Urteil des OLG Brandenburg vom 23.02.2010

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 Wx 19/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 88 InsO, § 312 Abs 1 S 3 InsO,
§ 87 ZPO, § 868 ZPO, § 1179a
Abs 1 S 3 BGB
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1) wird das Grundbuchamt unter Aufhebung
seines Beschlusses vom 23. Februar 2010 und seiner Zwischenverfügung vom 9.
Februar 2010 angewiesen, über den Antrag der Beteiligten vom 1. Februar 2010 unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu entscheiden.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: 2.305,03 €
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1) ist Treuhänderin über das Vermögen der C… N… (nachfolgend
Schuldnerin genant). Die Schuldnerin hatte mit Eingang 16.07.2009 beim Amtsgericht
Frankfurt (Oder) die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen beantragt. Mit
Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) - Aktenzeichen 3 IK 772/09 - vom
30.07.2009 ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Zugleich ist mit diesem
Beschluss die Beteiligte zu 1) als Treuhänderin bestellt worden.
Die Schuldnerin ist im Gebäudegrundbuch von W… Blatt 385 in Abteilung I neben N…
N… unter der laufenden Nummer 1.2 der Eintragungen als Eigentümer mit einem ½
Miteigentumsanteil - neben N… N… zu ebenfalls ½ Miteigentumsanteil eingetragen.
Zudem sind die Schuldnerin und N… N… zu je ½ Miteigentumsanteil im
Grundstücksgrundbuch von W… Blatt 296, Flur 1, Flurstück 269/1 eingetragen.
Im Gebäudegrundbuch von W… Blatt 385 ist in Abteilung III unter der laufenden Nummer
14 der Eintragungen nur lastend auf dem Anteil Abteilung I Nummer 1.2 – also dem
Miteigentumsanteil der Schuldnerin - eine Zwangssicherungshypothek über 748,81 €
nebst Zinsen eingetragen; Mithaft im Grundstücksgrundbuch W… Blatt 296. Unter der
laufenden Nummer 15 der Eintragungen in Abteilung III ist nur lastend auf dem Anteil
Abteilung I Nr. 1.2 eine Zwangssicherungshypothek über 1.520,22 € nebst Zinsen
eingetragen, Mithaft im Grundstücksgrundbuch W… Blatt 296. Die Eintragung der beiden
vorgenannten Zwangssicherungshypotheken im Grundbuch erfolgte jeweils am
05.06.2009.
Die Beteiligte zu 1) hat mit am 01.02.2010 beim Grundbuchamt eingegangenen
Schriftsatz vom 28.01.2010 als Treuhänderin über das Vermögen der Schuldnerin im
Wege der Grundbuchberichtigung die Löschung der im Gebäudegrundbuch von W… Blatt
385 in der Abteilung III zu den laufenden Nummern 14 und 15 eingetragenen
Zwangssicherungshypotheken zugunsten von Rechtsanwältin H… H…, …, in Höhe von
884,81 € nebst Zinsen (laufende Nummer 14) und in Höhe von 1.520,22 € nebst Zinsen
(laufende Nummer 15) beantragt.
Das Grundbuchamt hat unter dem 09.02.2010 eine Zwischenverfügung erlassen. Der
beantragten Eintragung stehe ein Hindernis entgegen. Es handele sich hier um
Gesamtzwangssicherungshypotheken (§ 78 Abs. 1 SachenRBerG), so dass eine
Löschung allein am Gebäude nicht zulässig sei. Die Voraussetzungen der §§ 88 und 312
InsO seien nur hinsichtlich des Gebäudeeigentums gegeben. Hinsichtlich des
Grundstücks sei vielmehr die Löschung des Insolvenzvermerkes am 06.10.2009 erfolgt.
Die Rechtsfolge des § 868 ZPO (Entstehen einer Eigentümergrundschuld) könne nicht
eintreten. Denn es könne nicht zum einem ein Eigentümerrecht und zum anderen ein
unwirksames Recht bestehen. Zur formgerechten Behebung des
Eintragungshindernisses ist eine Frist von 3 Monaten bestimmt worden. Die
Zwischenverfügung ist der Beteiligten am 11.2.2010 zugestellt worden.
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Die Beteiligte zu 1) hat mit Schreiben vom 16.2.2010, eingegangen beim Grundbuchamt
am 18.2.2010, Stellung zu den vom Grundbuchamt bezeichneten
Eintragungshindernissen genommen und dabei die Rechtsauffassung vertreten, diese
Eintragungshindernisse seien nicht gegeben.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 23.02.2010 - mithin vor Ablauf der
eingeräumten Dreimonatsfrist - den Antrag der Beteiligten vom 28.1.2010
zurückgewiesen.
Mit Eingang vom 02.03.2010 hat die Beteiligte zu 1) beim Brandenburgischen
Oberlandesgericht gegen den Beschluss des Grundbuchamtes vom 23.02.2010 unter
Voraussetzung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe Beschwerde eingelegt.
