Urteil des OLG Düsseldorf vom 16.12.2002

OLG Düsseldorf (Rechtliches Gehör, Auflage, Anhörung, Aufschiebende Wirkung, Unternehmen, Verfügung, Behörde, Fusionskontrolle, Verwaltungsakt, Verwaltungsverfahren)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Düsseldorf, VI-Kart 25/02 (V)
16.12.2002
Oberlandesgericht Düsseldorf
Kartellsenat
Beschluss
VI-Kart 25/02 (V)
I.
Zur Klarstellung wird festgestellt, daß der Senatsbeschluß vom 4.
September 2002 infolge der Zurücknahme der Beschwerde der
Beschwerdeführerin zu 7. außer Kraft getreten ist, soweit der Senat die
aufschiebende Wirkung dieser Beschwerde angeordnet und ergänzende
einstweilige Anordnungen zuguns-ten der Beschwerdeführerin zu 7.
erlassen hat.
II.
Die Anträge des Beschwerdegegners sowie der Beteiligten zu 1. bis 3.
auf Aufhebung der mit den Senatsbeschlüssen vom 11. Juli, 25. Juli, 4.
Septem-ber und 18. September 2002 erlassenen einstweiligen
Anordnungen werden zurückgewiesen.
III.
Auf die Anträge der Beschwerdeführerinnen zu 8. und zu 11. ergehen
folgen-de einstweilige Anordnungen:
1.
Die aufschiebende Wirkung der Beschwerden, die die
Beschwerdeführerinnen zu 8. und 11. gegen die Ministererlaubnis des
Beschwerdegegners – Erlaub-nisverfügung vom 5. Juli 2002 in der
Fassung der Änderungsverfügung vom 18. September 2002 - [Gesch.-Z.:
I B 1 –220840/129 (Erlaubnis zu den vom Bundeskartellamt mit
Beschlüssen vom 17. Januar 2002 [E./G.] und vom 26. Februar 2002
[E./B.] untersagten Zusammenschlußvorhaben unter Auflagen)] eingelegt
haben, wird angeordnet.
2.
Die Anordnung zu III. 1. bedeutet zugleich, daß es den Beteiligten zu 1.
bis 15. untersagt ist, die angemeldeten Zusammenschlüsse zu vollziehen
und einen schon begonnenen Vollzug fortzusetzen oder am Vollzug
einschließlich der Fortsetzung eines schon begonnenen Vollzugs dieser
Zusammenschlüsse mitzuwirken. Ergänzend wird der Beteiligten zu 1.
ferner untersagt, Anteile an den Beteiligten zu 3., zu 4. und zu 14. zu
erwerben, die – allein oder zusam-men mit Anteilen, die der Beteiligten
zu 1. im Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 3 GWB gehören – 25 vom Hundert
oder mehr des Kapitals oder der Stimmrech-te der Beteiligten zu 3., zu 4.
oder zu 14. erreichen oder die Beteiligte zu 1. in die Lage versetzen,
unmittelbar oder mittelbar einen wettbewerblich erhebli-chen Einfluß (im
Sinne von § 37 Abs. 1 Nr. 4 GWB) auf die Beteiligte zu 3., zu 4. oder zu
14. auszuüben.
3.
Für den Fall, daß die Beteiligten zu 1. bis 14. schon mit der Vollziehung
der angemeldeten Zusammenschlüsse begonnen oder diese (auch
teilweise) schon vollzogen haben, wird
a)
der Beteiligten zu 1. untersagt, Stimmrechte aus Anteilen an den
Beteiligten zu 3. und zu 14. und damit mittelbar an der Beteiligten zu 4.
auszuüben oder Einfluß auf die Geschäftsführung der Beteiligten zu 3.,
zu 14. und/oder zu 4. (einschließlich etwaiger Tochtergesellschaften) zu
nehmen,
b)
der Beteiligten zu 1. untersagt, Aufsichtsrats-, Geschäftsführungs- und
Vorstandsämter bei den Beteiligten zu 3., zu 14. und/oder zu 4. mit
Organmit-gliedern oder Mitarbeitern der Beteiligten zu 1. oder ihrer
Konzerngesellschaf-ten zu besetzen,
c)
der Beteiligten zu 2. untersagt, sich einer Wahrnehmung ihrer Rechte und
Pflichten als Gesellschafter der Beteiligten zu 3. zu enthalten,
d)
den Beteiligten zu 5. bis 13. untersagt, sich einer Wahrnehmung ihrer
Rechte und Pflichten als Gesellschafter der Beteiligten zu 14. zu
enthalten.
IV.
Auf jeweiligen Antrag der Beschwerdeführerinnen zu 2. bis 4. werden die
Se-natsbeschlüsse vom 11. Juli und 25. Juli 2002 zur Klarstellung
folgenderma-ßen ergänzt:
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Die zugunsten der Beschwerdeführerinnen zu 2. bis 4. erlassenen
einstweili-gen Anordnungen gelten auch für die Änderungsverfügung des
Beschwerde-gegners vom 18. September 2002 (siehe oben III. 1.).
V.
Der Vorbehalt zu Ziffer 2. der Beschlußformel des Senatsbeschlusses
vom 18. September 2002 entfällt.
VI.
Der Beschwerdeführerin zu 5. wird aufgegeben, unverzüglich –
spätestens bis zum 6. Januar 2003 – zum Schriftsatz der Beteiligten zu 1.
vom 26. November 2002, soweit dieser Schriftsatz die Zulässigkeit der
Beschwerde der Be-schwerdeführerin zu 5. betrifft, Stellung zu nehmen.
G r ü n d e
I. Antrag auf Aufhebung der bisher erlassenen einstweiligen Anordnungen
1. Die Beteiligte zu 1. hat mit Schreiben vom 15. 2. und vom 4. 3. 2002 beim
Beschwerdegegner die Erlaubnis zu den Zusammenschlußvorhaben E./G. und E./B.
beantragt, nachdem das Bundeskartellamt diese Zusammenschlüsse untersagt hatte. Mit
Verfügung vom 5. 7. 2002 hat der Beschwerdegegner die beantragte Erlaubnis erteilt
(fortan: Ministererlaubnis I; veröffentlicht in WuW/E DE-V 573 ff.). Gegen diese Verfügung
haben zunächst die Beschwerdeführerinnen zu 1. bis 8., die zuvor vom Bundesministerium
für Wirtschaft und Technologie (fortan: BMWi) zum Verwaltungsverfahren beigeladen
worden waren, jeweils Beschwerde eingelegt. Auf die Anträge der Beschwerdeführerinnen
zu 1. bis 4., 6. und 7. hat der Senat durch Beschlüsse vom 11. 7., 25. 7. und 4. 9. 2002
gemäß den §§ 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3, 64 Abs. 3, 60 Nr. 3 GWB die
aufschiebende Wirkung der Beschwerden dieser sechs Beschwerdeführerinnen
angeordnet und ergänzende einstweilige Anordnungen erlassen. Wegen des genauen
Inhalts der einstweiligen Anordnungen und ihrer Begründungen wird auf die vorgenannten
drei Senatsbeschlüsse Bezug genommen (vgl. auch die Veröffentlichung des Beschlusses
vom 11. 7. 2002 in WuW/E DE-R 885 ff. und die Veröffentlichung des Beschlusses vom 25.
7. 2002 in WuW/E DE-R 926 ff.). Auf Antrag der Beschwerdeführerin zu 6. hat der Senat mit
Beschluß vom 18. 9. 2002 die zu ihren Gunsten (mit Beschluß vom 4. 9. 2002) erlassenen
einstweiligen Anordnungen dahin ergänzt, daß diese auch für die weiteren bis zur
Beschwerdeentscheidung ergehenden Verfügungen des Beschwerdegegners gelten, die
die angemeldeten Zusammenschlüsse "E./G." und "E./B" gemäß § 42 GWB –
gegebenenfalls auch unter Auflagen und/oder Bedingungen – erlauben. Auf die
Begründung des Beschlusses vom 18. 9. 2002 (veröffentlicht in WuW/E DE-R 943 ff.) wird
Bezug genommen.
Der Senat hatte den Erlaß der vorgenannten einstweiligen Anordnungen mit ernstlichen
Zweifeln (im Sinne des § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 3 GWB) an der Rechtmäßigkeit
der Ministererlaubnis I begründet. Die ernstlichen Zweifel resultierten aus der Beurteilung,
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der Ministererlaubnis I begründet. Die ernstlichen Zweifel resultierten aus der Beurteilung,
daß die Verfügung unter gravierenden Verfahrensfehlern (Abwesenheit des den
Bundesminister für Wirtschaft vertretenden Staatssekretärs Dr. T. in der einzigen
öffentlichen mündlichen Verhandlung [Verstoß gegen § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1
GWB] sowie Unterlassung der Gewährung rechtlichen Gehörs zu einigen
entscheidungserheblichen Erklärungen der Beteiligten zu 1. [Verstoß gegen § 56 Abs. 1
und 3 GWB]) zustande gekommen sei. Daraufhin hat das BMWi mit Schreiben vom 15. 8.
2002 die Verfahrensbeteiligten zu einer "erneuten öffentlichen mündlichen Verhandlung"
am 5. 9. 2002 eingeladen, mit der Erklärung, es beabsichtige, "unter Wahrung seiner
Rechtsauffassung im Anschluß an die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf
vom 25. 7. 2002 eine erneute öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 56 Abs. 3 GWB
im Ministererlaubnisverfahren E../R. durchzuführen, um den Bedenken des Gerichts
Rechnung zu tragen und eine Heilung der festgestellten Verfahrensfehler nach § 45 Abs. 2
VwVfG vorzunehmen". Die öffentliche mündliche Verhandlung ist am 5. 9. 2002 unter
Leitung von Staatssekretär Dr. T. durchgeführt worden.
Mit Verfügung vom 18. 9. 2002 hat der Beschwerdegegner die Ministererlaubnis I
hinsichtlich der Auflagen teilweise geändert (Ordnungsziffern 1. bis 1.6. des
Verfügungstenors). Ziffer 2. des Verfügungstenors lautet sodann: "Im übrigen wird die
Erlaubnisverfügung [Anm.: die Ministererlaubnis I ] aufrecht erhalten." Zur Begründung der
"formellen Rechtmäßigkeit" (Überschrift vor der Tz. 52) hat der Beschwerdegegner in der
Verfügung vom 18. 9. 2002 (fortan: Ministererlaubnis II; veröffentlicht in WuW/E DE-V 643
ff.) ausgeführt: Die angefochtene Ministererlaubnis I sei nunmehr durch den zuständigen
Amtsträger grundsätzlich in ihrem Bestand bestätigt und hinsichtlich einzelner Auflagen
abgeändert worden, um – unter Aufrechterhaltung des Rechtsstandpunktes des BMWi –
eine Heilung der vom Gericht beanstandeten Verfahrensfehler der Ministererlaubnis I zu
bewirken. Das Verfahren entspreche den im Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG),
insbesondere in § 45 Abs. 2 VwVfG vorgesehenen Vorschriften für ein Nachverfahren zur
Heilung von Verfahrens- oder Formfehlern. Die vom Senat gerügten Fehler im
Verwaltungsverfahren, das zur Ministererlaubnis I geführt habe, seien nach der
Durchführung einer erneuten öffentlichen mündlichen Verhandlung unter Leitung von
Staatssekretär Dr. T., der nochmaligen Abwägung der Vorteile und Nachteile des
Zusammenschlußvorhabens und der Einräumung rechtlichen Gehörs zum Auflagenregime
geheilt.
Mit Schriftsatz vom 20. 9. 2002 stellt der Beschwerdegegner nunmehr gemäß § 65 Abs. 5
Satz 1 GWB den Antrag, die Beschlüsse des Senats vom 11. und 25. 7. sowie vom 4. und
18. 9. 2002 aufzuheben, und ferner, die Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Erlaß
einstweiliger Anordnungen zurückzuweisen. Der Aufhebungsantrag sei wegen veränderter
Umstände begründet, weil die vom Senat an der Ministererlaubnis I beanstandeten
Verfahrensfehler inzwischen geheilt worden seien und daher "ernstliche Zweifel" an der
Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis I, modifiziert durch die Ministererlaubnis II, jedenfalls
jetzt nicht mehr gegeben seien. Da die verfahrensrechtlichen Vorschriften des GWB – auch
zur Frage der Heilung von Verfahrensfehlern – lückenhaft seien, könne ergänzend auf die
Regelungen des allgemeinen Verwaltungsrechts zurückgegriffen werden, die im VwVfG
kodifiziert seien. Im kartellrechtlichen Schrifttum bestehe Einigkeit, daß § 45 VwVfG auch
im Kartellverwaltungsverfahren anwendbar sei; überwiegend werde im Schrifttum
außerdem die Meinung vertreten, daß die Heilung von Verfahrensfehlern (gemäß § 45
VwVfG) auch noch im Beschwerdeverfahren möglich sei, weil Abs. 2 des § 45 VwVfG in
direkter Anwendung seit der im Jahre 1996 in Kraft getretenen Änderung der Vorschrift die
Nachholung der in Abs. 1 genannten Handlungen auch noch nach Erhebung einer
verwaltungsgerichtlichen Klage gestatte. Dies alles gelte auch für die im
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Ministererlaubnisverfahren obligatorische mündliche Verhandlung. Zwar werde der
Verfahrensfehler einer unterlassenen oder unrichtig durchgeführten mündlichen
Verhandlung in § 45 Abs. 1 VwVfG nicht (ausdrücklich) erwähnt. Es sei jedoch eine
analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 VwVfG möglich, wenn es sich um die Verletzung von
Verfahrensregeln handele, die – wie hier das Gebot der mündlichen Verhandlung –
grundsätzlich dem gleichen Zweck (hier: der Gewährung effektiven rechtlichen Gehörs)
dienten, wie die in § 45 Abs. 1 VwVfG genannten Verfahrensvorschriften (hier: die
erforderliche Anhörung eines Beteiligten gemäß Nr. 3 des § 45 Abs. 1 VwVfG). Die in
einem Teil des Schrifttums gegen die Gesetzesänderung (§ 45 Abs. 2 VwVfG) geltend
gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken seien unberechtigt. Den
verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG und auf
die verfahrensrechtliche Schutzdimension der Grundrechte werde dadurch Genüge getan,
daß dem Betroffenen die Möglichkeit eingeräumt werde, seine Beteiligungsrechte
nachzuholen. In verfassungsrechtlicher Hinsicht sei also nur zu fordern, daß diese
Nachholung in einer Art und Weise geschehen müsse, die dem Sinn und Zweck der
verfahrensrechtlichen Rechtsposition entspreche. Dies bedeute: Die Nachholung der in
Rede stehenden fehlerhaften Verfahrenshandlung müsse in einer Weise erfolgen, die die
Betroffenen letztlich so stelle, als wäre der entsprechende Verfahrensfehler nicht erfolgt.
Vor allem bedeute dies, daß die Nachholung der Verfahrenshandlung "ergebnisoffen"
erfolgen müsse; die (zuvor) getroffene Entscheidung müsse gerade in Bezug auf die
Nachholung der Verfahrenshandlung zur Disposition gestellt werden. Diese Anforderungen
seien im vorliegenden Fall durch das Heilungsverfahren und die Ministererlaubnis II erfüllt
worden. Die "Ergebnisoffenheit" der nochmaligen mündlichen Verhandlung werde (auch)
durch den Inhalt der Ministererlaubnis II belegt, mit der insbesondere das Auflagenregime
einer weitreichenden Modifikation unterzogen worden sei.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. unterstützen den Beschwerdegegner mit rechtlichen
Argumentationen (auf die nachfolgend noch näher eingegangen werden wird) und
schließen sich dem Aufhebungsantrag ausdrücklich an.
Dagegen sind die Beschwerdeführerinnen, die die Zurückweisung des Aufhebungsantrags
beantragen, der Ansicht, daß die allgemeine Vorschrift des § 56 Abs. 1 GWB für den
Bereich der Fusionskontrolle materiell-rechtlich einer Heilung von Anhörfehlern über § 45
VwVfG entgegenstehe; das gelte erst recht im Falle eines Verstoßes gegen die strengere
Vorschrift des § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 GWB – nach deren Sinn und Zweck - im
Verfahren nach § 42 GWB. Denn wenn "auf Grund" mündlicher Verhandlung zu
entscheiden sei, müsse die mündliche Verhandlung nicht nur aus reinen Ordnungsgründen
zeitlich vor der Entscheidung liegen, sondern dann bezwecke die Vorschrift gerade den
Schutz derjenigen, die sich gegen die Freigabe des Zusammenschlusses im Wege der
Ministererlaubnis wenden. Im Falle der Nachholung der mündlichen Verhandlung schließe
deshalb § 56 Abs. 3 GWB eine Beibehaltung einer zuvor bereits getroffenen Entscheidung
aus. Überdies machen einige Beschwerdeführerinnen (zu 1. und zu 6.) geltend, der
Beschwerdegegner habe im Heilungsverfahren erneut ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt, indem er in der Ministererlaubnis II (Tz. 77 und 78) auf Erklärungen der
Beteiligten zu 1. sowie der Beteiligten zu 18. und zu 30., die nach dem 9. 9. 2002
eingegangen seien und den Abänderungsbescheid (= Ministererlaubnis II) beeinflußt
hätten, Bezug genommen habe, ohne zuvor diese Schriftsätze den anderen
Verfahrensbeteiligten zugänglich gemacht zu haben, damit diese hierzu vor dem Erlaß des
Änderungsbescheids hätten Stellung nehmen können. Dies alles gelte auch für die – aus
den Verwaltungsverfahrensakten hervorgehenden - "Geheimgespräche", die der
Beschwerdegegner mit den Beteiligten zu 1. und 4. am 13. 9. 2002 geführt habe. Man
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werde nach Lage der Dinge nicht ernsthaft annehmen können, daß die Inhalte dieses
Gesprächs nicht entscheidungserheblich gewesen seien. Damit habe der
Beschwerdegegner im Heilungsverfahren genau diejenigen Fehler erneut begangen, die
der Senat in Bezug auf das Aushandeln des Auflagenpapiers vom 3. 7. 2002 vor der
Ministererlaubnis I festgestellt gehabt habe. Diese Verletzungen rechtlichen Gehörs
zwischen der mündlichen Verhandlung (vom 5. 9. 2002) und dem Erlaß der
Ministererlaubnis II begründeten erneut ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der
Ministererlaubnis II, die es schon für sich allein rechtfertigten, den Aufhebungsantrag
zurückzuweisen.
2. Gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ist eine Verletzung der (eine notwendige Anhörung
vorschreibenden) Verfahrensvorschrift, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 VwVfG
nichtig macht, "unbeachtlich, wenn die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt
wird", wobei diese Nachholung gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG noch bis zum Abschluß eines
verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (in den Tatsacheninstanzen) möglich ist. Die
Rechtsfolge einer gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 (eventuell i.V.m. Abs. 2) VwVfG
vorgenommenen Heilung des Verfahrensfehlers eines – zuvor durch Bekanntgabe bereits
wirksam gewordenen (vgl. Klappstein in: Knack, VwVfG, 6. Aufl., § 45, Rdnr. 3.3.1) -
Verwaltungsakts besteht in folgendem: Der Verfahrensfehler, der (vorbehaltlich der §§ 46,
47 VwVfG) zunächst zur Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts geführt
hatte, wird durch die Nachholung der erforderlichen (zuvor versäumten oder fehlerhaft
durchgeführten) Verfahrenshandlung (hier: "Anhörung") behoben. Das bedeutet, daß der
zunächst rechtswidrige Verwaltungsakt rechtmäßig wird und der vorherige Verfahrensfehler
in einem Rechtsbehelfsverfahren vor Gericht nicht mehr (mit Erfolg) geltend gemacht
werden kann; vielmehr ist der Verwaltungsakt in der Fassung, die er zum Abschluß des die
erforderliche Verfahrenshandlung nachholenden Heilungsverfahrens durch einen etwaigen
Änderungsbescheid erhält, im Rechtsbehelfsverfahren so zu behandeln, als sei er ohne
den vorherigen und jetzt geheilten Fehler erlassen worden (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7.
Aufl., § 45, Rdnr. 12, 39, 40, 41, 42; Klappstein, a.a.O., Rdnr. 2.5; Schäfer in: Obermayer,
VwVfG, 3. Aufl., § 45, Rdnr. 3, 76; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl., § 45,
Rdnr. 18; Sodan, DVBl 1999, 729, 732; Brischke DVBl 2002, 429, 432, m.w.N.; auf die
umstrittene Frage, ob die Heilung auf den Zeitpunkt des Erlasses des zunächst
rechtswidrigen Verwaltungsakts zurückwirkt oder nur mit ["ex nunc"-]Wirkung für die
Zukunft eintritt – vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rdnr. 14; Klappstein, a.a.O., Rdnr. 2.5;
Schäfer, a.a.O., Rdnr. 76; Sachs, a.a.O., Rdnr. 18; jeweils m.w.N. - , kommt es im
vorliegenden Fall nicht an). § 45 VwVfG regelt allerdings nur die verfahrensrechtlichen
Voraussetzungen und Folgen der Nachholung von Verfahrenshandlungen, nicht aber,
jedenfalls nicht abschließend die auch auf Grund der Regeln des jeweiligen Sachbereichs
zu beurteilende Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Behörde in dem konkret
zu überprüfenden Verwaltungsverfahren zur Nachholung von Verfahrenshandlungen
befugt und fähig ist (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45, Rdnr. 3: eine materiellrechtliche
Frage).
