Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.07.2009

OLG Düsseldorf (zustand der mietsache, überwiegende wahrscheinlichkeit, mietsache, kläger, vermieter, zustand, ehefrau, zpo, verjährungsfrist, mieter)

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-24 U 109/08
Datum:
23.07.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
24. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
I-24 U 109/08
Vorinstanz:
Landgericht Duisburg, 13 O 123/07
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 08. Mai 2008 verkündete Ur-teil
der 13. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg - Einzelrichter – wird auf
dessen Kosten zurückgewiesen.
Berufungsstreitwert: 9.582,79 EUR
G r ü n d e
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I. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Landgericht hat auch
den im Berufungsrechtszug noch weiterverfolgten Teil der Klage, der auf
Schadensersatz nach beendetem Mietverhältnis gerichtet ist (Mietausausfall 05/07 bis
11/07 in Höhe von [7 Mon x 1.368,97 €/Mon =] 9.582,79 € nebst vorgerichtlicher Kosten
und Zinsen) zu Recht abgewiesen. Die dagegen vorgebrachten Berufungsgründe
rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung. Zur Vermeidung unnötiger
Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 03. März
2009. Dort hat der Senat u. a. ausgeführt.
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"1. Allerdings hat das Landgericht den geltend gemachten Anspruch zu Recht nicht
schon an der vom Beklagten erhobenen Verjährungseinrede (§ 214 Abs. 1 BGB)
scheitern lassen.
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a) Zwar gehört auch der hier umstrittene Mietausfall zu den gemäß § 548 Abs. 1 BGB
binnen sechs Monaten nach Rückgabe der Mietsache verjährenden Ersatzansprüchen
des Vermieters, wenn der Mietausfall, wie der Kläger behauptet, darauf beruht, dass die
Räume wegen des bis zum Ablauf des Monats November 2007 andauernden
vertragswidrigen Zustands nicht weiter vermietbar waren, obwohl sie bei intaktem
Zustand hätten vermietet werden können (vgl. BGH NJW 1998, 1303 f sub II.1; BGHZ
104, 6, 12). Es ist auch davon auszugehen, dass die sechsmonatige Verjährungsfrist
des § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB am 30. April 2007 für den gesamten Mietausfall begonnen
hatte (BGH aaO; vgl. auch BGH NJW 2006, 1588, 1589 und 2005, 739 f). Der Kläger
und seine verstorbene, von ihm beerbte Ehefrau (künftig: Ehefrau), die beide Vermieter
gewesen sind, haben nämlich an diesem Tag die geräumte Mietsache zurückerhalten.
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Der Vermieter erhält die Mietsache immer schon dann im Sinne des § 548 Abs. 1 BGB
zurück, wenn der Mieter den Besitz an ihr aufgibt und der Vermieter auf der Grundlage
eigener Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich von ihrem Zustand
unbeeinträchtigt zu unterrichten (BGH NJW 1980, 369, 370; 2001, 535; 2004, 774, 775;
Senat OLGR Düsseldorf 2008, 544; 2007, 465; 2006, 227; 2001, 200;
Grundeigentum 2002, 1196; OLGR Düsseldorf jew. m. w.N.). Das ist am 30. April 2007
geschehen. Ohne Belang ist, ob sich die Mietsache bei der Rückgabe in
vertragsgemäßem Zustand befindet (vgl. Senat MDR 2005, 744 = OLGR 2005, 105 m.
w. Nachw.) und ob der Mieter noch (unselbständigen) Besitz hat, etwa um die Räume in
den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen und dafür auch (noch) Schlüssel in seinem
Besitz hat (vgl. Senat OLGR Düsseldorf 2008, 544; 2001, 200 jew. m. w. N.; ebs. BGH
NJW 1987, 2072).
b) Deshalb wäre die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB am
31. Oktober 2007 abgelaufen und der erst am 15. November 2007 beantragte
Mahnbescheid ohne Einfluss auf die Verjährung geblieben, wenn der Fristlauf nicht
wenigstens 15 Tage gehemmt worden ist. So verhält es sich aber im Streitfall. Die
Verjährungsfrist war wegen außergerichtlicher Verhandlungen der Vertragsparteien u. a.
auch wegen des Mietausfalls monatelang gehemmt.
