Urteil des OLG Dresden vom 24.11.2006

OLG Dresden: nachlassgericht, ausschlagung, beweiswürdigung, anfechtung, erbschaft, vorbescheid, irrtum, merkblatt, führer, wiedergabe

Leitsatz:
Zur Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist bei miss-
verständlichem nachlassgerichtlichem Vordruck
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Oberlandesgericht
Dresden
Aktenzeichen: 3 W 1432/06
2 T 234/06 LG Dresden
Beschluss
des 3. Zivilsenats
vom 24.11.2006
In der Nachlassangelegenheit
S
vertorben am 10.10.2003,
Beteiligte:
M
G 73,
M
Beschwerdegegner zu 1) und Führer der weiteren
Beschwerde
H
G 73,
M
Beschwerdegegner zu 2) und Führer der weiteren
Beschwerde
Prozessbevollmächtigte zu 1) 2): Rechtsanwälte F ,
G -B -S 12,
D
M
N S 26 c,
G
Beschwerdeführer zu 1) und Gegner der weiteren
3
Beschwerde
I
N S 26 c,
G
Beschwerdeführerin zu 2) und Gegnerin der weiteren
Beschwerde
J
C -Z -Straße 52,
D
M
vertr. durch J P ,
C -Z -S 52,
D
S
H 18,
F S
K
vertr. durch S und N H ,
H 18,
F S
J
S 3,
U
F
vertr. durch J -U P und B V ,
S 3,
U
A
vertr. durch J -U P und B V ,
S 3,
U
wegen Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist
4
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne
mündliche Verhandlung durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. N ,
Richterin am Oberlandesgericht Dr. N und
Richter am Oberlandesgericht Dr. H
beschlossen:
1.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ge-
gen
den
Beschluss
des
Landgerichts
Dresden
vom
31.07.2006, Az. 2 T 234/06, wird zurückgewiesen.
2.
Die Beteiligten zu 1) und 2) tragen gesamtschuldnerisch
die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Be-
schwerde. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstat-
tet.
3.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Be-
schwerde wird auf 2.030,36 EUR festgesetzt.
5
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführer haben aus einer Wohnraumvermietung an
die Erblasserin gegen den Nachlass eine titulierte Forderung
über 2.030,36 EUR. Sie beantragen deshalb die Ausstellung
eines Erbscheines, wonach die Beteiligten zu 3) und 4), die
Eltern der Erblasserin, die Erblasserin je zu 1/2 beerbt ha-
ben.
Die Erblasserin verstarb am 10.10.2003. Nachdem weitere als
Erben berufene Beteiligte die Erbschaft ausgeschlagen hat-
ten, hat das Nachlassgericht am 26.01.2004 an die Beteilig-
ten zu 3) und 4) eine Mitteilung über den Eintritt der ge-
setzlichen Erbfolge abgefertigt. Der Mitteilung beigefügt
war ein Merkblatt und der Vordruck eines Antwortschreibens.
Am 29.01.2004 sandten die Beteiligten zu 3) und 4), die die
Erbschaft ausschlagen wollten, die handschriftlich ausge-
füllten Vordrucke zurück.
Mit einem Anschreiben vom 01.04.2004 wiesen die Beschwerde-
führer auf die Formunwirksamkeit der Ausschlagungs- erklä-
rungen hin. Die Beteiligten zu 3) und 4) erklärten daraufhin
in notariell beglaubigter Erklärung, bei Gericht eingegangen
am 07.04.2004, die Anfechtung der Versäumung der Ausschla-
gungsfrist und schlugen die Erbschaft aus jedem Berufungs-
grund aus.
Das
Nachlassgericht
hat
zuletzt
mit
Vorbescheid
vom
23.02.2006 angekündigt, den beantragten Erbschein auszustel-
len. Das Landgericht hat auf die Beschwerde der Beteiligten
zu 3) und 4) mit Beschluss vom 31.07.2006 diesen Vorbescheid
aufgehoben.
Das Landgericht hält die Anfechtung für wirksam. Die Betei-
ligten zu 3) und 4) hätten glaubhaft vorgetragen, die Aus-
schlagung vom 29.01.2004 für formwirksam gehalten zu haben.
Das übersandte Merkblatt ändere hieran nichts. Dem treten
die Beschwerdeführer entgegen. Sie meinen, infolge des vor-
gelegten Merkblattes scheide bei verständiger Würdigung ein
Irrtum aus. Außerdem seien die Beteiligten zu 3) und 4)
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nicht erst durch das Anschreiben vom 01.04.2004, sondern
durch ein früheres Anschreiben des Nachlassgerichtes selbst
auf die fehlende Wirksamkeit der Ausschlagung aufmerksam ge-
macht worden.
II.
Die an keine Frist gebundene weitere Beschwerde ist statt-
haft (§ 27 FGG) und formgerecht eingelegt (§ 29 Abs. 1 S. 1
und 2 FGG). Sie ist jedoch unbegründet.
1.
Nach den Feststellungen des Tatgerichts glaubten die
Beteiligten zu 3) und 4), mit dem Ausfüllen der von ih-
nen am 29.01.2004 an das Nachlassgericht zurückgesand-
ten Vordrucke die Erbschaft rechtswirksam ausgeschlagen
zu haben. Diese, von den Beschwerdeführern angegriffene
tatrichterliche Feststellung ist jedenfalls vertretbar
und deshalb vom Rechtsbeschwerdegericht hinzunehmen.