Die der Ministererlaubnis I anhaftenden Verfahrensfehler (siehe oben) sind nur dann durch
das am 15. 8. 2002 vom Beschwerdegegner eingeleitete und durch die Ministererlaubnis II
abgeschlossene Nachverfahren behoben worden, wenn dem Beschwerdegegner die
Heilungsmöglichkeit gemäß § 45 VwVfG für seine Ministererlaubnis I überhaupt zu Gebote
stand (Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG auf den vorliegenden Fall;
siehe nachfolgend a)), und wenn – außerdem – die nachgeholte Anhörung (hier als
Oberbegriff für die nachgeholte mündliche Verhandlung und die nachgeholte Gewährung
rechtlichen Gehörs für alle Verfahrensbeteiligten) ordnungsgemäß und dem Gesetz
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entsprechend durchgeführt worden ist (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45, Rdnr. 26; Schäfer,
a.a.O., § 45, Rdnr. 75; siehe nachfolgend b)). An beidem fehlt es. Demzufolge sind die
Verfahrensfehler der Ministererlaubnis I nicht rechtswirksam geheilt worden, die
Ministererlaubnis I ist vielmehr auch in der geänderten Fassung der Ministererlaubnis II
infolge der ursprünglichen Verfahrensfehler, aber auch infolge der erneuten
Verfahrensfehler (b)) rechtswidrig geblieben (vgl. Sachs, a.a.O., Rdnr. 23). Damit muß dem
Aufhebungsantrag der Erfolg versagt werden (mit Ausnahme der zugunsten der
Beschwerdeführerin zu 7. erlassenen einstweiligen Anordnung, die infolge der
Beschwerderücknahme außer Kraft getreten ist).
a) § 45 VwVfG ist ein gesetzlich vorgesehener Anwendungsfall des Grundsatzes der
Verfahrensökonomie (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45, Rdnr. 1; Schäfer, a.a.O., § 45,
Rdnr. 3; Sachs, a.a.O., § 45, Rdnr. 9). Im Interesse der Verfahrensökonomie sollen
Verfahrensfehler und Formmängel freilich nur geheilt werden können, soweit dies mit den
Erfordernissen eines wirksamen Rechtsschutzes für die Betroffenen in der Sache vereinbar
erscheint (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45, Rdnr. 1, m.w.N. aus den
Gesetzgebungsmaterialien). Es ist daher im Grundsatz anerkannt, daß eine Heilung in
solchen Fällen ausgeschlossen ist, in denen die nachzuholende Verfahrenshandlung ihre
rechtsstaatlich gebotene Funktion nicht mehr erfüllen könnte und insofern eine
"heilungsoffene" Entscheidungssituation nicht mehr gegeben ist (Kopp/Ramsauer, a.a.O., §
45, Rdnr. 6 unter Hinweis auf BVerwGE 66, 291 und OVG Münster NJW 1982, 1663;
Klappstein, a.a.O., § 45, Rdnr. 2.3; vgl. auch Sachs, a.a.O., § 45, Rdnr. 75; Sodan, DVBl
1999, 729, 737). Eine Heilung des Verfahrensfehlers durch Nachholung der erforderlichen
Verfahrenshandlung kann nicht eintreten, wenn die Funktion der Verfahrenshandlung für
den Entscheidungsprozeß der Behörde nicht mehr uneingeschränkt erreicht werden kann
(Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45, Rdnr. 26). So hat das Bundesverwaltungsgericht
entschieden, daß die unterbliebene Anhörung des Personalrats vor einer fristlosen
Entlassung eines Beamten auf Probe nicht im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden
kann, und hat dieses Ergebnis aus dem von ihm aufgestellten allgemeinen Rechtssatz
abgeleitet, eine Heilung des Verfahrensfehlers einer unterbliebenen Mitwirkung (Anhörung)
- bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens [nur dieser Endzeitpunkt war nach der
damaligen Gesetzesfassung des § 45 Abs. 2 VwVfG bedeutsam] – komme jedenfalls dann
nicht in Betracht, wenn die Mitwirkung (Anhörung) den besonderen Sinn und Zweck, der ihr
nach der jeweiligen spezialgesetzlichen Regelung
[Hervorhebungen durch Kursivdruck hinzugefügt]
beigegeben sei, nur dadurch erfüllen könne, daß sie vorher
[Hervorhebung durch Kursivdruck auch im Original]
erfolge (BVerwGE 66, 291, 295; ebenso: OVG Münster NJW 1982, 1663; zustimmend:
Klappstein, a.a.O., § 45, Rdnr. 2.1; im Ergebnis ebenso: Sachs, a.a.O., § 45, Rdnr. 73;
Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45, Rdnr. 26 a.E.; Sodan, DVBl 1999, 729, 737). Das trifft auch
auf die hier zu beurteilende Ministererlaubnis (§ 42 GWB) zu.
aa) Die durch die Ministererlaubnis I verletzte Vorschrift des § 56 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz
1 GWB bedeutet, daß über den Antrag auf Erteilung einer Ministererlaubnis gemäß § 42
GWB (vorbehaltlich eines allseits erklärten Verzichts auf eine mündliche Verhandlung)
nicht ohne öffentliche mündliche Verhandlung der zuständigen ("entscheidenden")
kartellbehördlichen Instanz entschieden werden darf, und daß die Entscheidung des
Bundeswirtschaftsministers oder seines zuständigen Vertreters selbst auf der Grundlage
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("auf Grund") dieser – damit notwendigerweise vorher durchzuführenden - mündlichen
Verhandlung ergehen muß. Die Norm bezweckt vor allem, daß eine intensive, dem
Interesse sowohl der Kartellbehörde als auch der betroffenen Unternehmen an einer
richtigen Entscheidung dienende Erörterung aller Sach- und Rechtsfragen stattfindet und
der Anspruch aller Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör gewährleistet ist (vgl. die
Senatsbeschlüsse vom 11. und 25. 7. 2002, WuW/E DE-R 885, 887 f. und 926, 933,
m.w.N.).
Über das Fernbleiben des verantwortlichen Entscheiders (des zuständigen Vertreters des
Bundeswirtschaftsministers) in der mündlichen Verhandlung vom 29. 5. 2002 hinaus ist
dem Beschwerdegegner bei der Ministererlaubnis I ein weiterer gravierender
Verfahrensfehler dadurch unterlaufen, daß er zu entscheidungserheblichen Erklärungen
der Beteiligten zu 1. den übrigen Verfahrensbeteiligten, darunter den
Beschwerdeführerinnnen, kein rechtliches Gehör gewährt und damit gegen § 56 Abs. 1 und
Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 GWB verstoßen hat. Diese – durch die Ministererlaubnis I
verletzten – Vorschriften bedeuten, daß der Bundeswirtschaftsminister seiner
Erlaubnisentscheidung nur diejenigen Tatsachen und Erklärungen von Beteiligten (sowie
Beweisergebnisse) zugrunde legen darf, zu denen sich alle Beteiligten äußern konnten.
Bei neuem Vorbringen oder Erklärungen von Beteiligten, die aus der Sicht des
Bundeswirtschaftsministers für die Entscheidung erheblich sein können, müssen vor der
Erlaubnisentscheidung die anderen Beteiligten noch einmal angehört werden (vgl. die
Senatsbeschlüsse vom 11. und 25. 7. 2002, WuW/E DE-R 885, 889 f. und 926, 936 ff.).
(1.) Gerade weil einerseits dem Bundeswirtschaftsminister nach verbreiteter Auslegung des
§ 42 GWB ein weiter Beurteilungsspielraum hinsichtlich der "gesamtwirtschaftlichen
Vorteile" und des "überragenden Interesses der Allgemeinheit" zur Verfügung steht (vgl.
Mestmäcker/Veelken in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 42, Rdnr. 41) und
andererseits die Ministererlaubnis geeignet ist, die wettbewerblichen und
unternehmerischen Möglichkeiten der Beschwerdeführerinnen (soweit diese durch die
Ministererlaubnis I materiell beschwert sind) erheblich in negativer Weise zu beeinflussen,
gewinnt umso mehr die vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs an nicht zu
überschätzender Bedeutung. Durch sie werden die durch den beabsichtigten
Zusammenschluß in ihren wettbewerblichen und unternehmerischen Interessen
betroffenen Beigeladenen in die Lage versetzt, die Entscheidungsfindung des
Bundeswirtschaftsministers in legitimer Weise zum Schutze ihrer Interessen zu
beeinflussen, jedenfalls ihren Standpunkt geltend zu machen und zu einer sachgerechten,
alle relevanten Aspekte wohl abwägenden Entscheidung über den Erlaubnisantrag
beizutragen. Da sich das Gefahrenpotential (wirtschafts-)politisch planender und lenkender
Staatsakte, zu denen auch die Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB gehört, durch
Ergebnisnormierung und durch Ergebniskontrolle seitens der Gerichte nicht vollständig und
genau begrenzen läßt, muß der legitime Interessenschutz der Beigeladenen vorher – bei
der Ergebnisherstellung – in Gestalt von Verfahrensgarantien, insbesondere der
Gewährung rechtlichen Gehörs, ansetzen (vgl. Senatsbeschluß vom 25. 7. 2002, WuW/E
DE-R 926, 928 f. unter Hinweis auf Grimm, NVwZ 1985, 865, 867; vgl. ferner BVerwGE 70,
143, 148 f.: Bei auf Beurteilungsermächtigungen beruhenden Entscheidungen komme es
darauf an, daß sich die Entscheidungsfindung unbeeinflußt von Fehlern vollziehe; die
"Fehlerfreiheit der Entscheidungsfindung soll die Fehlerfreiheit des
Entscheidungsergebnisses gewährleisten").
Schon die vorstehenden Erwägungen sprechen dafür, daß bei dem hier zu beurteilenden
besonderen Verwaltungsaktstyp, der Ministererlaubnisentscheidung gemäß § 42 GWB, nur
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das vor der (ersten) Entscheidung gewährte rechtliche Gehör für die Verfahrensbeteiligten,
(hier) insbesondere für die Beigeladenen, seine Funktion für die Entscheidungsfindung mit
Blick auf den weiten Beurteilungsspielraum des Bundeswirtschaftsministers hinsichtlich der
Gemeinwohlvorteile uneingeschränkt erreichen kann.
(2.) Sicher führen aber folgende noch hinzukommende Erwägungen zu dem Ergebnis, daß
Ministererlaubnisentscheidungen, die wegen Verletzung des Gebots rechtlichen Gehörs
gegenüber Beigeladenen rechtswidrig sind, nicht durch Nachholung der Gewährung
rechtlichen Gehörs – sei es in oder sei es außerhalb der mündlichen Verhandlung (§ 56
Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 3 sowie Abs. 1 GWB) – gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 GWB geheilt
werden können, weil eine solche Nachholung Sinn und Zweck des gemäß § 56 Abs. 1 und
3 GWB vor der Erlaubnisentscheidung zu gewährenden rechtlichen Gehörs nicht mehr
zureichend erfüllen kann:
Bis zur Bekanntgabe der Erlaubnisentscheidung gilt für die den angemeldeten
Zusammenschluß betreibenden Unternehmen das gesetzliche Vollzugsverbot des § 41
Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB. Durch das Vollzugsverbot sind diejenigen Unternehmen, die
durch die wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen einer freigegebenen Fusion in ihren
eigenen wettbewerblichen und unternehmerischen Gestaltungsmöglichkeiten betroffen
werden, zunächst hinreichend geschützt. Dieser Schutz entfällt sofort mit der Bekanntgabe
einer Ministererlaubnis (sofern diese – wie hier - nicht gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 GWB mit
einer aufschiebenden Bedingung verbunden worden ist). Ohne daß die
Zusammenschlußbeteiligten noch die Bestandskraft der Ministererlaubnis abwarten
müssen, können sie unmittelbar nach deren Bekanntgabe den freigegebenen
Zusammenschluß vollziehen. So ist es im vorliegenden Fall hinsichtlich eines erheblichen
Teils des in seiner Gesamtheit zu betrachtenden Zusammenschlußvorhabens der
Beteiligten zu 1. auch geschehen: Nachdem die Ministererlaubnis I am 5. 7. 2002
bekanntgegeben worden war, ist der angemeldete Zusammenschluß "E./G." noch am
selben Tage vollzogen worden; laut dem Vortrag der Beteiligten zu 2. und 3. (Schriftsatz
vom 23. 7. 2002, S. 25, sowie in der mündlichen Verhandlung am 24. 7. 2002), der als
unstreitig gelten kann, hat die Beteiligte zu 2. (D. AG) ihre sämtlichen Aktien (100 %) an der
Beteiligten zu 3. (G. AG) noch am 5. 7. 2002 auf die Beteiligte zu 1. (E.. AG) übertragen.
Bereits dieser Zusammenschluß – ohne den weiteren Teil des Gesamtvorhabens
(Zusammenschluß "E./B.") – ist für die Struktur und die Wettbewerbsbedingungen auf den
betroffenen Märkten so bedenklich, daß er nach der im vorliegenden
Ministererlaubnisverfahren verbindlichen wettbewerblichen Beurteilung des
Bundeskartellamts die gesetzlichen Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB
erfüllt: Der Zusammenschluß läßt sowohl die Verstärkung marktbeherrschender Stellungen
(der R. AG auf der Ferngasstufe und von bestimmten E.-Gasversorgungs-Konzern- und
Beteiligungsunternehmen bei der Belieferung von Gasgroßkunden und lokalen
Gasweiterverteilern) beim Absatz von Gas als auch die Verstärkung marktbeherrschender
Stellungen (der Beteiligten zu 1. zusammen mit R. P. AG auf bestimmten bundesweiten
Märkten) beim Absatz von Strom erwarten (vgl. den Beschluß des BKartA vom 17. 1. 2002
betr. die Untersagung des Zusammenschlusses "E./G.", Az. B 8 – 109/01, Tz. 17 ff.,
veröffentlicht in WuW/E DE-V 511, 513 ff.).
Diesen aus der verfahrensfehlerhaften Ministererlaubnis I resultierenden Zusammenschluß
vom 5. 7. 2002 nebst seinen vom Bundeskartellamt (jedenfalls dem Grunde nach)
verbindlich prognostizierten wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen konnte der
Beschwerdegegner selbst in einem gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 (und Abs. 2) VwVfG
betriebenen Nachverfahren nicht ungeschehen und auch nicht – schon gar nicht sofort –
23
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rückgängig machen, selbst wenn er nach erstmals selbst durchgeführter mündlicher
Verhandlung und vollständiger Gewährung rechtlichen Gehörs bei der anschließenden
"ergebnisoffenen" Prüfung und Abwägung aller entscheidungsrelevanten Tatsachen und
Aspekte zu dem Ergebnis gekommen wäre, daß die Fusionserlaubnis zu versagen sei.
Denn eine solche Versagung in Verbindung mit einer Aufhebung der Ministererlaubnis I am
Schluß des Nachverfahrens hätte das Vollzugsverbot nur für die Zukunft, aber nicht
rückwirkend zum 5. 7. 2002 wieder in Kraft gesetzt. Der am 5. 7. 2002 vollzogene
Zusammenschluß "E./G." wäre also nicht rückwirkend von der Rechtsfolge der
Unwirksamkeit gemäß § 41 Abs. 1 Satz 2 GWB erfaßt worden, sondern auf jeden Fall
(zunächst) wirksam geblieben. Eine zum Abschluß des Nachverfahrens erlassene
Verfügung, mit der der Beschwerdegegner seine Ministererlaubnis I aufgehoben und den
Erlaubnisantrag (d. h. formal: die beiden, zum gemeinsamen Verfahren verbundenen
Erlaubnisanträge) zurückgewiesen hätte, hätte nur die Grundlage für eine in einem neuen
Verfahren zu verfolgende Entflechtung des schon vollzogenen Zusammenschlusses "E./G."
gemäß § 41 Abs. 3 GWB geschaffen. Für eine solche Wiederauflösung des schon
vollzogenen Zusammenschlusses ist der Beschwerdegegner nicht einmal zuständig,
vielmehr allein das Bundeskartellamt, wie sich aus § 41 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 GWB (die
Vorschriften decken nach ihrem Wortlaut auch die vorliegende Fallkonstellation ab) sowie
aus der Tatsache ergibt, daß das GWB in keiner Vorschrift, auch nicht in § 42 GWB dem
Beschwerdegegner eine Kompetenz für Maßnahmen zur Auflösung eines (letztlich)
untersagten Zusammenschlusses zuweist (vgl. auch die Darstellung von
Mestmäcker/Veelken, a.a.O., § 41, Rdnr. 51, wonach sogar im Fusionsfall "T./H. H.", in dem
der Bundeswirtschaftsminister der T. AG nur die Übernahme einer Beteiligung von 45 % an
der H. H. GmbH mit der Auflage erlaubte, die schon erworbene Beteiligung von 100 % auf
die erlaubte Beteiligung von 45 % durch Veräußerung in einer Frist von fünf bis acht Jahren
zurückzuführen [WuW/E BWM 159], das spätere Entflechtungsverfahren hinsichtlich des
nicht erlaubten Beteiligungsumfangs von 55 % vom Bundeskartellamt betrieben wurde).
Die vorstehend aufgeführten Konsequenzen, die sich aus der unter Verfahrensfehlern
zustande gekommenen Ministererlaubnis I ergaben, zeigen, daß weder nach den zu § 45
VwVfG entwickelten Auslegungsgrundsätzen [siehe nachfolgend (2.1)] noch nach Sinn und
Zweck der Vorschriften des § 56 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Satz 1 GWB, die vor allem
die Erfüllung des Anspruchs aller Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör vor Erlaß der
Erlaubnisentscheidung – sogar in intensiver Form (vgl. § 56 Abs. 3 GWB) - gewährleisten
sollen (Senatsbeschluß vom 25. 7. 2002, WuW/E DE-R 926, 933) [siehe nachfolgend (2.2)],
eine Heilung dieser Verfahrensrechtsverletzung durch Nachholung der Gewährung
rechtlichen Gehörs und der mündlichen Verhandlung mit Teilnahme des Entscheiders (des
Staatssekretärs Dr. T.) in Betracht kommt:
(2.1) Zu den dem § 45 VwVfG eigenen Anwendungsvoraussetzungen (siehe oben a), vor
aa) ) gehört es, daß die Behörde auf Grund der nachgeholten Verfahrenshandlung (hier:
der Anhörung im umfassenden Sinne) in eine neue, ergebnisoffene Prüfung und
Entscheidungsfindung eintritt und rechtlich auch noch eintreten kann, ihr also noch alle
diejenigen Entscheidungsmöglichkeiten offen stehen, die sie bei ihrer vorherigen – unter
Verfahrensfehlern getroffenen – Entscheidung hatte, einschließlich der völligen ersatzlosen
Aufhebung dieser verfahrensfehlerhaften Entscheidung (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45,
Rdnr. 6, 26; Klappstein, a.a.O., § 45, Rdnr. 2.3; Sachs, a.a.O., § 45, Rdnr. 73, 75). Diese
Voraussetzung ist nicht (mehr) erfüllt, wenn der durch den verfahrensfehlerhaften
Verwaltungsakt Begünstigte von den dadurch eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten
Gebrauch gemacht hat (hier: durch den Vollzug des Zusammenschlusses) und diese
Folgen – wie im vorliegenden Fall der Ministererlaubnis - durch die bloße Abänderung oder
25
Aufhebung des ursprünglichen Verwaltungsakts am Ende eines "Heilungs"-verfahrens
nicht rückgängig gemacht werden, es hierzu vielmehr eines weiteren Verfahrens (mit
durchaus nicht sicherem Verfahrensausgang) bedarf. Dieser Argumentation kann nicht mit
Erfolg entgegengehalten werden, daß der Beschwerdegegner am Ende des
Nachverfahrens immerhin die Aufhebung der Ministererlaubnis I und die Zurückweisung
des Erlaubnisantrags hätte aussprechen, damit die Grundlage für eine Wiederauflösung
des vollzogenen Zusammenschlusses (vgl. § 41 Abs. 3 GWB) hätte schaffen können und
das Nachverfahren insofern doch als ein "ergebnisoffenes" Heilungsverfahren angesehen
werden müsse. Denn im direkten Vergleich sind eine schon mit der ersten Verfügung
ausgesprochene Zurückweisung des Erlaubnisantrags und eine nach einer
verfahrensfehlerhaft verfügten Freigabe erst mit der zweiten Verfügung ausgesprochene
Ablehnung der Erlaubnis zumindest dann einander nicht gleichwertig, wenn die
Zusammenschlußbeteiligten von der zunächst gewährten Freigabe durch den Vollzug des
Zusammenschlusses Gebrauch gemacht haben. Von der zu fordernden Gleichwertigkeit
der möglichen Entscheidungsergebnisse in der jeweiligen Entscheidungssituation – zum
einen in der Lage bei Erlaß des verfahrensfehlerhaften Verwaltungsakts, zum anderen in
der Lage nach der Nachholung der erforderlichen "Anhörung" (im Sinne des § 45 Abs. 1
Nr. 3 VwVfG) - können aber für die Anwendung des § 45 VwVfG keine Abstriche gemacht
werden (vgl. auch Sachs, a.a.O., § 45, Rdnr. 75).
(2.2) Die Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ist aber bei einer Verletzung des
Rechts der Beigeladenen auf rechtliches Gehör im Ministererlaubnisverfahren – sei es auf
Grund des Unterlassens einer dem § 56 Abs. 3 GWB entsprechenden mündlichen
Verhandlung, sei es außerhalb der mündlichen Verhandlung – auch deshalb
ausgeschlossen, weil die Gewährung rechtlichen Gehörs den Sinn und Zweck, den sie
nach den Vorschriften über die Zusammenschlußkontrolle und über die Teilnahme Dritter
am Verfahren hat, im wesentlichen nur dann erfüllen kann, wenn sie vor der (ersten)
Erlaubnisentscheidung stattfindet (wie das Bundesverwaltungsgericht – bei ganz anderem
Ausgangssachverhalt – auch zu Sinn und Zweck der dort notwendigen vorherigen
Anhörung entschieden hat, BVerwGE 66, 291, 295). Die zum Ministererlaubnisverfahren
beigeladenen Unternehmen erfüllen aus der Sicht des BMWi, das zuvor den
Zusammenschlußbeteiligten rechtliches Gehör zum Beiladungsantrag gewährt und sich
dann erst seine Meinung gebildet hat, die in § 54 Abs. 2 Nr. 3 GWB normierte
Voraussetzung, daß ihre Interessen durch die Entscheidung über den Erlaubnisantrag
"erheblich berührt" werden. Für das Merkmal der "erheblichen Interessenberührung" kommt
es darauf an, ob sich ein in Betracht kommendes Ergebnis des kartellbehördlichen
Verfahrens - in der Fusionskontrolle vor allem eine Freigabe mit oder ohne
Auflagen/Bedingungen – auf die wirtschaftliche Lage des beizuladenden Unternehmens
spürbar auswirkt; dabei kommt es auf solche wirtschaftliche Interessen des Unternehmens
an, die mit der Freiheit des Wettbewerbs oder der Wettbewerbsstruktur im relevanten Markt
zusammenhängen (vgl. Senatsbeschluß vom 5. 7. 2000, Kart 1/00 (V), WuW/E DE-R 523,
525, 527, m.w.N.). Der Zweck der Beiladung besteht vor allem darin, es den beizuladenden
Unternehmen durch die Einräumung der vollen Rechte eines Verfahrensbeteiligten zu
ermöglichen, ihre durch ein in Betracht kommendes Verfahrensergebnis "erheblich
berührten" Interessen zu wahren (vgl. Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl.,
§ 54, Rdnr. 35). Im Fusionskontrollverfahren haben die beigeladenen Unternehmen daher
die verfahrensrechtlich abgesicherte Möglichkeit, die zuständige Kartellbehörde durch
Sachvortrag und Argumentationen hinsichtlich der zu treffenden
Fusionskontrollentscheidung dahin zu beeinflussen, daß eine durch übermäßige
Unternehmenskonzentration drohende Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen
vermieden wird.
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Bedarf es zur Wahrnehmung dieser Verfahrensrechte der Gewährung rechtlichen Gehörs
zu (insbesondere) entscheidungserheblichen Tatsachen und Erklärungen der
Zusammenschlußbeteiligten, kann nach Sinn und Funktion der Beteiligtenrechte der
Beigeladenen eine zweckentsprechende Gewährung des rechtlichen Gehörs nur vor der
Freigabe- oder Erlaubnisentscheidung geleistet werden. Das hängt mit der schon
erwähnten Besonderheit des Fusionskontrollverfahrens zusammen, daß der angemeldete
Zusammenschluß sofort nach der Freigabeentscheidung (mit Ausnahme des Falls einer mit
der Freigabe verbundenen aufschiebenden Bedingung) vollzogen werden kann, die
Beigeladenen also zunächst einmal den Schutz des Vollzugsverbots (§ 41 Abs. 1 Satz 1
und 2 GWB) verlieren.
