Urteil des OLG Düsseldorf vom 11.11.2008

OLG Düsseldorf: treu und glauben, vergütung, gebühr, vergleichsrechnung, hauptsache, reisekosten, vorschuss, erfüllung, meinung, gerichtsakte

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 36/08
Datum:
11.11.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
I-24 U 36/08
Vorinstanz:
Landgericht Düsseldorf, 15 O 441/06
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird, soweit nicht die Klage in Höhe
eines Teilbetrags von 116,52 EUR in der Hauptsache erledigt ist, das
am 25. Januar 2008 verkündete Teilanerkenntnis- und Endurteil der 15.
Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert und
insgesamt wie folgt neu ge-fasst:
1. Es wird festgestellt, dass
a) dem Beklagten entsprechend seinem Anerkenntnis Vergü-
tungsforderungen auf der Grundlage der von ihm erteilten Rech-nungen
Nr. 0601009 über 1.559,96 und Nr. 060001 über 3.697,29 EUR,
insgesamt 4.097,23 EUR gegen den Kläger nicht zustehen.
b) die Zahlungsklage in Höhe eines Teilbetrags von 313,20 EUR nebst
Zinsen in der Hauptsache erledigt ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 730,28 EUR nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.
Februar 2007 zu zahlen.
II. Die Kosten des ersten Rechtszuges werden dem Kläger zu 25%, dem
Be-klagten zu 75% auferlegt. Die Kosten des zweiten Rechtszuges trägt
der Be-klagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
G r ü n d e
1
I. Die Berufung des Klägers hat im Wesentlichen Erfolg. Er schuldet dem beklagten
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Rechtsanwalt für die von diesem in einem gegen den Kläger gerichteten Strafverfahren
entfaltete Tätigkeit nicht, wie das Landgericht (in seinem in AGS 2008, 108
veröffentlichten Urteil) mit dem Beklagten rechtsirrtümlich meint, vertragliches Honorar
jedenfalls in Höhe des angeblich nicht rückzahlbaren Vorschusses (1.160,00 EUR),
sondern nur gesetzliches Honorar in Höhe der von ihm zugestandenen 313,20 EUR
zuzüglich Fotokopiekosten und Reisekosten (jeweils zzgl. 16% MWSt), insgesamt
429,72 EUR. Daraus folgt, dass der Beklagte von dem empfangenen Vorschuss den
überwiegenden Teilbetrag von 730,28 EUR (1.160,00 EUR - 429,72 EUR) an den
Kläger zurückzuzahlen hat. Es handelt sich dabei allerdings nicht, wie das Landgericht
im rechtlichen Ansatz irrtümlich meint, um einen bereicherungsrechtlichen Anspruch aus
§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern um einen Herausgabeanspruch aus § 667 BGB, § 10
Abs. 2 RVG. Denn der von dem Beklagten auf der Grundlage des entgeltlichen
Rechtsbesorgungsvertrags (§§ 611, 675 BGB, § 3 BRAO) gemäß § 9 RVG
beanspruchte und an ihn auch gezahlte Vorschuss ist nur in Höhe von 429,72 EUR
vertragsgemäß für die gesetzlichen Gebühren verbraucht worden, so dass der
Überschuss bedingungsgemäß zurückzuzahlen ist (vgl. BGH NJW-RR 1988, 1264;
Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl., § 669 Rn. 3). Im einzelnen gilt das Folgende:
1. Richtig ist die Rechtsauffassung des Landgerichts, der Beklagte habe keinen
Anspruch auf das von ihm ursprünglich auf der Grundlage der Vergütungsvereinbarung
vom 26. September 2006 in Rechnung gestellte Zeithonorar, welches – unter
Berücksichtigung des gezahlten Vorschusses – in Höhe von restlichen 4.097,23 EUR
(5.257,23 EUR - 1.160,00 EUR) Gegenstand seiner Honorarnoten vom 31. Dezember
2006 gewesen ist.
