Urteil des OLG Celle vom 28.09.2000

OLG Celle: treu und glauben, eigentum, rückübertragung, verpachtung, rückgabe, eingriffskondiktion, pachtzins, vermietung, eigentümer, pachtvertrag

Gericht:
OLG Celle, 11. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 11 U 244/99
Datum:
28.09.2000
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 812, VermG § 6 Abs 6, VermG § 7 Abs 7
Leitsatz:
Zur Frage, ob der Pachtzins aus den Jahren 1991 bis 1994 einem Eigentümer als
Rückübertragungsempfänger hinsichtlich solcher Flächen verbleiben kann, an denen das Eigentum
mit Bescheid aus 1991 ihm zwar übertragen werden sollte, dies jedoch mangels hinreichender
Bestimmtheit der Flächenbezeichnungen nicht gelungen ist, so dass die endgültige Rückübertragung
erst durch einen zweiten Bescheid 1994 erfolgte, wenn der erste Bescheid aber bereits die Anordnung
enthielt, dass der Rückübertragungsempfänger die Gefahren aus dem Eigentum tragen sollte und die
Parteien dies auch so gehandhabt haben.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
Im Namen des Volkes
Urteil
11 U 244/99
6 O 928/99 LG Hannover Verkündet am
28. September 2000
#######
Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
#######die Richterin am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Amtsgericht ####### auf die mündliche
Verhandlung vom 7. September 2000 für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom
25. August 1999 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Klägerin beträgt 43.713,85 DM.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat Erfolg.
I.
Die Parteien streiten um die Frage, ob der Pachtzins aus den Jahren 1991 bis 1994 dem Beklagten als
Rückübertragungsempfänger hinsichtlich solcher Flächen verbleiben kann, an denen das Eigentum mit Bescheid
vom 29. Mai 1991 ihm zwar übertragen werden sollte, dies jedoch mangels hinreichender Bestimmtheit der
Flächenbezeichnungen nicht gelungen ist, so dass die endgültige Rückübertragung erst durch einen zweiten
Bescheid vom 16. September 1994 erfolgte, wenn der erste Bescheid aber bereits die Anordnung enthielt, dass der
Rückübertragungsempfänger die Gefahren aus dem Eigentum tragen sollte und die Parteien dies auch so
gehandhabt haben.
Der zum damaligen Zeitpunkt verfügungsberechtigten Klägerin steht der vom Landgericht bejahte Anspruch aus §
812 BGB nicht zu.
II.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass für den Anspruch der Zivilrechtsweg gegeben und dass die
Klägerin aktivlegitimiert ist.
Ob für einen Anspruch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet ist, richtet sich danach, ob er nicht den
Verwaltungsgerichten zugewiesen ist. Daran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin leitet ihren Anspruch aus dem
Bereicherungsrecht her. Für derartige Ansprüche besteht grundsätzlich keine Zuweisung zu den
Verwaltungsgerichten, auch dann nicht, wenn sie sich daraus ergeben sollten, dass - wie hier - die Behörde ihren
Anspruch darauf stützt, dass ein Verwaltungsakt unwirksam gewesen sei. Ob dies der Fall war, stellt sich als
öffentlichrechtliche Vorfrage dar, über die das Zivilgericht selbst zu befinden hat, wenn es denn - anders als, wie
unten noch dargestellt werden wird, im Streitfall - darauf ankommt. Dass die Behandlung des Streitfalls vor die
Zivilgerichte gehört, dafür spricht indiziell auch, dass im umgekehrten Verhältnis, nämlich in den Fällen, in denen der
Rückgabeberechtigte von der Klägerin die Herausgabe gezogener Nutzungen verlangt, die Streitigkeiten dem
Zivilrechtsweg zugeordnet worden sind (vgl. BGH NJW 99, 2116).