Wollte man dennoch die Ansicht vertreten, daß Sinn und Zweck des den Beigeladenen zu
gewährenden rechtlichen Gehörs auch noch nach einer (ersten) Freigabeentscheidung
erfüllt werden können, würde man damit in einen Wertungswiderspruch zu einer der
wichtigsten Neuerungen der 6. GWB-Novelle zur Zusammenschlußkontrolle geraten,
nämlich zur Einführung der generellen präventiven Fusionskontrolle. Sie bezweckt nach
dem Willen des Gesetzgebers (vgl. die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf der
6. GWB-Novelle, zitiert nach dem WuW-Sonderheft 1998, S. 80), die immer wieder
aufgetretenen Schwierigkeiten in der bisherigen Praxis der Entflechtung bereits
vollzogener, anschließend jedoch untersagter Zusammenschlüsse zu vermeiden. Die
pflichtgemäß anzumeldenden Zusammenschlüsse dürfen – das ist das Ziel der präventiven
Fusionskontrolle – erst vollzogen werden, wenn ihre wettbewerbliche Unbedenklichkeit
festgestellt ist (BReg, a.a.O.). Auf die kartellbehördliche Prüfung und
Entscheidungsfindung, ob ein angemeldeter Zusammenschluß wettbewerblich
unbedenklich ist oder aber die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB erfüllt
bzw. die Ausnahmevoraussetzungen für eine Ministererlaubnis gemäß § 42 GWB nicht
erfüllt, sollen aber gerade auch die – hiervon in ihren Interessen erheblich berührten –
Beigeladenen durch Ausübung ihrer Verfahrensrechte Einfluß nehmen dürfen, was
wiederum die Gewährung rechtlichen Gehörs zu entscheidungserheblichen Tatsachen und
Erklärungen anderer Verfahrensbeteiligter notwendig voraussetzt. Ist erst einmal der
Zusammenschluß – nach einer Versagung rechtlichen Gehörs zu Lasten von
Beigeladenen und möglicherweise im ursächlichen Zusammenhang damit stehend –
freigegeben, so führt der sofort erlaubte Vollzug zunächst zu denjenigen
wettbewerbsbeschränkenden Unternehmens- und Marktstrukturen, die eine von vornherein
ausgesprochene (und – wie unterstellt werden mag – von den Beigeladenen nach
Gewährung rechtlichen Gehörs zutreffend unterstützte) Untersagung bzw. Ablehnung der
Ministererlaubnis vermieden hätte. In einem solchen Fall werden die beigeladenen
Unternehmen nicht nur zu Unrecht für einen längeren Zeitraum den
wettbewerbsbeschränkenden Auswirkungen des an sich abzulehnenden
Zusammenschlusses ausgesetzt. Erschwerend kommt hinzu, daß die Auswirkungen des
Zusammenschlusses auf Wettbewerber, Kunden und Lieferanten im Falle nachträglicher
Untersagung und verfügter Entflechtung oft gar nicht mehr rückgängig gemacht werden
können (vgl. Mestmäcker/Veelken, a.a.O., § 39, Rdnr. 1, und § 41, Rdnr. 50, wo berichtet
wird, daß während der bisherigen Geltungszeit der GWB-Fusionskontrolle kein streitig
geführtes Auflösungsverfahren tatsächlich zur Auflösung des schon vollzogenen
Zusammenschlusses geführt hat). Die Ziele der präventiven Fusionskontrolle, die die
vorstehend beschriebenen Folgen einer zunächst vollzogenen und danach erst
untersagten Fusion von vornherein vermeiden soll, werden nur durch das Vollzugsverbot (§
41 Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB) gesichert (vgl. Mestmäcker/Veelken, a.a.O., § 41, Rdnr. 2).
Dies alles bedeutet, daß die Nachholung der erforderlichen Gewährung rechtlichen Gehörs
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nach der (ersten) Freigabeentscheidung nebst Wegfall des Vollzugsverbots in keiner
Weise der vorherigen Gewährung rechtlichen Gehörs gleichwertig ist. Vielmehr läßt sich
mit Fug und Recht sagen, daß das den Beigeladenen zur Wahrung ihrer Verfahrensrechte
in der Fusionskontrolle zu gewährende rechtliche Gehör zu relevanten Tatsachen und
Erklärungen anderer Verfahrensbeteiligter nur dann seinen besonderen Sinn und Zweck
erfüllen kann, wenn es vor der (ersten) Erlaubnisentscheidung stattfindet. Daraus folgt dann
aber, daß bei einer Verletzung dieses Anspruchs auf vorheriges rechtliches Gehör eine
Heilung gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG durch Nachholung des rechtlichen Gehörs nach
der (ersten) Erlaubnisentscheidung nicht in Betracht kommt (vgl. BVerwGE 66, 291, 295).
bb) Die gegen dieses Ergebnis vom Beschwerdegegner und von den Beteiligten zu 1. bis
3. vorgebrachten Einwände sind nicht stichhaltig. Das soll, soweit diese Einwände der
Sache nach nicht schon durch die vorstehenden Ausführungen unter aa) (insbesondere zur
Frage des Zwecks der verletzten Verfahrensvorschriften im vorliegenden konkreten
Verwaltungsverfahren und der weiteren Frage, ob dieser Zweck durch eine Nachholung
der erforderlichen Verfahrenshandlungen noch erfüllt werden kann) erfaßt sind, im
folgenden behandelt werden.
(1.) Der Beschwerdegegner argumentiert (im Zusammenhang mit den
verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen an das Heilungsverfahren), der
verfahrensrechtlichen Schutzdimension der Grundrechte werde dadurch genügt, daß dem
Betroffenen (d. h. dem Beigeladenen) die Möglichkeit eingeräumt werde, seine
Beteiligungsrechte nachzuholen. Dabei müsse die Nachholung der in Rede stehenden
fehlerhaften Verfahrenshandlung in einer Weise erfolgen, die die Betroffenen letztlich so
stelle, als wäre der entsprechende Verfahrensfehler nicht erfolgt (Schriftsatz vom 20. 9.
2002, S. 21 f.). Entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners erfüllt das von ihm nach der
Ministererlaubnis I beschrittene Heilungsverfahren diese Anforderungen gerade nicht.
Hierbei darf als Basis der Beurteilung nicht die reale Entwicklung zugrunde gelegt werden,
daß nämlich der Beschwerdegegner im Ergebnis bei der Freigabe der Fusion unter
Auflagen geblieben ist. Vielmehr mußte der Beschwerdegegner die Nachholung der
Verfahrenshandlung(en) – wie er selbst richtig sieht (a.a.O.) – "ergebnisoffen" vornehmen,
d. h. er mußte auch offen für das Ergebnis sein, die Erlaubnis ganz abzulehnen. Daß die
Beigeladenen für diesen Fall durch die Nachholung der in Rede stehenden
Verfahrenshandlungen nicht so gut gestellt waren, als wären die Verfahrensfehler nicht
begangen worden, ist mit Blick auf den Wegfall des Vollzugsverbots infolge der
Ministererlaubnis I oben (2. a) aa) insbesondere in den Abschnitten (2.) bis (2.2) ) schon
dargestellt worden. Darauf wird Bezug genommen.
Auf S. 38 seines Schriftsatzes vom 25. 10. 2002 versucht der Beschwerdegegner unter der
Überschrift "Ergebnisoffenheit der öffentlichen mündlichen Verhandlung" (ergänze: vom 5.
9. 2002) die Anwendung des § 45 VwVfG damit zu begründen, die erneute öffentliche
mündliche Verhandlung habe dem Sinn der verletzten Verfahrensvorschriften in
besonderer Weise entsprochen. Sie habe unter Leitung und in Anwesenheit von
Staatssekretär Dr. T. stattgefunden und habe der unvoreingenommenen, ergebnisoffenen
Überprüfung des gesamten Sachverhalts, der zum Erlaß der Erlaubnisverfügung geführt
habe, gedient. Die Verhandlung habe sich daher auf alle rechtlichen und tatsächlichen
Aspekte erstreckt, die für oder gegen die Ministererlaubnis und die Ausgestaltung der mit
ihr verbundenen Auflagen sprächen. Mit diesen Ausführungen vermag der
Beschwerdegegner indessen nicht den entscheidenden Nachteil der Nachholung der
erforderlichen Verfahrenshandlung (rechtliches Gehör) auszuräumen, der darin besteht,
daß die Beigeladenen den Schutz des Vollzugsverbots infolge der unter Verletzung
32
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rechtlichen Gehörs zustande gekommenen Ministererlaubnis I verloren haben [daß der
Senat teilweise diesen Schutz durch seine einstweiligen Anordnungen vom 11. und 25. 7.
2002 wiederhergestellt hat, ist für die vorliegende rechtliche Prüfung irrelevant, zumal der
Beschwerdegegner gerade die Aufhebung dieser einstweiligen Anordnungen beantragt]
und diesen Schutz durch die Nachholung der Verfahrenshandlung selbst auch nicht
wiedererlangt haben (siehe oben 2. a) aa) insbesondere (2.2) ). Demzufolge hat der
Beschwerdegegner auch mit diesem Vorbringen das Ergebnis des Senats, daß die
Nachholung der Gewährung rechtlichen Gehörs dessen besonderen Sinn und Zweck für
die Beigeladenen im Ministererlaubnisverfahren nicht mehr erfüllen kann (siehe oben 2. a)
aa) (2.) ), so daß die Nachholung keine Heilung der vorherigen Verfahrensfehler bewirkt,
nicht entkräftet.
(2.1) Die Beteiligte zu 1. stützt sich für ihre Ansicht, daß § 45 VwVfG auch im
Ministererlaubnisverfahren anwendbar sei und im vorliegenden Fall die geeignete
Rechtsgrundlage für eine gelungene Heilung der der Ministererlaubnis I anhaftenden
Verfahrensfehler sei, vornehmlich auf § 1 Abs. 1 VwVfG: Nach dieser Norm seien die
Vorschriften des VwVfG, darunter des § 45, für die Verwaltungstätigkeit aller
Bundesbehörden – auch des Beschwerdegegners – maßgeblich, soweit nicht
Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen
enthielten. Damit sei gesetzlich eine allgemeine Ergänzungsfunktion des VwVfG
angeordnet; deswegen sei grundsätzlich von dessen umfassender Anwendbarkeit
auszugehen. Es handele sich mit Blick auf das Kartellrecht nicht um eine "analoge"
Heranziehung des VwVfG; vielmehr gelte das VwVfG zwar subsidiär, aber [dann]
unmittelbar. Es bedürfe deshalb jeweils der gesonderten Begründung, warum einzelne
seiner Bestimmungen unanwendbar sein sollten – nicht umgekehrt. Im Einzelfall bleibe zu
prüfen, ob ein Spezialgesetz eine Materie bewußt anders regele als das VwVfG, was
regelmäßig – mit Blick auf den klaren Wortlaut des § 1 Abs. 1 VwVfG – nur dann der Fall
sei, wenn es sich um eine ausdrückliche Spezialvorschrift handele. Das bloße Schweigen
des Spezialrechts reiche für einen Ausschluß der ergänzenden Anwendung des VwVfG
nicht aus, es sei denn, daß sich dies aus Sinn und Zweck des Spezialrechts unter
Berücksichtigung der jeweiligen Interessenlage eindeutig ergebe. Dabei könnten eine das
VwVfG ausschließende Wirkung nur solche Spezialvorschriften haben, die ihrerseits die
Folgen abschließend regeln. Einen Grundsatz der stillschweigenden Verdrängung des
VwVfG aus der "Natur der Sache" gebe es nicht. Da das GWB keine Regelungen enthalte,
die sich mit der Frage der Heilung von Verfahrensfehlern im Kartellverwaltungsverfahren
ausdrücklich befaßten und abschließend eine andere Rechtsfolge normierten, sei § 45
VwVfG grundsätzlich und auch auf die im vorliegenden Fall gerügten Verfahrensfehler
anwendbar (Schriftsatz vom 28. 10. 2002, S. 5 f., 14 ff.).
Dieser von § 1 Abs. 1 VwVfG ausgehenden Argumentationskette kann nicht beigepflichtet
werden. Sie berücksichtigt nicht, daß § 45 VwVfG selbst immanente
Anwendungsschranken enthält (siehe oben 2. a) [vor aa)] und sodann aa) (2.) ), die hier
zum Ausschluß einer Heilungswirkung gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG führen. Im übrigen
unterbewertet die Beteiligte zu 1. zu sehr die im "soweit"-Satz des § 1 Abs. 1 VwVfG
normierte Regelung der nur subsidiären Geltung des VwVfG. Gemäß dieser Regelung ist
den gesetzlichen Spezialmaterien des Verwaltungsrechts und damit auch dem
Kartellverwaltungsverfahrensrecht ausdrücklich ein Anwendungsvorrang zuerkannt
worden, wodurch die Anwendbarkeit (nicht des gesamten VwVfG schlechthin, wohl aber)
jeweils einzelner Vorschriften des VwVfG eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen wird.
Die Vorschriften des VwVfG sind in ihrer Ergänzungsfunktion nur vorrangig gegenüber
Gewohnheitsrecht und ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätzen (vgl.
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36
Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 1, Rdnr. 3, 33; Bonk/Schmitz in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6.
Aufl., § 1, Rdnr. 188). Es ist gerade nicht erforderlich, daß die gesetzliche Spezialmaterie
eine den Anwendungsvorrang zur Geltung bringende inhaltsgleiche oder entgegengesetzte
Regelung ausdrücklich trifft; vielmehr genügt es, daß der Spezialregelung durch Auslegung
nach ihrem Sinn und Zweck zu entnehmen ist, daß sie eine abschließende Problemlösung
darstellt (vgl. BVerwG NVwZ 1987, 488; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 1, Rdnr. 35;
Bonk/Schmitz, a.a.O., § 1, Rdnr. 208 u. 209).
Da es entscheidend auf Sinn und Regelungszweck der Spezialmaterie ankommt, ob sie
nämlich die Anwendbarkeit der im Einzelfall zu prüfenden VwVfG-Vorschrift (hier: § 45 Abs.
1 Nr. 3) einschränkt oder ausschließt, ist es in Anbetracht der Subsidiarität des VwVfG und
des prinzipiellen Anwendungsvorrangs der Spezialmaterie weder hilfreich noch
sachgerecht, eine Art Auslegungsregel aufzustellen, es bleibe "im Zweifel" bei der
Anwendbarkeit des VwVfG (so aber Bonk/ Schmitz, a.a.O., § 1, Rdnr. 208). Ebenso wenig
paßt es zum subsidiären Charakter des VwVfG, es nur "ausnahmsweise" als gerechtfertigt
zu bezeichnen, daß die ergänzende Anwendung einer bestimmten VwVfG-Vorschrift bei
Fehlen einer ausdrücklich gegenteiligen Spezialregelung abgelehnt wird (so aber
Bonk/Schmitz, a.a.O.; das von ihnen hinzugefügte sehr einschränkende Wort
"ausnahmsweise" fehlt gerade in der dort von ihnen zitierten Entscheidung BVerwG NVwZ
1987, 488). Die richtige Fragestellung ist vielmehr die, ob der durch Auslegung zu
ermittelnde Sinn und Zweck der gesetzlichen Sondermaterie eine Ergänzung durch die im
Einzelfall zu prüfende VwVfG-Vorschrift erlaubt (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 1, Rdnr. 34,
die sich hierfür der Sache nach zu Recht auf BVerwG NVwZ 1987, 488 berufen; so letztlich
im Ergebnis auch Bonk/Schmitz, a.a.O., § 1, Rdnr. 187, 209). Daß aber Sinn und Zweck der
präventiven Fusionskontrolle, des Vollzugsverbots gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB
sowie der Einräumung von Verfahrensrechten zugunsten der gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 3
GWB Beigeladenen im Ministererlaubnisverfahren der Heilung von
Erlaubnisentscheidungen gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG entgegenstehen, die unter
Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (in den beiden Formen des
Abs. 1 und des Abs. 3 des § 56 GWB) zustande gekommen sind, ist oben (2. a) aa), insb.
(2.) ) schon ausführlich dargestellt worden. Darauf wird Bezug genommen. Dem läßt sich
auch nicht entgegenhalten, daß das GWB für diesen Fall keine abschließende
Problemlösung bereit halte, mithin die Folgen nicht abschließend regele (vgl. auch zu
diesem Aspekt BVerwG NVwZ 1987, 488). Wenn das GWB für den hier zu beurteilenden
Fall des Ministererlaubnisverfahrens überhaupt keine Heilung eines Verfahrensfehlers im
Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG vorsieht, bedeutet das nicht, daß die Folgenregelung
des GWB nicht abschließend sei: Der an einem nicht heilbaren Verfahrensfehler leidende
Kartellverwaltungsakt ist rechtswidrig (vgl. Bracher in: Frankfurter Kommentar, § 56 GWB,
Rdnr. 21; Schmidt in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 56, Rdnr. 9) und muß auf
Anfechtungsbeschwerde hin aufgehoben werden (§ 71 Abs. 2 Satz 1 GWB).
(2.2) Die Beteiligte zu 1. wendet sich sodann dagegen, den vom Bundesverwaltungsgericht
in BVerwGE 66, 291, 295 angewendeten Rechtssatz der Beurteilung des vorliegenden
Falls zugrunde zu legen (wie es der Senat für richtig hält; siehe oben 2. a) [vor aa)] und
anschließend aa) (2.2) ). Der vom Bundesverwaltungsgericht unter Bezugnahme auf drei
Kommentare des VwVfG formulierte Rechtssatz, der hier nochmals wiedergegeben werden
soll, lautet wörtlich:
"Eine Heilung des Verfahrensfehlers einer unterbliebenen Mitwirkung (Anhörung) bis
zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens [Anm.: diese Zeitgrenze, auf die es für die
damalige Falllösung nicht ankam, entsprach der früheren Fassung des § 45 Abs. 2 VwVfG]
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kommt jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn die Mitwirkung (Anhörung) den besonderen
Sinn und Zweck, der ihr nach der jeweiligen spezialgesetzlichen . . . Regelung beigegeben
ist, nur dadurch erfüllen kann, daß sie vorher erfolgt."
Die Beteiligte zu 1. meint, diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei hier
nicht einschlägig: Es sei in dem zitierten Urteil um die Konstellation der fristlosen
Entlassung eines Beamten auf Probe und das Unterlassen der gesetzlich
vorgeschriebenen Anhörung des Personalrats vor dieser Entlassung gegangen. Eine
Heilbarkeit der unterbliebenen Anhörung habe das Bundesverwaltungsgericht unter
Hinweis auf die für fristlose Entlassungen vorgesehene gesetzliche Sonderregelung
abgelehnt. So bilde die Anhörung des Personalrats vor einer fristlosen Entlassung – einem
gezielten und schwerwiegenden Eingriff in die grundgesetzlich geschützte
Individualrechtsposition des Beamten – ein Mindestmaß an Entlassungsschutz. Diese
spezifischen Schutzzwecke paßten indes auf die vorliegende Konstellation zu den §§ 42,
56 Abs. 1 und 3 GWB nicht (Schriftsatz vom 28. 10. 2002, S. 10 f.). Die Argumentation der
Beteiligten zu 1. ist deshalb nicht stichhaltig, weil aus dem Urteil BVerwGE 66, 291, 295
nicht ein spezieller Rechtssatz aus dem Beamtenrecht oder dem Personalvertretungsrecht
analog auf das Kartellverwaltungsverfahrensrecht übertragen werden soll, sondern ein
allgemeiner Rechtssatz zur Auslegung des § 45 Abs. 1 VwVfG bei der Frage der
Anwendbarkeit eben dieser Norm im Rahmen eines bestimmten
Kartellverwaltungsverfahrens herangezogen werden soll. Da es hier wie dort um die
Auslegung des § 45 Abs. 1 VwVfG geht (ging), ist die Entscheidung BVerwGE 66, 291, 295
selbstverständlich zu beachten. Ebenso versteht es sich von selbst, daß die weitere
Anwendung des oben zitierten Rechtssatzes im vorliegenden Fall eines
Ministererlaubnisverfahrens losgelöst vom Urteil BVerwGE 66, 291, also ohne Anlehnung
an die dortige Bestimmung von Sinn und Zweck der vorherigen Anhörung gerade des
Personalrats im Entlassungsverfahren beurteilt werden muß (wie es oben unter 2. a) aa)
(2.2) auch geschehen ist). In diesem Prüfungsstadium kommen vielmehr die spezifischen
Schutzzwecke der für die Falllösung relevanten GWB-Normen (§§ 42, 56 Abs. 1 und 3, 54
Abs. 2 Nr. 3, 41 Abs. 1 Satz 1 und 2) voll zur Geltung.
Die Beteiligte zu 1. macht ferner geltend, die vorstehend zitierte Argumentation des
Bundesverwaltungsgerichts werde vom Bundesgerichtshof abgelehnt. Hierfür bezieht sie
sich (nur) auf ein Urteil des Dienstgerichts des Bundes (BGH) vom 22. 9. 1998 – Az.: RiZ
(R) 1/98 – und zwar auf den dortigen "Ls. Nr. 2" (Schriftsatz vom 28. 10. 2002, S. 10 u. 11
unten). Der Einwand der Beteiligten zu 1. ist unverständlich und unzutreffend. Das
vorgenannte Urteil des BGH scheint nicht veröffentlicht zu sein (die Beteiligte zu 1. zitiert
keine Fundstelle und der Senat hat auch keine Veröffentlichung entdeckt). Laut dem
Ausdruck des Urteils aus der Dokumentation "Juris" hatte der BGH die Entlassung einer
Richterin auf Probe zu überprüfen und zu beurteilen. Der von der Beteiligten zu 1. offenbar
in Bezug genommene 2. Orientierungssatz des Juris-Ausdrucks lautet:
"Die unterlassene Anhörung zu einer Stellungnahme des Vorsitzenden einer Kammer,
der der Richter zeitweilig angehörte, hindert nicht die Rechtmäßigkeit der
Entlassungsverfügung, wenn dieser Verfahrensfehler durch eine nachträgliche Anhörung
im Widerspruchsverfahren gemäß VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 geheilt worden ist."
