Urteil des OLG Celle vom 10.01.2011

OLG Celle: datenträger, sparkasse, einzelrichter, rom, entschädigung, verfahrensmangel, durchsuchung, form, strafrecht, beschwerdeinstanz

Gericht:
OLG Celle, 02. Strafsenat
Typ, AZ:
Beschluss, 2 Ws 421/10
Datum:
10.01.2011
Sachgebiet:
Normen:
JVEG § 7 Abs 3
Leitsatz:
Werden gemäß § 7 Abs. 3 JVEG elektronisch gespeicherte Dateien anstelle von Ablichtungen und
Ausdrucken überlassen, führt dies nicht dazu, dass kleinere Datenmengen, die als eine Ablichtung
oder ein Ausdruck herausgegeben werden könnten, mit 2,50 € statt mit lediglich 0,50 bzw. 0,15 €
abgegolten werden. Die Herausgabe von kleinen Datenmengen (hier: Kontoauszüge) in einer Vielzahl
von Einzeldateien führt nicht zu einer Entschädigungspflicht hinsichtlich jeder einzelnen Datei, wenn
sich die Daten in einer Datei (hier: Kontoübersicht) zusammenfassen lassen.
Volltext:
Oberlandesgericht Celle
2 Ws 421/10
4 OH 12/10 LG Lüneburg
B e s c h l u s s
In dem Ermittlungsverfahren
gegen A. H. C. G.,
geboren am xxxxxxxxx 1972,
wohnhaft A. S., S.,
wegen Verdachts der Hinterziehung von Einkommenssteuer u. a.
hier: Beschwerde der H. Sparkasse wegen Kostenfestsetzung
Nebenbeteiligte: H. Sparkasse AG, H.,
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht
xxxxxxxxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxxxxxxxxx und den Richter am Landgericht xxxxx zu Ziffer 1.
durch Richter am Landgericht xxxxx als Einzelrichter auf die Beschwerde der H. Sparkasse AG gegen den
Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 13. Oktober 2010 am 10. Januar
2011 beschlossen:
1. Das Verfahren wird gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG zur Entscheidung auf den Senat übertragen, weil die Sache
grundsätzliche Bedeutung hat.
2. Die Beschwerde wird verworfen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden
nicht erstattet.
G r ü n d e :
I.
Auf Antrag des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen in L. ordnete das Amtsgericht Lüneburg mit Beschluss
vom 29.12.2008 die Durchsuchung der Geschäftsräume der H. Sparkasse AG (H.) als Drittbeteiligte an. Auf
Grundlage dieses Beschlusses forderte das Finanzamt die H. zur Abwendung einer Durchsuchung auf, die
Kontobuchungen für vier Girokonten, zwei Sparkonten, zwei Darlehenskonten und ein Wertpapierdepot mitzuteilen.
Es wurde gebeten, die Kontobuchungen in maschinell auswertbarer Form auf einem Dateiträger herauszugeben.
Mit Erteilung der Auskünfte am 20.04.2009 stellte die H. 34,00 € für zwei Arbeitsstunden, 2,00 € für die Überlassung
von vier Kopien und 757,50 € für die Übersendung von 303 Dateien, insgesamt 793,50 €, in Rechnung. Dabei hatte
die H. hinsichtlich der vier Giro und zwei Sparkonten die in ihrem EDV System als einzelne pdf Dateien
gespeicherten Kontoauszüge einzeln als pdf Datei auf einer CD Rom gespeichert und diese CD Rom dem Finanzamt
überlassen.
Unter dem 01.12.2009 setzte das Finanzamt die zu erstattenden Auslagen auf insgesamt 68,50 € fest und brachte
hierbei neben den geltend gemachten Auslagen für Kopien und Arbeitsstunden 32,50 € für die überlassenen
Kontodaten in Ansatz. Hierbei ging das Finanzamt davon aus, dass für die Überlassung von elektronisch
gespeicherten Daten maximal 2,50 € pro Kalenderjahr und Konto zu erstatten seien. Dies ergebe bei drei Girokonten
für je drei Jahre, einem Girokonto für zwei Jahre und für die zwei Sparkonten insgesamt 13 Dateien.
Mit Antrag vom 01.02.2010 beantragte die H. beim Landgericht Lüneburg die gerichtliche Festsetzung der von ihr
geltend gemachten Restsumme in Höhe von 725,00 €.