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aa) Gemäß § 203 Satz 1 BGB ist der Lauf der Verjährung gehemmt, so lange zwischen
Gläubiger und Schuldner Verhandlungen über den Anspruch oder über die ihn
begründenden Umstände schweben. Das ist der Fall, sobald Gläubiger und Schuldner
in einen Meinungsaustausch über den Anspruch oder über die ihn begründenden
Umstände eintreten, sofern nicht sofort und eindeutig jeder Ersatz abgelehnt wird. Der
Verhandlungsbegriff setzt deshalb insbesondere keine Vergleichsbereitschaft und keine
Bereitschaft zum Entgegenkommen voraus (vgl. Senat ZMR 2006, 276 = OLGR
Düsseldorf 2006, 227; BGH MDR 2004, 1050 = ZMR 2004, 800 sub 2d,aa; BGH NJW
2001, 1723).
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bb) Solche Verhandlungen haben zwischen den Vertragsparteien seit dem 20. Juni
2007 stattgefunden. Die Ehefrau hatte nämlich mit Schreiben vom 30. April 2007 und 04.
Juni 2007 für die Monate Mai und Juni 2007 sowie für die Zukunft bis zur
vertragsgemäßen Herstellung der Räume Mietausfall geltend gemacht. In dem
Schreiben vom 20. Juni 2007 unter dem Betreff "Mietzins für die Monate Mai und Juni
2007 u. a." ließ der Beklagte um Fristverlängerung zur Stellungsnahme bitten. In der
Folgezeit haben die Parteien monatelang – stets unter dem gleichlautenden Betreff –
konkret zwar nur wegen der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache
korrespondiert, der Beklagte hat aber den beanspruchten Ersatz des Mietausfalls nicht
abgelehnt. Auch der stets von seinem Bevollmächtigten erklärte Vorbehalt "ohne
Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne jedwedes Präjudiz" hinderte nicht die
fortdauernde Hemmung der Verjährungsfrist. Die "Verhandlung" im Sinne des § 203
Satz 1 BGB stellt eben kein Rechtsverhältnis, sondern ein den Ausgang der
Verhandlung offen haltendes tatsächliches Verhalten dar. Eine in Anspruch
genommene Vertragspartei, die durch ihr Verhandlungsverhalten den Streit um einen
Anspruch oder ein Rechtsverhältnis offen hält, hat es selbst in der Hand, die Hemmung
der Verjährungsfrist zu beenden, indem sie analog § 133 BGB durch eine
unmissverständliche Erklärung die Verhandlung über alle oder bestimmte Ansprüche
beendet (vgl. Senat aaO; BGH MDR 2004, 1050 = ZMR 2004, 800 sub 2d,aa). Dem
kann sich der Beklagte durch die Zweideutigkeiten und Ambivalenzen, wie sie seiner
Korrespondenz seit dem 20. Juni 2007 hinsichtlich des Mietausfallschadens
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entnommen werden können, nicht entziehen.
2. Zu Recht hat das Landgericht aber den Bestand des materiellen Anspruchs verneint.
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a) Ohne Erfolg stützt der Kläger sein Begehren auf § 546 a Abs. 1 BGB bzw. auf § 19 Nr.
4 Satz 1 Mietvertrag (künftig: Mietvertrag), der in Anlehnung an § 546 a Abs. 1 BGB dem
Vermieter bei Vorenthaltung der Mietsache nach beendetem Vertrag einen Anspruch auf
Nutzungsentschädigung in Höhe der vereinbarten oder der ortsüblichen Miete gibt. Der
Beklagte hat dem Kläger und der Ehefrau die Mietsache nicht vorenthalten.