III.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die unberechtigte Verpachtung/Vermietung eines
Gegenstandes einen Fall der Eingriffskondiktion darstellen kann (Palandt/Thomas, § 812 Rdn. 34). Ob dies auch
hinsichtlich des erhaltenen/eingezogenen Pachtzinses gelten kann, die der „nichtberechtigte Verpächter“ durch
Leistung erlangt hat, oder ob diese Ansprüche wegen des Vorranges der Leistungskondiktion ausgeschlossen sind,
kann hier dahinstehen, weil es an einer anderen Anspruchsvoraussetzung fehlt.
1. Ein Anspruch aufgrund einer Eingriffskondiktion setzt stets voraus, dass sich die Handlung des
Bereicherungsschuldners als Eingriff in den Zuweisungsgehalt fremden Rechts darstellt.
Daran fehlt es - anders als typischerweise in den Fällen einer Vermietung/Verpachtung fremden Eigentums - im
Streitfall.
Zwar war der Klägerin durch das Vermögensgesetz eine eigentumsähnliche Stellung zugefallen. Nicht verkannt
werden darf dabei aber, dass die Klägerin das Eigentum gleichsam treuhänderisch für den Rückgabeberechtigten zu
verwalten hatte. Hieraus ergeben sich Einschränkungen hinsichtlich der Rechtsstellung der Klägerin, die
beispielsweise auch dazu führen, dass die Klägerin im Falle einer vorläufigen Besitzeinweisung des
Rückgabeberechtigten die Nutzungen nicht ziehen darf
(§ 6 a VermögenG). Diesem Fall ist der Streitfall vergleichbar, denn im Erstbescheid war angeordnet, dass der
Beklagte mit der Rückübertragung (d.h. mit der Besitzänderung) in alle in Bezug auf den Vermögenswert
bestehenden Rechtsverhältnisse eintrete, d.h. auch die Gefahren auf den Beklagten übergingen. Hiergegen kann die
Klägerin auch nicht mit Erfolg vorbringen, dass § 6 a VermögensG nur auf Unternehmensrückübertragung anwendbar
sei, die hier nicht möglich war, weil der landwirtschaftliche Betrieb nicht mehr existierte. § 6 a VermögensG nimmt
auch die Fälle des § 6 Abs. 6 VermögensG nicht aus, zu denen derjenige des Beklagten gehörte, in denen bei
Unmöglichkeit der Betriebsrückgabe immerhin die Rückgabe der restlichen Teile noch verlangt werden kann. Gegen
die Anwendung dieses Rechtsgedankens spricht auch nicht, dass ein förmlicher Beschluß über die vorläufige
Einweisung hier nicht getroffen wurde, denn die Kommentierung zu § 6 a VermögensG spricht die Möglichkeit einer
gütlichen Einigung ohne förmlichen Bescheid als denkbar und häufig praktiziert an. Einem solchen Fall steht der
Streitfall gleich, in dem dem Beklagten die Flächen im Einvernehmen bereits 1991 rücküberlassen wurden, wovon
die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin auch zeitnah erfuhr, wie sich aus Blatt 2, 5. Absatz des späteren
Bescheides aus dem Jahr 1994 ersehen läßt.
Demgegenüber besagt § 7 Abs. 7 des VermögensG für den Streitfall nichts, denn aus dieser Vorschrift ergibt sich
nur, dass der Klägerin die Nutzungen in solchen Fällen bis 30.6.1994 verbleiben sollen, in denen es bis dahin nicht,
wohl aber später zu einer Rückgabe an den Rückgabeberechtigten gekommen ist. So liegt der Fall hier jedoch nicht,
da die tatsächliche Rückgabe an den Beklagten bereits viel früher erfolgt war, wie sich unschwer schon daraus
ersehen läßt, dass der Beklagte seine Pflichten aus dem Pachtvertrag mit seinem Pächter offenbar erfüllen konnte,
sonst würde er den hier streitgegenständlichen Pachtzins nicht erhalten haben.