Mit Beschluss vom 13.10.2010 setzte der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg die
Zeugenentschädigung auf 68,50 € fest. Gemäß § 7 JVEG seien nur notwendige Auslagen zu ersetzen. Nach § 7
Abs. 3 JVEG würde für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien ein Betrag von 2,50 € je Datei
ersetzt. Dabei dürfte der entschädigungsberechtigte Zeuge seine Auskunftspflicht nicht auf beliebig viele Dateien
aufsplitten, vielmehr sei er angehalten, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Es sei ihm deshalb zuzumuten,
seine Auskunft über die jeweiligen Daten für ein Konto und ein Kalenderjahr auf jeweils einer einzigen Datei zu
sammeln, um damit seine Auskunft zu erteilen.
Gegen diesen Beschluss legte die H. Beschwerde ein und beantragt, ihr eine weitere Entschädigung in Höhe von
725,00 € zuzusprechen. Zur Begründung trägt sie u. a. vor, es sei nicht zu einer Aufsplittung von Dateien aus einem
einzigen Datensatz gekommen. Vielmehr seien die einzelnen Kontoauszüge als gesonderte Datei in ihrem EDV
System gespeichert und müssten entsprechend einzeln markiert und aufgerufen werden. Im Anschluss könnten sie
als nacherstellter Kontoauszug ausgedruckt oder auf einem anderen Datenträger gespeichert werden. Erst danach
könne der nächste Kontoauszug, wieder als gesonderte pdfDatei, aufgerufen werden. Daraus werde deutlich, dass
für jeden Kontoauszug eine gesonderte pdf Datei erstellen werden müsse. Dementsprechend seien die einzelnen pdf
Dateien auf eine CD Rom übertragen und dem Finanzamt überlassen worden. Keineswegs seien die Auskünfte
willkürlich auf beliebig viele Dateien aufgesplittet worden.
Der Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zwar zulässig (§ 4 Abs. 3 JVEG), aber unbegründet.
1. Der Strafsenat war in der Sache zur Entscheidung über die Beschwerde berufen. Dem steht nicht entgegen, dass
die angefochtene Entscheidung von dem Einzelrichter der 4. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg erlassen
wurde.
Ist die Finanzbehörde selbst als Strafverfolgungsbehörde tätig und hat diese einen Auskunftspflichtigen
herangezogen, so ist das bei der Staatsanwaltschaft bestehende Landgericht für die gerichtliche Feststellung der
Entschädigung des Dritten (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 JVEG) zuständig (vgl. Hagen Schneider, JVEG, § 4 Rdnr. 25), hier also
das Landgericht Lüneburg. Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Lüneburg für das Geschäftsjahr 2010
sieht keine Regelung über die Zuständigkeit für die Festsetzung von Auslagen nach dem JVEG vor. Es handelt sich
danach um eine nicht verteilte (Straf )Sache, für die jedenfalls nicht die 4. Zivilkammer des Landgerichts zur
Entscheidung berufen war. Nach Ziffer II. A. 1. des Geschäftsverteilungsplans für das Jahr 2010 des Landgerichts
Lüneburg sind für Strafsachen aus dem Landgerichtsbezirk ausschließlich die Strafkammern zuständig. Da es sich
um eine Strafsache handelt, ist in der Beschwerdeinstanz die Zuständigkeit des Strafsenates gegeben.
Der Senat hatte auch in der Sache zu entscheiden. Die Zurückverweisung einer Sache an das Ausgangsgericht ist
nach dem Gesetzeswortlaut von § 309 StPO grundsätzlich nicht vorgesehen und deshalb nur in wenigen
Ausnahmefällen zulässig (vgl. dazu Meyer Goßner, StPO, 53. Aufl., § 309 Rdnr. 7 m. w. N.). Auch die
Unzuständigkeit des Ausgangsgerichts oder ein Verstoß gegen die geschäftsplanmäßige Zuständigkeit führt nicht -
ohne weiteres zu einer Zurückverweisung (vgl. Meyer Goßner, a. a. O., § 309 Rdnr. 6 m. w. N.). Die
Zurückverweisung kommt vielmehr (nur) in Betracht, wenn ein Verfahrensmangel vorliegt, den das
Beschwerdegericht nicht selbst beheben kann (Meyer Goßner, a. a. O., § 309 Rdnr. 8).
Ein solcher unbehebbarer Verfahrensmangel liegt hier nicht vor. Das Beschwerdegericht, der Strafsenat, tritt im
Beschwerdeverfahren vollumfänglich an die
Stelle des zur Entscheidung berufenen Ausgangsgerichts und entscheidet in der Sache selbst (vgl. hierzu KK
Engelhardt, 6. Aufl., § 309 Rdnr. 7). Dadurch werden Verfahrensfehler im erstinstanzlichen Verfahren
gegenstandslos.
