Urteil des OLG Dresden vom 11.01.2005

OLG Dresden: grundkapital, entlastung, mitteilungspflicht, verletzung der anzeigepflicht, kapitalerhöhung, aktiengesellschaft, tagesordnung, nichtigkeit, konstitutive wirkung, restriktive auslegung

AktG § 20, § 243
1. § 20 Abs. 1 AktG findet auf Gründungsaktionäre Anwendung
2. Ein wegen allseitiger Verletzung der Anzeigepflicht aus
§ 20 Abs. 1 AktG "stimmlos" gefasster - aber vom Ver-
sammlungsleiter
festgestellter -
Hauptversammlungsbe-
schluss ist nicht nichtig, sondern anfechtbar.
3. Eine Anfechtungsbefugnis kommt bei stimmlos gefassten
Hauptversammlungsbeschlüssen auch einem Aktionär zu,
dessen Mitgliedschaftsrechte ansonsten gemäß § 20 Abs. 7
AktG ruhen.
OLG Dresden, Urteil vom 11.01.2005 - 2 U 1728/04 - (nicht
rechtskräftig).
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³ ³
Oberlandesgericht
³ ³
Dresden
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Aktenzeichen: 2 U 1728/04
6 HKO 5863/03 LG Leipzig
Verkündet am 11.01.2005
Die Urkundsbeamtin:
Rxxxxxxxx
Justizobersekretärin
IM
URTEIL
In dem Rechtsstreit
I.
Klägerin und Berufungsklägerin
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. F.
gegen
M. AG
Beklagte und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwalt B.
wegen aktienrechtlicher Forderung
3
hat der 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden auf-
grund der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2004 durch
Vizepräsident des Oberlandesgerichts Hagenloch,
Richterin am Oberlandesgericht Bokern und
Richterin am Landgericht Dr. Schönknecht
für Recht erkannt:
I.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der
6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Leipzig
vom 08.09.2004 - 6 HKO 5863/03 - im Kostenpunkt aufge-
hoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Folgende Beschlüsse der Hauptversammlung der Be-
klagten vom 20.08.2003 werden für nichtig erklärt:
a) Der Beschluss, durch welchen dem ehemaligen
Mitglied des Vorstandes, Herrn L., für das
Jahr 2002 die Entlastung verweigert wurde
(Pkt. 4. der Tagesordnung);
b) Der Beschluss, durch welchen dem Vorsitzenden
des Aufsichtsrates, Herrn R. F., für das Jahr
2002 die Entlastung erteilt wurde (Pkt. 5. der
Tagesordnung).
2. Folgender Beschluss der Hauptversammlung der Be-
klagten vom 30.09.2003 wird für nichtig erklärt:
Das Grundkapital der M. AG wird gegen Bargeldein-
lagen
erhöht
von
EUR 500.000,00
um
EUR 5.000.000,00 auf EUR 5.500.000,00 durch Ausga-
be von 100.000 neuen auf den Namen lautenden nenn-
wertlosen Stückaktien. Die neuen Aktien werden zum
Betrag von EUR 50,00 je Aktie ausgegeben. Die neu-
en Aktien werden den Aktionären im Verhältnis 1:10
zum Preis von EUR 50,00 zum Bezug angeboten. Die
Frist für die Annahme des Bezugsangebotes endet
zwei Wochen nach der Bekanntgabe des Bezugsangebo-
tes. Die Frist von zwei Wochen gilt sowohl für die
Annahmen des Bezugsangebotes als auch für die Ab-
gabe der Zeichnungserklärung.
Die neuen Aktien sind ab dem 01.01.2003 gewinnbe-
rechtigt.
Der Vorstand wird ermächtigt, nach Ablauf der für
alle Aktionäre geltenden Bezugsfrist die bis dahin
nicht gezeichneten neuen Aktien zum beschlossenen
Ausgabebetrag an die Aktionäre zuzuteilen. Hierzu
bedarf es keiner gesonderten Zustimmung des Auf-
sichtsrates.
4
Die Satzung wird in § 5 wie folgt geändert:
§ 5 Grundkapital
1. Das
Grundkapital
der
Gesellschaft
beträgt
EUR 5.500.000,00 (in Worten: fünfmillionenfünf-
hunderttausend).
2. Das Grundkapital ist eingeteilt in 110.000
Stückaktien.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklag-
ten auferlegt. Von den Kosten des Rechtsstreits erster
Instanz tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages ab-
zuwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstre-
ckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit
kann jeweils durch unbedingte und unbefristete Bürg-
schaft eines in der Europäischen Union zugelassenen
Kreditinstituts oder Kreditversicherers erbracht wer-
den.
IV.
Die Revision wird zugelassen.
- Streitwert des Berufungsverfahrens: EUR 600.000,00 -
Gründe:
A.
Die Klägerin wendet sich mit einer aktienrechtlichen Nich-
tigkeits- und Anfechtungsklage gegen drei auf den Hauptver-
sammlungen der Beklagten vom 20.08.2003 und 30.09.2003 ge-
fasste Beschlüsse.
Die Beklagte wurde durch notarielle Urkunde vom 25.05.2000
errichtet und am 04.07.2000 unter HRB 16982 in das Handels-
register beim Amtsgericht Leipzig eingetragen. Das Grundka-
pital der Beklagten von EUR 500.000,00 ist in 10.000 Stück-
aktien zum Nennwert von EUR 50,00 eingeteilt. Bei Gründung
der Beklagten wurden vom gezeichneten Kapital durch die Lan-
5
desbank S. Girozentrale (künftig: S. LB) 5.100 Stückaktien
und von der Klägerin 4.900 Stückaktien übernommen.
Gegenstand der Beklagten ist u.a. die Durchführung von Lea-
sing- und Vermietungsgeschäften sowie die Strukturierung und
die Vermittlung von Finanzierungen. Der Vorstand der Beklag-
ten wurde zunächst von dem geschäftsführenden Gesellschafter
L. H. der Klägerin und einer der S. LB nahestehenden Person
gebildet. Seit 01.04.2003 ist A. B., die mit dem Vorstands-
vorsitzenden der S. LB persönlich verbunden ist, einziger
Vorstand. Der Aufsichtsrat der Beklagten besteht derzeit aus
dem - bei der S. LB als Vorstand tätigen - Vorsitzenden R.
F. sowie zwei weiteren Mitgliedern.
Mit Schreiben vom 17.07.2003 (Anlage K 4, Bl. 25 dA) lud der
Vorstand A. B. der Beklagten zu deren Hauptversammlung auf
den 20.08.2003. Die der Einberufung beigefügte Tagesordnung
enthielt u.a. Beschlussvorschläge dahin, dass dem ehemaligen
Vorstand L. H. für das Jahr 2002 die Entlastung zu verwei-
gern sei und den Aufsichtsratsmitgliedern Entlastung erteilt
werde.
Auf der Hauptversammlung vom 20.08.2003 waren dem Protokoll
(Anlage K 5, Bl. 28 ff. dA) sowie dem ihm beigefügten Teil-
nehmerverzeichnis zufolge die S. LB durch den Zeugen xxxx
und die Klägerin durch ihren jetzigen Prozessbevollmächtig-
ten, Rechtsanwalt Dr. F., vertreten. Nach erfolgter Abstim-
mung stellte der zum Versammlungsleiter bestellte Aufsichts-
rat R. F. fest, dass der unter TOP 3. vorgeschlagene Be-
schluss, dem ehemaligen Vorstand L. H. für das Jahr 2002
Entlastung zu verweigern, mit 5.100 Stimmen - jenen der S.
LB - gegen 4.900 Stimmen - jene der Beklagten - gefasst sei.
Des Weiteren erfolgte eine Beschlussfeststellung dahin, dass
der unter TOP 5. vorgeschlagene Beschluss, dem Aufsichts-
ratsmitglied R. F. für das Jahr 2002 Entlastung zu erteilen,
mit demselben Stimmverhältnis zu Stande gekommen sei.
6
Nach dieser Abstimmung legte der Vertreter der Klägerin zur
Niederschrift des Versammlungsleiters Widerspruch gegen die
Beschlüsse hinsichtlich der Nichtentlastung des früheren
Vorstands L. H. und der Entlastung des Aufsichtsratsmit-
glieds R. F. ein.
Mit Schreiben vom 26.08.2003 (Anlage K 7, Bl. 44 dA) berief
der Vorstand A. B. der Beklagten auf den 30.09.2003 eine au-
ßerordentliche Hauptversammlung ein, für welche Vorstand und
Aufsichtsrat als Tagesordnung vorgeschlagen haben:
Kapitalerhöhung
Vorstand und Aufsichtsrat schlagen vor:
Das Grundkapital der M. AG wird gegen Bareinlagen erhöht von
500 TEUR um 10.000 TEUR auf 10.500,00 TEUR durch Ausgabe von
200.000 neuen, auf den Namen lautenden nennwertlosen Stück-
aktien. Die neuen Aktien werden zum Betrag von 50 EUR je Aktie
ausgegeben.
Die neuen Aktien werden den Aktionären im Verhältnis 1:20 zum
Preis von 50 EUR je Aktie zum Bezug angeboten. Die Frist für die
Annahme des Bezugsangebotes endet zwei Wochen nach der
Bekanntmachung des Bezugsangebotes.
Die neuen Aktien sind ab dem 01.01.2003 gewinnberechtigt.