Das Unterlassen der Anhörung betraf in dem BGH-Fall die Richterin selbst, nicht etwa den
(dem Personalrat im BVerwG-Fall funktionell vergleichbaren) Präsidialrat, dessen
Stellungnahme vor der Entlassungsverfügung eingeholt worden war. Zu der Tatsache, daß
in der Entlassungsverfügung die Stellungnahme eines Kammervorsitzenden verwertet
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worden ist, zu der die Richterin auf Probe vorher nicht angehört worden war, führt der BGH
aus: Ein etwaiger Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 28 Abs. 1 VwVfG über die
Anhörung wäre jedenfalls durch die im Widerspruchsverfahren nachgeholte Anhörung der
Richterin gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt. Daß die
Entlassungsentscheidung unter Ausschöpfung eines Beurteilungsspielraums getroffen
worden sei, stelle die Möglichkeit einer Heilung durch nachträgliche Anhörung nicht in
Frage. Denn Ausgangsbehörde und Widerspruchsbehörde seien hier identisch. Daher sei
die Gefahr einer Benachteiligung der Richterin auf Probe durch die erst im
Widerspruchsverfahren erfolgte Anhörung nicht zu besorgen. Mit der hier in Rede
stehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt sich der BGH nicht
auseinander. Weder das Urteil BVerwGE 66, 291 noch der oben aus diesem Urteil wörtlich
entnommene allgemeine Rechtssatz werden vom BGH überhaupt nur zitiert. Aus der
Urteilsbegründung des BGH ergibt sich, daß er angenommen hat, mit der Nachholung der
Anhörung werde deren Schutzzweck für die Richterin durchaus noch erreicht. Es trifft daher
nicht zu, daß sich der BGH von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
distanzieren und den oben herausgestellten allgemeinen Rechtssatz zu § 45 Abs. 1 VwVfG
ablehnen will. Es gibt somit keinen Grund, der es verbietet, den oben wörtlich zitierten
allgemeinen Rechtssatz aus BVerwGE 66, 291, 295 weiter anzuwenden; hinsichtlich des
Ergebnisses wird auf den obigen Abschnitt 2. a) aa) (2.2) Bezug genommen.
(2.3) Die Beteiligte zu 1. meint außerdem, auf die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und den aus BVerwGE 66, 291, 295 zitierten allgemeinen
Rechtssatz zu § 45 VwVfG komme es gar nicht an. Es gehe im vorliegenden Fall
verfahrensgegenständlich nicht mehr um die alte Ministererlaubnis I, sondern um die
geänderte Fassung der Ministererlaubnis II, die nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts mit der Ministererlaubnis I zu einer rechtlichen Einheit
verschmolzen sei; der ursprüngliche Verwaltungsakt bestehe nur noch in der durch die
Änderung bewirkten Gestalt als geänderter Verwaltungsakt fort. Vor Erlaß der geänderten
Ministererlaubnis sei jedoch am 5. 9. 2002 eine mündliche Verhandlung durchgeführt
worden. Es gehe im vorliegenden Verfahren deshalb nicht mehr um eine schlichte
Nachholung für eine bereits erlassene Verfügung, sondern um die notwendige Anhörung
vor einer Entscheidung der Behörde. Es stehe deshalb gar keine nachträgliche, sondern
eine wortlautgemäß vorangehende Anhörung bezogen auf die Ministererlaubnis II in Rede
(Schriftsatz vom 28. 10. 2002, S. 12).
Diese Argumentation verhilft der Beteiligten zu 1. nicht zum Erfolg, weil sie einen Fehler
enthält: Sie will die Streitfrage, ob eine Nachholung der Gewährung rechtlichen Gehörs (in
den beiden Formen des Abs. 1 und des Abs. 3 des § 56 GWB) gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 3
VwVfG im vorliegenden Fall rechtlich zulässig ist und zur Heilung der der Ministererlaubnis
I anhaftenden Verfahrensfehler führt, auf sich beruhen lassen, mit folgendem
Gedankengang: Maßgeblich sei nur noch, daß der Beschwerdegegner die Nachholung der
mündlichen Verhandlung und der Anhörung vorgenommen und sodann eine
Änderungsverfügung erlassen habe, sich also nicht mit einer bloßen Bestätigung der
ursprünglichen Ministererlaubnis vom 5. 7. 2002 begnügt habe. Die Anhörung, die bezogen
auf die Ministererlaubnis I eine Nachholung sei, sei bezogen auf die allein noch
maßgebliche Ministererlaubnis II eine unproblematische vorangehende Anhörung. Die
Argumentation der Beteiligten zu 1. entnimmt damit der Dogmatik des § 45 VwVfG nur noch
die Rechtsfolge im Falle einer Änderungsverfügung, nämlich den Gedanken der
"Verschmelzung" von Ausgangs- und Änderungsverfügung zu einer rechtlichen Einheit,
ohne es dann noch für notwendig zu befinden, auch die normativen Voraussetzungen des
§ 45 VwVfG und damit die Voraussetzungen für die Zulässigkeit dieser besonderen Art von
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Änderungsverfügung prüfen und feststellen zu müssen. Es bedarf keiner vertieften
Diskussion dazu, daß eine solche selektive Heranziehung von Elementen einer Norm (hier:
des § 45 VwVfG) nicht rechtens ist. Da sich der Beschwerdegegner erklärtermaßen des
(sogenannten) Heilungsverfahrens gemäß § 45 VwVfG bedient hat, um den vom Senat im
Beschluß vom 25. 7. 2002 festgestellten Verfahrensfehlern abzuhelfen, muß er sich
bezüglich des beschrittenen Nachverfahrens und der dies abschließenden
Änderungsverfügung auch am Maßstab des § 45 VwVfG messen lassen. Wird ein
Verfahrensfehler durch das von der Behörde auf § 45 VwVfG gestützte "Heilungsverfahren"
nicht geheilt - etwa deshalb, weil § 45 VwVfG auf den Verfahrensfehler in dem konkreten
Verwaltungsverfahren (wie hier) gar nicht anwendbar ist - , so bleibt der ursprüngliche,
verfahrensfehlerhafte Verwaltungsakt rechtswidrig (vgl. Sachs, a.a.O., § 45, Rdnr. 23).
Diese Rechtswidrigkeit ergreift notwendigerweise auch eine (wie hier) auf § 45 VwVfG
gestützte Änderungsverfügung, der mangels Anwendbarkeit des § 45 VwVfG die
Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt.
(2.4) Die Beteiligte zu 1. meint schließlich, daß die von ihr als grundlegend erachtete
Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. 10. 1983 (veröffentlicht in NVwZ
1984, 578 f.) für ihre Rechtsposition streite (Schriftsatz vom 26. 11. 2002, S. 7). Das trifft im
Ergebnis nicht zu, weil die Entscheidung die im vorliegenden Fall ausschlaggebende
Schranke, an der die Anwendbarkeit des § 45 VwVfG scheitert, gar nicht behandelt. Die
sicher nicht zu verkennende Bedeutung des Urteils BVerwG NVwZ 1984, 578 f. beschränkt
sich darauf, daß es die analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG auf eine im
Rahmen eines förmlichen Verwaltungsverfahrens versäumte mündliche Verhandlung im
Sinne des § 67 Abs. 1 VwVfG zuläßt, deren Nachholung es sogar nicht nur der
Erstbehörde, sondern auch der Widerspruchsbehörde gestattet. In jenem konkreten
Verwaltungsverfahren (Prüfung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit zur Ausübung u.a.
der gewerblichen Zimmervermietung nach § 35 GewO) bestand ersichtlich kein Anlaß,
daran zu zweifeln, daß die im Widerspruchsverfahren nachgeholte mündliche Verhandlung
den mit ihr verbundenen gesetzlichen Regelungszweck noch erfüllen könne, und sich
deshalb mit dem in BVerwGE 66, 291, 295 angewendeten allgemeinen Rechtssatz (siehe
oben 2. a) aa) (2.2) und bb) (2.2) ) auseinanderzusetzen. Ohne von dem Urteil BVerwG
NVwZ 1984, 578 f. abzuweichen, ist es also ohne weiteres und widerspruchsfrei möglich,
die analoge Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG auf die gemäß § 67 Abs. 1 VwVfG
durchzuführende mündliche Verhandlung im allgemeinen zu bejahen und dennoch die
Anwendbarkeit des § 45 VwVfG im Ministererlaubnisverfahren hinsichtlich der
Verfahrensverstöße gegen § 56 Abs. 1 und 3 GWB aus den vorstehend (a.a.O.)
ausgeführten Gründen im besonderen zu verneinen.
(3.) Die Beteiligten zu 2. und 3. führen für die Anwendbarkeit des § 45 VwVfG den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ins Feld. Sie argumentieren: Zwar werde durch die
Zulassung der nachträglichen Anhörung (gemäß § 45 VwVfG) die Verfahrensstellung der
Beigeladenen verschlechtert, jedoch in einer für sie nicht weiter erheblichen Weise. Bei
unterstellter Relevanz ihrer Ausführungen wären bei rechtzeitiger Anhörung die Auflagen
schon in der Ministererlaubnis I strikter ausgefallen; jetzt führe die nachträgliche Anhörung
in Verbindung mit der Änderungsverfügung zu den strengeren Auflagen. Diese
Verzögerung belaste die Beigeladenen nicht. Dagegen verbessere die Möglichkeit der
nachträglichen Anhörung der Beigeladenen die Verfahrensstellung der
Zusammenschlußbeteiligten, indem sie – wenn auch mit stärker belastenden Auflagen –
eine nicht mehr durch Verfahrensfehler belastete Freigabe ihres Zusammenschlusses
erhielten. Ohne die Heilungsmöglichkeit gäbe es allenfalls die Möglichkeit einer völligen
Neudurchführung des Ministererlaubnisverfahrens, die mit Rechtsunsicherheit verbunden
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sei und – unabhängig davon – zu einer erheblichen zeitlichen Verzögerung sowie zu
einem mit sehr viel Aufwand verbundenen Verfahren führe. Bei einer so komplizierten
Interessenlage dürfe nicht einseitig auf die Interessen der Beigeladenen abgestellt werden.
Die Interessen der Zusammenschlußbeteiligten seien mindestens gleichwertig (wenn nicht
sogar ganz überwiegend) in die Beurteilung mit einzubeziehen. Die Verfahrensstellung der
Zusammenschlußbeteiligten werde durch den Ausschluß einer Heilung der
Nichtgewährung rechtlichen Gehörs in weit schwerwiegenderem Maße beeinträchtigt als
diejenige der Beigeladenen durch die Möglichkeit der nachträglichen Heilung. Vor diesem
Hintergrund erscheine es völlig unverhältnismäßig, die Zusammenschlußbeteiligten nur
wegen eines Verfahrensfehlers, für den sie selbst nicht verantwortlich seien, auf die
Möglichkeit eines neuen Ministererlaubnisverfahrens zu verweisen (Schriftsatz vom 11. 10.
2002, S. 9 f.).
Mit dieser Argumentation läßt sich die Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nicht
begründen. Nach zutreffender, höchstrichterlich abgesicherter Auslegung des § 45 VwVfG
(vgl. BVerwGE 66, 291, 295 m.w.N. sowie die vorstehenden Ausführungen, insbesondere
unter 2. a) vor aa) und aa) (2.2) ) ist die Nachholung versäumter, zwingend gebotener
Verfahrenshandlungen der Behörde – ganz unabhängig von der zeitlichen Begrenzung
gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG - nicht schrankenlos gestattet. Wenn nun im konkreten
Verwaltungsverfahren (hier: im Ministererlaubnisverfahren gemäß § 42 GWB) nach Sinn
und Zweck der Normen, die bei Verstößen gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen
Gehörs für Beigeladene zu beachten sind (insbesondere §§ 56 Abs. 1 und 3, 54 Abs. 2 Nr.
3, 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB), Schranken gegenüber der Anwendung des § 45 Abs. 1 Nr.
3 VwVfG bestehen, müssen diese auch strikt beachtet werden, zumal da die
wünschenswerte klare Trennung zwischen Verwaltungsverfahren und Gerichtsverfahren
und die klare Abgrenzung der zwischen Verwaltung und Gericht zu verteilenden Aufgaben
durch die im Jahre 1996 erfolgte Änderung des § 45 Abs. 2 VwVfG, durch die die zeitliche
Begrenzung der Heilungsmöglichkeit bis zum Abschluß des Widerspruchsverfahrens
aufgehoben wurde, ohnehin schon erheblich beeinträchtigt worden ist (zur
rechtspolitischen Kritik an § 45 Abs. 2 VwVfG vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45, Rdnr. 5;
Schäfer, a.a.O., § 45, Rdnr. 61, 63. 66; Klappstein, a.a.O., § 45, Rdnr. 4 und 4.2; Sachs,
a.a.O., § 45, Rdnr. 113 ff.; Berkemann, DVBl 1998, 446, 447 f.). Die der Anwendbarkeit des
§ 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG entgegenstehenden Hindernisse, die durch die Auslegung nach
Sinn und Zweck der zu beachtenden Normen (siehe oben) erkannt worden sind, gestatten
es nicht, das Ergebnis durch eine – im übrigen konturenlose – Abwägung der Interessen
verschiedener Gruppen von Verfahrensbeteiligten (Zusammenschlußbeteiligte und
Beigeladene) wiederum abzuändern. Für eine solche Interessenabwägung findet sich in §
45 VwVfG keine Grundlage. Im übrigen sei unter Bezugnahme auf die Ausführungen des
Senats in seinem Beschluß vom 25. 7. 2002 (unter II. 2. der Beschlußgründe) angemerkt,
daß die Beteiligten zu 2. und 3. das Gewicht der Rechtsposition der Beigeladenen wohl als
zu gering erachten.
cc) Demzufolge muß es bei dem Ergebnis verbleiben, daß die vom Senat an der
Ministererlaubnis I beanstandeten Verfahrensfehler durch das vom Beschwerdegegner ab
15. 8. 2002 unternommene, auf § 45 VwVfG gestützte Nachverfahren einschließlich der
mündlichen Verhandlung vom 5. 9. 2002 mangels Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 Nr. 3
VwVfG nicht geheilt worden sind (im Ergebnis ebenso: Möschel, BB 2002, 2077, 2078; a.A.
allerdings Bunte, BB 2002, 2393, 2396 f., dessen Gegenargumente im vorstehenden Text
der Sache nach schon behandelt worden sind). Daher ist die Ministererlaubnis – sowohl
bei isolierter Betrachtung die Ministererlaubnis I als auch bei einer Einheitsbetrachtung die
Ministererlaubnis I in der teilweise geänderten Fassung der Ministererlaubnis II – nach wie
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vor allein schon wegen der nicht geheilten Verfahrensfehler rechtswidrig (vgl. Sachs,
a.a.O., § 45, Rdnr. 23). Insoweit teilt die Ministererlaubnis II wegen ihrer Funktion, den
Abschluß eines "Heilungsverfahrens" zu bilden, dem es aber an der
Zulässigkeitsvoraussetzung und damit an der gesetzlichen Grundlage fehlt (vgl. auch oben
2. a) bb) (2.3) ), das rechtliche Schicksal der Ministererlaubnis I. Die vorstehend
dargestellten Gründe reichen für sich allein aus, um die Zurückweisung der Anträge auf
Aufhebung der bisher erlassenen einstweiligen Anordnungen (abgesehen von dem
Sonderfall der Beschwerdeführerin zu 7.) zu rechtfertigen.
Gegenüber der zu erwartenden Kritik, der Senat habe einem "nur" formellen
Rechtsverständnis den Vorzug vor den vitalen materiellen Interessen der
Zusammenschlußbeteiligten gegeben, sei vorsorglich noch auf folgendes hingewiesen:
Abgesehen davon, daß der Senat – im übrigen auch der Beschwerdegegner – hinsichtlich
der (bei zutreffender Auslegung) beschränkten Anwendbarkeit des § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG
an das Gesetz gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG), haben die hier entscheidungserheblichen
Anwendungsschranken auch ihren guten Sinn: An der gesetzlichen Regelung wird
hinsichtlich des Zusammenwirkens von Abs. 1 mit Abs. 2 des § 45 VwVfG allgemein
kritisiert, daß die Behörden ihre verfahrensrechtlichen Verpflichtungen auf Grund der
zeitlichen Erweiterung der Heilungsmöglichkeiten mangels sachlicher Sanktion de facto -
nicht aus (nicht zu unterstellender) prinzipieller Rechtsuntreue, aber angesichts politischer
Handlungszwänge und praktischer Schwierigkeiten – zunächst weitgehend risikolos
vernachlässigen könnten (Sachs, a.a.O., § 45, Rdnr. 114 m.w.N.; Schäfer, a.a.O., § 45,
Rdnr. 63; Sodan, DVBl 1999, 729, 737). Hinzu komme – so wird weiter kritisiert – die
Gefahr, daß die Behörde nach Prozeßbeginn ihre ein Heilungsverfahren abschließende
Entscheidung nicht mehr unbefangen und ohne Rücksicht auf prozeßtaktische
Überlegungen sowie auf die Autorität der Verwaltung, die im Gerichtsprozeß in gewissem
Sinn auf dem Spiel stehe, treffe; zumindest stelle die im Gesetz gebilligte Zulassung einer
erst während des Prozesses nachgeholten Anhörung eine außerordentliche
Herausforderung an die Fähigkeiten der Behörde zur Distanzierung von ihrer schon einmal
getroffenen Entscheidung dar (Sachs, a.a.O., § 45, Rdnr. 73; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45,
Rdnr. 34; Schäfer, a.a.O., § 45, Rdnr. 61, 63; Berkemann, DVBl 1998, 446, 448; Sodan,
DVBl 1999, 729, 738). Diese nicht unrealistischen Gefahren kommen erst gar nicht auf in
solchen Verwaltungsverfahren (wie hier im Ministererlaubnisverfahren), in denen jedenfalls
§ 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG bei einem Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen
Gehörs überhaupt nicht anwendbar ist. Wichtiger noch: Daß § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG nicht
anwendbar ist, müßte dazu führen, daß die Behörde (hier: der Bundeswirtschaftsminister)
schon vor der (ersten) Erlaubnisentscheidung mit größtmöglicher Umsicht und Sorgfalt
verfährt, damit eine Verletzung des Rechts auch nur eines Beteiligten auf rechtliches Gehör
nicht vorkommt. Diese präventive Wirkung des Ausschlusses einer Heilung gemäß § 45
Abs. 1 Nr. 3 VwVfG kommt den Zwecken der präventiven Fusionskontrolle (siehe oben 2.
a) aa) (2.2) ) und des sie sichernden Vollzugsverbots (§ 41 Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB) sehr
zustatten.
b) Selbst wenn man der vom Senat im vorstehenden Kapitel unter a) vertretenen Ansicht
nicht folgen und § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG im Ministererlaubnisverfahren bei unterlassener
Gewährung rechtlichen Gehörs und verfahrensfehlerhafter Durchführung der gebotenen
mündlichen Verhandlung für anwendbar halten sollte, ist eine Heilung der
Ministererlaubnis durch das Heilungsverfahren des Beschwerdegegners nicht eingetreten.
Denn der Beschwerdegegner hat in der Zeit zwischen dem 5. 9. 2002 (mündliche
Verhandlung) und dem Erlaß der Ministererlaubnis II erneut das Verfahrensgrundrecht der
Beschwerdeführer auf rechtliches Gehör verletzt, wie die Beschwerdeführerinnen zu 1. und
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6. zu Recht geltend machen.
aa) Zum Sachverhalt ist folgendes festzuhalten:
Nach der mündlichen Verhandlung vom 5. 9. 2002 teilte das BMWi allen
Verfahrensbeteiligten mit Schreiben vom 9. 9. 2002 unter der Überschrift: "Rechtliches
Gehör zu beabsichtigten Änderungen der Verfügung vom 5. Juli 2002" folgendes mit:
"Staatssekretär Dr. T. beabsichtigt, die Verfügung vom 5. Juli 2002 wie folgt zu ändern: . . . .
.". Es folgten sodann unter den Ordnungsziffern 1.1 bis 1.6 einzelne (beabsichtigte)
Änderungen der im Tenor der Ministererlaubnis I aufgeführten Auflagen.
Bei den "Veräußerungsauflagen" (Ziff. 1.2.1. des Tenors) sollte der Abschnitt
"1.2.1.2. Vertikale Beteiligungen" mit Änderungen neu gefaßt werden. Zusätzlich zu den
der Beteiligten zu 1. bisher schon auferlegten Verkäufen (Beteiligungen an E.. AG, G. AG,
s. AG und B. GmbH) sollte auch die Beteiligte zu 4. ihre unmittelbar oder mittelbar
gehaltenen Beteiligungen an der s. AG und der B. GmbH verkaufen. Neu aufgenommen
wurde unter Ziff. 1.2.1.2. Buchstabe d) die Auflage folgenden Sonderkündigungsrechts:
"E. wird auferlegt, den . . . (vor-)genannten Unternehmen ein vertragliches
Sonderkündigungsrecht für mit diesen bestehende Energiebezugsverträge für die Dauer
von sechs Monaten nach der vollständigen Veräußerung der jeweiligen Anteile
einzuräumen. Ferner wird E. auferlegt, dafür zu sorgen, dass R. entsprechende
Sonderkündigungsrechte einräumt."
(Die unter Ziff. 1.2.1.2. auferlegten Veräußerungen selbst mußten gemäß Ziff. 1.2.1.3.
des Verfügungstenors binnen sechs Monaten nach Vollzug der Zusammenschlüsse
vorgenommen werden; auf begründeten Antrag der Beteiligten zu 1. hin war eine
Verlängerung der Frist auf zwölf Monate zugesagt worden.)
Bei der Ausgestaltung des Gas Release-Programms (Ziff. 1.2.3. des Tenors) sollte mit einer
Änderung der Ziff. 1.2.3.1. die gesamte Verkaufsmenge von 75 auf 200 Mrd. kWh erhöht
werden. Dabei sollte die Auktion in vier Teilschritten im Abstand von jeweils 12 Monaten
erfolgen, wobei die jeweils angebotenen Tranchen eine Laufzeit von je drei Jahren haben
sollten. Während es in der Ministererlaubnis I hieß, der monatliche Mindestpreis im
Rahmen der Auktion sei der durchschnittliche Grenzübergangspreis für Erdgas in die
Bundesrepublik Deutschland gemäß Veröffentlichung des Bundesamtes für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle [im folgenden: BAFA] (zuzüglich Steuern) für den jeweiligen Liefermonat,
kündigte das BMWi im Schreiben vom 9. 9. 2002 an, dieser Mindestpreis solle nur noch 85
% des genannten Grenzübergangspreises betragen.
Zu den Änderungsankündigungen nahmen mehrere Beteiligte kritisch bis ablehnend
Stellung. Zu erwähnen sind folgende Stellungnahmen:
Mit Schriftsatz vom 11. 9. 2002 erklärte die Beteiligte zu 1., sie sei irritiert darüber, daß der
Beschwerdegegner, anstatt die Auflagen zumindest zu reduzieren, sie jetzt sogar erheblich
zu verschärfen beabsichtige und damit die Umsetzung des Zusammenschlusses gefährde.