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aa) Es ist schon in den vorstehenden Erwägungen zur Frage der Verjährung (oben sub
Nr. I.1) ausgeführt worden, dass der Beklagte die Mietsache am 30. April 2007
zurückgegeben hatte und dass sich an diesem Tatbestand nichts dadurch ändert, dass
sie sich bei Rückgabe nicht in vertragsgemäßem Zustand befunden hat und der
Beklagte wegen der übernommenen Instandsetzung der Räume noch vom Vermieter
abhängigen Mitbesitz gehabt haben mag. Ein solcher Mitbesitz stellt kein Vorenthalten
der Mietsache im Sinne des § 546a Abs. 1 BGB dar. Das liegt nur dann vor, wenn eine
weitere Ausübung des (Mit)Besitzes durch den Mieter nach rechtlich beendetem
Mietverhältnis gegen den Willen des Vermieters stattfindet, wenn sich also der Mieter
weigert, dem vom Vermieter nach Beendigung des Mietvertrags geltend gemachten
Herausgabeanspruch unverzüglich nachzukommen (Senat ZMR 2003, 23 = NZM 2002,
742; Senat OLGR Düsseldorf 2004, 34 = ZMR 2004, 27 = MDR 2003, 1411 jew. m. w.
N.).
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bb) Eine solche Weigerung des Beklagten kann nicht festgestellt werden. Das
Mietverhältnis ist zwar unstreitig mit Ablauf des 30. April 2007 rechtlich beendet worden.
Die vom Beklagten veranlassten Renovierungsarbeiten in den Mieträumen geschahen
aber nicht gegen den Willen des Klägers und seiner Ehefrau. Im Gegenteil, sie wurden
auf deren ausdrücklichen Wunsch und ihrer Forderung gemäß ausgeführt, also mit
ihrem Willen, was eine Vorenthaltung ausschließt (vgl. OLG Düsseldorf – 10 ZS – NJW-
RR 2004, 300; Senat OLGR Düsseldorf 2006, 750 sub II.4 jew. m. w. Nachw.;
Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Aufl.
Rn 1033).
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b) Der Kläger hat auch weder einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1,
Altn. 1 BGB noch Ansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, §§ 987 ff BGB.
Zwar sind diese Anspruchsgrundlagen selbständig neben der des § 546a Abs. 1 BGB
anzuwenden (Anspruchskonkurrenz, vgl. Senat ZMR 2007, 33 sub III.1 m. w. N.). Deren
Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Bereicherungsansprüche scheiden aus, weil der
Beklagte mit dem Ablauf des 30. April 2007 den Gebrauch der Mietsache eingestellt
hatte. Durch die von ihm danach veranlassten Instandsetzungsarbeiten in den Räumen
ist sein Vermögen um nichts vermehrt worden. Ansprüche aus dem Eigentümer-
Besitzer-Verhältnis scheiden aus, weil der Beklagte mit Blick auf das Einverständnis der
Vermieter mit der Durchführung der Instandsetzungsarbeiten nicht unberechtigter
Besitzer im Sinne der §§ 987 ff BGB gewesen ist und im Übrigen auch keine Nutzungen
gezogen hat.
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c) Das Landgericht hat schließlich auch einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280,
281, 286, 252 BGB zu Recht abgelehnt.
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aa) Der Anspruch auf Ersatz eines Mietausfallschadens setzt auf der Ebene der
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haftungsbegründenden Kausalität ein vom Vermieter darzulegendes und im Streitfalle
im Strengbeweisverfahren (§ 286 ZPO) zu beweisendes pflichtwidriges Verhalten des
Mieters voraus. Von einem solchen schadensbegründenden Verhalten des Beklagten
kann hier mit Blick auf den unstreitig vertragswidrigen Zustand der Mietsache bei
Vertragsende ausgegangen werden, ohne dass es hier auf einzelne streitige Details
ankommt.
bb) Aber auch auf der Ebene der haftungsausfüllenden Kausalität muss der Vermieter
darlegen und im Streitfall beweisen, dass der vertragswidrige Zustand der Mietsache
ursächlich dafür geworden ist, dass die Räume für eine bestimmte Zeit nicht
weiterzuvermieten waren, ihm also das Mietentgelt für diese Zeit entgangen ist. Daran
fehlt es im Streitfall.
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(1) Allerdings dürfen an diesen Beweis keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt
werden. Es gilt hier nicht der Strengbeweis (§ 286 ZPO), sondern das deutlich geringere
Beweismaß des § 287 ZPO in Verbindung mit § 252 BGB. Es genügt deshalb eine
überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, dass nach dem gewöhnlichen Verlauf der
Dinge oder den besonderen Umständen des Streitfalls mit dem Gewinneintritt zu
rechnen gewesen wäre (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 252 Rn 5 m. w.
