienen sollte; die
Anfechtungsklage als Gestaltungsklage sollte eine Befugnis des Klägers voraussetzen, die
sicherstellte, dass der Gestaltungsprozess nur von bestimmten Klägern gegen bestimmte
Beklagte geführt werden könne. Nur der solchermaßen bestimmte Personenkreis sollte in
der Lage sein, neben dem Schutz seiner individuellen Rechte auch eine objektive,
allerdings auf den Verband beschränkte Rechtmäßigkeitskontrolle zu verfolgen (K. Schmidt
in: AktG-Großkommentar, 4. Aufl. 1996, § 245 Rdnr. 2 und 4). Danach kann keine Rede
davon sein, dass der hier maßgebliche Aspekt der mitgliedschaftlichen Befugnisse in
relevantem Umfang dem einzelnen Aktionär verliehen worden wäre, um Interessen der
Rechtsgemeinschaft insgesamt zur Geltung zu bringen.
Schließlich kann allein der Umstand, dass es hier um eine mitgliedschaftliche Befugnis
geht, die sich in einer Möglichkeit, staatliche Gerichte anzurufen, äußert, eine von dem
bisher gefundenen Ergebnis abweichende Beurteilung nicht rechtfertigen. Eine
Klagemöglichkeit ist - im Hinblick auf ihre Kompensation durch Sekundäransprüche - nicht
per se mehr "wert" als sonstige Individualpositionen und wird auch nicht durch Art. 19 Abs.
4 GG zu etwas "Wertvollerem".
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 101 Abs.1 ZPO. Eine Anwendung des §
101 Abs. 2 ZPO würde gemäß § 100 Abs. 2 ZPO zu keinem anderen Ergebnis führen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und
2, 709 Satz 2 ZPO.
Ein Anlass für die Zulassung der Revision besteht aus Sicht des Senats nicht. Der Streitfall
ist durch eine ganz außergewöhnliche Sach- und Rechtslage infolge eines vereinzelten
Rechtsanwendungsfehlers gekennzeichnet. Sie ist weder verallgemeinerungsfähig, noch
steht zu besorgen, dass in einer Mehrzahl von Fällen gleichgelagerte Sachverhalte
auftreten werden.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 65.000,00 € festgesetzt.
Zugleich wird die landgerichtliche Wertfestsetzung, soweit sie die Anträge der Klägerin
(damalige Klägerin zu 3.) betrifft, auf bis 65.000,00 € geändert, § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG.
Soweit die Begehren der Klägerin auf die Beseitigung von
Hauptversammlungsbeschlüssen gerichtet sind, betreffen sie drei Beschlüsse größerer und
einen Beschluss geringerer Bedeutung; dem trägt eine Bemessung mit dreimal 17.000,00 €
und einmal 10.000,00 € Rechnung. Die Feststellungsanträge gemäß § 256 ZPO stellen
gegenüber dem Beseitigungsverlangen ein Weniger dar und wirken aus diesem Grunde
nicht werterhöhend.