Die beabsichtigten neuen Auflagen seien in der jetzigen Fassung nicht vertretbar. Die
Erhöhung der Gas Release-Menge in dem beabsichtigten Umfang und die Einführung des
Sonderkündigungsrechts könne, wie die Beteiligte zu 1. ausdrücklich betont hat, "von
E./R." nicht akzeptiert werden. Die Sonderkündigungsrechte würden im Gasgeschäft bei B.
und s. mit zusammen rund 75 Mrd. kWh/a sehr erhebliche Mengen betreffen. Es bestehe
das Risiko, daß R. auf Grund der neuen Auflage alle Mengen dieser beiden Großkunden
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verliere, z. B. an große ausländische Anbieter wie G. und E..., die über entsprechende freie
Gasmengen verfügten. Dies hätte wiederum zur Folge, daß R. bei ihren Importverträgen in
den Minimum Pay-Bereich gedrückt würde, also für Erdgasmengen zahlen müsse, die sie
nicht abnehmen könne. Dies wäre eine schwerwiegende wirtschaftliche Schwächung, die
sich mit den angestrebten Gemeinwohlvorteilen des Zusammenschlusses nicht in Einklang
bringen lasse. Der jetzt geplante Umfang des Gas Release-Programms sei rechtlich nicht
mehr vertretbar und daher nicht akzeptabel, wie anhand der Größenordnungen der beiden
anderen bisher in der EG durchgeführten Gas Release-Programme (in England und in
Spanien) deutlich erkennbar sei. Akzeptabel wäre für E./R. allenfalls eine Ausweitung des
Programms um ein Jahr und 25 Mrd. kWh auf insgesamt 100 Mrd. kWh. Der vorgesehene
Mindestpreis von rund 85 % sei deutlich zu niedrig. Er werde E./R. möglicherweise dazu
zwingen, den Preis für die fraglichen Mengen zugunsten ihrer Wettbewerber zu
subventionieren. In den letzten Jahren habe der Preis für die base load-Importe der R. aus
Norwegen und Rußland nicht mehr als 3 % unter dem durchschnittlichen
Grenzübergangspreis, teils sogar darüber gelegen. Deshalb wäre maximal ein Abschlag
von 3 % auf den durchschnittlichen Grenzübergangspreis als Mindestpreis gerechtfertigt
(Bl. 10188 ff. der Akten des BMWi).
Die Beteiligte zu 30. (W. GmbH) nahm mit Schreiben vom 11. 9. 2002 vor allem zum Gas
Release-Programm kritisch Stellung: Die Etablierung dieses Programms stelle einen nicht
akzeptablen Eingriff in die Geschäftsgrundlagen ihrer Langfristverträge – und wohl auch in
Langfristverträge anderer Importeure – dar. Schon aus diesem Grunde sei eine solche
Auflage ihrer Struktur nach abzulehnen. Die Festlegung auf einen monatlichen
Mindestpreis von 85 % des durchschnittlichen Grenzübergangspreises sei sehr
problematisch. Sollte das BMWi erwarten, daß die Gasmengen tatsächlich auf einen Preis
unterhalb der 100 %-Marke gesteigert werden könnten, dürfte dies in aller Regel einen
wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Preisvorteil für den jeweiligen Ersteigerer darstellen.
Damit käme die Auflage einer staatlich verordneten Subventionierung durch R. zu Gunsten
eines einzelnen Wettbewerbers und zu Lasten aller übrigen Wettbewerber gleich. Dies
widerspreche dem Wettbewerbsgedanken. Daher werde dringend angeregt, den
Mindestpreis auf 100 % des durchschnittlichen Grenzübergangspreises festzulegen (Bl.
10203 ff. der Akten des BMWi).
Auch die Beteiligte zu 18. (Z.) äußerte sich – mit Schreiben vom 11. 9. 2002 – zum Gas
Release-Programm: Die vorgesehenen Änderungen wirkten dem Ziel der
Versorgungssicherheit entgegen und stellten einen wesentlichen Markteingriff dar, der nicht
ohne Konsequenzen für die Teilnehmer, insbesondere die Produzenten, sei und daher
zurückgewiesen werde. Die erhöhte Verkaufsmenge mit den vier Teilabschnitten
entspreche auf Jahresbasis 5 % des gesamten deutschen Erdgasaufkommens. Daraus und
aus der Festsetzung des monatlichen Mindestpreises von 85 % des durchschnittlichen
Grenzübergangspreises ergäben sich ernste Konsequenzen für das Marktgeschehen aus
der spezifischen Sicht eines Produzenten, insbesondere für die Preise, für die take-or-pay-
Regelung und für den Fortbestand der Praxis langfristiger Lieferverträge als Grundlage der
Finanzierung von Investitionsprojekten in Milliardenhöhe. Mit dem Umfang des "Release"
von ca. 5 % des deutschen Erdgasverbrauchs über einen Zeitraum von vier Jahren werde
es zwangsweise Druck auf die Märkte geben. Durch die Reduzierung des Mindestpreises
für die Auktion auf 85 % des Grenzpreises, d.h. des Preises, den ihre Muttergesellschaft O.
G. an der Grenze erziele, werde es Druck seitens der bisherigen Abnehmer der O. G.
geben, ihnen aus Wettbewerbsgründen ebenfalls günstigere Preise einzuräumen. Über
einen Zeitraum von vier Jahren könne dies zu massiven Verwerfungen auf dem Markt
führen. Auf Grund des komplizierten vertraglichen Verhältnisses der Abnehmer zur O. G.
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werde ein Großteil des wirtschaftlichen Risikos auf Umwegen u.a. auf die O. G. verlagert,
was wiederum zur Folge habe, daß die Finanzierung der bestehenden und notwendigen
Investitionsprojekte in der Zukunft und damit die Versorgungssicherheit beeinträchtigt
würden (Bl. 10210 ff. der Akten des BMWi).
Der Beschwerdegegner hat die vorstehend referierten Stellungnahmen jedenfalls den
Beschwerdeführern und wohl auch den übrigen Verfahrensbeteiligten vor Erlaß der
Ministererlaubnis II nicht mitgeteilt. – In den Akten des BMWi (Bl. 10719) findet sich
folgendes Schreiben der Abteilung III B des BMWi vom 17. 9. 2002 an die (federführende)
Abteilung I B 1 des BMWi:
"Betreff: Auflagen E. / R.
III B zeichnet mit, soweit Einbindung erfolgt war (z. B. keine Beteiligung an Gespräch
mit E. und R. am 13. 9.)."
Es ist unstreitig, daß in jenen Tagen (am 13. 9. 2002 laut dem vorstehenden Schreiben und
laut Schriftsatz der Beteiligten zu 1. vom 6. 11. 2002, S. 7; am 11. 9. 2002 laut Schriftsatz
des Beschwerdegegners vom 12./25. 11. 2002, S. 10) ein Gespräch zwischen Vertretern
der Beteiligten zu 1. und 4. und Beamten des BMWi (laut den vorgenannten Schriftsätzen:
ohne Staatssekretär Dr. T.) stattgefunden hat. Der Inhalt des Gesprächs steht nicht fest. Es
gibt keinen Aktenvermerk hierüber in den Akten des BMWi.
Unter der Überschrift: "Erneutes rechtliches Gehör zu beabsichtigten Änderungen der
Verfügung vom 5. Juli 2002" teilte das BMWi allen Verfahrensbeteiligten mit Schreiben vom
16. 9. 2002 mit: "Nach Auswertung der Stellungnahmen, die uns zu den am 9. September
2002 mitgeteilten beabsichtigten Änderungen der Auflagen erreicht haben, beabsichtigt
Staatssekretär Dr. T. nunmehr folgende Änderung der Verfügung vom 5. Juli 2002"
(Unterstreichungen hinzugefügt). Gegenüber den am 9. 9. 2002 mitgeteilten beabsichtigten
Änderungen wurden jetzt vor allem folgende Abänderungen angekündigt:
Im Abschnitt Ziff. 1.2.1.2. (Veräußerungsauflagen vertikaler Beteiligungen) wurde der
Absatz d) [Sonderkündigungsrechte] ab dem Satz 2 folgendermaßen neu gefaßt:
"Ferner wird E. auferlegt, dafür zu sorgen, dass R. den . . . genannten Unternehmen
Sonderkündigungsrechte für die bestehenden Energiebezugsverträge mit folgender
Maßgabe einräumt: Zum 1. Juli 2004 können mit einer Frist von drei Monaten 33,3 % der
vertraglich vereinbarten Gesamtmenge gleichmäßig für alle Teilmengen und Preisklassen
gekündigt werden. In den beiden folgenden Jahren können jeweils erneut 33,3 % in
gleicher Weise gekündigt werden."
Diejenigen Unternehmen, denen nach der vorstehenden Auflage Sonderkündigungsrechte
eingeräumt werden sollen, sollen andererseits gemäß Ziff. 1.2.3.2., letzter Satz, von der in
Ziff. 1.2.3.2. vorgesehenen Anpassungsregelung ausgenommen werden, die folgenden
Inhalt hat: R. muß es denjenigen Gasversorgungsunternehmen, die mehr als 50 % ihres
Gesamtbedarfs von R. beziehen, sechs Monate nach Vollzug der Zusammenschlüsse,
frühestens zum 1. 10. 2003 durch eine Vertragsanpassung ermöglichen, die mit R.
vereinbarte Liefermenge auf jeweils 80 % der jährlich für die Restlaufzeit des Vertrages
kontrahierten Menge zu reduzieren.
Bei der Ausgestaltung des Gas Release-Programms blieb die gesamte Verkaufsmenge
von 200 Mrd. kWh zwar unverändert. Die Auktion sollte jedoch in sechs (statt in vier)
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Teilschritten im Abstand von jeweils 12 Monaten erfolgen, wobei jeweils Tranchen mit
einer Laufzeit von drei Jahren und einer jeweiligen Gesamtmenge von 33,33 Mrd. kWh in
H-Gas-Qualität, unterteilt in Jahresmengen von 11,11 kWh/a angeboten werden sollten.
Der monatliche Mindestpreis im Rahmen der Auktion sollte auf 95 % (statt 85 %) des
durchschnittlichen Grenzübergangspreises festgesetzt werden.
Die Stellungnahmen, auf deren "Auswertung" die angekündigten Abänderungen beruhten,
waren dem Schreiben vom 16. 9. 2002 nicht beigefügt. Den Verfahrensbeteiligten wurde in
dem Schreiben für eine Stellungnahme eine Frist von wenig mehr als 24 Stunden bis zum
17. 9. 2002, 18 Uhr, gesetzt. Die angekündigten Abänderungen der Auflagen sind sodann
unverändert in die Ministererlaubnis II übernommen worden.
bb) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners und der Beteiligten zu 1. stellt es einen
nicht vernachlässigbaren Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (§
56 Abs. 1 GWB) dar, daß der Beschwerdegegner die vorstehend unter b) aa)
wiedergegebenen Schreiben und Erklärungen den anderen Verfahrensbeteiligten, darunter
den Beschwerdeführerinnen, nicht vor Erlaß der Ministererlaubnis II mit (ausreichender)
Gelegenheit zur Stellungnahme zugänglich gemacht hat.
(1.) Das Vorbringen des Beschwerdegegners im Schriftsatz vom 25. 10. 2002 (S. 44),
nachgereichte Schreiben nach der mündlichen Verhandlung seien nicht Grundlage seiner
Änderungsverfügung gewesen (sondern nur die Erörterungen in der mündlichen
Verhandlung vom 5. 9. 2002), wird durch die Schreiben des BMWi vom 9. und 16. 9. 2002
und durch die Ministererlaubnis II selbst widerlegt. Welche Änderungen am
Auflagenregime der Beschwerdegegner selbst auf Grund der mündlichen Verhandlung
vom 5. 9. 2002 für erforderlich hielt, um eine Ausgewogenheit zwischen den aus der Fusion
E./R. resultierenden Wettbewerbsbeschränkungen einerseits und den von ihm
prognostizierten künftigen gesamtwirtschaftlichen Vorteilen andererseits herzustellen, hat
er im Schreiben vom 9. 9. 2002 an die Verfahrensbeteiligten dargelegt. Es spricht alles
dafür (und ist nach Ansicht des Senats unwiderlegbar), daß das Auflagenregime gemäß
den Ankündigungen im Schreiben vom 9. 9. 2002 geändert worden wäre, wenn keine
Stellungnahmen eingegangen wären. Ausdrücklich heißt es denn auch im Schreiben des
BMWi vom 16. 9. 2002, "nach Auswertung der Stellungnahmen" beabsichtige
Staatssekretär Dr. T. "nunmehr" die nachfolgend angekündigte Änderung der
Ministererlaubnis I. Deutlicher kann man nicht ausdrücken, daß zumindest einige
Stellungnahmen den Entscheidungswillen des Staatssekretärs Dr. T. und den Inhalt der
kurz bevorstehenden Entscheidung beeinflußt haben. Dabei stehen die oben b) aa)
aufgeführten Schreiben und Erklärungen im Vordergrund. Auf sie wird in der
Ministererlaubnis II (Tz. 77: S. 45, 1. Abs.) ausdrücklich Bezug genommen. Es heißt dort:
"Weiterhin war zu berücksichtigen, dass im Rahmen des rechtlichen Gehörs mit W. und
Z. zwei Wettbewerber der R. dezidiert gegen die Gas-Release-Auflage in der mit Schreiben
des BMWi vom 9. September 2002 mitgeteilten Ausgestaltung (Umfang und Mindestpreis)
Stellung genommen haben. . . . Da nach Auffassung des BMWi diesen [von W. und Z. als
gefährdet geltend gemachten] langfristigen Importverträgen auch in einem liberalisierten
Gasmarkt eine herausragende Rolle für die Versorgungssicherheit zukommen wird (vgl. Tz.
119 der Ministererlaubnis I ), wurde dem Petitum der Beigeladenen, das sich insoweit mit
dem der Antragsteller deckte, durch eine Streckung des Programms von vier auf sechs
Auktionen Rechnung getragen." (Unterstreichungen hinzugefügt)
Damit hat der Beschwerdegegner die Gas-Release-Auflage dem Umfang nach zwar nicht
den Vorstellungen der Beteiligten zu 1., 18. und 30. angepaßt, sie aber doch hinsichtlich
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76
der jeweiligen Jahresmengen (bei einer zeitlichen Streckung des Programms) nicht
unerheblich abgemildert, was innerhalb der ersten vier Jahre des Programms zu einer
Abschwächung des mit dem Gas Release bezweckten Effekts, der Erhöhung der Liquidität
am deutschen Gasmarkt und der Stimulierung des Wettbewerbs, führen wird. Festzuhalten
bleibt, daß die Erklärungen und Schreiben der Beteiligten zu 1. (im zitierten Abschnitt der
Tz. 77 als "Antragsteller" bezeichnet) sowie der Beteiligten zu 18. und 30. in diesem Punkt
die Ministererlaubnis II unmittelbar beeinflußt haben; ihre Erklärungen und Schreiben
waren somit entscheidungserheblich. Das gilt im übrigen auch bezüglich des für die
Auktionen festgelegten Mindestpreises. Unter der Tz. 78 (S. 46) heißt es in der
Ministererlaubnis II zu der Bemessung des Abschlags von nur noch 5 % auf den vom BAFA
ermittelten durchschnittlichen Grenzübergangswert:
"Der in der Mitteilung vom 9. September 2002 vorgestellte Abschlag von 15 % erscheint
aufgrund der Reaktionen von Marktteilnehmern und nach einer genaueren Analyse der
Daten des BAFA als zu hoch."
Mit Blick auf den oben b) aa) wiedergegebenen Inhalt der Schreiben der Beteiligten zu 1.,
18. und 30. läßt sich nicht bezweifeln, daß diese Schreiben zu den vorstehend in Bezug
genommenen "Reaktionen von Marktteilnehmern" gehören. Damit haben die Schreiben die
Entscheidung des Beschwerdegegners unmittelbar (mit-)beein-flußt, wobei er sich der
Erklärung der Beteiligten zu 1., sie halte maximal einen Abschlag von 3 % auf den
durchschnittlichen Grenzübergangspreis für gerechtfertigt, sehr angenähert hat.
Obwohl bei der Ausgestaltung des Sonderkündigungsrechts zugunsten der von den
vertikalen Veräußerungsauflagen betroffenen Unternehmen (Ziff. 1.2.1.2. Buchst. d) des
Verfügungstenors) in der Begründung der Ministererlaubnis II nicht ausdrücklich auf
bestimmte Äußerungen von Verfahrensbeteiligten, insbesondere der Beteiligten zu 1.,
Bezug genommen worden ist, kann ernstlich nicht bezweifelt werden, daß auch hier das
Vorbringen (jedenfalls) der Beteiligten zu 1., und zwar zumindest ihr Schriftsatz vom 11. 9.
2002 (siehe oben 2. b) aa) ), die Entscheidung des Beschwerdegegners vom 18. 9. 2002
(mit-)beeinflußt hat. Das ergibt sich aus folgendem:
Die Veräußerungsauflagen, an die die Sonderkündigungsrechte anknüpfen, dienen der
Relativierung der mit der Fusion E./R. verbundenen Wettbewerbsbeschränkungen auf der
Ferngasstufe sowie auf den regionalen Märkten für die Belieferung von lokalen
Gasweiterverteilern und von endverbrauchenden Gasgroßkunden (vgl. Ministererlaubnis II,
Tz. 68). Mit der Einführung von Sonderkündigungsrechten für die von den Beteiligten zu 1.
und 4. zu entflechtenden Unternehmen bezweckt der Beschwerdegegner, die
wettbewerblichen Wirkungen der Veräußerungsauflagen zu verstärken (vgl.
Ministererlaubnis II, Tz. 68 u. 71). Der strategische Erwerber der Beteiligungen [Anm.: damit
zugleich ein künftiger Wettbewerber der Beteiligten zu 1. und 4.] erhalte dadurch – wie der
Beschwerdegegner argumentiert – zusätzliche Verhaltensspielräume, die er
wettbewerblich nutzen könne, um neue Bezugsmöglichkeiten zu erschließen. Diese
wettbewerblichen Verhaltensspielräume des (potentiellen) Wettbewerbers werden nun
aber während der Anfangs- und Anschubphase nicht unerheblich beschnitten: In Bezug auf
die Gasbezugsverträge seien die Sonderkündigungsrechte – auch im Hinblick auf die
kumulierte Wirkung der (nur andere Unternehmen begünstigenden)
Sonderkündigungsrechte nach der Auflage 1.2.3.2. - zeitlich gestaffelt worden. Denn R. sei
ihrerseits an langfristige Importverträge mit Take-or-pay-Klauseln gebunden, deren
Erfüllbarkeit im Interesse der deutschen Versorgungssicherheit aus Sicht des BMWi nicht
gefährdet werden solle. Durch die zeitliche Staffelung bleibe das Risiko von
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Absatzverlusten insoweit beherrschbar (Ministererlaubnis II, Tz. 71).
Mit dieser Begründung werden genau die Argumente der Beteiligten zu 1. aus ihrem
Schriftsatz vom 11. 9. 2002 aufgegriffen und für eine Abschwächung des an sich
angestrebten Effekts der Verstärkung der wettbewerblichen Wirkungen der auferlegten
Veräußerungen verwandt. Die Beteiligte zu 1. hatte gerade auch den Kumulierungseffekt
der beiden (unterschiedlich ausgestalteten und jeweils verschiedene Gruppen von
Unternehmen betreffenden) Sonderkündigungsrechte gemäß Ziff. 1.2.1.2. Buchst. d) und
gemäß Ziff. 1.2.3.2. des angekündigten neuen Verfügungstenors gerügt (S. 6 ihres
Schriftsatzes vom 11. 9. 2002). Vor allem hatte sie – isoliert – das Sonderkündigungsrecht
für vertikal zu entflechtende Unternehmen gemäß der am 9. 9. 2002 angekündigten neuen
Auflage in Ziff. 1.2.1.2. Buchst. d) des Tenors beanstandet: Dieses Sonderkündigungsrecht
betreffe sehr erhebliche Mengen des Gasabsatzes der R. (zusammen rund 75 Mrd. kWh/a).
Es bestehe durchaus das Risiko, daß R. auf Grund der neuen Auflage diese gesamte
Absatzmenge – insbesondere an große ausländische Anbieter – verliere. Das werde zur
Folge haben, daß R. bei ihren [wie schon an anderer Stelle dargestellt und als bekannt
vorausgesetzt: langfristigen] Importverträgen in den Minimum Pay-Bereich gerate, also für
mehr Erdgasmengen zahlen müsse, als sie noch abnehmen könne, was auf eine
schwerwiegende wirtschaftliche Schwächung hinauslaufe. Zur Erläuterung dieser
Beanstandung hatte die Beteiligte zu 1. noch Zahlenmaterial vorgetragen: zum relevanten
Absatz der R. AG in Deutschland, zum derzeitigen Ausmaß ihres Minimum Pay-Bereichs
und zu ihrer dementsprechenden Flexibilität (S. 3 f. ihres Schriftsatzes vom 11. 9. 2002).
Dieser Beanstandung und dem damit verbundenen Begehren der Beteiligten zu 1., das
Sonderkündigungsrecht nicht aufzuerlegen (ausgedrückt durch die Worte, es werde nicht
akzeptiert), hat der Beschwerdegegner durch die Abmilderung der Auflage der Ziff. 1.2.1.2.
Buchst. d) teilweise Rechnung tragen wollen, wie die Begründung der Ministererlaubnis II
in Tz. 71 unmißverständlich zeigt, und hat ihr im Effekt durch ein zeitliches Hinausschieben
des Beginns der ersten Kündigungsmöglichkeit (zum 1. 7. 2004) und zugleich durch eine
zeitliche Streckung (Staffelung) der Kündigungsmöglichkeiten auch tatsächlich teilweise
Rechnung getragen. Dabei ist in zeitlicher Hinsicht ergänzend noch darauf hinzuweisen,
daß der erstmögliche Kündigungstermin zeitlich deutlich versetzt ist zum auferlegten
Beginn des Gas Release-Programms (die Lieferungen aus der ersten auktionierten
Tranche sollen vorher, am 1. 10. 2003, beginnen). Die vorstehenden Ausführungen zeigen,
daß auch zur Regelung des Sonderkündigungsrechts (Auflage Ziff. 1.2.1.2. Buchst. d)) kein
vernünftiger Zweifel daran bestehen kann, daß das nachträgliche Vorbringen der
Beteiligten zu 1. die Entscheidung des Beschwerdegegners in der Ministererlaubnis II
unmittelbar (mit-)beeinflußt hat.