Nachw.). Daraus folgt allerdings im Gegenschluss, dass ein Schadensersatzanspruch
entfällt, wenn die schadensbegründende Handlung mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit für den konkret geltend gemachten (Folge-)Schaden nicht ursächlich
geworden ist (vgl. Senat OLGR Düsseldorf 2002, 376 = VersR 2003, 326 sub 2c,dd;
Senat MDR 2007, 988 = VersR 2008, 1023 sub II.2a,bb; vgl auch OLG Köln, Urt. v. 17.
10. 2006, Az. 22 U 78/06 - juris).
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(2) Unter Anlegung dieses Maßstabs besteht keine überwiegende Wahrscheinlichkeit
dafür, dass es dem Kläger und der Ehefrau gelungen wäre, die streitigen Räume schon
ab Mai 2007 weiterzuvermieten, wenn sie sich im vertragsgemäßen Zustand befunden
hätten. Es gibt weder einen Erfahrungssatz, der besagt, leer stehende Räume seien
stets zu vermieten noch einen solchen, der das Gegenteil besagt. Die Vermietbarkeit
hängt vielmehr von der konkreten Marktlage ab, also davon, ob für dieses Mietobjekt
eine konkrete Nachfrage auf dem örtlichen Immobilienmarkt besteht. Dem Vermieter
obliegt es deshalb in der Regel darzulegen, dass und wie er sich um die
Weitervermietung bemüht hat und dass diese an dem nicht vertragsgemäßen Zustand
der Mietsache gescheitert ist (vgl. BGH NJW-RR 2000, 382, 383 sub 2). Im Einzelfall
wird die Vermietungsfähigkeit im umstrittenen Zeitraum auch indiziert werden können
dadurch, dass die Räume nach vertragsgemäßer Herstellung innerhalb kurzer Zeit
tatsächlich vermietet worden sind (vgl. OLG Frankfurt DWW 1992, 336; OLG Köln aaO;
Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 538 BGB Rn 27; Schmidt-Futterer/Langenberg,
Mietrecht, 9. Aufl. [2007], § 538 Rn 403) oder dass auf dem örtlichen Mietmarkt im
Streitzeitraum eine hohe Nachfrage nach Räumen der umstrittenen Art geherrscht hatte
(vgl. BGH NJW-RR 1995, 715 f sub Nr. 2). Im Streitfall fehlt es an jeglichen Darlegungen
des Klägers dazu, ob die hier umstrittenen Räume ab Mai 2007 hätten vermietet werden
können. Im Gegenteil, es bestehen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass die renovierten
Räume nicht ohne Weiteres vermietbar gewesen sind. Der Kläger lässt in anderem
Zusammenhang (Kellerräumung) nämlich vortragen, erst im Dezember 2008, also erst
mehr als ein Jahr nach der Herstellung des vertragsgemäßen Zustands, seien die hier
umstrittenen Räume einem Nachmieter zur Besichtigung zugänglich gemacht worden."
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II. An diesen Erwägungen hält der Senat fest. Die dagegen noch erhobenen
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Einwendungen des Klägers geben keinen Anlass zu abweichender Beurteilung. Der
Umstand, dass eine Kammer im früher mitvermieteten Kellergeschoss unstreitig erst im
März 2009 geräumt worden ist, vermag an der rechtlichen Beurteilung nichts zu ändern.
Die Mietsache ist dem Kläger und seiner Ehefrau deshalb nicht vorenthalten worden.
Die Weitervermietung der Gewerberäume ist nicht daran gescheitert. Bereichert worden
ist der Beklagte durch die "Nutzung" der Kammer ebenfalls nicht, weil er nichts erspart
hat. Die vom Kläger behaupteten Kosten (Auswechslung des zur Kammertür
gehörenden Schlosszylinders im Dezember 2008) sind nicht Gegenstand der Klage.
III. Auch die weiteren Voraussetzungen für eine Entscheidung im Beschlussverfahren
liegen vor. Die Rechtssache hat nämlich weder grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2
Satz 1 Nr. 2 ZPO) noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren (§ 522
Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO).
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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