Der Vorstand wird ermächtigt, mit Zustimmung des Aufsichtsrates
die weiteren Einzelheiten der Kapitalerhöhung und ihrer Durchfüh-
rung festzusetzen. Dazu gehört auch die Festlegung der Bedin-
gungen, zu denen nach Ablauf der für alle Aktionäre geltenden
Bezugsfrist Aktionäre über ihr Bezugsrecht hinaus und Dritte die
nicht gezeichneten neuen Aktien zum beschlossenen Ausgabebe-
trag zeichnen und beziehen können.
Der Aufsichtsrat, vertreten durch den Vorsitzenden des Aufsichtsra-
tes, wird ermächtigt, die Fassung des § 5 der Satzung der M. AG
entsprechend der Durchführung der Kapitalerhöhung zu ändern.
An dieser außerordentlichen Hauptversammlung nahmen für die
S. LB der Zeuge xxxx sowie für die Klägerin Rechtsanwalt B.
S. teil. Nach dem Protokoll (Anlage K II.15 in Anlagenband
zu Bl. 218 ff. dA) erklärte der Versammlungsleiter vor der
Abstimmung über den die Kapitalerhöhung vorsehenden Tages-
ordnungspunkt, dass der Beschluss mindestens einer Mehrheit
von 3/4 der abgegebenen Stimmen des bei der Beschlussfassung
vertretenen Grundkapitals bedürfe. Im Anschluss hieran wur-
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den 5.100 Stimmen für den Beschlussvorschlag und 4.900 -
jene der Klägerin - gegen diesen abgegeben. Der Versamm-
lungsleiter stellte sodann fest, dass der Beschluss abge-
lehnt sei.
Hierauf beantragte der Vorstand A. B. der Beklagten zu Pro-
tokoll des Versammlungsleiters, unter Verzicht auf Formen
und Fristen eine außerordentliche Hauptversammlung einzube-
rufen und in dieser wie folgt zu beschließen:
Das Grundkapital der M. AG wird gegen Bareinlagen erhöht von
EUR 500.000,00 um EUR 5.000.000,00 auf EUR 5.500.000,00 durch
Ausgabe von 100.000 neuen, auf den Namen lautenden nenn-
wertlosen Stückaktien. Die neuen Aktien werden zum Betrag von
50 EUR je Aktie ausgegeben. Die neuen Aktien werden den Aktio-
nären im Verhältnis 1 : 10 zum Preis von 50,00 EUR zum Bezug an-
geboten. Die Frist für die Annahme des Bezugsangebotes endet
zwei Wochen nach der Bekanntgabe des Bezugsangebotes. Die
Frist von zwei Wochen gilt sowohl für die Annahme des Bezugsan-
gebotes als auch für die Abgabe der Zeichnungserklärung.
Die neuen Aktien sind ab dem 01.01.2003 gewinnberechtigt. Der
Vorstand wird ermächtigt, nach Ablauf der für alle Aktionäre gel-
tenden Bezugsfrist die bis dahin nicht gekennzeichneten neuen
Aktien zum beschlossenen Ausgabebetrag an die Aktionäre zuzu-
teilen. Hierzu bedarf es keiner gesonderten Zustimmung des Auf-
sichtsrates.
Die Satzung wird in § 5 wie folgt geändert:
§ 5 Grundkapital
1. Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt EUR 5.500.000,00 (in
Worten: EUR fünfmillionenfünfhunderttausend)
2. Das Grundkapital ist eingeteilt in 110.000 Stück Aktien.
Zur Begründung trug der Vorstand vor, die Kapitalerhöhung
sei erforderlich, um eine Insolvenz der Beklagten wegen
Überschuldung zu verhindern. Hierzu nahm der Vorstand auf
den Prüfungsbericht und die Substanzwertberechnung der PwC
Deutsche Revision AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zum
31.07.2003 Bezug und teilte deren Ergebnis wie folgt mit:
Der Zwischenabschluss der M. AG wurde unter der Annahme der
Unternehmensfortführung aufgestellt. Da die Gesellschaft nach
dem Ergebnis des Zwischenabschlusses zum 31.07.2003 bei einem
nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag von 13 Mio. EUR
auch unter Berücksichtigung der ausweislich der Substanzwert-
rechnung im Vertragsbestand enthaltenen stillen Reserven von
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4,7 Mio. EUR und eines nachrangigen Gesellschafterdarlehens mit
Besserungsschein in Höhe von 6,1 Mio. EUR mit 2,2 Mio. EUR über-
schuldet ist, setzt die Beibehaltung dieser Bewertung im Zwischen-
abschluss die Durchführung weiterer Maßnahmen der Gesellschaf-
ter zur Beseitigung der Überschuldung voraus.
Der Vertreter der Klägerin legte gegen diesen Antrag auf Ab-
haltung einer außerordentlichen Hauptversammlung Widerspruch
ein. Diesen erklärte der Versammlungsleiter für unwirksam
und stellte den Beschlussvorschlag des Vorstands zur Abstim-
mung. Bei dieser gaben die S. LB 5.100 Stimmen für und die
Klägerin 4.900 Stimmen gegen den Beschlussvorschlag ab. Im
Anschluss hieran erklärte der Vorsitzende die Stimmen der
Klägerin für nichtig und nahm nachstehende Erklärung zu Pro-
tokoll:
Ich erkläre die von der I. GmbH abgegebenen Stimmen für
nichtig. Die Stimmabgabe der I. GmbH verstößt gegen die
Pflichten der I. GmbH als Aktionärin der M. AG. Zum einen
behindert die Stimmabgabe die zur Sanierung der Gesellschaft
notwendige Kapitalerhöhung und leitet damit zwangsläufig die
Insolvenz der Gesellschaft ein. Darüber hinaus würde im Ergebnis
die Insolvenz zu einer Liquidation der Gesellschaft führen, wofür
regulär eine 3/4-Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich
ist. Durch die Behinderung der Kapitalerhöhung käme den
abgegebenen Gegenstimmen damit eine Wirkung zu, die ihnen
auf Grund ihres Stimmverhältnisses nicht zusteht. Unter diesem
Gesichtspunkt erkläre ich die Gegenstimmen der I. GmbH für
nichtig.
Sie
werden
bei
der
Feststellung
des
Abstimmungsergebnisses demzufolge nicht berücksichtigt.
Dem widersprach der Vertreter der Klägerin zur Niederschrift
des Versammlungsleiters.
Mit ihrer am 19.09.2003 beim Landgericht Leipzig eingereich-
ten Klage hat die Klägerin beantragt, die Beschlüsse der
Hauptversammlung der Beklagten vom 20.08.2003 über die Ver-
weigerung einer Entlastung des früheren Vorstands L. H. und
die Entlastung des Aufsichtsratsvorsitzenden R. F. für nich-
tig zu erklären und festzustellen, dass zu Punkt 4. der Ta-
gesordnung beschlossen worden sei, dem ehemaligen Vorstand
L. H. für das Jahr 2002 Entlastung zu erteilen. In einer
weiteren - am 28.10.2003 eingereichten - Klage, die vom
Landgericht Leipzig zum vorliegenden Rechtsstreit verbunden
wurde, hat die Klägerin begehrt, den auf der Hauptversamm-
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lung vom 30.09.2003 gefassten Beschluss über die Kapitaler-
höhung als nichtig festzustellen bzw. hilfsweise für nichtig
zu erklären.
In
einem
den
Hauptversammlungsbeschluss
vom
30.09.2003
betreffenden Schriftsatz vom 09.12.2003 (Bl. 47 ff. dA LG
Leipzig 6 HKO 6704/03) bestritt die Beklagte die Anfech-
tungsbefugnis der Klägerin mit dem Hinweis darauf, dass die-
se ihrer Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 1 AktG nicht nach-
gekommen sei. Die Klägerin ist dieser Ansicht in der Folge
entgegengetreten und hat mit Schreiben vom 12.02.2004 (Anla-
ge K 11) vorsorglich eine Anzeige gemäß § 20 Abs. 1 AktG er-
klärt. Nachdem die Klägerin mit nachfolgendem Schriftsatz
ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.05.2004 (Bl. 105 ff.
dA) behauptet hatte, auch die S. LB sei einer unterstellt
erforderlichen Mitteilung nach § 20 Abs. 1 AktG nicht nach-
gekommen, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 29.06.2004
vorgetragen, die S. LB habe ihr eine auf den 15.04.2003 da-
tierende - vom Zeugen xxxx und vom Vorstand R. F. unter-
zeichnete - Erklärung (Anlage B 3, Bl. 157 dA) folgenden In-
halts zukommen lassen:
... Hiermit teilen wir Ihnen mit, dass die S. LB mit einem Anteil von
255.000,00 EUR, eingeteilt in 5.100 Stückaktien, am 500.000,00 EUR
betragenden Grundkapital der M. AG beteiligt ist. Die S. LB hält
mithin einen 51 %-igen Anteil am Grundkapital der M. AG. Damit
hält die S. LB eine Mehrheitsbeteiligung i.S.v. § 20 Abs. IV AktG.
Unter dem 05.05.2004 veranlasste die Beklagte sodann nach-
stehende Bekanntmachung im Bundesanzeiger als dem statua-
risch vorgesehenen Gesellschaftsblatt (Anlage K 28, Bl. 180
dA):
Gemäß § 20 Abs. VI AktG geben wir bekannt, dass uns am
15.04.2003 von der S. LB Landesbank S. Girozentrale deren Beteili-
gung in Höhe von 51 % am Grundkapital der M. AG mitgeteilt
worden ist. Die I. GmbH hat uns am 12.02.2004 ihre Beteiligung in
Höhe von 49 % am Grundkapital der M. AG mitgeteilt.