(2.) Aus der vorstehend (unter (1.)) dargestellten Relevanz der Schreiben und Erklärungen
der Beteiligten zu 1., 18. und 30. (alle) vom 11. 9. 2002 für die Entscheidung des
Beschwerdegegners ergibt sich dann aber weiter, daß der Beschwerdegegner den übrigen
Verfahrensbeteiligten, darunter den Beschwerdeführerinnen, zuvor zum Inhalt jener
Schreiben und Erklärungen rechtliches Gehör hätte gewähren müssen. Denn die
Kartellbehörde darf ihrer Entscheidung gemäß § 56 Abs. 1 GWB nur diejenigen Tatsachen
und bedeutsamen Erklärungen von Beteiligten zugrunde legen, zu denen sich alle
Beteiligten äußern konnten. Auch nach durchgeführter mündlicher Verhandlung müssen
bei neuem Vorbringen von Beteiligten, das aus der Sicht der Kartellbehörde für ihre
Entscheidung erheblich sein kann, hierzu die anderen Beteiligten vor der Entscheidung
noch einmal angehört werden (vgl. Bracher in: Frankfurter Kommentar, § 56 GWB, Rdnr. 1,
5, 6, 8, 15, 20, 34 [wonach sogar die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß
§ 56 Abs. 3 GWB geboten sein kann, erst recht dann aber schlechthin rechtliches Gehör
79
80
gewährt werden muß]; Schultz in: Langen/Bunte, Kommentar zum deutschen und
europäischen Kartellrecht, 9. Aufl., § 56 GWB, Rdnr. 1; Schmidt in: Immenga/Mestmäcker,
GWB, 3. Aufl., § 56, Rdnr. 1, 4; Werner in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 53,
Rdnr. 69; vgl. auch KG WuW/E OLG 2140 f. – "Einbauküchen"; Senat, WuW/E OLG 1820,
1821).
Der Beschwerdegegner meint demgegenüber, er habe durch die den Verfahrensbeteiligten
mit seinen Schreiben vom 9. und 16. 9. 2002 gegebene Möglichkeit, zu den beabsichtigten
Änderungen Stellung zu nehmen, die Anforderungen, die an die Gewährung rechtlichen
Gehörs zu stellen seien, erfüllt (Schriftsatz vom 12./25. 11. 2002, S. 8; im Ergebnis ebenso
die Beteiligte zu 1., Schriftsätze vom 28. 10. 2002, S. 33, und vom 6. 11. 2002, S. 6, sowie
die Beteiligten zu 2. und 3., Schriftsatz vom 28. 10. 2002, S. 18 f.). Das ist deshalb
unzutreffend, weil der Beschwerdegegner in seinem Schreiben vom 16. 9. 2002 nur das
von ihm selbst gewonnene Ergebnis seiner Auswertung der eingegangenen
Stellungnahmen den Verfahrensbeteiligten mitgeteilt hat, nicht aber diese Stellungnahmen
einschließlich des in ihnen enthaltenen Sachvortrags selbst, die/den die anderen
Verfahrensbeteiligten aber kennen müssen, um überprüfen zu können, ob das
Auswertungsergebnis auf sachlich zutreffenden und vollständigen tatsächlichen
Grundlagen beruht, ob das Ergebnis selbst richtig ist oder ob Anlaß zu Gegenvortrag
besteht. Selbst wenn man der Ansicht sein sollte, daß die Kartellbehörde nicht unbedingt
den vollen Wortlaut eingereichter Schriftsätze den anderen Beteiligten bekannt geben muß
und, "wenn sie nur . . . die Ergebnisse im Verfahren erläutert, keinen Einblick in sämtliche
Stellungnahmen und sämtliche Daten gewähren muß, die sie von anderen Marktbeteiligten
eingeholt hat" (Schmidt, a.a.O., § 56, Rdnr. 5; mit Recht zweifelnd: Werner, a.a.O., § 53,
Rdnr. 69), so darf eine "Zusammenfassung des Streitstoffs" jedoch nicht "auf Kosten der
Genauigkeit und des sachlichen Informationsbedürfnisses der Verfahrensbeteiligten
gehen" (Schmidt, a.a.O.). Auch dieser großzügigen Anschauung davon, wie
rechtsstaatlichen Anforderungen (vgl. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 1) entsprechend die
Gewährung rechtlichen Gehörs praktiziert werden muß, genügt das Verhalten des
Beschwerdegegners nach dem 9. 9. 2002 einschließlich seines Schreibens vom 16. 9.
2002 nicht. Denn in diesem Schreiben wird weder etwas erläutert noch auch nur
andeutungsweise eine Zusammenfassung des Inhalts der eingegangenen Stellungnahmen
einschließlich weiteren Sachvortrags von Beteiligten gegeben. Zur Rechtfertigung dessen
macht der Beschwerdegegner geltend, die Stellungnahmen der Beteiligten zu 18. und 30.
(Z. und W.) hätten keine entscheidungserheblichen neuen Tatsachen, bedeutsamen
Erklärungen oder Beweisergebnisse enthalten (ebenso die Beteiligte zu 1., a.a.O.). Das
Gegenteil ergibt sich aus der Darstellung oben 2. b) aa) und bb) (1.), auf das – um
Wiederholungen zu vermeiden – Bezug genommen wird. Der jetzt vertretene Standpunkt
des Beschwerdegegners, die Stellungnahmen von Z. und W. (vom 11. 9. 2002) hätten
keinen entscheidungserheblichen neuen Sachvortrag und keine bedeutsamen Erklärungen
enthalten, steht in einem unheilbaren Widerspruch zum Inhalt der Ministererlaubnis II,
wonach "dem Petitum d(ies)er Beigeladenen, das sich insoweit mit dem der Antragsteller
[mithin insbesondere der Beteiligten zu 1.] deckte, . . . [durch eine Streckung des Gas
Release-Programms] Rechnung getragen" wurde.
Der Beschwerdegegner will das Unterlassen der Gewährung rechtlichen Gehörs
anscheinend auch damit rechtfertigen, die durch sein Schreiben vom 9. 9. 2002
eingeräumte Möglichkeit zur Stellungnahme habe auch die Funktion der bei vielen
Wettbewerbsbehörden (u.a. der EU-Kommission) üblichen "Markttests" haben und ein Bild
darüber ergeben sollen, welche Wirkung die Wettbewerber der Auflage (insbesondere
betreffend den Mindestpreis bei den Gasauktionen) beimäßen (Schriftsatz vom 12./25. 11.
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2002, S. 7). Dieser Rechtfertigungsversuch ist aus mehreren Gründen ungeeignet: Zum
einen ging der Zweck eines Markttests aus dem Schreiben vom 9. 9. 2002 nicht hervor, das
vielmehr als Zweck ausdrücklich nur "rechtliches Gehör zu beabsichtigten Änderungen der
Verfügung vom 5. Juli 2002" nannte. Der Beschwerdegegner behauptet auch nicht, daß er
in den angeblichen Markttest weitere nicht zu den Verfahrensbeteiligten zählende
Wettbewerber der R. AG einbezogen habe. Zum anderen ist die Ansicht des
Beschwerdegegners abzulehnen, daß die den Markttest bildenden Stellungnahmen den
Verfahrensbeteiligten nicht gemäß § 56 Abs. 1 GWB zugänglich gemacht werden müssen
(zumindest in Form einer an Genauigkeit nichts zu wünschen übrig lassenden
Zusammenfassung der Markttest-Stellungnahmen, vgl. Schmidt, a.a.O., Rdnr. 5; vgl. im
übrigen KG WuW/E 2140, wonach die Kartellbehörde den Beteiligten zwecks Gewährung
rechtlichen Gehörs Zugang zu den Verfahrensunterlagen gewähren muß), und daß
Markttests noch nach der obligatorischen mündlichen Verhandlung, "auf Grund" deren die
Kartellbehörde (hier der Beschwerdegegner) zu entscheiden hat (§ 56 Abs. 3 GWB),
durchgeführt werden dürfen.
Aus dem eigenen Vortrag des Beschwerdegegners in seinem Schriftsatz vom 12./25. 11.
2002 ergibt sich der Sache nach sogar ganz deutlich, daß neues Vorbringen von
Beteiligten nach dem 9. 9. 2002 ihn zu einer anderen Entscheidungsfindung in einem
wichtigen Punkt geführt hat: Auf Grund der in der mündlichen Verhandlung vom 5. 9. 2002
geäußerten Kritik am Auflagenregime habe er sich insbesondere zum Gas Release-
Programm zu einer Änderung entschlossen, nämlich E. in größerem Umfang zu
verpflichten, über R. kontrahierte Mengen mit einem Auktionsverfahren am Markt
anzubieten. Besonders schwierig sei die Festlegung des Mindestpreises für die Auktionen
gewesen. Der Preis habe möglichst niedrig sein sollen, damit vom Gas Release-Programm
Impulse für den Wettbewerb ausgingen. Er habe aber auch keine Gefährdung des Systems
der langfristigen Lieferverträge mit sich bringen und nicht unter den Gestehungskosten der
R. liegen sollen. Der durchschnittliche Grenzübergangspreis des BAFA, auf den in der
Ministererlaubnis I abgestellt worden sei, liege oberhalb der Gestehungskosten der R.,
ohne daß für die Differenz eine feste Größenordnung habe ermittelt werden können (das
wird auf S. 6 des Schriftsatzes vom 12./25. 11. 2002 näher ausgeführt). Der nach der
mündlichen Verhandlung vom 5. 9. 2002 zunächst vorgesehene Mindestpreis von 85 %
des durchschnittlichen Grenzübergangspreises des BAFA habe mit dem geschätzten
Abschlag von 15 % dem Umstand Rechnung tragen sollen, daß in den Durchschnittspreis
auch die höheren Grenzübergangspreise für strukturierte Lieferungen einflössen. Die
Schätzung habe darauf beruht, daß verläßliche Zahlen nicht verfügbar gewesen seien.
Jedenfalls sei der Abschlag nach der Einschätzung des BMWi großzügig bemessen
gewesen. Aus den verschiedenen Stellungnahmen habe sich insbesondere zur Frage des
Mindestpreises kein klares Votum ergeben. E., ähnlich auch Z. sowie W., habe den
Mindestpreis für "deutlich zu niedrig" erklärt. Die Beigeladene T. und in gleicher Weise
auch andere Beigeladene hätten sich dahin geäußert, mangels genauer Daten zur
"Beschaffungsstruktur" der R. keine Bewertung der Preisformel abgeben zu können. Der
"Markttest" habe daher zu dem Ergebnis geführt, daß es eine optimale Preisformel, die
allen berechtigten Interessen der beteiligten Unternehmen und der übrigen Marktteilnehmer
Rechnung tragen würde, nicht würde geben können. Das BMWi habe daraufhin unter dem
Eindruck der Stellungnahmen und unter Abwägung aller Umstände eine neue Formel
entwickelt, die eine Anpassungsklausel enthalte und nicht mehr ausschließlich auf den
veröffentlichten BAFA-Grenzübergangspreis abstelle (Schriftsatz vom 12./25. 11. 2002, S.
6 f., Hervorhebungen durch Kursivdruck hinzugefügt). Deutlicher als durch diesen
schriftsätzlichen Vortrag kann man es kaum darstellen, daß Stellungnahmen von
Beteiligten wesentlich mitursächlich dafür waren, daß eine Schätzung eines als
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angemessen erachteten Auktions-Mindestpreises, die auf Grund der bis zum Schluß der
mündlichen Verhandlung vom 5. 9. 2002 gewonnenen Erkenntnisse vorgenommen worden
war (85 % des jeweils vom BAFA veröffentlichten durchschnittlichen
Grenzübergangspreises), in eine erheblich höhere Festlegung auf (grundsätzlich) 95 % des
"BAFA-Grenzübergangspreises" (mit der Möglichkeit einer Anpassungskorrektur auf
ebenfalls 95 % eines anderen Referenzbetrags des durchschnittlichen
Grenzübergangspreises) umgewandelt worden ist (siehe auch oben 2. b) bb) (1.) ). Dann
aber mußte der Beschwerdegegner den Verfahrensbeteiligten, darunter den
Beschwerdeführerinnen, zu den Stellungnahmen, die für die Anhebung des für die
Erreichung des Zwecks der Gas Release-Auflage besonders wichtigen Auktions-
Mindestpreises mitursächlich waren, rechtliches Gehör gewähren.
Bei diesem Befund ist auch das abschließende Argument, das der Beschwerdegegner
gegen die auf Verletzung des rechtlichen Gehörs gestützte Rüge vorbringt, nicht stichhaltig.
Er meint, (insbesondere) die Beschwerdeführerin zu 6. überdehne die Anforderungen an
das rechtliche Gehör und die öffentliche mündliche Verhandlung so sehr, daß es die
Verfahrensbeteiligten in der Hand hätten, das Verfahren ad infinitum zu verlängern. Wenn
nicht nur bedeutsame Erklärungen, sondern jede Meinungsäußerung allen anderen
Verfahrensbeteiligten erneut mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übersandt werden
müßte, könnte das Verfahren nie abgeschlossen werden (Schriftsatz vom 12./25. 11. 2002,
S. 11). Damit trifft der Beschwerdegegner indessen nicht den Kern des Problems dieses
Falls: Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, war es durchaus neuer Sachvortrag von
(zumindest) drei Verfahrensbeteiligten (zu 1., zu 18. und zu 30.), der die Entscheidung - die
Ministererlaubnis II – unmittelbar (mit-)beeinflußt hat. Wenn der Beschwerdegegner nach
der mündlichen Verhandlung weitere Stellungnahmen (wie hier mit Schreiben vom 9. 9.
2002) erbittet, damit neuen Sachvortrag ermöglicht und diesen bei der
Entscheidungsfindung - wie hier – verwertet (hier sogar ergebnisrelevant berücksichtigt), so
muß er zuvor den anderen Verfahrensbeteiligten auch rechtliches Gehör gewähren. Die
Gefahr, daß sich das Verfahren infolge der Gewährung rechtlichen Gehörs endlos
verlängern wird, kann der Beschwerdegegner durch sachgerechte Verfahrensführung, u.a.
durch optimale Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, vermeiden.
cc) Die Rechtsfolge des vorstehend dargestellten Verstoßes (jedenfalls) gegen § 56 Abs. 1
GWB besteht darin, daß allein deshalb schon die Änderungsverfügung (Ministererlaubnis
II) rechtswidrig ist (vgl. KG WuW/E OLG 2140, 2141 – "Einbauküchen"; Senat, WuW/E OLG
1820, 1821; Bracher, a.a.O., § 56 GWB, Rdnr. 21; Schultz, a.a.O., § 56 GWB, Rdnr. 8;
Schmidt, a.a.O., § 56, Rdnr. 9; Werner, a.a.O., § 53, Rdnr. 71), unabhängig davon, daß die
Änderungsverfügung auch deshalb rechtswidrig ist, weil es ihr an der (notwendigen)
Zulässigkeitsvoraussetzung gemäß § 45 VwVfG fehlt (vgl. oben 2. a) cc), 1. Abs.). Die
Rechtswidrigkeit auf Grund des Verstoßes gegen § 56 Abs. 1 GWB erfaßt – wie vorsorglich
hervorgehoben sei – auch die gesamte Änderungsverfügung. Für die Annahme einer
bloßen Teilrechtswidrigkeit (nämlich nur derjenigen Auflagen, deren Ausgestaltung durch
den Verfahrensfehler unmittelbar betroffen ist) gibt es keine Rechtsgrundlage; sie verbietet
sich auch deshalb, weil die betreffenden Auflagen (Gas Release,
Sonderkündigungsrechte) wesentliche, nicht abtrennbare Bestandteile des
Auflagenregimes sind, das wiederum zu den notwendigen Grundlagen der Erteilung der
Ministererlaubnis überhaupt gehört.
Als weitere Rechtsfolge dessen, daß die Änderungsverfügung bereits bei isolierter
Beurteilung wegen Verstoßes gegen des Gebot rechtlichen Gehörs rechtswidrig ist, ist
(nochmals) festzuhalten, daß allein deshalb eine Heilung der Ministererlaubnis I gemäß §
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45 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 VwVfG nicht eingetreten ist (selbst wenn diese Vorschriften im
Ministererlaubnisverfahren anwendbar wären). Denn eine Heilung des einer Erstverfügung
anhaftenden Verstoßes gegen die Verpflichtung der Behörde zur Anhörung (im weiteren
Sinne, hier im Sinne der Abs. 1 und 3 des § 56 GWB) setzt voraus, daß die Anhörung
formell ordnungsgemäß, also ihrerseits verfahrensfehlerfrei nachgeholt wird (vgl.
Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 45, Rdnr. 26; Obermayer/Schäfer, a.a.O., § 45, Rdnr. 37 u. 38;
Knack/Klappstein, a.a.O., § 45, Rdnr. 3.3.1), was hier bezogen auf das vom
Beschwerdegegner unternommene, als Einheit bis hin zur Änderungsverfügung
anzusehende Heilungsverfahren – wie ausgeführt worden ist – nicht der Fall ist. Aus
diesem Grunde bedarf es hinsichtlich der Änderungsverfügung keiner weiteren Prüfung
gemäß § 46 VwVfG. Denn auch dann, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
46 VwVfG – isoliert betrachtet – erfüllt sind, ist damit im Anwendungsbereich des § 46
VwVfG nur der Anspruch auf Aufhebung des fehlerhaften Verwaltungsakts
ausgeschlossen; die durch den Verfahrensrechtsverstoß verursachte Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsakts bleibt hiervon unberührt (Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 46, Rdnr. 41;
Knack/Klappstein, a.a.O., § 46, Rdnr. 6, m.w.N.). Demzufolge fehlt der (wegen
Verfahrensfehlers rechtswidrigen) Änderungsverfügung auf jeden Fall die Eignung, die
Verfahrensfehler der Ministererlaubnis I heilen zu können. Im übrigen hat der Senat – auch
im Hinblick auf den Vortrag der Beschwerdeführerinnen zu 1. (Schriftsatz vom 1. 10. 2002,
S. 58 u. 59) und zu 6. (Schriftsatz vom 10. 10. 2002, S. 42 – 44) dazu, welchen
Gegenvortrag sie bei Gewährung rechtlichen Gehörs den oben behandelten Schreiben der
Beteiligten zu 1., 18. und 30. (alle) vom 11. 9. 2002 entgegengesetzt hätten – keinen
Zweifel daran, daß die strengen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 46 VwVfG (vgl.
Senatsbeschluß vom 25. 7. 2002 in dieser Sache, auf dessen Ausführungen im
Abschnitt III. 1. c) der Gründe [WuW/E DE-R 926, 941] Bezug genommen wird) hier nicht
erfüllt sind. Zu diesem Punkt sind weitere Ausführungen im vorliegenden Beschluß nicht
veranlaßt, weil sich kein Beteiligter mit substantiiertem Vortrag zur Ministererlaubnis II auf §
46 VwVfG beruft.
dd) In Anbetracht dieser Rechtslage zur Ministererlaubnis II kommt es auf die Rüge der
Beschwerdeführerin zu 6., der Beschwerdegegner habe nach der mündlichen Verhandlung
vom 5. 9. 2002 durch Geheimgespräche mit den Beteiligten zu 1. und 4. die Vorschrift des §
56 Abs. 3 GWB mißachtet (Schriftsatz vom 25. 10. 2002, S. 10 – 12), in dem Sinne nicht
mehr entscheidend an, daß es notwendig ist aufzuklären, was genau bei dem Gespräch
(das unstreitig – entweder am 11. 9. oder am 13. 9. 2002 – stattgefunden hat) verhandelt,
erörtert und/oder (insbesondere von den Beteiligten zu 1. und 4.) erklärt worden ist. Da aber
die Rüge erhoben worden ist und sich der Beschwerdegegner sowie die Beteiligte zu 1.
dagegen verteidigen, erscheint es notwendig, folgendes festzuhalten:
Der Beschwerdegegner hat durch sein Verhalten zumindest den bösen Schein einer
inkorrekten Verfahrensdurchführung gesetzt und dadurch die (im Rechtssinne [§ 65 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 3 GWB]) erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
Heilungsverfahrens eher noch verstärkt. Dabei ist es unerheblich, daß Staatssekretär Dr. T.
selbst an dem Gespräch vom 11./13. 9. 2002 nicht teilgenommen hat; denn der
Beschwerdegegner muß sich das Verhalten seiner Beamten, die das Gespräch geführt
haben, zurechnen lassen, zumal da in anderem Zusammenhang (z.B. in Bezug auf die
erste mündliche Verhandlung vom 29. 5. 2002) immer wieder betont worden ist, daß
Staatssekretär Dr. T. von den Beamten des BMWi fortlaufend über alle
Verfahrensangelegenheiten informiert werde. Das Rechtfertigungsargument des
Beschwerdegegners, das BMWi habe sich dem Wunsch von E., ihre schriftliche
Stellungnahme vom 11. 9. 2002 mündlich erläutern zu dürfen, nicht verschließen können,
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weil E. durch die Neuformulierung der Auflagen in erster Linie betroffen gewesen sei
(Schriftsatz vom 12./25. 11. 2002), ist bei objektiver Betrachtungsweise unverständlich. Die
schriftliche Stellungnahme der Beteiligten zu 1. vom 11. 9. 2002 war in Anbetracht des
hohen Sachverstands der Beteiligten zu 1. und ihres Verfahrensbevollmächtigten einerseits
und der Beamten des Beschwerdegegners andererseits in jeder Hinsicht klar abgefaßt;
einer "Erläuterung" im eigentlichen Sinne bedurfte sie nicht. Gemäß § 56 Abs. 1 GWB
besteht für die Beteiligten, auch für die Hauptbeteiligten eines Zusammenschlußvorhabens,
kein Anspruch auf mündliche Erörterung ihrer Argumentation (vgl. Werner, a.a.O., § 53,
Rdnr. 70), schon gar nicht nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung (§ 56 Abs.
3 GWB), zumal dann, wenn sich die Beteiligten hinsichtlich etwaiger noch offener Punkte
schriftlich äußern und damit verständlich machen können (ob die Kartellbehörde danach
die mündliche Verhandlung wiedereröffnen muß, ist dann eine andere Frage). Es entzieht
sich der Kenntnis des Senats, ob die Beteiligten zu 1. und 4. beabsichtigten, bei dem
Gespräch am 11./13. 9. 2002 ihren Sachvortrag des Schriftsatzes vom 11. 9. 2002 zu
ergänzen oder mit sonstigen Erklärungen (z.B. mit Kompromißvorschlägen zur
Ausgestaltung der Auflagen, ähnlich dem Verfahren vor der Ministererlaubnis I) auf die
bevorstehende Änderungsverfügung Einfluß zu nehmen, und ob sie eine solche Absicht in
die Tat umgesetzt haben. Zumindest in diese Richtung weist der (pauschal resümierende)
Vortrag der Beteiligten zu 1., bei dem Gespräch am 13. 9. 2002 sei es den Beteiligten [zu 1.
und 4.] darum gegangen, dem BMWi ihre "Haltung" zu dem Auflagenkonzept vom 9. 9.