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a) Das vom Kläger (nur) per Telefax gegebene Honorarversprechen ist unwirksam,
soweit es die gesetzliche Vergütung übersteigt. Eine solche Überschreitung ist im Laufe
der Bearbeitung des Mandats durch den Beklagten unstreitig eingetreten. Die
Unwirksamkeit eines solchen Honorarversprechens beruht auf § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG
(in der hier noch maßgeblichen, seit dem 01. Juli 2004 geltenden Fassung, künftig: RVG
a.F.), der vorschreibt, dass es nur verbindlich ist, wenn der Mandant es dem
Rechtsanwalt in Schriftform (§ 125 BGB) erteilt. Die Übermittlung per Telefax erfüllt nicht
die Schriftform (vgl. OLG Hamm OLGR 2006, 336 = MDR 2006, 1139), sondern
allenfalls die Textform (§ 126b BGB). Erst durch die seit dem 01. Juli 2008 in Kraft
getretene und deshalb hier nicht anwendbare Gesetzesfassung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 RVG
n. F.) ist das Schriftformerfordernis abgeschwächt und durch die Textform ersetzt
worden.
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b) Ohne Erfolg kommt der Beklagte zurück auf seinen schon im ersten Rechtszug
vorgebrachten Einwand, auf die Einhaltung des Schriftformgebots sei aus Gründen von
Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) zu verzichten, weil der Kläger die von
ihm unterzeichnete Honorarvereinbarung "vorsätzlich" nur per Telefax übermittelt habe.
Damit ist arglistiges Verhalten des Kläger nicht schlüssig dargelegt. Ein solches könnte
nur dann festgestellt werden, wenn dem Kläger die Formunwirksamkeit des nur per
Telefax gegebenen Honorarversprechens im Zeitpunkt der Übermittlung bekannt
gewesen wäre und er den Beklagten mit diesem Wissen arglistig daran gehindert hätte,
auf der schriftlichen Übermittlung des Honorarversprechens zu bestehen (vgl. BGH NJW
1991, 3095, 3098; 2004, 2818, 2819 m. w. N.). Davon kann indes keine Rede sein. Der
Beklagte nennt kein einziges Indiz, welches den Schluss auf ein solches Wissen des
Klägers im maßgeblichen Zeitpunkt zulassen könnte. Im Übrigen ist der Beklagte nicht
schutzwürdig; von ihm als Rechtsanwalt kann erwartet werden, dass er das
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Schriftformgebot kennt, den Mandanten darauf aufmerksam macht und aus diesem
Grunde auf dessen Einhaltung besteht (vgl. BGH NJW 2004, 2818, 2819).
c) Aus den gleichen Gründen scheitert auch das im Berufungsrechtszug erneute
Vorbringen des Beklagten, der Kläger schulde jedenfalls in Höhe des umstrittenen
Vorschusses Schadensersatz. Ausreichende Anhaltspunkte für ein schuldhaft
vertragspflichtwidriges oder gar vorsätzlich deliktisches Verhalten des Klägers, der
juristischer Laie ist, hat der Beklagte nicht vorgebracht. Der bloße und im Prozess
hervorgetretene Wille des Klägers, an dem formwidrigen Honorarversprechen nicht
festgehalten zu werden, lässt keine im Sinne des § 286 ZPO gesicherten Rückschlüsse
auf seine Motive bei Vertragsschluss zu.
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2. Das Landgericht meint, der Vorschuss sei jedenfalls gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a.
F. deshalb nicht zurückzuzahlen, weil der Kläger ihn im Sinne dieser Bestimmung
"freiwillig und ohne Vorbehalt", nämlich in Kenntnis der Gebührenüberschreitung
geleistet habe. Dieser Rechtsauffassung folgt der Senat nicht.
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a) Sinn und Zweck von § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. sind es, den Mandanten, der bei der
Leistung einer vereinbarten Honorarzahlung positiv weiß, dass sie die gesetzliche
Vergütung überschreitet, und dessen vorbehaltloser und freier Wille es ist, dass der
Rechtsanwalt diesen Mehrbetrag erhalten soll, nicht zu schützen (vgl. BGH NJW 2003,
819, 821 sub Nr. II.3a,cc; NJW 2004, 2818, 2819 jew. m. w. N.). Ob ein vereinbartes
Zeithonorar die gesetzliche Vergütung überschreitet, ergibt sich aus einem Vergleich
der gesamten gesetzlichen Vergütung mit dem gesamten vereinbarten
Zeithonoraraufwand (künftig: Gebührenüberschreitung). Eine solche
Vergleichsrechnung ist erst dann möglich, wenn sich die Höhe der gesetzlichen
Vergütung ermitteln lässt, also regelmäßig erst nach dem Ende der Tätigkeit des
Rechtsanwalts. Von diesem Verständnis geht auch die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Satz
1 RVG a. F. aus, wie bereits deren Wortlaut belegt. Denn sie zielt bei einem
Schriftformverstoß gerade nicht von vornherein auf die vollständige Nichtigkeit der
Honorarabrede oder gar des Anwaltsvertrags ab. Vielmehr erklärt die Vorschrift zum
Schutz des Auftraggebers und im Interesse einer klaren Sach- und Beweislage nur die
Honorarvereinbarung insofern für unwirksam, als die in Rede stehende
Vergleichsrechnung zu einer Gebührenüberschreitung führt (vgl. BGH NJW 2004, 2818,
2819 sub II.1c zur Vorgängernorm des § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO; ebs. schon BGH NJW
RR 2001, 493 zu dem rechtsähnlichen § 4 Abs. 1 StBGebV).