Die Klägerin hat behauptet, die auf den 15.04.2003 lautende
Mitteilung der S. LB sei erst nach Fassung der streitgegen-
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ständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse gefertigt worden und
der Beklagten zugegangen.
Die Parteien haben im Folgenden im Wesentlichen darüber ge-
stritten, ob § 20 Abs. 1 AktG auf Gründungsgesellschafter
Anwendung findet und ob die Klägerin eine etwa ihr obliegen-
de Mitteilungspflicht durch die Feststellungen in den Teil-
nehmerverzeichnissen zu den Hauptversammlungen sowie durch
sonstige Verhaltensweisen erfüllt habe. In der Sache bestan-
den vor allem Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Ver-
weigerung einer Entlastung des ehemaligen Vorstandes L. H.
wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der S. LB
und/oder einer Verletzung der Informationsrechte der Kläge-
rin anfechtbar ist und ob die S. LB mit ihrem Abstimmungs-
verhalten die Klägerin zu einer Veräußerung der von ihr an
der Beklagten gehaltenen Aktien zu bewegen versuchte. Des
Weiteren haben die Parteien kontrovers erörtert, ob die dem
Aufsichtsratsvorsitzenden R. F. gewährte Entlastung im Hin-
blick darauf treuwidrig sei, dass er sich - wie die Klägerin
meint - geschäftsschädigend verhalten habe. Im Zusammenhang
mit dem Hauptversammlungsbeschluss vom 30.09.2003 stand ne-
ben der Wahrung der Einberufungsformalien schwerpunktmäßig
im Raum, ob die Beklagte Gefahr laufe, ohne eine Kapitaler-
höhung entweder in Insolvenzreife zu geraten oder aber eine
etwa vorhandene Insolvenzreife nicht beseitigen zu können
und ob die Klägerin im Hinblick hierauf mit ihrem Abstim-
mungsverhalten treuwidrig gehandelt habe.
Die Klägerin hat beantragt:
I.
klagten vom 20.08.2003, durch welchen dem
ehemaligen Vorstandsmitglied, Herrn L. H.,
für das Jahr 2002 die Entlastung verweigert
wurde (Punkt 4 der Tagesordnung), wird für
nichtig erklärt.
2.
Hauptversammlung
der
Beklagten
vom
20.08.2003 zu Punkt 4 der Tagesordnung mit
dem Inhalt, dass dem ehemaligen Vorstands-
mitglied, Herrn L. H., Entlastung für das
Jahr 2002 erteilt wird, gefasst wurde.
11
3.
klagten vom 20.08.2003, durch welchen dem
Vorsitzenden des Aufsichtsrates, Herrn R.
F., für das Jahr 2002 die Entlastung erteilt
wurde (Punkt 5 der Tagesordnung), wird für
nichtig erklärt.
II.1.
schluss der Hauptversammlung der Beklagten
vom 30.09.2003 nichtig ist:
"Das Grundkapital der M. AG wird gegen Bar-
geldeinlagen erhöht von 500.000,00 EUR um
5.000.000,00 EUR auf 5.500.000,00 EUR durch
Ausgabe von 100.000 neuen, auf den Namen
lautenden
nennwertlosen
Stückaktien.
Die
neuen Aktien werden zum Betrag von 50,00 EUR
je Aktie ausgegeben. Die neuen Aktien werden
den Aktionären im Verhältnis 1:10 zum Preis
von 50,00 EUR zum Bezug angeboten. Die Frist
für die Annahme des Bezugsangebotes endet
zwei Wochen nach der Bekanntgabe des Bezugs-
angebotes. Die Frist von zwei Wochen gilt
sowohl für die Annahme des Bezugsangebotes
als auch für die Abgabe der Zeichnungserklä-
rung.
Die neuen Aktien sind ab dem 01.01.2003
winnberechtigt.
Der Vorstand wird ermächtigt, nach Ablauf
der für alle Aktionäre geltenden Bezugsfrist
die bis dahin nicht gezeichneten neuen Akti-
en zum beschlossenen Ausgabebetrag an die
Aktionäre zuzuteilen. Hierzu bedarf es kei-
ner gesonderten Zustimmung des Aufsichtsra-
tes.
Die Satzung wird in § 5 wie folgt geändert:
"§ 5 Grundkapital
1.
trägt 5.500.000,00 EUR (in Worten:
millionenfünfhunderttausend).
2.
Grundkapital
ist
eingeteilt
in
110.000 Stück Aktien."
3.
Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten
vom 30.09.2003 wird für nichtig erklärt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
12
Mit Urteil vom 08.09.2004, auf welches wegen der Einzelhei-
ten verwiesen wird (Bl. 187 ff. dA), hat das Landgericht
Leipzig die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Vorin-
stanz im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin gemäß
§ 20 Abs. 7 AktG nicht anfechtungsbefugt sei, da sie ihre
Mitteilungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht er-
füllt habe. Im Hinblick hierauf seien auch die Nichtigkeits-
klagen unbegründet, da der Klägerin ein Recht auf Teilnahme
an den Hauptversammlungen und auf Stimmrechtsausübung nicht
zugestanden habe.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren
erstinstanzlichen Sachvortrag vertieft. Insbesondere stellt
sie darauf ab, dass eine etwa bestehende Mitteilungspflicht
nach § 20 Abs. 1 AktG auch von der S. LB nicht erfüllt wor-
den sei und damit die vom Versammlungsleiter festgestellten
streitgegenständlichen Hauptversammlungsbeschlüsse im Falle
eines Verstoßes gegen § 20 Abs. 1 AktG stimmlos gefasst wor-
den seien.
Die Klägerin beantragt,
I.
Das Urteil des Landgerichts Leipzig vom
08.09.2004, Az.: 06 HK O 5863/03 (verbun-
den mit dem Verfahren 06 HK O 6704/03)
wird aufgehoben.
II.1.
Es wird festgestellt, dass folgende Be-
schlüsse der Hauptversammlung der Beklag-
ten vom 20.08.2003 nichtig sind:
a)
Der Beschluss, durch welchen dem ehemali-
gen Mitglied des Vorstandes, Herrn L. H.,
für das Jahr 2002 die Entlastung verwei-
gert wurde (Punkt 4 der Tagesordnung).
b)
Der Beschluss, durch welchen dem Vorsit-
zenden des Aufsichtsrates, Herrn R. F.,
für das Jahr 2002 die Entlastung erteilt
wurde (Punkt 5 der Tagesordnung).
2.
Hilfsweise: Die in Ziffer 1.a) und b) wie-
dergegebenen Beschlüsse der Hauptversamm-
lung der Beklagten vom 20.08.2003 werden
für nichtig erklärt.
13
III.1.
Es wird festgestellt, dass folgender
schluss der Hauptversammlung der Beklagten
vom 30.09.2003 nichtig ist:
"Das Grundkapital der M. AG wird gegen
Bargeldeinlagen erhöht von 500.000,00 EUR
um 5.000.000,00 EUR auf 5.500.000,00 EUR
durch Ausgabe von 100.000 neuen, auf den
Namen lautenden nennwertlosen Stückaktien.
Die neuen Aktien werden zum Betrag von
50,00 EUR je Aktie ausgegeben. Die neuen
Aktien werden den Aktionären im Verhältnis
1:10 zum Preis von 50,00 EUR zum Bezug
geboten. Die Frist für die Annahme des
zugsangebotes endet zwei Wochen nach der
Bekanntgabe des Bezugsangebotes. Die Frist
von zwei Wochen gilt sowohl für die Annah-
me des Bezugsangebotes als auch für die
Abgabe der Zeichnungserklärung.
Die neuen Aktien sind ab dem 01.01.2003
gewinnberechtigt.
Der Vorstand wird ermächtigt, nach Ablauf
der für alle Aktionäre geltenden Bezugs-
frist die bis dahin nicht gezeichneten
neuen Aktien zum beschlossenen Ausgabebe-
trag an die Aktionäre zuzuteilen. Hierzu
bedarf es keiner gesonderten Zustimmung
des Aufsichtsrates.
Die Satzung wird in § 5 wie folgt geän-
dert:
"§ 5 Grundkapital
1.
trägt
5.500.000,00 EUR
(in
Worten:
fünfmillionenfünfhunderttausend).
2.
Grundkapital
ist
eingeteilt
in
110.000 Stück Aktien."
2.
ne Beschluss der Hauptversammlung der Be-
klagten vom 30.09.2003 wird für nichtig
erklärt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Der Senat hat durch Vernehmung des Zeugen xxxx Beweis zum
Zeitpunkt der Übergabe des auf den 15.04.2003 datierenden
Schreibens erhoben. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnah-
me sowie wegen des sonstigen Parteivorbringens wird auf die
Niederschriften zu den mündlichen Verhandlungen sowie auf
das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien Bezug genommen.
B.
Die Berufung der Klägerin hat Erfolg.
I.
Auf die fristgerecht erhobene Anfechtungsklage sind die auf
der Hauptversammlung vom 20.08.2003 zur Entlastung des ehe-
maligen Vorstandes L. H. und des Aufsichtsratsvorsitzenden
R. F. gefassten Beschlüsse sowie der auf der Hauptversamm-
lung vom 30.09.2003 gefasste Beschluss über die Kapitalerhö-
hung für nichtig zu erklären, da die Beschlussfassungen an-
fechtbar sind (unten 1.) und der Klägerin eine Anfechtungs-
befugnis zukommt (unten 2.).
1.
Die vom Versammlungsleiter auf den Hauptversammlungen
vom 20.08.2003 und vom 30.09.2003 festgestellten Be-
schlüsse sind wegen einer Verletzung der Mitteilungs-
pflichten aus § 20 Abs. 1 AktG zwar stimmlos gefasst,
aber dennoch - jedenfalls unter den vorstehenden Gege-
benheiten - anfechtbar.
a)
Auch Gründungsaktionäre sind dem personellen An-
wendungsbereich von § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG unter-
worfen (vgl. Bayer, in: Münchener Kommentar, AktG,
Band 1., 2. Aufl., § 20 Rn. 10; Koppensteiner, in:
Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 20 Rn. 15;
a.A.
Lose-Blattsammlung, Bd. 1, § 22 Rn. 12; Eckardt,
15
in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, Bd. 1,
§ 23 Rn. 54).
aa) § 20 Abs. 1 AktG leitet die Erfüllung der im
öffentlichen Interesse liegenden Bekanntma-
chungspflicht nach § 20 Abs. 6 AktG ein und
legt die Verantwortlichkeit für eine geset-
zesgemäße Unterrichtung zumindest im Aus-
gangspunkt in die Hand des eine Beteiligung
von mehr als 1/4 haltenden Aktionärs:
Die einzelnen in § 20 AktG enthaltenen Rege-
lungen stehen in Wechselbeziehungen zueinan-
der und gewährleisten in ihrer Gesamtheit,
dass die Aktionäre, die Gläubiger der Aktien-
gesellschaft und die Öffentlichkeit über ge-
plante oder bestehende Konzernverbindungen in
Kenntnis gesetzt werden. Zudem sollen durch
die Informationspflicht die wahren Machtver-
hältnisse
innerhalb
der
Aktiengesellschaft
deutlich hervortreten und die Rechtssicher-
heit bei der Anwendung derjenigen Vorschrif-
ten, die an die Höhe einer Beteiligung an-
knüpfen, erhöht werden (vgl. Regierungsent-
wurf
für
das
AktG
1965,
abgedruckt
bei
Kropff, AktG, Textausgabe, 1965, S. 38; Witt,
AG 1998, 171 [172] Fn. 12; Hägele, NZG 2000,
726 [727]).
Diese Pflicht trifft nach der gesetzgeberi-
schen Konzeption im ersten - und entscheiden-
den - Schritt den eine Mehrheitsbeteiligung
haltenden Aktionär, da die Aktiengesellschaft
gemäß § 20 Abs. 6 AktG das Bestehen einer Be-
teiligung in den Gesellschaftsblättern nur
bekanntzugeben hat, wenn ihr eine den Anfor-
derungen
von
§ 20
Abs. 1
AktG
genügende
schriftliche Mitteilung zugeht (vgl. BGHZ
114, 203 [215]; OLG Oldenburg AG 1994, 415
16
[416]; für § 21 WpHG: Janert, BB 2004, 169
ff.).
bb) Dieser Normzweck hindert eine - gegen den
Wortlaut gerichtete - restriktive Auslegung
von § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG, da die Wahrneh-
mung einer auch im öffentlichen Interesse
liegenden Pflicht nicht der Disposition der
Aktionäre unterstehen kann und die Zielset-
zung von § 20 AktG Gründungsaktionäre in
gleicher Weise wie die Erwerber von Aktien
erfasst.
cc) Gegenteiliges folgt auch nicht daraus, dass
bei börsennotierten Aktiengesellschaften den
Gründungsgesellschaftern
gemäß
§ 21
Abs. 1
WpHG, § 20 Abs. 8 AktG keine Mitteilung ob-
liegt.
Zwar mag nicht übermäßig folgerichtig er-
scheinen, die Anzeige von Mehrheitsbeteili-
gungen der Gründungsaktionäre von einer Bör-
sennotierung der Aktiengesellschaft abhängig
zu machen. Die insoweit entstandene Unge-
reimtheit beruht aber im Kern darauf, dass
der Gesetzgeber infolge der Transparenzricht-
linie
88/627/EWG
vom
12.12.1988
(ABl.
Nr. L 348 vom 17.12.1988, S. 62 ff.) die ge-
setzliche Anzeigepflicht über Mehrheitsbetei-
ligungen
bei
börsennotierten
Aktiengesell-
schaften vom Gesellschaftsrecht abgekoppelt
und abschließend im Kapitalmarktrecht veran-
kert hat.
Hieraus ist aber - schon wegen der unter-
schiedlichen Regelungszwecke - nicht abzulei-
ten, dass mit dem Inkrafttreten von § 21
Abs. 1 WpHG auch bei nicht börsennotierten
Aktiengesellschaften
die
Unterrichtungs-
17
pflicht von Gründungsaktionären entfallen sei
(vgl. zu den normativen Ungereimtheiten er-
gänzend: Witt, AG 1998, 171; Schneider, AG
1997, 81 [82]).
b)
Die streitgegenständlichen Beschlüsse sind an-
fechtbar, da sie stimmlos gefasst - und damit vom
Versammlungsleiter entgegen dem objektiven Abstim-
mungsergebnis festgestellt - wurden.
aa) Ihrer
Mitteilungspflicht
aus
§ 20
Abs. 1
Satz 1 AktG hat die Klägerin erstmals mit
Schreiben vom 12.02.2004 (Anlage K 11) ge-
nügt.
Die zuvor nur mittelbar erfolgten Unterrich-
tungen über die gehaltene Mehrheitsbeteili-
gung reichen für eine Mitteilung nach § 20
Abs. 1 Satz 1 AktG nicht aus, da aus dieser
zweifelsfrei entnommen werden muss, dass die
Information die Publizitätspflicht des § 20
Abs. 6
AktG
auslöst
(vgl.
BGHZ 114,
203
[213 f.]; Bayer, in: Münchener Kommentar,
AktG,
§ 20
Rn 10
und
Rn. 30
ff.;
Emme-
rich/Habersack,
Aktien-
und
GmbH-
Konzernrecht, 3. Aufl., § 20 Rn. 32). Diesen
Anforderungen werden weder die Unterzeichnung
der Teilnehmerverzeichnisse noch die sonsti-
gen von der Klägerin herangezogenen Umstände
gerecht (vgl. BGHZ 114, 203 [213]).
bb) Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die
S. LB die sie - als Unternehmen i.S.v. § 20
Abs. 1 Satz 1 AktG - treffende Mitteilungs-
pflicht bei Fassung der angefochtenen Be-
schlüsse erfüllt hatte.
18
(1) Es obliegt der Beklagten, im Rahmen des
vorliegenden Nichtigkeits- und Anfechtungs-
prozesses darzutun, dass die S. LB im Zeit-
punkt der streitgegenständigen Hauptversamm-
lungsbeschlüsse die von ihr gehaltene Mehr-
heitsbeteiligung gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1
AktG angezeigt hatte.
(1.1) Der Senat verkennt dabei nicht, dass
bei aktienrechtlichen Nichtigkeits- und An-
fechtungsklagen im Ausgangspunkt der Aktionär
das Vorliegen von Beschlussmängeln darzulegen
und zu beweisen hat (vgl. Hüffer, in: Münche-
ner Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 135
m.w.N.).
(1.2) Eine Umkehr der Vortrags- und Beweis-
last ist aber geboten, wenn - wie hier - eine
Aktiengesellschaft behauptet, ein Mehrheits-
aktionär, dessen Beteiligung nicht in den Ge-
sellschaftsblättern veröffentlicht wurde, sei
ihr gegenüber der Mitteilungspflicht aus § 20
Abs. 1 AktG nachgekommen.
Wie
bereits
dargelegt,
(vgl.
oben
B.I.1.a)aa)) soll die Mitteilungs- und Publi-
zitätspflicht aus § 20 Abs. 1 und Abs. 6 AktG
u.a. den anderen Aktionären Kenntnis von den
Mehrheits- und Machtverhältnissen verschaffen
und
Rechtssicherheit
im
Bezug
auf
jene
Rechtsnormen gewähren, die an das Vorliegen
einer Mehrheitsbeteiligung anknüpfen. Diese
Zielrichtung gebietet, dass eine Aktienge-
sellschaft die Erfüllung der Mitteilungs-
pflicht zu belegen hat, wenn sie eine etwa
nach § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG erfolgte Anzeige
unter Verstoß gegen § 20 Abs. 6 AktG nicht
bis zu den Stimmrechtsausübungen in den Ge-
sellschaftsblättern veröffentlicht hat (vgl.
19
zur Beweislastumkehr bei Verletzung von In-
formations- oder Dokumentationspflichten: BGH
NJW 1999, 3408 [3409 ff.]; BGH NJW 1989, 2330
[2331];
Hüffer,
in:
Münchener
Kommentar,
AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 138).
(2) Dieser Beweislast hat die Beklagte mit
der - eine am 15.04.2003 erfolgte Mitteilung
bestätigenden - Aussage des Zeugen xxxx aber
nicht genügt.
(2.1) Bereits das Aussageverhalten und der
persönliche Eindruck des Zeugen waren wenig
überzeugend, da dieser auf Fragen, die ihn
offenbar unvorbereitet trafen, eher unsicher
reagierte, teilweise nach Antworten suchte
und - ohne hierauf im Einzelnen eingehen und
dies im Rahmen der Beweiswürdigung berück-
sichtigen zu wollen - sehr angespannt und be-
lastet wirkte.