2002 "im Anschluß an ihre schriftliche Stellungnahme" mündlich zu erläutern; es habe sich
schlicht um die Gewährung rechtlichen Gehörs durch das BMWi gehandelt (Schriftsatz vom
6. 11. 2002, S. 7). Da der Beschwerdegegner der Beteiligten zu 1. durch die
Entgegennahme und Kenntnisnahme vom Schriftsatz vom 11. 9. 2002 schon rechtliches
Gehör gewährte, spricht der soeben zitierte Vortrag der Beteiligten zu 1. dafür, daß sich
beim Gespräch am 11./13. 9. 2002 mehr als die bloße Darlegung des schriftsätzlich schon
Fixierten ereignet hat. Daß die Vertreter von E. und R. bei dem mündlichen Gespräch, für
das sie eigens nach Berlin zum BMWi gereist sind, nur "den Inhalt der schriftlichen
Stellungnahme [vom 11. 9. 2002] nochmals mündlich vorgetragen haben" (so der
Beschwerdegegner im Schriftsatz vom 12./25. 11. 2002, S. 10), wofür nicht die geringste
Notwendigkeit bestand, erscheint dem Außenstehenden zumindest nicht plausibel. Die
anderweitigen Mutmaßungen der Beschwerdeführerin zu 6. (Schriftsatz vom 25. 10. 2002,
S. 11, letzter Abs.) sind ihr jedenfalls nicht zu verdenken. Den Vorwurf, zumindest einen
bösen Schein dafür gesetzt zu haben, daß er nach der öffentlichen mündlichen
Verhandlung vom 5. 9. 2002 noch seine Entscheidung beeinflussende
Sonderverhandlungen mit zwei Beteiligten geführt habe, obwohl er seine Entscheidung
gemäß § 56 Abs. 3 GWB nur "auf Grund" der öffentlichen mündlichen Verhandlung treffen
durfte, muß sich der Beschwerdegegner zumindest deshalb machen lassen, weil er schon
die Minimalvoraussetzung für ein solches Sondergespräch mit zwei der zahlreichen
Beteiligten nicht erfüllt hat, nämlich einen den wesentlichen Inhalt dokumentierenden
Aktenvermerk hierüber anzufertigen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 28, Rdnr. 41, m.w.N.),
diesen zur Verfahrensakte zu nehmen und in Abschrift den anderen Verfahrensbeteiligten
zu übermitteln, es sei denn, daß dessen Inhalt für die Entscheidung ohne Belang gewesen
wäre.
ee) Festzuhalten bleibt, daß die Änderungsverfügung (Ministererlaubnis II) auch isoliert
beurteilt auf Grund erneuter Verletzung des Verfahrensgrundrechts der
Beschwerdeführerinnen auf rechtliches Gehör aus den vorstehend unter b) aa) bis cc)
dargestellten Gründen rechtswidrig ist. Das reicht – ebenfalls – für sich allein schon aus,
um die Zurückweisung der Anträge auf Aufhebung der bisher erlassenen einstweiligen
Anordnungen (abgesehen von dem Sonderfall der Beschwerdeführerin zu 7.) zu
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rechtfertigen.
3. Unabhängig von den vorstehend unter 2. (sowie im Senatsbeschluß vom 25. 7. 2002)
behandelten verfahrensrechtlichen Gründen, die gegen die Rechtmäßigkeit der
Ministererlaubnis (I und II) sprechen, hat der Senat auch aus materiellrechtlichen Gründen
ernstliche Zweifel (im Sinne des § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 3 GWB) an der
Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis. Daher könnte, selbst wenn die verfahrensrechtlichen
Einwände durch das vom Beschwerdegegner unternommene Heilungsverfahren
ausgeräumt worden wären, den Aufhebungsanträgen nicht stattgegeben werden. Denn die
Prüfung und Beurteilung der Aufhebungsanträge ist nicht auf diejenigen Verfahrensfehler
beschränkt, die der Senat in seinen bisherigen Beschlüssen ausdrücklich beanstandet und
als Grund für den Erlaß der einstweiligen Anordnungen bezeichnet hat. Vielmehr dürfte den
Aufhebungsanträgen nur dann stattgegeben werden, wenn aus dem sehr komplexen
Streitstoff keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis (I und II)
mehr resultierten. Das ist indessen nicht der Fall. In materiellrechtlicher Hinsicht hat der
Senat ebenfalls ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis, und zwar
zumindest wegen erheblicher Bedenken (im Sinne des § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m.
Satz 3 GWB) an der Rechtmäßigkeit zweier Auflagen, weil diese gegen die §§ 42 Abs. 2
Satz 2, 40 Abs. 3 Satz 2 GWB verstoßen.
a) Nach der Begründung der Entscheidung und der dieser Entscheidung zugrunde
liegenden Abwägung des Beschwerdegegners kann die Ministererlaubnis zur Fusion E./R.
gemäß § 42 GWB nur dann erteilt werden, wenn den aus der Fusion resultierenden
Wettbewerbsbeschränkungen alle tenorierten Auflagen entgegengesetzt werden, weil die
Wettbewerbsbeschränkungen von den künftigen gesamtwirtschaftlichen Vorteilen der
Fusion nur mit Hilfe der zusätzlichen Wirkungen der tenorierten Auflagen aufgewogen
werden (vgl. Ministererlaubnis II, die im folgenden wegen ihrer Funktion, die
Ministererlaubnis I teilweise zu ersetzen und zu ergänzen, vorzugsweise zitiert wird, Tz. 66
und schon Tz. 42). Ausdrücklich heißt es in der Begründung, "die verfügten Auflagen" (also
alle verfügten Auflagen) seien zu diesem Zweck erforderlich (Ministererlaubnis II, Tz. 66
letzter Abs.).
Es versteht sich von selbst, daß eine Auflage einer staatlichen Behörde wie der des
Beschwerdegegners, also die gegenüber einem Unternehmen verfügte Auferlegung einer
Verpflichtung, für sich betrachtet rechtmäßig sein muß. Sie darf nicht gegen zwingende
Rechtsvorschriften verstoßen. Ferner läßt es sich nicht bezweifeln und entspricht auch dem
rechtlichen Standpunkt des Beschwerdegegners, daß die erforderlichen Auflagen nur dann
die ansonsten zu versagende Erlaubnis eines Zusammenschlusses rechtfertigen können,
wenn sie nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich geeignet sind, zur Ausgewogenheit
von Wettbewerbsbeschränkungen und künftigen gesamtwirtschaftlichen Vorteilen der
Fusion beizutragen (vgl. zur entsprechenden Rechtslage gemäß den §§ 36 Abs. 1, 40 Abs.
3 GWB: Ruppelt in Langen/Bunte, a.a.O., § 40 GWB, Rdnr. 28). Mit anderen Worten: Eine
Erlaubnis mit Auflagen ist nur zulässig, wenn dadurch die nach § 42 GWB gebotene
Ausgewogenheit wirksam erreicht werden kann (vgl. Ruppelt, a.a.O., zur entsprechenden
Rechtslage nach den §§ 36 Abs. 1, 40 Abs. 3 GWB). Dieses Ergebnis wird verfehlt, wenn
auch nur eine von mehreren in einem Auflagenregime vom Bundeswirtschaftsminister für
erforderlich gehaltenen Auflagen wegen Rechtsverstoßes rechtswidrig ist und dies im
Rahmen einer gegen die Erlaubnis eingelegten Beschwerde festgestellt wird, so daß ihre
rechtliche Wirksamkeit entfällt.
So liegt der Fall hier. Zumindest beziehen sich darauf ernstliche Zweifel des Senats im
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Sinne des § 65 Abs. 3 GWB. Nach dem jetzigen Erkenntnisstand verstoßen die
nachfolgend unter b) behandelten Auflagen – wie mehrere Beschwerdeführerinnen zu
Recht geltend machen - gegen die zwingende Vorschrift des § 40 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 42
Abs. 2 Satz 2 GWB.
b) Nach den vorgenannten Vorschriften dürfen sich mit einer Fusionserlaubnis verbundene
Auflagen "nicht darauf richten, die beteiligten Unternehmen einer laufenden
Verhaltenskontrolle zu unterstellen". Diesem Verbot liegt im Bereich der dem
Bundeskartellamt übertragenen Zusammenschlußkontrolle die Erwägung zugrunde, daß
die Auflagenkompetenz gemäß § 40 Abs. 3 GWB in einer Beziehung zu den materiellen
Kriterien der Untersagungskompetenz gemäß § 36 Abs. 1 GWB stehen muß und diese
materiellen Kriterien (Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung,
etwaige Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen) auf Merkmale der Marktstruktur
bezogen sind (vgl. Mestmäcker/Veelken in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 40,
Rdnr. 48; vgl. auch Ruppelt, a.a.O., § 48, Rdnr. 28 a.E.). Es wird daher die Ansicht
vertreten, es kämen als Auflagen nur strukturelle Maßnahmen in Frage (Ruppelt, a.a.O., §
40, Rdnr. 29). Einig ist man sich im Schrifttum, daß jedenfalls in erster Linie auf die
Marktstruktur gerichtete Auflagen wie die Veräußerung von Beteiligungen,
Unternehmensteilen oder Vermögensteilen (an unverbundene Dritte), ferner die
Veränderung der Organisation oder der Willensbildung der beteiligten Unternehmen in
Betracht kommen (Ruppelt, a.a.O., § 40, Rdnr. 29; Emmerich, Kartellrecht, 9. Aufl., § 28, 5.
a) bb); Richter in: Wiedemann, Handbuch des Kartellrechts, § 21, Rdnr. 96). Dagegen ist es
kein erlaubter Zweck der Ausübung der Auflagenkompetenz, bei einer Freigabe unter
Auflagen die durch eine entstehende oder sich verstärkende marktbeherrschende Stellung
verursachte Gefährdung der wirtschaftlichen Interessen anderer Marktbeteiligter durch
Verhaltenspflichten der Zusammenschlußbeteiligten auszuschließen oder herabzumindern
und auf diese Weise eine zusätzliche Grundlage für die Kontrolle des Mißbrauchs
marktbeherrschender Unternehmen zu schaffen (Mestmäcker/Veelken, a.a.O., § 40, Rdnr.
48). Daher führen auferlegte Maßnahmen, die auf die Beseitigung von
Marktzutrittsschranken gerichtet sind, ferner Vertriebsregelungen, die anderen
Unternehmen den Zugang zu Bezugs- oder Absatzmärkten eröffnen oder gar die Freiheit
der Auswahl von Abnehmern oder Lieferanten beschneiden, regelmäßig zu einer
laufenden Verhaltenskontrolle durch die Kartellbehörde (vgl. Ruppelt, a.a.O., § 40, Rdnr.
29; Richter, a.a.O., § 21, Rdnr. 96 i.V.m. Rdnr. 59; Mestmäcker/ Veelken, a.a.O., § 40, Rdnr.
62, sowie – speziell zur Ministererlaubnis - § 42, Rdnr. 47: Auflage der Aufrechterhaltung
bisheriger Lieferverpflichtungen bedeutet laufende Verhaltenskontrolle). Auch Auflagen,
bestimmte gesellschaftsrechtlich zulässige Einflußmöglichkeiten nicht wahrzunehmen,
laufen auf eine unzulässige Verhaltenskontrolle hinaus (Richter, a.a.O., § 21, Rdnr. 96
i.V.m. Rdnr. 59; vgl. auch Ruppelt, a.a.O., § 40, Rdnr. 29). Gemäß § 42 Abs. 2 Satz 2 GWB
gelten die vorstehenden Auslegungskriterien für Auflagen, die mit einer Ministererlaubnis
verbunden werden, entsprechend. Im Schrifttum wird hierzu betont, § 42 Abs. 2 Satz 2
GWB solle vermeiden, daß die (vom Bundeswirtschaftsminister im Rahmen des § 42 GWB
ausgeübte) Fusionskontrolle in eine industriepolitische Sektorensteuerung umschlage und
den Wettbewerb durch Verpflichtungen zu unternehmerischem Wohlverhalten verdränge.
Unzulässig und ungeeignet seien auch Organisationsauflagen sowie Investitionskontrollen
über die am Zusammenschluß beteiligten Unternehmen (Mestmäcker/Veelken, a.a.O., § 42,
Rdnr. 46, 47).
Gemäß diesen Auslegungskriterien zu den §§ 42 Abs. 2 Satz 2, 40 Abs. 3 Satz 2 GWB
führen folgende Auflagen dazu, die Beteiligte zu 1. und die Beteiligte zu 4. (diese nur zu
den unter aa) behandelten Auflagen) einer laufenden Verhaltenskontrolle zu unterstellen:
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aa) Mit der Ministererlaubnis I unter Ziff. 1.2.2. des Verfügungstenors (insoweit abgesehen
von der Zeitbestimmung unverändert geblieben) wird der Beteiligten zu 1. auferlegt, "dafür
zu sorgen, dass R. drei Monate nach Bestandskraft dieser Verfügung, nicht jedoch vor dem
1. Januar 2004 ein Legal Unbundling nach Maßgabe folgender Bestimmungen durchführt:
Das Geschäft des Erdgastransports über das R.-Fernleitungsnetz wird in eine zu diesem
Zweck gegründete, rechtlich selbständige Transportgesellschaft ausgegliedert." Die
weiteren hier relevanten (unter dem 3. und 4. Spiegelstrich angefügten) "Bestimmungen"
lauten:
Die Transportgesellschaft hat im Hinblick auf das Fernleitungsnetz der R. wirksame
Einflussmöglichkeiten, die für den Betrieb, die Wartung und die Unterhaltung des Netzes
erforderlich sind. Darüber hinaus hat die Transportgesellschaft die Entscheidungsbefugnis
über den Ausbau von Transportstrecken des Netzes, wenn dessen Finanzierung aus den
zu zahlenden Transportentgelten der für den Ausbau vorliegenden verbindlichen
Transportbestellungen für die Transportgesellschaft wirtschaftlich erfolgen kann.
Die Transportgesellschaft hat Erdgas für Dritte diskriminierungsfrei zu transportieren, und
zwar zu Konditionen, die nicht ungünstiger sind, als sie in vergleichbaren Fällen für den
Erdgashandel der R. oder gegenüber verbundenen oder assoziierten Unternehmen der R.
tatsächlich oder kalkulatorisch in Rechnung gestellt werden.
(1.) Nicht nur die Auflage beim 4. Spiegelstrich (diskriminierungsfreier Erdgas-transport),
sondern auch die davorstehende Auflage ist auf Dauer angelegt, sonst wäre sie nichts wert
und schon deshalb für den bestimmungsgemäßen Zweck (siehe oben 3. a) ) ungeeignet.
Besonders der 1. Satz der Auflage beim 3. Spiegelstrich bedeutet, daß sich die Beteiligte
zu 4. in ihren unternehmerischen Aktivitäten als Netzeigentümerin ständig mit der
gesellschaftsrechtlich (aber nicht eigentumsrechtlich) selbständigen Transportgesellschaft
arrangieren muß, ferner deren "wirksame Einflußmöglichkeiten" (bezüglich Betrieb,
Wartung und Unterhaltung des Netzes), über deren Ausmaß und Intensität in Anbetracht
der Unbestimmtheit des Begriffs durchaus Meinungsverschiedenheiten und Streit
entstehen können, permanent respektieren, wahren und sich vor allem über die dem Sinn
der Auflage entsprechende Realisierung mit der Transportgesellschaft verständigen muß.
Soweit die Transportgesellschaft gemäß Satz 2 der Auflage beim 3. Spiegelstrich die
alleinige Entscheidungsbefugnis haben soll, muß sich die Beteiligte zu 4. als Inhaberin der
Gesellschaftsanteile der auszugliedernden Transportgesellschaft ständig ihrer
gesellschaftsrechtlich an sich gegebenen Einflußmöglichkeiten enthalten. Da dies alles
zwecks Sicherung der Erfüllung der Auflage von der Kartellbehörde
(Bundeswirtschaftsministerium) unter Kontrolle gehalten werden muß, werden die
Beteiligten zu 1. (die ihrerseits für die Erfüllung der Auflage permanent "sorgen" muß) und
zu 4. damit einer laufenden Verhaltenskontrolle unterstellt werden (ebenso: Möschel, BB
2002, 2077, 2081). Im Ergebnis gilt das Gleiche für die Auflage beim 4. Spiegelstrich, mit
der zusätzlich zu erfüllenden Verpflichtung, daß die Beteiligte zu 4. und mittelbar auch die
Beteiligte zu 1. die Transportgesellschaft ständig zu überwachen haben, daß diese den
Erdgastransport für Dritte diskriminierungsfrei und auch im übrigen auflagengemäß
durchführt (ebenso: Möschel, a.a.O.).
(2.) Die Beteiligten zu 1. bis 3. meinen, die Auflage beim 3. Spiegelstrich stelle keine
unzulässige laufende Verhaltenskontrolle dar. Die Auflage sei deshalb keine "Einmischung
in typische Managementarbeit" (Ausdruck von Möschel, a.a.O.), weil eine solche
Einmischung nach der Ausgliederung bzw. der Errichtung der Transportgesellschaft (im
Einklang mit den Vorgaben der Auflage) nicht erforderlich sei (Schriftsatz der Beteiligten zu
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1. vom 21. 10. 2002, S. 84). Ähnlich argumentieren die Beteiligten zu 2. und 3.: Diese
Auflage schreibe eine einmal vorzunehmende rechtliche Trennung vor. Sobald diese
Trennung vorgenommen worden sei, habe der Beschwerdegegner kein Recht mehr,
irgendein Verhalten der Zusammenschlußbeteiligten zu kontrollieren (Schriftsatz vom 21.
10. 2002, S. 49). Daß die Beteiligten zu 1. bis 3. mit diesen Argumenten auch nicht
annähernd die Verpflichtungen erfaßt haben, die die Auflage für die Beteiligten zu 1. und 4.
auf Dauer mit sich bringt, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen unter (1.), bei
denen es der Senat bewenden lassen kann.
Auch zur Auflage beim 4. Spiegelstrich meinen die Beteiligten zu 2. und 3., es handele sich
nicht um eine unzulässige Verhaltensauflage; vielmehr lasse sie sich insofern als eine
strukturelle Auflage einstufen, als sie eine in dieser Form noch nicht erfolgte Öffnung des
Netzes der Beteiligten zu 4. bewirke, was die Marktstruktur verändere (Schriftsatz vom 21.
10. 2002, S. 49). Diese Sicht ist unzutreffend; denn die Öffnung des R.-Netzes wird nicht
durch strukturelle Maßnahmen (z. B. Veräußerung) erreicht, sondern durch die Auferlegung
einer immer wieder aufs Neue zu erfüllenden Verhaltenspflicht (". . . hat . . .
diskriminierungsfrei zu transportieren usw.").
Im übrigen versuchen die Beteiligten zu 2. und 3. (a.a.O.), die Bedeutung der Auflage beim
4. Spiegelstrich zu bagatellisieren: Auf sie könne es im Ergebnis nicht ankommen; denn sie
gehe nicht wesentlich über geltendes Recht (§ 19 GWB) hinaus und könne deshalb in der
Abwägung keine besondere Bedeutung gehabt haben. Die Auflage sei daher nur als
Klarstellung des geltenden Rechts zu verstehen (ebenso die Beteiligte zu 1., Schriftsätze
vom 21. 10. 2002, S. 85, und vom 26. 11. 2002, S. 19). Damit werden die Beteiligten zu 1.
bis 3. der Bedeutung der Auflage nicht gerecht. Der Beschwerdegegner bezweckt mit dem
unter der Überschrift "Legal Unbundling" zusammengefaßten "Auflagenpaket" und daher
auch mit diesem Teil des Pakets, "sicherzustellen, dass als Gegengewicht zu den
nachteiligen Wirkungen der Zusammenschlüsse E./R. der Durchleitungswettbewerb
gefördert wird" (Ministererlaubnis I, Tz. 150; vgl. auch Ministererlaubnis II, Tz. 75). Der
Anteil der Förderung, den die Auflage beim 4. Spiegelstrich bewirkt, besteht darin, daß die
Transportkonditionen von vornherein in einer für Drittkunden günstigen und klaren Weise
festgelegt werden, und vor allem darin, daß die Auflage bereits eine (bei Anrufung der
Kartellbehörde) vollziehbare Regelung darstellt, die es entbehrlich machen wird, daß Dritte,
die Erdgas durch das R.-Fernleitungsnetz durchleiten wollen, ihren gesetzlichen Anspruch
(aus § 20 Abs. 1 oder Abs. 2 oder aus § 19 Abs. 4 Nr. 4 GWB) eventuell einklagen müssen.
Dieser Effekt geht über eine bloße "Klarstellung" der Gesetzeslage hinaus. Im übrigen ist
die von den Beteiligten aufgestellte These, diese Auflage habe bei der Abwägung des
Beschwerdegegners (gemäß § 42 GWB) "keine besondere Bedeutung" gehabt, unstatthaft,
weil die Abwägung allein dem Beschwerdegegner obliegt, der auch diese Auflage ohne
irgendeine Abschichtung in die Abwägung einbezogen hat.
bb) Unter Ziff. 1.1.3. des Verfügungstenors der Ministererlaubnis I (insoweit unverändert
geblieben) wird der Beteiligten zu 1. in dem den "Gesamtwirtschaftlichen Vorteilen der
Zusammenschlüsse" gewidmeten Auflagenabschnitt Ziff. 1.1. eine "Absicherung der
Regelungen in Ziff. 1.1.1. ("Change of Control") und 1.1.2. (Einholung der Einwilligung des
BMWi vor der Veräußerung einer Kapital- oder Stimmrechtsmehrheit an der R.)" folgenden
Inhalts auferlegt:
Zur Absicherung der beiden vorgenannten Verpflichtungen wird E. R. als
importierendes Ferngasunternehmen mit Leitungsnetz und Bezugsverträgen innerhalb
ihres Konzerns im wesentlichen erhalten. E. wird dem Bundesministerium für Wirtschaft
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und Technologie zu diesem Zweck jeweils zum 1. Juni eines Jahres einen Bericht über
den Status der R. innerhalb des E.-Konzerns vorlegen. Die Erfüllung möglicher
gesetzlicher Pflichten wie z.B. der eigentumsrechtlichen Trennung von Netz und Handel
steht dieser Verpflichtung nicht entgegen.
(1.) Diese Auflage ist schon nach ihrem Wortlaut eindeutig als eine Bestimmung zu
qualifizieren, die die Beteiligte zu 1. - für einen Zeitraum von zehn Jahren und damit
ausreichend lang für eine Anwendung der §§ 42 Abs. 2 Satz 2, 40 Abs. 3 Satz 2 GWB -
einer laufenden Verhaltenskontrolle unterstellt. Für zehn Jahre werden die
gesellschaftsrechtlichen Einflußmöglichkeiten der Beteiligten zu 1. auf die Beteiligte zu 4.
sehr erheblich vorbestimmt und zugleich (auf eine "Erhaltung im wesentlichen") eingeengt.
Nicht auszuschließen ist, daß mit der Auflage – je nach wirtschaftlicher Entwicklung im
allgemeinen und derjenigen der R. im besonderen – auch eine potentielle
Investitionspflicht der Beteiligten zu 1. verbunden ist. Daß dies dem Auflagentypus
unterfällt, der auf eine laufende Kontrolle des Verhaltens des beteiligten Unternehmens
gerichtet ist, ergibt sich aus der oben unter 3. b) (vor aa)) dargestellten Auslegung dieses
Begriffs (im Ergebnis ebenso: Möschel, BB 2002, 2077, 2081).