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b) Unter Anlegung dieser Kriterien hat der Kläger hinsichtlich des hier umstrittenen
Vorschusses seine Schutzbedürftigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG a.F. nicht
verloren. Denn bei seiner Zahlung am 02. Oktober 2006 wusste er nicht in feststellbarer
Weise (§ 286 ZPO), dass er mit dieser Leistung zur Sicherung der künftigen
Honorarforderung (vgl. dazu BGH NJW 2004, 1043, 1047) des Beklagten schon mehr
zahlte als es der gesetzlichen Vergütung entsprach. Er konnte dies aus den
vorgenannten Gründen noch gar nicht wissen, weil mangels einer im Streitfall noch nicht
möglichen Vergleichsrechnung weder im Zeitpunkt der Auftragserteilung noch im
Zeitpunkt der Vorschusszahlung bekannt war, wie hoch das gesetzliche Honorar sein
würde. Darauf kommt es aber für die Entscheidung an. In diesem Zusammenhang weist
der Kläger mit Recht darauf hin, dass insbesondere ein vorzeitiges Ende des Auftrags,
das mit Blick auf § 627 BGB jederzeit möglich ist, durchaus zu einem vereinbarten
Honorar unterhalb der gesetzlichen Gebühren hätte führen können. Dies wäre für den
Beklagten nur deshalb nicht maßgeblich geworden, weil er sich in der
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Honorarvereinbarung (in diesem Fall formwirksam) die gesetzliche Vergütung als
Mindesthonorar ausbedungen hatte.
aa) Dieser Erkenntnis steht weder entgegen, dass der Beklagte erklärtermaßen den
Auftrag zum gesetzlichen Honorar nicht übernehmen wollte noch dass die Parteien auf
der Grundlage der vom Kläger bei Auftragserteilung gegebenen Informationen fest damit
rechneten, bei der Erfüllung des Mandatsauftrags würde die vereinbarte Vergütung die
gesetzliche übertreffen. Es kommt nämlich nicht auf die Absichten und Erwartungen
oder, wie es an anderer Stelle der Honorarvereinbarung heißt, darauf an, dass es
"wahrscheinlich" zu einer Gebührenüberschreitung kommen werde; entscheidend ist
das positive Wissen des Mandanten von der konkreten Gebührenüberschreitung. Dabei
muss dieses Wissen bei jedem einzelnen Honorar, um dessen Rückzahlung gestritten
wird, im Sinne des § 286 ZPO festgestellt werden. Darlegungs- und beweispflichtig
dafür ist der Beklagte als derjenige, der sich auf die Ausnahmebestimmung beruft (BGH
NJW 2004, 2818, 2819).