2. Der Beschwerdeführerin steht nach Einführung des JVEG eine gesetzlich normierte Entschädigung für ihre
Heranziehung durch die Strafverfolgungsbehörden, hier Finanzbehörde, zu. Herangezogene Dritte werden nach § 1
Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 JVEG i. V. m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 JVEG grundsätzlich wie Zeugen entschädigt. Bedient
sich ein Dritter wie es bei herangezogenen Kreditinstituten regelmäßig der Fall ist eines Arbeitnehmers, so werden
ihm nach § 23 Abs. 2 JVEG seine Aufwendungen (§ 7 JVEG) im Rahmen von § 22 JVEG unter entsprechender
Anwendung von § 19 Abs. 2 und 3 JVEG ersetzt.
Danach war die Berücksichtigung von zwei Arbeitsstunden durch den angefochtenen Beschluss sachgerecht.
Gleiches gilt für die Geltendmachung von vier Kopien gemäß § 7 Abs. 2 JVEG und es gilt ebenso im Hinblick auf die
Höhe der festgesetzten Auslagen für die Kontounterlagen auf dem Datenträger.
Gemäß § 7 Abs. 3 JVEG werden für die Überlassung von elektronisch gespeicherten Dateien anstelle der in Absatz
2 genannten Ablichtungen und Ausdrucke 2,50 € je Datei ersetzt. Zwar hat der Gesetzgeber im JVEG ausdrücklich
keine Regelung zu Größe oder Art einer Datei getroffen. Auch in den Gesetzgebungsmaterialien findet sich dazu
nichts. Allerdings ist, wie im gesamten Kostenrecht, die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers zu
berücksichtigen, die Kosten so gering wie möglich zu halten. Das gesamte Kostenrecht wird durch das
Kostenminimierungsgebot geprägt, das auch in § 7 JVEG Ausdruck findet. Denn nach § 7 Abs. 1 JVEG werden
Auslagen nur ersetzt, soweit sie notwendig sind. Im Zusammenhang mit dem Wortlaut von § 7 Abs. 3 JVEG, dass
Dateien anstelle von Ablichtungen überlassen werden können, ergibt sich nach Sinn und Zweck dieser Regelung,
dass durch die Überlassung von Dateien jedenfalls keine höheren Kosten entstehen sollen als durch die alternative
Überlassung von Ablichtungen oder Ausdrucken. Bereits aus dem Vergleich der für die Überlassung von
Ablichtungen oder Ausdrucken und der für eine Datei anzusetzenden Auslagen ist erkennbar, dass es nicht die
Absicht des Gesetzgebers war, mit dieser Regelung kleinere ´Datenmengen´, die als eine Ablichtung oder ein
Ausdruck herausgegeben werden könnten, mit 2,50 € statt mit lediglich 0,50 bzw. 0,15 € abzugelten. Der Hintergrund
dieser Regelung besteht offenbar in der Möglichkeit, eine Vielzahl von Informationen auf einem Datenträger
zusammenzufassen und dadurch umfangreiche Ablichtungen bzw. Ausdrucke zu vermeiden.
Der Beschwerdeführerin sind vor diesem Hintergrund für die Überlassung der Dateien Auslagen nicht in dem von ihr
geltend gemachten Umfang zu erstatten, sondern nur im notwendigen Umfang. Notwendig aber war bereits nicht die
Auskunftserteilung durch die Mitteilung der Kontoauszüge. Wie die Beschwerdeführerin selbst vorträgt, war sie
gehalten, „Kontobuchungen in maschinell auswertbarer Form … auf einem Datenträger herauszugeben“. Dafür
reichte ersichtlich eine Kontenübersicht, aus der sich auch die einzelnen Buchungen ergaben, aus. Keineswegs war
es „notwendig“, dafür sämtliche Kontoauszüge als einzelne Datei auf einen Datenträger zu speichern, für
Ermittlungszwecke war eine Gesamtübersicht ausreichend und zudem wegen ihrer besseren Übersichtlichkeit für die
Ermittlungsbehörden auch besser handhabbar. Wenn die Beschwerdeführerin gleichwohl Kontoauszüge erstellte, die
anders als eine Kontoübersicht in zahlreichen Dateien abgelegt werden muss, kann sie dafür jedenfalls keine höhere
Zeugenentschädigung beanspruchen als sie im Falle sachgerechter Bearbeitung entstanden wäre.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.
xxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxxxx