Urteil des OLG Dresden vom 06.02.2007

OLG Dresden: anhörung, gebühr, erfüllung, einzelrichter, einwilligung, vergütung, verfügung, besitz, auslieferungshaft, republik

Leitsatz:
Dem im Auslieferungsverfahren nach § 40 ABs. 2 IRG bestellten Beistand steht
für die Teilnahme an der Anhörung des Verfolgten (§28 IRG) keine
Terminsgebühr nach Nr. 6101 VV RVG zu. Die Anhörung stellt keine Verhandlung
im Sinne der Nr. 6101 VV RVG dar.
2
Oberlandesgericht
Dresden
2. Strafsenat
Aktenzeichen: OLG 33 Ausl 84/06
Beschluss
vom 06. Februar 2007
In der Auslieferungssache gegen den marokkanischen
Staatsangehörigen
,
geboren am ,
derzeit in der Justizvollzugsanstalt
Beistand: Rechtsanwältin ,
wegen Beteiligung am Besitz von Betäubungsmitteln in
erheblicher Menge
hier:
Erinnerung des Beistandes
3
Die
Erinnerung
von
Rechtsanwältin
vom
29. Januar 2007 gegen die Vergütungsfestsetzung
durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des
Oberlandesgerichts Dresden vom 18. Januar 2007
wird als unbegründet zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Der Senat hatte gegen den Verfolgten am 15. Januar 2007
aufgrund
eines
Europäischen
Haftbefehls
die
Auslieferungshaft
zum
Zwecke
der
Auslieferung
an
die
Italienische
Republik
angeordnet.
In
dem
Auslieferungsverfahren war Rechtsanwältin durch Verfügung
des Senatsvorsitzenden vom 16. Oktober 2006 gemäß § 40
Abs. 2
IRG
zum
Pflichtbeistand
bestellt
worden.
Rechtsanwältin
hatte
den
Verfolgten
nach
vorheriger
Genehmigung in der Justizvollzugsanstalt Dresden besucht
und mit ihm das weitere Vorgehen besprochen. Sodann hatte
sie am 03. Januar 2007 an der gemäß § 28 IRG durchgeführten
Anhörung des Verfolgten vor dem Ermittlungsrichter des
Amtsgerichts
Dresden
teilgenommen.
In
dieser
Anhörung
erklärte
sich
der
Verfolgte
mit
seiner
vereinfachten
Auslieferung einverstanden.
Am
04. Januar 2007
beantragte
Rechtsanwältin
die
Festsetzung der entstandenen Gebühren und Auslagen. Dabei
machte sie eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 6100 VV RVG in
Höhe von 264,00 EUR und eine Terminsgebühr gemäß Nr. 6101
VV RVG in Höhe von 356,00 EUR geltend.
Am
18. Januar 2007
hat
der
Urkundsbeamte
der
Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts Dresden von der an
Rechtsanwältin zu zahlenden Vergütung die geltend gemachte
Terminsgebühr
abgesetzt.
Der
Gebührentatbestand
gemäß
Nr. 6101
VV
RVG
erfasse
eine
Terminsgebühr
je
Verhandlungstag
nach
§§ 30 ff.
IRG.
Für
die
bloße
Mitwirkung bei einer Vernehmung außerhalb der mündlichen
Verhandlung oder bei einer anderen Beweiserhebung vor dem
4
beauftragten
oder
ersuchten
Richter
außerhalb
der
mündlichen Verhandlung des Spruchgerichts entstehe keine
Gebühr.
Dagegen richtet sich Rechtsanwältin mit der Erinnerung. Es
habe
sich
nicht
um
eine
bloße
Mitwirkung
an
einer
Vernehmung außerhalb der mündlichen Verhandlung gehandelt,
sondern um ein Auslieferungsverfahren, das von besonderer
Kompliziertheit gekennzeichnet gewesen sei. Der Anhörung
vor
der
Ermittlungsrichterin
sei
noch
eine
besondere
Besprechung mit dem Verfolgten in der Justizvollzugsanstalt
vorausgegangen. Hier habe dem Betroffenen erläutert werden
müssen,
welche
Rechtsfolgen
für
ihn
bei
einer
entsprechenden Entscheidung in Betracht kämen, wenn er
seine Einwilligung zur Auslieferung gäbe. Dieses Verfahren
sei
mit
einer
Mitwirkung
an
einer
Vernehmung
nicht
vergleichbar.
Der Urkundsbeamte hat der Erinnerung nicht abgeholfen und
die Sache dem Senat vorgelegt.
II.
Über die gemäß § 56 Abs. 1 RVG zulässige Erinnerung
entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Richtern,
nachdem
der
Einzelrichter
die
Sache
wegen
ihrer
grundsätzlichen Bedeutung mit Beschluss vom heutigen Tag
dem Senat übertragen hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8
Satz 2 RVG).
Die Erinnerung erweist sich als unbegründet.
Rechtsanwältin kann für die Teilnahme an der Anhörung vor
dem Ermittlungsrichter am 03. Januar 2007 keine Gebühr
gemäß Nr. 6101 VV RVG beanspruchen. Die Gebühr gemäß
Nr. 6101
VV
RVG
ist
eine
Terminsgebühr,
die
"je Verhandlungstag" entsteht. Darunter ist die Teilnahme
an der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht
5
gemäß § 33 Abs. 3, 31 IRG zu verstehen (Hanseatisches
Oberlandesgericht Hamburg AGS 2006, 290; OLG Hamm StraFO
2006, 259).
Die Teilnahme des Beistandes an der Anhörung gemäß § 28 IRG
reicht
demgegenüber
nicht
zur
Erfüllung
des
Gebührentatbestandes der Nr. 6101 VV RVG aus. Die Anhörung
gemäß
§ 28
IRG
in
einem
Auslieferungsverfahren
im
Verhältnis zu einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union
ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass der anhörende
Richter verschiedenen Belehrungspflichten nachzukommen hat
(§§ 28 Abs. 2 Satz 2; 41 Abs. 4; 79 Abs. 2 Satz 4 IRG).
Nach diesen Belehrungen gibt der Verfolgte Erklärungen ab,
die
wegen
ihrer
Unwiderruflichkeit
weitreichende
Rechtsfolgen
für
ihn
haben
können.
Insoweit
ist
Rechtsanwältin
darin
zuzustimmen,
dass
deshalb
eine
besondere Besprechung mit dem Betroffenen notwendig war.
Gleichwohl wurde in dem Anhörungstermin nicht verhandelt;
es bestand aus Rechtsgründen auch kein Verhandlungsbedarf.
Denn
eine
Prüfung
des
Tatverdachts
ist
im
Auslieferungsrecht grundsätzlich nicht vorgesehen; es wird
nur eine formelle Prüfung vorgenommen.
Die Teilnahme an dem Anhörungstermin im Zusammenhang mit
der damit vorhergehenden Besprechung könnte deshalb nur bei
der Prüfung der Frage von Bedeutung sein, ob dem Beistand
eine
Pauschgebühr
gemäß
§ 51
Abs. 1
RVG
wegen
des
besonderen Umfangs zuzuerkennen sein müsste. Eine solche
Pauschgebühr erschiene dem Senat in Höhe einer weiteren
Verfahrensgebühr gemäß Nr. 6100 VV RVG angemessen.
III.
Eine Entscheidung über die Kosten ist gemäß § 56 Abs. 2
Satz 2 und 3 RVG nicht veranlasst.
Drath
Schüddekopf
Gorial