Die Überprüfung von tatrichterlichen Entscheidungen
durch das Rechtsbeschwerdegericht ist von Gesetzes we-
gen beschränkt. Eine Nachprüfung tatsächlicher Verhält-
nisse in der 3. Instanz ist grundsätzlich ausgeschlos-
sen, § 27 Abs. 1 S. 1 FGG i.V.m. § 559 ZPO. Die tat-
richterliche Beweiswürdigung ist nur dahin nachprüfbar,
ob der Tatrichter den maßgebenden Sachverhalt ausrei-
chend erforscht, bei der Erörterung des Beweisstoffes
alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei
nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvor-
schriften sowie gegen die Denkgesetze und feststehende
Erfahrungssätze
verstoßen
hat
(vgl.
nur
Kei-
del/Kunze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 27 Rn. 49 m.w.N.).
Ausgehend hiervon vermag der Senat keinen Rechtsfehler
des Landgerichts zu erkennen. Insbesondere ist es eine
vertretbare tatrichterliche Würdigung, der Darstellung
der Beteiligten zu 3) und zu 4) trotz und gerade auf-
grund des übersandten Merkblattes Glauben zu schenken.
Das Landgericht hat sich mit diesem Gesichtspunkt ein-
gehend unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände
auseinandergesetzt. Hierauf nimmt der Senat Bezug. Die
Auffassung des Landgerichts entspricht im Übrigen einer
bereits schon früher vom Senat geäußerten Rechtsmei-
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nung, wonach auch bei Vorlage eines solchen Merkblattes
ein Irrtum über die Wirksamkeit der erklärten Ausschla-
gung nicht ausgeschlossen ist (Senatsbeschluss vom
26.07.2005, Az. 3 W 668/05, nicht veröffentlicht).
Soweit die Beschwerdeführer die tatrichterliche Beweis-
würdigung durch eine eigene Beweiswürdigung ersetzen
wollen, hat die Beschwerde deshalb keinen Erfolg. Denn,
wie ausgeführt, ist die jedenfalls vertretbare tatrich-
terliche
Beweiswürdigung
vom
Rechtsbeschwerdegericht
hinzunehmen.
2.
Soweit die Beschwerdeführer auf das Schreiben der Be-
teiligten zu 4) vom 11.02.2005 Bezug nehmen und meinen,
hieraus ergäbe sich eine frühere Kenntnis der Beteilig-
ten zu 3) und zu 4) über die Unwirksamkeit der Erbaus-
schlagung, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Denn
ersichtlich überinterpretieren die Beschwerdeführer das
vorgenannte Schreiben.
Nach Lage der Akten hat das Nachlassgericht mit dem
Eingang der Vordrucke am 30.01.2004 den Eingang der -
aus Sicht des Nachlassgerichts - angekündigten formge-
rechten Ausschlagungserklärungen abgewartet. Dies zei-
gen die amtsgerichtlichen Verfügungen vom 30.01.2004,
02.02.2004 und 12.03.2004 eindeutig (GA 14-17). Dass
das Nachlassgericht vor dem 25.02.2004 - dies ist auf-
grund des Eingangs der notariell beglaubigten Ausschla-
gungserklärung am 07.04.2004 der zurückgerechnete maß-
gebliche Stichtag - die Beteiligten zu 3) und 4) auf
die Formunwirksamkeit hingewiesen hätte, liegt nach dem
Akteninhalt fern. Zu einem solchen Hinweis bestand sei-
tens des Nachlassgerichts auch in der Sache keinerlei
Anlass. Denn es hatte aus seiner Sicht mit Übersendung
der Merkblätter ausreichend über die Formbedürftigkeit
aufgeklärt und die Erklärungen in den Vordrucken nur
als Ankündigungen verstanden.
Demgegenüber passt die landgerichtliche Feststellung,
nämlich Kenntnis von der Ausschlagung erst nach dem
01.04.2004, zwanglos in den weiter im Schreiben der Be-
teiligten zu 4) geschilderten Geschehensablauf. Danach
sind die Beteiligten zu 3) und 4) nach dem Hinweis auf
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die Formunwirksamkeit
zum Notar gegangen und haben dort am 05.04.2004 die
Ausschlagung erklärt. Aus den weiteren Erklärungen der
Beteiligten zu 3) und 4) ergibt sich klar, dass damit
das Schreiben vom 01.04.2004 gemeint ist (vgl. etwa die
Beschwerdebegründung vom 25.04.2005, GA 60). Aufgrund
all dieser Umstände war das Landgericht auch nicht
gehalten, dies in den Entscheidungsgründen zu erörtern.
Die Wiedergabe der tragenden Erwägungen ist ausrei-
chend.
3.
Weitere Rechtsfehler zeigt die Beschwerdebegründung
nicht auf. Auch der Senat vermag solche nicht zu erken-
nen.
4.
Die Kostenlast folgt aus § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KostO.
Da die Beteiligten zu 3) und 4) am Verfahren der weite-
ren Beschwerde nicht beteiligt wurden, besteht kein An-
lass, eine Kostenerstattung gemäß § 13 a Abs. 1 S. 2
FGG anzuordnen.
Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde be-
stimmt sich nach § 131 Abs. 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 KostO.