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bb) Dazu fehlt es an konkretem Vortrag des Beklagten. Ihm hilft es auch nicht weiter, in
der vorformulierten Honorarvereinbarung darauf hingewiesen zu haben, "dass diese
Vereinbarung erheblich von der gesetzlichen Regelung abweicht". Dieser Hinweis
bezieht sich ersichtlich und in abstrakter Weise auf die Honorarermittlung, nämlich
darauf, dass sich die Höhe des vereinbarten Honorars nach dem Zeitaufwand richtet,
während sich die Höhe der gesetzlichen Vergütung aus der Erfüllung gesetzlich
bestimmter Tätigkeitsmerkmale ergibt. Darauf hat der Beklagte in der
Honorarvereinbarung schon nicht mehr hingewiesen. Welche Konsequenz der
Zeitaufwand konkret für die Honorarhöhe hat, insbesondere wann im Laufe der
Mandatsbearbeitung das vereinbarte Honorar das gesetzliche überschreitet, ist dagegen
unbestimmt geblieben. Daran hatte sich auch bis zur Zahlung des hier umstrittenen
Vorschusses nichts mehr geändert. Jene abstrakten Hinweise sind deshalb auch weder,
wie der Beklagte unter Verkennung der Senatsrechtsprechung (Urt. v. 29.6.2006, Az. I-
24 U 196/04, juris = AGS 2006, 530, insoweit in NJW-RR 2007, 129 nicht abgedruckt)
meint, Voraussetzung für eine wirksame Gebührenvereinbarung noch sind sie
grundsätzlich als ausreichend zu erachten, um eine gebührenüberschreitende
Honorarzahlung, die zur Erfüllung einer schriftformwidrigen Honorarvereinbarung
geleistet worden ist, gemäß § 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a.F. von der Rückforderung
auszuschließen. Der Senat hat in der in Bezug genommenen Entscheidung lediglich
ausgeführt, dass solch ein vorformulierter Hinweis in einer Honorarvereinbarung nicht
gegen § 3 Abs. 1 Satz 1 BRAGO verstößt, der (insoweit enger als § 4 Abs. 1 Satz 1 RVG
a. F.) zur Vermeidung der Unwirksamkeit der die gesetzlichen Gebühren
überschreitenden Honorarabrede alle Regelungen untersagte, die mit ihr nicht in einem
unmittelbaren Zusammenhang stehen.
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cc) Der Senat hat daher keine Veranlassung, der abstrakten Frage nachzugehen, unter
welchen konkreten Voraussetzungen der Mandant im Falle einer die gesetzliche
Gebühren überschreitenden Zahlung auf ein vereinbartes Zeithonorar das in § 4 Abs. 1
Satz 3 RVG a. F. vorausgesetzte Wissen von der Gebührenüberschreitung im Zeitpunkt
der Leistung hat bzw. ob und wie es diesem ggf. vermittelt werden kann (vgl. dazu allg.
im Falle eines vereinbarten Pauschalhonorars BGH NJW 2004, 2818, 2819 m. w. N.).
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dd) Auch auf die weiteren von den Parteien im Zusammenhang mit der Auslegung des
§ 4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. aufgeworfenen Streitfragen kommt es nicht mehr an.
Insbesondere kann die Frage offen bleiben, ob die vereinbarte Zahlung des
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Vorschusses unabhängig vom Wissen des Auftraggebers von der
Gebührenüberschreitung schon deshalb keine Leistung im Sinne der genannten
Vorschrift ist, weil in diesen Fällen gar nicht auf den Honoraranspruch, sondern allein
auf den davon zu unterscheidenden, nach Meinung des Klägers von § 4 Abs. 1 Satz 3
RVG 2004 nicht erfassten Vorschussanspruch geleistet werde. Es braucht auch nicht
entschieden zu werden, ob für den Fall, dass Vorschusszahlungen als von § 4 Abs. 1
Satz 3 RVG a. F. umfasst zu behandeln sind, solche Vorschüsse stets unter dem
Vorbehalt künftiger Abrechnung (§ 10 Abs. 2 RVG) gezahlt werden, so dass, wie der
Kläger meint, zwar im Einzelfall "freiwillig", aber niemals "vorbehaltlos" im Sinne des §
4 Abs. 1 Satz 3 RVG a. F. geleistet werde und deshalb der Vorschuss im Falle eines
unwirksamen gebührenüberschreitenden Honorarversprechens stets zurückrückverlangt
werden könne (vgl. dazu Schons AGS 2008, 109).
3. Die Unwirksamkeit der Zeithonorarvereinbarung hat allerdings nicht zur Konsequenz,
dass dem Beklagten für seine Leistung gar kein Honorar zusteht. Vielmehr steht ihm das
gesetzliche Honorar zu, wenn auch nicht in der Höhe, die er in der
"Vergleichsberechnung" vom 16. April 2007 mit 1.032,92 EUR berechnet hat.
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a) Der Senat vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass der
Rechtsanwalt, der auf der Grundlage einer unwirksamen Abrede Honorar in einer Höhe
verlangt, das die gesetzlichen Gebühren überschreitet, nicht die Abrechnung des
gesetzlichen Honorars entbehrlich macht, wenn er dieses (hilfsweise) beansprucht (vgl.