Da mithin dem Beklagten von 1991 bis 1994 im streitgegenständlichen Zeitraum der unmittelbare Besitz an den
Flächen und Gebäuden übertragen war, oblag ihm deren Unterhaltung und Nutzung, folglich hatte er auch für deren
Werterhaltung Sorge zu tragen. Ob er dies durch Verpachtung oder eigene Bewirtschaftung tat, oblag ihm. Es
besteht kein Zweifel, dass, hätte er die Flächen selbst bestellt, ihm die erzielten Erlöse hätten verbleiben müssen.
Nichts anderes aber kann gelten, nachdem er die Flächen durch einen Pächter hat bestellen lassen. Einen Eingriff in
den Zuweisungsgehalt des treuhänderisch von der Klägerin wahrzunehmenden Rechts stellt die Gestattung der
Fremdbearbeitung der Flächen gegen Entgelt durch den Beklagten nicht dar.
2. Nichts für die Klägerin Günstigeres ergibt sich daraus, dass der Beklagte den Pachtvertrag bereits im März 1991
geschlossen hat. Zu diesem Zeitpunkt stand dem Beklagten zwar auch der Erstbescheid noch nicht zur Seite. Die
Verpachtung erfolgte aber, jedenfalls hinsichtlich der hier geltend gemachten Pachten, erst ab 1. Oktober 1991, also
ab einem Zeitpunkt, in dem der Beklagte dem Erstbescheide zufolge wieder Eigentümer hatte sein sollen, also für
einen Zeitraum, in dem er Berechtigter hatte werden sollen. Folglich steht der Klägerin auch nicht anteilig für einen
vorzeitigen Verpachtungsbeginn ein Anspruch auf Auskehr des Entgelts zu.
3. Angesichts des Vorstehenden kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch der Klägerin aus § 812 BGB
(Eingriffskondiktion) auch daran scheitert, dass der Beklagte nichts auf Kosten der Klägerin erlangt hat. Die Klägerin
hat nämlich nichts dazu vorgetragen, dass sie während der Zeit von 1991 bis 1994 Bemühungen irgendeiner Art
angestellt hat, um selbst Nutzungen aus den in Rede stehenden Flächen zu ziehen. Nur solche von der Klägerin
unternommenen eigenen Bemühungen, die sie lediglich deshalb nicht durchführen konnte, weil der Beklagte bereits
eine Nutzung in die Wege geleitet hatte, könnten es nämlich rechtfertigen, den Beklagten als auf Kosten der Klägerin
bereichert anzusehen.
4. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, dass die Klägerin auch aus Treu und Glauben gehindert wäre, die
Herausgabe der Pachten zu verlangen. Nachdem die Gefahren und Risiken aus den Grundstücken mit dem
Erstbescheid bereits auf den Beklagten überwälzt waren, wogegen die Klägerin nicht zeitnah vorgegangen war,
erscheint es geboten, die Nutzungen demjenigen zu belassen, der die Risiken aus dem Grundstück zu tragen hatte.
IV.
Der Senat hat erwogen, ob die Revision im Streitfall zuzulassen war. Er hat hiervon jedoch abgesehen, weil sich die
Rechtsfragen, die sich aus dem Vermögensgesetz ergeben, in den kommenden Jahren zunehmend erledigen
werden.
Zudem ist der Streitfall von Besonderheiten geprägt, die ihn als Einzelfall erscheinen lassen, nämlich durch die
Tatsache, dass bereits 1991 die Rückübertragung der Grundstücke versucht worden war, letztlich aber wegen deren
unzureichender Bezeichnung und wegen der unzutreffenden Bezeichnung der dort gewollten Rückübertragung als
Rückgabe des „Betriebes“, nicht vollzogen werden konnte. Es spricht nichts dafür, dass sich derartige
Besonderheiten in einer Vielzahl von Fällen wiederholt haben könnten.
V.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 a ZPO hinsichtlich der Kosten und auf § 708 Nr. 10 ZPO,
§ 713 ZPO hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit.
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