Es ist auszuschließen, dass die Reaktionen
des Zeugen Folge der Vernehmungstechnik des
Senats sind, da dieser - wenn auch teilweise
im Wechsel zwischen Berichterstatterin und
Vorsitzendem -
den
Zeugen
stets
sachlich
fragte, ihm Gelegenheit zum Nachdenken gab
und ihm durch Vorhalte und Rückfragen ermög-
lichte, aufgekommene Bedenken gegen die Plau-
sibilität seines Vorbringens durch ergänzende
Darlegungen zu beseitigen. Auch hat der Senat
sofort eingegriffen, als der Prozessbevoll-
mächtigte der Klägerin - nach auch zuvor von
ihm sachbezogen vorgetragenen Fragestellun-
gen - dem Zeugen einmal kurzfristig in eher
suggestiver Weise begegnete.
20
Zwar ist möglich, dass das unsichere und we-
nig überzeugungskräftige Auftreten des Zeugen
zumindest mit auf die öffentlichen Diskussio-
nen um die Verbindungen zwischen der S. LB
und der Beklagten sowie auf anhängige Ermitt-
lungsverfahren
bei
der
Staatsanwaltschaft
Leipzig und auf angekündigte Vereidigungsan-
träge zurückzuführen ist. Zumindest gleicher-
maßen kommt aber in Betracht, dass das deut-
lich selektive Erinnerungsvermögen des Zeugen
Ausfluss eines Zwiespalts zwischen falsch
verstandener Loyalität gegenüber einem in
Kritik geratenen Arbeitgeber und den Wahr-
heitspflichten war und der Zeuge hierdurch -
um dieses Dilemma wissend - in innere Nöte
geriet.
(2.2) Vor allem aber bleibt das vom Zeugen
xxxx Geschilderte bei der gebotenen Gesamt-
würdigung sehr unplausibel.
Zwar mag der eine oder andere vom Zeugen xxxx
geschilderte Ablauf für sich gesehen als noch
möglich eingestuft werden können. Als sehr
ungereimt erscheint aber, dass es zu einem
gleichzeitigen Zusammentreffen so vieler eher
ungewöhnlicher Geschehnisse gekommen ist.
- Bereits der vom Zeugen xxxx geschilderte
Anlass für die Fertigung des auf den
15.04.2003 lautenden Schreibens und die
Umstände seiner Errichtung lassen erhebli-
che Bedenken gegen eine den Tatsachen ge-
recht werdende Aussage aufkommen.
Der Zeuge xxxx hat zwar angegeben, Anstoß
für das Schreiben habe eine von der Innen-
revision der S. LB angeregte Umstrukturie-
rung im Beteiligungsbereich gegeben. Nicht
21
ohne weiteres einsichtig ist aber, woher
der Zeuge, der ansonsten die Hintergründe
des Schreibens nicht kennen und sich über
dessen Inhalt mit niemandem unterhalten
haben will, wissen soll, dass die behaup-
tete Unterrichtung vom 15.04.2003 Folge
einer Neuorganisation sei.
Eher ungewöhnlich erscheint auch, dass der
Zeuge xxxx zwar im Verlauf seiner Verneh-
mung die für die Fertigung dieses Schrei-
bens denkmöglich in Betracht kommenden
Personen von zunächst vier bis fünf auf
eher zwei, nämlich zwei Juristen, be-
schränkte, sich aber selbst auf mehrfache
Rückfragen des Senats außer Stande sah,
die Namen seiner damals engsten Vertrauten
- und dies bei einem Mitarbeiterstab von
insgesamt nicht mehr als etwa 20 Perso-
nen - anzugeben.
- Zumindest kurzfristig eher verblüfft und
irritiert gab sich der Zeuge zudem, als
ihn der Senat auf den seine E-Mail-Adresse
ausweisenden Briefkopf, auf das Ausstel-
lungsdatum sowie auf die zeitlichen Abläu-
fe am Vormittag des 15.04.2003 ansprach.
Auf die Frage, ob es bei der S. LB üblich
sei, in die E-Mail-Adresse den Verfasser
des Schreibens aufzunehmen, reagierte der
Zeuge zunächst verunsichert, um sich dann
- in der Sache sehr weich und sich eher
nicht festlegend - dahin zu äußern, dass
sein Name in der E-Mail-Adresse jedenfalls
dann erscheine, wenn das Schreiben "nach
außen" gehe und er es selbst unterzeichne.
22
Eher vage blieb in diesem Zusammenhang die
Bekundung des Zeugen auch dazu, ob es den
Gepflogenheiten der S. LB entspreche, als
Ausstellungsdatum jenes des Diktats, des
tatsächlichen Fertigens durch die Sekretä-
rin oder des mutmaßlichen Absendezeitpunk-
tes zu wählen.
Zunächst hat der Zeuge die Zielrichtung
dieser Fragestellung nicht erfasst und in-
haltlich keine klare Position bezogen.
Nachdem ihm der Senat verdeutlicht hatte,
dass von der zeitlichen Abfolge her eher
unüblich wäre, wenn das Ausstellungsdatum
des Schreibens dem Diktatdatum entspräche,
da dann vor der - nach Angaben des Zeugen
um 10:00 Uhr beginnenden - Vorstandsitzung
am Vormittag des 15.04.2003 sowohl das
Diktat erfolgt als auch das nicht dring-
lich erscheinende Schreiben durch die Sek-
retärin hätten gefertigt werden müssen,
verhielt sich der Zeuge in recht vorsich-
tiger Weise dahin, dass es Bemühen der S.
LB sei, eine zeitliche Diskrepanz zwischen
dem Ausstellungs- und dem Versendedatum
gering zu halten.
Nicht übermäßig plausibel erscheint auch
die Mutmaßung, das Ausstellungsdatum vom
15.04.2003 könne im Hinblick darauf ge-
wählt worden sein, dass an diesem Tage ei-
ne Vorstandsitzung stattgefunden habe, auf
welcher der Vorstand R. F. das Schreiben
gegengezeichnet habe. Solches gäbe nur
dann Sinn, wenn alle Beteiligten, auch der
Autor des Schreibens, von einer im Rahmen
der anstehenden Vorstandssitzung beabsich-
tigten Unterschriftsleistung gewusst hät-
ten. Eine derartige Kenntnis bliebe aber
23
unplausibel, wenn - wie vom Zeugen ge-
schildert - intern jegliche Kommunikation
über das Schreiben unterblieben wäre. Auch
stellt sich bei Lichte besehen eher als
zufällig - jedenfalls nicht längerfristig
geplant - dar, dass der Zeuge xxxx das
Schreiben in die Vorstandsitzung der S. LB
mitnahm, um es in deren Rahmen vom Vor-
stand R. F. unterschreiben zu lassen.
- Auffällig an den Bekundungen des Zeugen
ist zudem, dass er einerseits das Schrei-
ben inhaltlich als reinen Routinevorgang
verstanden haben will, ihm aber anderer-
seits seine Angaben zufolge eine besondere
Behandlung zuteil werden ließ.
Dahinstehen kann, wie üblich es bei der S.
LB ist, dass einem Vorstandsmitglied eine
vermeintliche
Alltagsangelegenheit
vom
Leiter des Vorstandsstabs anlässlich einer
Vorstandsitzung persönlich zur Unterzeich-
nung vorgelegt wird. Selbst nach Darstel-
lung des Zeugen war nämlich zumindest eher
ungewöhnlich, den Postverkehr an die Be-
klagte mittels persönlicher Übergabe an
deren Vorstand zu bewirken. Dies gilt vor-
liegend umso mehr, als das Schreiben vom
15.04.2003 vom Zeugen xxxx als inhaltlich
belanglos verstanden wurde und demgemäß
auch keine Erörterung anlässlich der per-
sönlichen Aushändigung erfolgt sein soll.
- Soweit der Zeuge xxxx in diesem Zusammen-
hang darauf verwies, dass er mit dem Vor-
stand A. B. der Beklagten am 15.04.2003
zum Mittagessen verabredet gewesen sei und
er sie aus diesem Anlass - unter Mitnahme
des Schreibens - persönlich in ihrem Büro
24
abgeholt habe, mag Letzteres, wie der Zeu-
ge seinem Terminkalender entnommen haben
will, zutreffend sein.
Eher merkwürdig mutet aber an, dass sich
der Zeuge nach über 1 1/2 Jahren noch dar-
an will erinnern können, wie der Vorstand
A. B. in seiner Anwesenheit das Eingangs-
datum angebracht und - ohne inhaltliche
Aussprache - paraphiert haben soll. Sol-
ches ist umso ungewöhnlicher, als der Zeu-
ge einerseits über derart belanglose De-
tails eines - so seine Sicht - Routinevor-
gangs erstaunlich präsentes Wissen bean-
spruchte, sich andererseits aber in den
inhaltlichen Fragen als recht unkundig
darstellte.
Verstärkt werden die Bedenken gegen die
Schilderungen des Zeugen noch dadurch,
dass dieser auf Rückfrage des Senats be-
kundete, erst ein viertel oder halbes Jahr
vor der Vernehmung von der Bedeutung des
auf den 15.04.2003 ausgestellten Schrei-
bens erfahren zu haben. Sollte dies zu-
treffend sein, wäre erst recht verwunder-
lich, wenn er sich an damals unerhebliche
Randbereiche eines ihn inhaltlich ohnehin
nicht interessierenden Vorgangs in Einzel-
heiten sollte entsinnen können.