(2.) Die Beteiligte zu 1. tritt dem mit dem Argument entgegen, die "Change of Control"-
Auflage sei – "lediglich negativ formuliert" - ebenso struktureller Natur wie eine
Veräußerungsauflage und damit keine unzulässige Verhaltensauflage (Schriftsatz vom 21.
10. 2002, S. 74). Ähnlich argumentieren die Beteiligten zu 2. und 3.: Sinn und Zweck der
Auflage sei nicht, die Zusammenschlußbeteiligten einer laufenden Verhaltenskontrolle zu
unterwerfen, sondern eine Marktstruktur aufrecht zu erhalten (Schriftsatz vom 21. 10. 2002,
S. 45). Indessen kommt es für die Anwendung des § 40 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 42 Abs. 2
Satz 2 GWB auf den Effekt an, daß die Beteiligte zu 1. (nicht zu dem Hauptzweck der
Aufrechterhaltung einer Marktstruktur, sondern) zur "Absicherung der
gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Zusammenschlusses" (vgl. Ministererlaubnis II, Tz. 48)
auf zehn Jahre zu einem diesem Zweck entsprechenden Verhalten verpflichtet wird, das
sogar ausdrücklich einer fortlaufenden Kontrolle unterworfen wird.
Der Beschwerdegegner vertritt ebenfalls die Ansicht, eine laufende Verhaltenskontrolle im
Sinne des § 40 Abs. 3 Satz 2 GWB werde durch die Auflage Ziff. 1.1. (die an dieser Stelle
im Schriftsatz vom 25. 10. 2002, S. 61, nur insgesamt, nicht aufgegliedert nach den
einzelnen Bestandteilen behandelt wird) nicht ausgelöst, ohne diese Ansicht weiter zu
begründen. Er stellt (a.a.O.) außerdem die These auf, die gesamte Auflage sei auch nicht
für die Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis entscheidungserheblich, und begründet dies
folgendermaßen: Die Auflage solle den der Erlaubnisverfügung zugrunde liegenden
Gemeinwohlvorteil, der auch ohne die Erfüllung der Auflage gegeben sei, absichern und für
einen bestimmten Zeitraum verhindern, daß dieser Vorteil durch mögliche
Eigentümerwechsel in Frage gestellt werde. Aufgrund der Befristung (zehn Jahre) und
wegen der faktisch nur sehr begrenzten Sanktionsmöglichkeiten führe diese Auflage
jedoch nicht zur Erhöhung des Gewichts der Gemeinwohlvorteile im Rahmen der
Abwägung. Er bezieht sich insoweit auf Tz. 67 der Ministererlaubnis II.
Der Beschwerdegegner hat jedoch nicht die Dipositionsbefugnis, die der Sicherung der
"Gesamtwirtschaftlichen Vorteile der Zusammenschlüsse" dienenden Auflagen (unter Ziff.
1.1.) der Rechtmäßigkeitsprüfung vorzuenthalten und für das Beschwerdeverfahren
praktisch aus der Ministererlaubnis (I und II) zu entfernen. Diese Auflagen sind Bestandteil
des Auflagenregimes. Auch bezogen auf sie heißt es in der Ministererlaubnis II (Tz. 66), die
verfügten Auflagen seien "erforderlich". In anderem Zusammenhang (bei der Prüfung
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gemäß Art. 56 bis 60 EG) wird ausgeführt, diese Auflagen seien "durch zwingende Gründe
des Allgemeininteresses gerechtfertigt" (Ministererlaubnis II, Tz. 47). Das wird
anschließend begründet: In Tz. 48 findet sich der Hinweis, die Auflagen dienten der
Absicherung der gesamtwirtschaftlichen Vorteile des Zusammenschlusses, insbesondere
der Sicherung eines hinreichenden Gasangebots in Deutschland zu angemessenen
Preisen. Zum Schluß dieses Kapitels (Tz. 51) wird als Rechtfertigung angefügt, die
Gewährleistung der Versorgungssicherheit hätte nicht durch andere Auflagen erreicht
werden können. Alle diese Ausführungen in der Ministererlaubnis II beweisen, daß der
Beschwerdegegner die hier in Rede stehende Auflage (sowohl das unter der Überschrift
"1.1 Gesamtwirtschaftliche Vorteile der Zusammenschlüsse" zusammengefaßte
Auflagenpaket als auch jede darin enthaltene Einzelauflage) bei Erlaß der
Ministererlaubnis (I und II) als notwendig erachtet hat, und zwar auch bei dem in der Tz. 66
der Ministererlaubnis II enthaltenen Obersatz, daß die fusionsbedingten aktuellen
Wettbewerbsbeschränkungen "nur unter Berücksichtigung der tenorierten Auflagen von
den künftigen gesamtwirtschaftlichen Vorteilen aufgewogen werden". Dem steht auch nicht
die Tz. 67 der Ministererlaubnis II entgegen. Dort wird der Sicherungszweck der hier in
Rede stehenden Auflagen betont und der Standpunkt wiedergegeben, die Auflagen
erhöhten nicht das Gewicht des Vorteils der Verbesserung der Versorgungssicherheit und
beeinflußten insoweit nicht deren Ergebnis. Ob diese Erwägung stimmig ist, mag
dahinstehen. Jedenfalls bedeutet sie nicht mehr, als daß in die "Waagschale" der
Gemeinwohlvorteile im Sinne des § 42 Abs. 1 GWB noch mehr hineingelegt werden
müsse, als wenn die Auflagen unter 1.1. mitgewogen worden wären. Damit wird diesen
Auflagen aber nicht die notwendige Zugehörigkeit zum Auflagenregime streitig gemacht,
und zwar als notwendiges Element der Absicherung der Verbesserung der
Versorgungssicherheit, was zur Folge hat, daß sich die Auflagen einschließlich der hier
entscheidungserheblichen Auflage 1.1.3. auch der Prüfung der Rechtmäßigkeit stellen
müssen. Daß diese Prüfung zu dem Ergebnis führt, die Auflage verstoße gegen die §§ 42
Abs. 2 Satz 2, 40 Abs. 3 Satz 2 GWB, ist oben (1.) schon ausgeführt worden.
c) Festzuhalten ist, daß wegen Verstoßes zweier Auflagen gegen das Verbot, die
beteiligten Unternehmen (hier: die Beteiligten zu 1. und 4.) einer laufenden
Verhaltenskontrolle zu unterstellen, auch ernstliche materiellrechtliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit der Ministererlaubnis (I und II) begründet sind. Daß diese aus zwei
Einzelverstößen resultierenden Zweifel die Ministererlaubnis in ihrer Gesamtheit erfassen,
ergibt sich aus den Rechtsausführungen unter 3. a). Auch diese Zweifel reichen für sich
allein schon dazu aus, die Zurückweisung der Aufhebungsanträge (abgesehen von dem
Sonderfall der Beschwerdeführerin zu 7.) zu rechtfertigen.
II. Außerkrafttreten der zugunsten der Beschwerdeführerin zu 7. erlassenen
einstweiligen Anordnung
Die Beschwerdeführerin zu 7. hat mit Schriftsatz ihrer jetzigen Verfahrensbevollmächtigten
vom 28. 11. 2002 erklärt, sie "ziehe sich aus dem Verfahren zurück". Damit hat sie, wie
durch Auslegung klar erkennbar ist, nicht nur ihre ausdrücklich in Bezug genommenen
Anträge vom 1. 10. 2002, sondern auch ihre vorherige Beschwerde vom 12. 8. 2002
zurückgenommen. Es versteht sich von selbst, daß dadurch der Senatsbeschluß vom 4. 9.
2002, soweit er die aufschiebende Wirkung der von der Beschwerdeführerin zu 7.
eingelegten Beschwerde angeordnet und dazu noch ergänzende einstweilige
Anordnungen erlassen hat, außer Kraft getreten ist. Diese Folge wird klarstellend im Tenor
des vorliegenden Beschlusses festgehalten.
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III. Neue Anträge der Beschwerdeführerinnen zu 5., 8., 9. und 11.
auf Erlaß einstweiliger Anordnungen
Die vorgenannten Beschwerdeführerinnen, die bis zum Erlaß der Ministererlaubnis II
keinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde gestellt
hatten, haben dies im Oktober 2002 nachgeholt.
1.) Antrag der Beschwerdeführerin zu 5. (C. P.)
Bezüglich der Beschwerdeführerin zu 5. macht die Beteiligte zu 1. mit eingehendem
Vortrag (Schriftsätze vom 21. 10. 2002, S. 14 f., und vom 26. 11. 2002, S. 11 ff.) geltend, die
Beschwerde sei mangels materieller Beschwer unzulässig. Zum Vortrag des letzten
Schriftsatzes vom 26. 11. 2002 hat die Beschwerdeführerin noch nicht Stellung genommen.
Es wird ihr empfohlen, eine substantiierte Stellungnahme unverzüglich – spätestens bis
zum 6. Januar 2003 – einzureichen. Bis dahin hält der Senat den Antrag nicht für
entscheidungsreif.
2.) Antrag der Beschwerdeführerin zu 8. (G.)
a) Bezüglich der Beschwerdeführerin zu 8. rügt die Beteiligte zu 1., deren am 12. 8. 2002
gegen die Ministererlaubnis I eingelegte Beschwerde sei unzulässig, weil sie der
notwendigen Beschwerdebegründung (§ 66 Abs. 3 und 4 GWB) ermangele. Mit der in der
Beschwerdeschrift enthaltenen bloßen Bezugnahme auf die Schriftsätze anderer Beteiligter
im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz habe die Beschwerdeführerin zu 8. ihrer
Begründungspflicht nicht genügt; mangels eigener Beschwerdebegründung habe sie
jedenfalls keine materielle Beschwer geltend gemacht.
Der Senat neigt dazu, der Rüge der Beteiligten zu 1. zumindest wegen des zuletzt
wiedergegebenen Gesichtspunkts zu folgen. In den von anderen Beteiligten eingereichten
Schriftsätzen, auf die die Beschwerdeschrift vom 12. 8. 2002 Bezug nimmt, findet sich
naturgemäß nichts über die individuelle materielle Beschwer der Beschwerdeführerin zu 8.
Eine solche muß aber bei einer Drittbeschwerde im Fusionskontrollverfahren nach der
ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. die im vorliegenden Verfahren erlassenen
Beschlüsse vom 11., 25. 7. und 4. 9. 2002, m.w.N.) dargelegt werden; die bloße Beiladung
im vorausgegangenen Kartellverwaltungsverfahren reicht nicht aus (Senatsbeschluß vom
19. 9. 2001 – Kart 22/01 (V) – WuW/E DE-R 759, 762 f., "NetCologne"). Der Senat erläßt
daher keine einstweilige Anordnung auf Grund der Beschwerde vom 12. 8. 2002.
b) Nun hat die Beschwerdeführerin zu 8. mit Schriftsatz vom 15. 10. 2002 rechtzeitig
Beschwerde gegen die Ministererlaubnis II eingelegt und diese Beschwerde auch
rechtzeitig mit Schriftsatz vom 14. 11. 2002 begründet. In ihrer Beschwerdeerwiderung vom
26. 11. 2002 (siehe S. 2) hat die Beteiligte zu 1. die Zulässigkeit dieser zweiten
Beschwerde nicht ausdrücklich in Zweifel gezogen. Aus ihrer Beschwerdeerwiderung
gegen die Beschwerde der Beschwerdeführerin zu 11. (eine Beschwerde, die
hauptsächlich nur gegen die Ministererlaubnis II eingelegt worden ist) ergibt sich aber wohl,
daß die Beteiligte zu 1. mit den gleichen Argumenten auch die zweite Beschwerde der
Beschwerdeführerin zu 8. für unzulässig hält: Gegen die Ministererlaubnis II könne (isoliert)
keine statthafte Beschwerde eingelegt werden. Andernfalls würde der betreffende
Beschwerdeführer dadurch begünstigt werden, daß im Gegensatz zu ihm andere am
Verfahren beteiligte Unternehmen gegen die Ministererlaubnis I Beschwerde eingelegt und
eine Entscheidung des Senats erwirkt haben, die der Beschwerdegegner zum Anlaß
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genommen habe, die vom Senat gerügten Verfahrensmängel in einem Nachverfahren
gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG zu heilen. Jedenfalls sei eine solche Beschwerde mangels
Beschwer als unzulässig zurückzuweisen. Der Beschwerdegegner habe mit der
Ministererlaubnis II lediglich die Auflagen gegenüber der Ministererlaubnis I verschärft. Die
Auflagen führten nicht zu einer – die materielle Beschwer auslösenden – Verschlechterung
der Wettbewerbsbedingungen auf dem relevanten Markt, sondern zu einer im Verhältnis
zur Ministererlaubnis I weiteren Verbesserung; der Beschwerdeführer sei durch die
verschärften Auflagen begünstigt und gerade nicht benachteiligt worden, habe also keine
materielle Beschwer durch die Ministererlaubnis II erlitten (Schriftsatz vom 29. 11. 2002, S.
2 und 5).
Dieser Ansicht vermag der Senat nicht zu folgen. Die Änderungsverfügung
(Ministererlaubnis II), mit der der Beschwerdegegner das auf § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
VwVfG gestützte Nachverfahren abgeschlossen hat, ist ihrerseits ein Verwaltungsakt (vgl.
Brischke, DVBl 2002, 429, 432, m.w.N.), der wie jeder belastende Verwaltungsakt der
Anfechtung unterliegt. Konsequent hat daher der Beschwerdegegner die Ministererlaubnis
II auch mit einer allgemein formulierten Rechtsmittelbelehrung versehen. Die
Ministererlaubnis II ist für die Beschwerdeführer (deren individuelle materielle Beschwer
vorausgesetzt) deshalb belastend, weil der Beschwerdegegner von den verschiedenen
verfahrensrechtlich denkbaren Möglichkeiten, die ihm nach der von ihm für anwendbar
gehaltenen Vorschrift des § 45 VwVfG zu Gebote standen, sich nicht für die den
Beschwerdeführern wirklich günstige Möglichkeit der Aufhebung der Ministererlaubnis I,
sondern für deren Aufrechterhaltung unter teilweise verschärften Auflagen entschieden hat.
In der Aufrechterhaltung der Ministererlaubnis liegt die (erneute) Belastung und Beschwer
(sofern diese auch eine individuelle Betroffenheit darstellt) für die Beschwerdeführer. Daß
sich die schon gegen die Ministererlaubnis I zulässig eingelegten Beschwerden nach der
Ansicht des Beschwerdegegners (Schriftsätze vom 8. 10., 25. 10. [S. 11 f.] und 28. 11. 2002
[S. 2]), der der Senat beipflichtet, auch auf die Ministererlaubnis II – auf Grund der ihr vom
Beschwerdegegner beigegebenen Funktion – erstrecken (vgl. auch BVerwGE 61, 307,
309), hindert nicht, eine erstmals gegen die (immer noch – erneuernd - belastende)
Ministererlaubnis II eingelegte Beschwerde für statthaft zu halten. Daß andere
Unternehmen mit ihren Beschwerden gegen die Ministererlaubnis I die Vorarbeit dafür
geleistet haben, daß es überhaupt zu einer Änderungsverfügung und damit zu einer neuen
"Chance" fristgerechter Anfechtung gekommen ist, ist verfahrensrechtlich kein taugliches
Gegenargument. Der Senat hält daher die zweite Beschwerde der Beschwerdeführerin zu
8. für statthaft.
c) Abgesehen von den vorstehend abgehandelten Fragen hat keiner der anderen
Verfahrensbeteiligten Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde der
Beschwerdeführerin zu 8., insbesondere gegen ihre materielle Beschwer im Sinne einer
individuellen Betroffenheit durch die Ministererlaubnis, geltend gemacht. Solche sind auch
nicht ersichtlich, nachdem die Beschwerdeführerin zu 8. in der Beschwerdebegründung
vom 14. 11. 2002 (S. 2 nebst Anlage) zu ihrer materiellen Beschwer vorgetragen hat. Daher
kann sich der Senat beim jetzigen Verfahrensstand hinsichtlich der materiellen Beschwer
mit dem Hinweis auf die Begründung begnügen, mit der das BMWi in seiner Verfügung
vom 2. 5. 2002 die Beiladung der Beschwerdeführerin zu 8. gerechtfertigt hat: Sie sei – wie
die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4. – durch das Zusammenschlußvorhaben in ihren
wirtschaftlichen Interessen als Wettbewerber der Beteiligten zu 1. und 4. oder ihrer
Konzern- und Beteiligungsunternehmen erheblich berührt und der geplante
Zusammenschluß könnte ihre Verhaltensspielräume beim Absatz von Gas einschränken.
Die Beschwerdeführerin zu 8. befindet sich daher in einer entsprechenden Wettbewerbs-
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und Marktsituation wie die Beschwerdeführerinnen zu 3. und 4., deren materielle Beschwer
der Senat im Beschluß vom 25. 7. 2002 (unter I., S. 10) schon bejaht hat.
d) Die Beteiligten zu 2. und 3. wenden gegen den Antrag der Beschwerdeführerin zu 8. auf
Erlaß einstweiliger Anordnungen ein, dieser Antrag vom 14. 10. 2002 sei mangels
Eilbedürftigkeit unzulässig, nachdem schon am 12. 8. 2002 Beschwerde eingelegt worden
sei; der große Zeitabstand zeige, daß die Anordnung der aufschiebenden Wirkung für die
Beschwerdeführerin zu 8. keine besondere Dringlichkeit habe (Schriftsatz II. vom 28. 10.
2002, S. 4). Der Senat kann offen lassen, ob diese Erwägung im Ansatz überhaupt
schlüssig ist. Der Einwand der Beteiligten zu 2. und 3. bezieht sich jedenfalls nur auf die
schon am 12. 8. 2002 eingelegte Beschwerde, nicht auf die zweite Beschwerde vom 15.
10. 2002. Bezogen auf diese Beschwerde kann an der Eilbedürftigkeit des Antrags vom 14.
10. 2002 jedenfalls nicht gezweifelt werden.
e) Der Antrag der Beschwerdeführerin zu 8. auf Erlaß einstweiliger Anordnungen ist auch
sachlich gerechtfertigt. Insoweit nimmt der Senat auf seinen Beschluß vom 25. 7. 2002 [Kart
25/02 (V), Abschnitte II. bis IV., WuW/E DE-R 926 ff.] sowie auf den Abschnitt I. des
vorliegenden Beschlusses Bezug.
3.) Antrag der Beschwerdeführerin zu 9. (a.)
Diesen Antrag hält der Senat derzeit noch nicht für entscheidungsreif, weil die Beteiligte zu
1. gegen die vom BMWi ausgesprochene Beiladung der (späteren) Beschwerdeführerin zu
9. Beschwerde eingelegt hat, über die der Senat wegen des Verfahrensablaufs noch nicht
hat entscheiden können.
4.) Antrag der Beschwerdeführerin zu 11. (F...)
a) Die Beschwerdeführerin zu 11. hat seinerzeit keine Beschwerde gegen die
Ministererlaubnis I, sondern mit Schriftsatz vom 17. 10. 2002 hauptsächlich gegen die
Ministererlaubnis II, "hilfsweise" zugleich gegen die Ministererlaubnis I Beschwerde
eingelegt. Gegen die Zulässigkeit dieser Beschwerde hat nur die Beteiligte zu 1. Einwände
erhoben, die oben unter III. 2. b) schon wiedergegeben und als nicht berechtigt abgelehnt
worden sind. Die Gründe hierfür gelten selbstverständlich auch für die Beschwerde der
Beschwerdeführerin zu 11.
Zweifel an der materiellen Beschwer der Beschwerdeführerin zu 11. (im Sinne einer
individuellen Betroffenheit der Beschwerdeführerin zu 11., vgl. die oben unter III. 2. a)
zitierte Rechtsprechung des Senats) sind nicht geltend gemacht worden und sind beim
jetzigen Verfahrensstand auch nicht ersichtlich. Über die vom BMWi in der
Beiladungsverfügung vom 12. 3. 2002 dargelegte erhebliche Berührung der Interessen der
Beschwerdeführerin zu 11. hinaus hat sie in ihrer Antragsschrift vom 17. 10. 2002 dargelegt
und durch eidesstattliche Versicherung ihres Legal Counsel H (vom 18. 10. 2002) glaubhaft
gemacht, daß sie teils unmittelbare, teils (insbesondere auf dem deutschen Markt)
potentielle Wettbewerberin vor allem der Beteiligten zu 4., aber auch der Beteiligten zu 1.
nebst einigen ihrer Tochtergesellschaften ist, und daß sich ihre Wettbewerbssituation bei
ihrem bevorstehenden Eintritt in den deutschen Markt zur Belieferung von Weiterverteilern
und Endkunden mit Erdgas infolge des Zusammenschlusses E./R. erheblich belastet, vor
allem ihre wettbewerbliche Entwicklung stark eingeschränkt werden würde.
b) Zur sachlichen Rechtfertigung des Antrags der Beschwerdeführerin zu 11. gilt das oben
unter III. 2. e) Gesagte.
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IV. Anträge auf Ergänzung der bisher erlassenen einstweiligen Anordnungen
1.) Auf Antrag der Beschwerdeführerin zu 6. vom 18. 9. 2002 hat der Senat bereits mit
Beschluß vom 18. 9. 2002 die zugunsten dieser Beschwerdeführerin am 4. 9. 2002
erlassenen einstweiligen Anordnungen – klarstellend – dahin ergänzt, daß die
Anordnungen auch für die weiteren bis zur Beschwerdeentscheidung ergehenden
Verfügungen des Beschwerdegegners gelten, die die von der Beteiligten zu 1.
angemeldeten Zusammenschlüsse gemäß § 42 GWB – gegebenenfalls auch unter
Auflagen und/oder Bedingungen – erlauben. Mit Schriftsatz vom 10. 10. 2002 beantragt die
Beschwerdeführerin zu 6., ausdrücklich "lediglich zum Zwecke der Klarstellung", eine
umfangreiche Neufassung des Senatsbeschlusses vom 18. 9. 2002 (i.V.m. dem vorherigen
Beschluß vom 4. 9. 2002). Auch im Hinblick auf das prozessuale Verhältnis der
Ministererlaubnisse I und II zueinander, das der Beschwerdegegner und der Senat für das
vorliegende Beschwerdeverfahren übereinstimmend beurteilen (vgl. oben III. 2. b) ), sieht
der Senat keinen Bedarf für die beantragte (weitere) Klarstellung. Der Vorbehalt in Ziff. 2
der Beschlußformel des Senatsbeschlusses vom 18. 9. 2002 kann allerdings entfallen.
2.) Die Beschwerdeführer zu 2. bis 4. haben am 19. 9. und 10. 10. 2002 dem vorstehend
erwähnten Antrag der Beschwerdeführerin vom 18. 9. 2002 entsprechende Anträge gestellt.
Diesen gibt der Senat zur Klarstellung aus den im Senatsbeschluß vom 18. 9. 2002
dargestellten Gründen, auf die Bezug genommen wird, statt.