Senat MDR 2000, 420; MDR 2004, 58 = AnwBl 2004, 128; vgl. auch BGH NJW 1971,
2227f sub Nr. 6; NJW 2002, 2774, 2775). Zwar sind das vereinbarte und das gesetzliche
Honorar nicht prozessual verschiedene Ansprüche (BGH NJW 2002, 2774, 2776; 2004,
1169, 1171 sub II.4b,bb aE); denn sie beruhen auf einer und derselben anwaltlichen
Leistung. Das gesetzliche Honorar kann aber nicht allein deshalb gefordert werden, weil
die Leistung erbracht und gemäß § 8 RVG fällig geworden ist. Vielmehr ist darüber eine
nachvollziehbare Leistungsabrechnung erforderlich, wie sie durch das Gesetz
vorgeschrieben ist (§ 10 Abs. 2 RVG). Da sich die Abrechnung des vereinbarten
Honorars nach Inhalt und Umfang ganz wesentlich von der Abrechnung des
gesetzlichen Honorars unterscheidet (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., § 10 Rn
11), kann dem Rechtsanwalt, der das nach seiner Meinung wirksam vereinbarte
Honorar einklagt, nicht die (wenigstens hilfsweise zu erteilende) Abrechnung des
gesetzlichen Honorars erspart werden, wenn er nicht das Risiko eingehen will, mit
seiner Klage abgewiesen zu werden (Senat MDR 2004, 58 = AnwBl 2004, 128). Eine
solche Abrechnung muss nicht förmlich in Gestalt einer Rechnung erfolgen. Sie kann in
einem vom Rechtsanwalt unterzeichneten prozessualen Schriftsatz enthalten sein
(Senat MDR 2000, 420, BGH NJW 2002, 2774, 2775), etwa in Gestalt eines echten
Hilfsvorbringens (Senat aaO) oder als Anlage zu einem solchen Schriftsatz (BGH NJW
2002, 2774, 2775), etwa in Gestalt einer "Vergleichsrechnung", die dazu dienen soll, die
vom Mandanten (etwa auch) geleugnete Angemessenheit des vereinbarten Honorars
darzustellen (BGH aaO); vom Rechtsanwalt, der der Überzeugung ist, das von ihm
verlangte Honorar sei wirksam vereinbart worden, kann nicht erwartet werden, dass er
dem Mandanten gegen seine Überzeugung eine förmliche Rechnung über das
gesetzliche Honorar erteilt. Dem geschützten Interesse des Mandanten, in gesetzlicher
Weise über das ersatzweise in Betracht kommende gesetzliche Honorar unterrichtet zu
werden, kann auch auf die vorbeschriebene Weise entsprochen werden (Senat aaO,
BGH aaO). Entscheidend ist, dass die Mitteilung die in § 10 Abs. 2 RVG
vorgeschriebenen Merkmale enthält.
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b) An diese Vorgaben hat sich der Beklagte mit der als Anlage zur Klageerwiderung
überreichten "Vergleichsberechnung" vom 16. April 2007 gehalten. Bereits sie erfüllt
vollständig die Anforderungen des § 10 Abs. 2 RVG und - entgegen der Meinung des
Klägers - nicht erst die später überreichte Abrechnung.
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c) Der Beklagte hat die in der "Vergleichsrechnung" abgerechneten Positionen mit
Ausnahme der Fotokopie- und Reisekosten, die der Kläger im Senatstermin unstreitig
gestellt hat, weder nach ihrem Grund noch nach ihrer Höhe verdient.
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aa) Der Beklagte hat das gesetzliche Honorar wie folgt abgerechnet:
18
Zeile Nr. des VV
RVG
Gebührentatbestand
Gebühr/EUR
01
4100
Verteidigergrundgebühr/Höchstsatz
300,00
02
4124
Gebühr für Berufungsverfahren/Höchstsatz
470,00
03
7001 Nr. 1a 393 Fotokopien aus Gerichtsakte ([50 x 0,50 €] +
[343 x 0,15 €])
76,45
04
7002
Telekommunikationspauschale
20,00
05
7004
Reisekosten
24,00
06
Zwischensumme
890,45
07
7008
16% Mehrwertsteuer
142,47
08
Gesamthonorar
1.032,92
19
bb) Die dagegen von der Berufung erhobenen Einwendungen sind begründet.
20
(1) Der Senat folgt der Ansicht des Klägers, der Beklagte habe die in Zeile 01
angesetzte Gebühr nicht verdient, weil er nicht als Verteidiger, sondern nur mit einer
Einzeltätigkeit beauftragt worden sei. Der nur mit einer Einzeltätigkeit beauftragte
Rechtsanwalt verdient nicht die Grundgebühr (vgl. nur Gerold/Schmidt/Burhoff, aaO, VV
Vorb. 4.3 Rn 10). Der Beklagte war (noch) nicht zum Verteidiger bestellt, weil zum
Zeitpunkt seiner Beauftragung (noch) keine Verteidigungstätigkeit erforderlich gewesen
war. Der Kläger war in erster Instanz verurteilt worden. Das Landgericht hatte seine
Berufung als unzulässig verworfen, weil nach dessen Ansicht der Kläger im ersten
Rechtszug wirksam auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichtet hatte. Die dagegen
vom früheren Verteidiger des Klägers eingelegte sofortige Beschwerde hatte das
Oberlandesgericht zurückgewiesen. Damit war der Rechtsmittelzug vollständig
erschöpft und die Verteidigertätigkeit des früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers
beendet. Die Aufgabe des Beklagten war es, mithilfe des an das Oberlandesgericht
gerichteten außerordentlichen Rechtsbehelfs (künftig: Rechtsbehelf) die inzwischen
"verschlossene" Tür zur (weiteren) Verteidigung des Klägers gegen den Strafvorwurf
wieder zu öffnen. Solange dieses Zwischenziel nicht erreicht war, war der Kläger nicht
zu "verteidigen".
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(2) Aus diesen Erwägungen ergibt sich bereits, dass für das Betreiben des Geschäfts
nicht eine Gebühr nach VV RVG 4124, sondern nur eine solche nach VV RVG 4302
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anzusetzen ist, die für Einzeltätigkeiten (sonstige Beschwerden und Anträge) gesetzlich
vorgesehen ist. Der Höchstsatz nach dieser Vorschrift beträgt 250 EUR. Dieser ist mit
Blick auf den tatsächlichen und rechtlichen Umfang der Angelegenheit, die rechtliche
Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Strafsache für den Kläger
sowie den erheblichen Zeitdruck, unter dem der Rechtsbehelf zu bearbeiten war,
angemessen. Das gesteht auch der Kläger zu, so dass ein Gutachten des Vorstands der
zuständigen Rechtsanwaltskammer gemäß § 14 Abs. 2 S. 1 RVG nicht einzuholen ist.
(3) Das vom Beklagten verdiente Honorar berechnet sich demnach wie folgt:
23
Zeile Nr. des VV
RVG
Gebührentatbestand
Gebühr/EUR
01
4302
Gebühr für Einteltätigkeit/Höchstsatz
250,00
02
7001 Nr. 1a 393 Fotokopien aus Gerichtsakte ([50 x 0,50 €] +
[343 x 0,15 €])
76,45
03
7002
Telekommunikationspauschale
20,00
04
7004
Reisekosten
24,00
05
Zwischensumme
370,45
06
7008
16% Mehrwertsteuer
59,27
07
Gesamthonorar
429,72
24
4. Soweit der Kläger den Rechtsstreit in Höhe eines Teilbetrags von 313,20 EUR bereits
im ersten Rechtszug in der Hauptsache für erledigt erklärt hat, ist antragsgemäß eine
entsprechende Feststellung zu treffen. Denn die Klage war bei Vorlage der
Vergleichsrechnung vom 16. April 2007 mit der Klageerwiderung zulässig und
begründet, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt. Über das Hilfsbegehren
des Beklagten (Erledigung der Hauptsache) ist nicht zu entscheiden, weil es sich mit
dem Abweisungsantrag nicht vereinbaren lässt. Wenn der Kläger wie hier mit dem
Hauptbegehren durchdringt, kommt eine übereinstimmende Erledigung nicht mehr in
Betracht, weil es sich nicht um eine innerprozessuale, sondern um eine unzulässige,
von der Entscheidung über den Hauptantrag abhängig gemachte Bedingung handelt
(vgl. BGHZ 106, 369; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 91a Rn 13)
25
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a, 92 Abs. 1 ZPO. Dabei hat der
Senat berücksichtigt, dass der Kläger im ersten Rechtszug wegen eines Teilbetrags von
313,20 EUR vom Zahlungs- zum Feststellungsantrag erst übergegangen ist, als alle
Gebühren angefallen waren. Hätte er diesen Antrag früher gestellt, wären geringere
Kosten entstanden, was sich bei der Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers
auswirken muss. Sein Unterliegen im zweiten Rechtszug ist dagegen so gering, dass es
auf die Kostenverteilung keinen Einfluss mehr hat.
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III. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen; die Rechtssache hat weder
grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, § 543
Abs. 2 ZPO.
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Berufungsstreitwert: 846,80 EUR
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