(2.3) Auch die sonstigen Umstände weisen dar-
auf hin, dass die S. LB ihrer Mitteilungs-
pflicht erst nach dem 30.09.2003 nachgekommen
sein kann.
(2.3.1) Die Beklagte hat sich erst im Verlauf
des vorliegenden Rechtsstreits auf einen Ver-
stoß der Klägerin gegen § 20 Abs. 1 AktG be-
25
rufen und die behauptete Mitteilung der S. LB
vom 15.04.2003 erstmals mit Schriftsatz vom
29.06.2004 in den Rechtsstreit eingeführt.
Des Weiteren hat der Leiter der Hauptversamm-
lungen vom 20.08.2003 und vom 30.09.2003, der
gleichzeitig Mitglied im Vorstand der S. LB
und Aufsichtsratsvorsitzender der Beklagten
ist, eine Stimmrechtsausübung durch alle Ak-
tionäre zugelassen und im Nachhinein die von
der Klägerin zu dem mündlich eingebrachten
Antrag auf Kapitalerhöhung abgegebenen Stim-
men - mit fragwürdiger Begründung - für un-
wirksam erklärt. Die Beklagte hat zudem eine
Veröffentlichung der ihr angezeigten Mehr-
heitsbeteiligungen erst am 05.05.2004 veran-
lasst, obwohl sie kraft Gesetzes zum unver-
züglichen Handeln gehalten gewesen wäre, wenn
sie von dem Inhalt des auf 15.04.2003 lauten-
den Schreibens der S. LB noch am selben Tage
in Kenntnis gesetzt worden wäre.
(2.3.2) Diese Gesichtspunkte drängen die An-
nahme auf, dass der Regelungsgehalt von § 20
Abs. 6 und 7 AktG zunächst allen Beteiligten
unbekannt war und deren Aufmerksamkeit auf
diese Bestimmungen erst durch das nachfolgen-
de gerichtliche Verfahren gelenkt wurde. War
aber ein Bewusstsein um die Wirkungen einer
Anzeige mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht
vorhanden, liegt eher fern, dass die Verant-
wortlichen der S. LB und der Beklagten zum
damaligen Zeitpunkt um die Unterrichtungs-
pflicht als solche wussten und am 15.04.2003
die behauptete Mitteilung erfolgte.
(2.4) Im Hinblick darauf bestand verfahrens-
rechtlich kein Anlass, das gemäß richterli-
cher Auflage vorsorglich bereitzuhaltende O-
riginal des Schreibens vom 15.04.2003 in den
26
Senatstermin einzuführen, um es - wie von der
Klägerin gegenbeweislich beantragt - im Wege
des Sachverständigenbeweises einer kriminal-
technischen Untersuchung unterziehen zu kön-
nen.
(3) Den von der Beklagten zu den Umständen
der Fertigung des Schreibens vom 15.04.2003
mit
Schriftsatz
vom
23.12.2004
(Bl. 319 ff. dA) unterbreiteten neuen Vortrag
hatte der Senat gemäß §§ 296a, 525 ZPO nicht
zu berücksichtigen, da das Vorbringen keinen
Anlass gab, gemäß § 156 ZPO die mündliche
Verhandlung wieder zu eröffnen.
(3.1) Hierüber hatte der Senat unter Mitwir-
kung von Vizepräsident des Oberlandesgerichts
Hagenloch und Richterin am Oberlandesgericht
Bokern zu befinden, da die Beratung i.S.v.
§§ 192 ff. GVG am 21.12.2004 abgeschlossen
war und Richterin am Landgericht Dr. Schön-
knecht - nach zwischenzeitlicher urlaubsbe-
dingter Verhinderung - infolge der Beendigung
ihrer Abordnung zum Jahreswechsel 2004/2005
beim Oberlandesgericht Dresden ausgeschieden
ist (vgl. BGH NJW 2002, 1426 [1428]).
(3.2) Der Schriftsatz vom 23.12.2004 ist pro-
zessual nicht zu beachten, da keiner der in
§ 156 Abs. 2 ZPO ausdrücklich genannten Wie-
dereröffnungsgründe vorliegt und auch keine
sonstigen sachlichen Aspekte für einen noch-
maligen Eintritt in die mündliche Verhandlung
sprechen.
(3.2.1) Der Senat hat im Zusammenhang mit der
Vernehmung des Zeugen xxxx das rechtliche Ge-
hör der Beklagten nicht i.S.v. § 156 Abs. 2
Nr. 1, §§ 139, 295 ZPO verletzt.
27
Die Beklagte hatte bis zur Vernehmung des
Zeugen behauptet, dieser habe das Schreiben
vom 15.04.2003 gefertigt (vgl. Schriftsatz
vom 11.08.2004, S. 2, Bl. 183 dA). Für den
Senat bestand hierdurch kein Anlass, die Be-
klagte vorsorglich um eine Stellungnahme dazu
zu ersuchen, was sie vorzutragen gedenke,
falls der Zeuge das in sein Wissen Gestellte
nicht bestätigen sollte und ein anderer Mit-
arbeiter der S. LB das Schreiben entworfen
hätte.
Der Beklagten ist auch nicht darin beizutre-
ten, dass die nach der Beweisaufnahme darge-
legten Bedenken gegen die Plausibilität der
Aussage des Zeugen xxxx bereits vorab hätten
unterbreitet werden müssen. Dies gilt umso
mehr, als die Klägerin auf die geringe Plau-
sibilität des Sachvortrages der Beklagten be-
reits
im
Schriftsatz
vom
09.08.2004
(S. 6 ff., Bl. 166 ff. dA) hingewiesen und
Letztere zu den Begleitumständen in der Beru-
fungserwiderung
vom
01.12.2004
(S. 7. f.,
Bl. 273 f. dA) detailliert Stellung bezogen
hatte.
(3.2.2) Ein Wiedereintritt in die mündliche
Verhandlung ist auch nicht dadurch veran-
lasst, dass die Beklagte nunmehr behauptet,
das auf den 15.04.2003 datierende Schreiben
sei entgegen ihrem früheren Vortrag nicht vom
Zeugen xxxx, sondern vom nunmehr benannten
Zeugen xxxx gefertigt worden.
Offen bleiben kann, wie gereimt die jetzige
Sachdarstellung der Beklagten ist. Zumindest
sieht der Senat in Anbetracht der seit Langem
bis in konkrete Einzelheiten vorgetragenen
28
Umstände zu der Fertigung und Zuleitung des
auf den 15.04.2003 ausgestellten Schreibens
keinen Grund, der Beklagten einen nochmaligen
Beweisantritt zu teilweise neuen Behauptungen
zu eröffnen.
cc) Hatten aber weder die Klägerin noch die S. LB
bei Fassung der streitgegenständlichen Haupt-
versammlungsbeschlüsse
ihre
Mitteilungs-
pflicht aus § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG erfüllt,
waren gemäß § 20 Abs. 7 AktG beide Aktionäre
an der Stimmrechtsausübung mit der Folge ge-
hindert,
dass
die
vom
Versammlungsleiter
festgestellten Beschlüsse anfechtbar sind.
(1) Die Rechtsprechung und Literatur haben
sich mit dem rechtlichen Schicksal stimmloser
Hauptversammlungsbeschlüsse bislang nur ver-
einzelt befasst, wobei in den beiden vorlie-
genden gerichtlichen Entscheidungen (BayObLG
NZG 2001, 128; OLG München NZG 1999, 1173)
Anfechtbarkeit und in der Literatur (Sem-
ler/Asmus, NZG 2004, 881 [887]; Fischer, in:
Beck'sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl., § 4
Rn. 165 f.) Nichtigkeit angenommen wird.
(2) Das vorliegende Verfahren veranlasst kei-
ne abschließende Stellungnahme hierzu, da je-
denfalls unter den gegebenen Umständen bei
einer
Gesamtbetrachtung
des
Gewichts
des
Rechtsverstoßes einerseits und der Belange
der Rechtssicherheit andererseits von einer
bloßen Anfechtbarkeit auszugehen ist.
(2.1) Nach dem Gesetzeswortlaut sind die
Nichtigkeitsgründe in § 241 AktG abschließend
aufgeführt
(vgl. Hüffer,
AktG,
6. Aufl.,
§ 241 Rn. 7), ohne dass bei diesen die Stimm-
losigkeit festgestellter Hauptversammlungsbe-
29
schlüsse genannt ist. Diese sind auch nicht
unter Normzweckaspekten dem Verdikt der Nich-
tigkeit zu unterwerfen, da eine Stimmlosig-
keit der Beschlussfassung im materiellen Un-
rechtsgehalt den in § 241 AktG aufgeführten
Gesetz-
und
Satzungsverstößen
jedenfalls
nicht generell gleich steht.
(2.2) Hiervon ausgehend ist zumindest nicht
aus
allgemeinen
gesellschaftsrechtlichen
Prinzipien heraus von einer Nichtigkeit aus-
zugehen.
(2.2.1) Nach gefestigter Rechtsprechung be-
wirkt eine bloße Anfechtbarkeit, wenn einem
Stimmrechtsverbot unterliegende Aktionäre an
Hauptversammlungsbeschlüssen
mitwirken
und
ihre Stimmen - in einer das Abstimmungsergeb-
nis beeinflussenden Weise - vom Versammlungs-
leiter gezählt werden (vgl. BGHZ 104, 66
[69]; BGHZ 97, 28 [30]).
Hieran ändert sich auch nicht ohne weiteres
etwas dadurch, dass alle Aktionäre an der
Ausübung des Stimmrechts aus Rechtsgründen
gehindert waren. Ebenso wenig hängen das ob-
jektive Fehlverhalten des Versammlungsleiters
und das Maß an konstitutiver Wirkung der
durch ihn erfolgenden Beschlussfeststellung
entscheidend davon ab, ob ein genereller oder
nur ein teilweiser Stimmrechtsausschluss be-
stand.
Eine gegenteilige Sicht würde zudem zu teil-
weise sachwidrigen und recht zufällig wirken-
den Ergebnissen führen. Besonders anschaulich
zeigt sich dies, wenn gegenübergestellt wird,
dass einerseits bei einer Aktiengesellschaft
nur eine einzige, gegen den Beschlussvor-
30
schlag votierende Stimme wirksam abgegeben
wurde und der Versammlungsleiter der Be-
schlussfeststellung irrig das Votum der nicht
stimmberechtigten Aktionäre zu Grunde legt
und dass andererseits keiner einzigen abgege-
benen
Stimme
eine
Stimmrechtsbefugnis
zu
Grunde lag, das Abstimmungsergebnis aber tat-
sächlich vom Willen aller sich vermeintlich
als
stimmberechtigt
erachtenden
Aktionäre
mitgetragen war. Bei der erstgenannten Fall-
gestaltung müsste dann die dargelegte Litera-
turmeinung zur Anfechtbarkeit gelangen, wäh-
rend sie bei der zweitgenannten eine Nichtig-
keit annehmen müsste. Solches erschiene dem
Senat bei einer wertenden Gesamtbetrachtung
aber wenig folgerichtig.
(2.2.2) Aus § 241 Nr. 3 AktG folgt keine
Nichtigkeit, da zwar die Mitteilungspflicht
des § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG öffentlichen In-
teressen und Belangen der Gläubiger dient,
dieser Rechtsverstoß aber nicht auf den In-
halt der streitgegenständlichen Hauptversamm-
lungsbeschlüsse einwirkt, sondern lediglich
die Art und Weise ihres Zustandekommens be-
trifft.
(2.2.3) Der Senat vermag nicht die Sicht zu
teilen, dass ein stimmlos gefasster Beschluss
nach § 241 Nr. 2 AktG nichtig sei (so: Sem-
ler/Asmus, NZG 2004, 881 [887]).
Richtig an dieser Meinung ist allerdings,
dass ein Versammlungsleiter, der einen stimm-
los gefassten Beschluss feststellt, die ihm
von den Aktionären verliehene Handlungsmacht
überschreitet. Dies ändert aber nichts daran,
dass dem vom Versammlungsleiter festgestell-
ten Beschluss konstitutive Wirkung beikommt
31
(vgl. BGHZ 104, 66 [69]; OLG Stuttgart AG
2004, 457 [458]) und dieser in der Form des
§ 130 Abs. 2 AktG beurkundet ist. Ob das Be-
urkundete inhaltlich zutrifft, muss im Rahmen
von § 241 Nr. 2 AktG bei Stimmlosigkeit in
gleicher Weise unerheblich bleiben wie bei
allen anderen ein Abstimmungsergebnis unzu-
treffend wiedergebenden Beschlussfeststellun-
gen des Versammlungsleiters.
Unschädlich ist in diesem Zusammenhang auch,
dass
der
Versammlungsleiter
seinerseits
stimmlos bestellt wurde. Zwar erwächst nur
einem von der Hauptversammlung wirksam beru-
fenen Versammlungsleiter die Rechtsmacht, ei-
nen Beschluss rechtsgestaltend festzustellen.
Wie sich aus den nachfolgenden Darlegungen
noch im Einzelnen ergibt, war aber auch die
Bestellung des Versammlungsleiters, der kein
weiterer Mangel als die Stimmlosigkeit anhaf-
tete, wirksam.
(2.3) Auch Einzelfall bezogene Umstände füh-
ren zu keiner Nichtigkeit der streitgegen-
ständlichen Beschlussfassungen (vgl. hierzu:
Hüffer,
in:
Münchener
Kommentar,
AktG,
2. Aufl., § 241 Rn. 54 ff. m.w.N.).
(2.3.1) Beim Maß des Rechtsverstoßes ist zu-
nächst zu bedenken, dass weder die beiden an
den Hauptversammlungen teilnehmenden und mit-
stimmenden Aktionäre noch der die Beschlüsse
feststellende Versammlungsleiter nachweislich
um die rechtlichen Konsequenzen des § 20 AktG
gewusst haben und daher von einem subjektiv
redlichen Handeln auszugehen ist. Zumindest
tendenziell wird das Gewicht der Rechtsver-
letzung auch dadurch verringert, dass alle
Aktionäre auf den Hauptversammlungen präsent
32
waren und 100 % des Aktienkapitals an der Ab-
stimmung teilgenommen hat.
Hinzu kommt, dass - wenn auch möglicherweise
auf Grund eines gesetzgeberischen Versehens -
bei börsennotierten Aktiengesellschaften die
Gründungsaktionäre
seit
Inkrafttreten
von
§ 20 Abs. 8 AktG, § 21 WpHG einer Mittei-
lungspflicht überhaupt nicht mehr unterliegen
und schwerlich ein Verhalten, welches bei
börsennotierten Aktiengesellschaften rechtmä-
ßig wäre, bei sonstigen Aktiengesellschaften
als besonders gravierende Verletzung der öf-
fentlichen Ordnung erachtet werden kann.
(2.3.2) Gesichtspunkte der Rechtssicherheit
sprechen ebenfalls deutlich mehr für eine An-
fechtbarkeit als für eine Nichtigkeit.
(2.3.2.1) Wie bereits im Einzelnen ausgeführt
wurde, folgt die Stimmlosigkeit der streitge-
genständlichen
Hauptversammlungsbeschlüsse
erst daraus, dass § 20 AktG - entgegen nicht
unverbreiteter Literaturmeinung - auf Grün-
dungsaktionäre anzuwenden ist und sich der
Senat von einer Erfüllung der Mitteilungs-
pflichten aus § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht
zu überzeugen vermochte.
(2.3.2.2) Mit Aspekten der Rechtssicherheit
vertrüge sich aber nicht, die Wirksamkeit von
Beschlussfassungen von der Beantwortung die-
ser Fragestellungen abhängig zu machen und
damit nicht unerhebliche Unwägbarkeiten über
die Bestandskraft zu schaffen. Dies gilt umso
mehr, als bei einer Nichtigkeit nicht nur das
Registergericht im Eintragungsverfahren einer
entsprechenden Amtsprüfungspflicht unterläge
(vgl. Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG,
33
2. Aufl., § 241 Rn. 95), sondern auch jeder
Dritte vor Ablauf der dreijährigen Frist des
§ 242 Abs. 2 AktG eigenverantwortlich zu ent-
scheiden hätte, ob ein nicht angefochtener
Hauptversammlungsbeschluss
stimmlos
gefasst
ist. Auch nur einigermaßen tragfähige Er-
kenntnisse hierüber könnten aber die betrof-
fenen Verkehrskreise nicht erlangen, da die
Stimmlosigkeit der Beschlussfassungen gerade
daraus folgt, dass die Mitteilungs- und Pub-
lizitätspflichten aus § 20 AktG missachtet
wurden.
2.
Die Klägerin ist unbeschadet der unterbliebenen Mittei-
lung der von ihr gehaltenen Mehrheitsbeteiligung be-
rechtigt, die streitgegenständlichen Hauptversammlungs-
beschlüsse anzufechten.
a)
Solches ist der Klägerin zwar nach dem Wortlaut
von § 20 Abs. 7 AktG versagt (vgl. Bayer, in: Mün-
chener Kommentar, AktG, § 20 Rn. 53 und § 245
Rn. 20;
Geßler,
in:
Geß-
ler/Hefermehl/Eckardt/Kropff,
AktG,
Bd. I,
§ 20
Rn. 78; Hüffer, AktG, 6. Aufl., § 20 Rn. 14; zu
§ 21 WpHG: Assmann/Schneider, WpHG, 3. Aufl., § 28
Rn. 30).
b)
Eine normzweckgerechte und verfassungskonforme In-
terpretation von § 20 Abs. 7 AktG gebietet aber,
der Klägerin unter den vorstehenden Gegebenheiten
eine Anfechtung der streitgegenständlichen Haupt-
versammlungsbeschlüsse zu eröffnen.
aa) Die prozessuale Anfechtungsbefugnis ist Teil
der Mitgliedschaftsrechte von Aktionären und
unterliegt daher dem Schutzbereich von Arti-
kel 14 GG (vgl. BVerfGE 100, 289 [301 f.];
BVerfG AG 2001, 42).
34
bb) In diese verfassungsrechtlichen Gewährleis-
tungen wäre unter den Besonderheiten der vor-
liegenden Fallgestaltung in unverhältnismäßi-
ger Weise eingegriffen, wenn die Klägerin die
stimmlos
gefassten
streitgegenständlichen
Hauptversammlungsbeschlüsse
nicht
anfechten
könnte (vgl. zur einfach-rechtlichen Lage bei
Anträgen nach § 122 Abs. 1, §§ 327a ff. AktG:
König/Römer, NZG 2004, 944 ff.).
(1) Der in § 20 Abs. 7 AktG vorgesehene Ver-
lust der Anfechtungsbefugnis ist im Regelfall
mit anerkennenswerten Belangen der anderen
Aktionäre und der Öffentlichkeit zu legiti-
mieren.
Durch die Beschneidung der Rechte aus § 243
AktG soll im Interesse der sich pflichtgemäß
verhaltenden Aktionäre und der öffentlichen
Ordnung die Rechtstreue gefördert und mittels
einer einschneidenden Sanktion auf die Erfül-
lung der Mitteilungspflicht aus § 20 Abs. 1
AktG hingewirkt werden. Hiergegen ist - bei
aller Schärfe der Maßnahme - zumindest im
Ausgangspunkt verfassungsrechtlich nichts zu
erinnern, da der Ausschluss der Anfechtungs-
befugnis geeignet ist, die Aktionäre zur Ab-
gabe der nach § 20 Abs. 1 AktG geschuldeten
Erklärungen anzuhalten und auch die Intensi-
tät des Eingriffes als grundsätzlich noch von
einer angemessenen Mittel-Zweck-Relation ge-
tragen erscheint (vgl. BVerfGE 76, 220 [238];
BVerfGE 92, 262 [273]).
(2) Haben - wie vorliegend - alle Aktionäre
gegen § 20 Abs. 1 AktG verstoßen, wäre ein
Ausschluss der Anfechtungsbefugnis aus § 243
Abs. 1 AktG jedoch unverhältnismäßig.
35
(2.1) Bei einem stimmlos gefassten Beschluss
können Belange der anderen Aktionäre eine Be-
schneidung der Anfechtungsbefugnis von vorn-
herein nicht rechtfertigen, da sich gleicher-
maßen
rechtswidrig
verhaltende
Aktionäre
nicht mittels eines Ausschlusses der Rechte
aus § 243 Abs. 1 AktG voreinander zu schützen
sind. Auch das aktienrechtliche Gleichbehand-
lungsgebot wäre durch eine Anfechtungsbefug-
nis in einer derartigen Situation nicht tan-
giert, da diese dann allen - sich gemeinsam
im Unrecht befindlichen - Aktionären zustün-
de.
(2.2) Der Senat sieht auch nicht Belange der
Aktiengesellschaft gefährdet, wenn bei Be-
schlussfassungen, an denen ausschließlich ge-
gen § 20 Abs. 1 AktG verstoßende Aktionäre
mitgewirkt haben, jedem Aktionär die Anfech-
tungsbefugnis eröffnet wird. Dies folgt schon
daraus, dass - wie nachstehend näher darge-
legt - allein hierdurch die Rechtswirkungen
stimmlos gefasster Beschlüsse beseitigt wer-
den können und solches zumindest tendenziell
im Interesse der Aktiengesellschaft liegt.
(2.3) Auch die durch § 20 Abs. 1 AktG ge-
schützten Interessen der Öffentlichkeit und
der Gläubiger der Aktiengesellschaft vermögen
zumindest unter den Besonderheiten der vor-
liegenden Fallgestaltung einen Ausschluss der
Anfechtungsbefugnis der Klägerin nicht zu be-
gründen.
(2.3.1) Der Senat verkennt dabei nicht, dass
mit einer der Klägerin eröffneten Anfech-
tungsbefugnis der mit § 20 Abs. 7 AktG ver-
bundene Druck etwas abgeschwächt wird.
36
Diese Verringerung der bei einem Verstoß ge-
gen § 20 Abs. 1 AktG drohenden Sanktion ist
aber sehr moderat, da das Ruhen sämtlicher
sonstiger Mitgliedschaftsrechte nicht berührt
wird und hierdurch ein sich gesetzwidrig ver-
haltender Aktionär weiterhin mit nachhaltigen
Maßnahmen belegt bzw. durch diese mittelbar
zu gesetzgemäßem Vorgehen angehalten wird.
Solches gilt umso mehr, als bei lebensnaher
Betrachtung ein Aktionär in aller Regel Ein-
griffe in seine prozessuale Anfechtungsbefug-
nis als weniger einschneidend empfinden wird,
als das - fortbestehende - Ruhen aller mate-
riellen Mitgliedschaftsrechte.
(2.3.2) Wären aber Belange der Öffentlichkeit
und der Gläubiger der Aktiengesellschaft von
einer Anfechtungsbefugnis in nur geringem Um-
fange betroffen, würde in die Eigentumsrechte
der Klägerin in unverhältnismäßiger Weise
eingegriffen, wenn dieser eine Anfechtungsbe-
fugnis auch bei einem allseitigen Verstoß ge-
gen § 20 Abs. 1 AktG versagt bliebe.
(2.3.2.1) Käme der Klägerin keine Anfech-
tungsbefugnis zu, wären die streitgegenständ-
lichen Hauptversammlungsbeschlüsse generell -
da es dann keinerlei Anfechtungsberechtigten
gäbe - einer gerichtlichen Überprüfung auf
Anfechtungsgründe
hin
entzogen.
Die
Be-
schlussfeststellung würde hierdurch mit defi-
nitiv konstitutiver Wirkung einen massiv in
die Eigentumsrechte der Klägerin eingreifen-
den Gestaltungsakt schaffen, für den objektiv
keine einzige Stimme abgegeben wäre.
(2.3.2.2) Solches wäre aber mit den - sich
als Ausfluss der Eigentumsgarantie darstel-
lenden - Grundprinzipien der aktienrechtli-
37
chen Kompetenzverteilung und dem unentziehba-
ren Kerngehalt eines aktienrechtlichen Mit-
gliedschaftsrechtes unvereinbar.
Zum einen würde dann ohne hinreichenden sach-
lichen Grund die Entscheidung über den Inhalt
von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht mehr
den Aktionären der Beklagten überantwortet,
sondern endgültig in die Hand des Versamm-
lungsleiters gelegt. Zum anderen wären die
hiermit einhergehenden Eingriffe in die ver-
fassungsrechtlich
geschützten
Belange
der
Klägerin derart massiv, dass sie von der
Rechtsordnung in Anbetracht des recht gerin-
gen öffentlichen Interesses an einer Be-
schneidung der Anfechtungsbefugnis nicht mehr
hingenommen werden könnten.
II.
Der
auf
der
außerordentlichen
Hauptversammlung
vom
30.09.2003 nach der Feststellung des Versammlungsleiters ge-
fasste Kapitalerhöhungsbeschluss kann von der Klägerin nicht
zusätzlich wegen eines Einberufungsmangels angefochten wer-
den.
1. Allerdings ist der Beschluss unter massiver Rechtsver-
letzung zu Stande gekommen, da weder die der Beschluss-
fassung zu Grunde liegende Tagesordnung den Erfordernis-
sen von § 124 Abs. 1 AktG gemäß bekannt gemacht worden
noch die für eine Satzungsänderung notwendige Form des
§ 124 Abs. 2 Satz 2 AktG gewahrt - und damit jede Be-
schlussfassung gemäß § 124 Abs. 4 AktG untersagt - war.
Offenkundig lagen auch die Voraussetzungen einer Voll-
versammlung gemäß § 121 Abs. 6 AktG nicht vor, da der
für die Klägerin auftretende Rechtsanwalt Schulte einer
Beschussfassung widersprochen hatte.
38
2. Auf diese Mängel - die nicht zur Nichtigkeit führen
(vgl. Kubis, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl.,
§ 124 Rn. 64 m.w.N.; Werner, in: Großkommentar AktG,
4. Aufl., § 124 Rn. 8) - kann die Klägerin aber die An-
fechtungsklage nicht stützen, da ihr insoweit im Hin-
blick auf § 20 Abs. 7 AktG die Anfechtungsbefugnis
fehlt.
Die
dargelegte
restriktive
Interpretation
von
§ 20
Abs. 7
AktG
(vgl. oben B.I.2.b))
bezieht
sich
aus-
schließlich auf die den Beschlussfassungen wegen der
Stimmlosigkeit anhaftenden Mängel, nicht aber auf sons-
tige Verfahrensfehler. Insoweit hat es dabei zu verblei-
ben, dass die Mitgliedschaftsrechte der Klägerin am
30.09.2003 objektiv geruht haben und sie damit eine An-
fechtungsbefugnis nicht auf die Verletzung von Teilha-
berechten stützen kann.
C.
Die Kostenentscheidung folgt für das Berufungsverfahren aus
§ 91 Abs. 1 ZPO und für den erstinstanzlichen Rechtsstreit -
wegen des im Rechtsmittelzug nicht weiterverfolgten Antrags
auf Beschlussfeststellung - aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit er-
gibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
39
D.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da
zumindest die Rechtswirkungen eines stimmlos gefassten Be-
schlusses und die Anfechtungsbefugnis eines die Mitteilungs-
pflicht aus § 20 Abs. 1 Satz 1 AktG verletzenden Aktionärs
grundsätzliche Bedeutung haben.
Hagenloch Bokern
Richterin am Landgericht Dr. Schönknecht ist an
der Unterzeichnung gehindert, da ihre Abordnung an
das Oberlandesgericht Dresden mit Ablauf des 31.12.2004
geendet hat. Richterin am Landgericht Dr. Schönknecht
hat an der Beratung - ausgenommen jene über die
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung
(oben B.I.1.b)bb)(3)) - teilgenommen.
Hagenloch