Der Senat hat mit Beschluss vom heutigen Tage der Beteiligten zu 1) für das
Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … bewilligt.
II.
Die Beschwerde, über die nach § 72 GBO in Verbindung mit Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG
das Oberlandesgericht zu entscheiden hat, ist zulässig (§ 73 GBO).
Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Umstand, dass das Grundbuchamt mit seinem Beschluss vom 23.02.2010 nicht die
mit der Zwischenverfügung eingeräumte Dreimonatsfrist abgewartet hat, ist hier ohne
Bedeutung. Es war an diese Frist nicht gebunden und konnte unter Berücksichtigung der
weiteren rechtlichen Ausführungen der Beteiligten seine Entscheidung treffen (vgl.
Demharter, Grundbuchordnung, 27. Aufl., § 18 Rn. 36). Die Beteiligte zu 1) hatte mit
Schriftsatz vom 16.02.2010 zu erkennen gegeben, der Zwischenverfügung nicht
nachkommen zu wollen, so dass für das Grundbuchamt keinerlei Veranlassung bestand,
den Ablauf der Frist abzuwarten.
Die Beteiligte zu 1) ist als Treuhänderin über das Vermögen der Schuldnerin im eigenen
Namen kraft Amtes beschwerdeberechtigt und mithin Beteiligte (Demharter, a.a.O., § 13
Rn. 49, 52).
Die Beteiligte zu 1) hat den Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit in der Form des § 29
GBO erbracht.
Nach § 22 Abs. 1 GBO ist zur Berichtigung des Grundbuches die Bewilligung des
Betroffenen (§ 19 GBO) nicht erforderlich, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird. Der
Nachweis ist in der Form des § 29 Abs. 1 GBO zu führen (vgl. BayObLGZ 1985, 225). An
den Nachweis der Unrichtigkeit sind strenge Anforderungen zu stellen, weil sonst am
Verfahren nicht beteiligte Personen geschädigt werden könnten (s. Demharter a.a.O., §
22 Rn. 37).
Aus der öffentlich beglaubigten Ablichtung des Antrages auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens (§ 305 InsO) ergibt sich, dass die Schuldnerin mit Eingang vom
16.07.2009 beim Amtsgericht Frankfurt (Oder) den Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens gestellt hat. Ausweislich der Ausfertigung des Beschlusses des
Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 30.07.2009 - 3 IK 772/09 - ist am 30.07.2009 das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet worden ist.
Die Vorschrift des § 88 InsO erklärt mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Sicherungen für unwirksam, die ein Insolvenzgläubiger an einem Gegenstand der Masse
im letzten Monat vor dem Eröffnungsantrag oder während des Eröffnungsverfahrens
durch Zwangsvollstreckung erlangt hat (sog. Rückschlagssperre). Wird das Verfahren -
wie hier - auf Antrag des Schuldners eröffnet, so beträgt die in § 88 InsO genannte Frist 3
Monate (§ 312 Abs. 1 Satz 3 InsO).
Die Berechnung der Frist erfolgt nach § 139 InsO. Danach beginnt die Frist mit dem
Anfang des Tages, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der
Eröffnungsantrag bei dem Insolvenzgericht eingegangen ist. Dies ist - gemäß des
Eingangs des Antragsschreibens am 16. Juli 2009 beim Amtsgericht - hier der 16. April
2009.
Zur Bestimmung, ob eine Sicherung der Sperrfrist des § 88 InsO i.V.m. § 312 Abs. 1 Satz
3 InsO unterfällt, ist auf den Zeitpunkt ihrer Erlangung abzustellen. Im Fall der beiden
Zwangssicherungshypotheken (laufende Nummern 14 und 15) ist die Sicherung mit
ihrer Grundbucheintragung - hier 05.06.2009 - erlangt worden; die Zwangshypothek
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ihrer Grundbucheintragung - hier 05.06.2009 - erlangt worden; die Zwangshypothek
entsteht mit der Eintragung im Grundbuch (§ 867 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Der Zeitpunkt der
Antragstellung ist hingegen nicht maßgeblich. Die Maßgeblichkeit des Antrages folgt
nicht aus § 878 BGB bzw. § 91 Abs. 2 InsO i.V.m. § 878 BGB. Denn diese Vorschriften
sind auf die Zwangsvollstreckung nicht anwendbar (vgl. Palandt/Bassenge, BGB, 69.
Aufl., § 878 Rn. 4).
Nach § 88 InsO i.V.m. § 312 Abs. 1 Satz 3 InsO sind diese im Gebäudegrundbuch von
W… Blatt 385 in Abteilung III, laufende Nummer 14 und 15 auf den Anteil der Schuldnerin
eingetragenen Zwangssicherungshypotheken unwirksam. Es handelt sich dabei um eine
absolute (schwebende) Unwirksamkeit, also mit Wirkung gegenüber jedermann (vgl.
BGHZ 168, 74ff Rn. 15). Bereits der Wortlaut von § 88 InsO bringt zum Ausdruck, dass
diese Sicherungen nicht nur gegenüber dem Insolvenzgläubigern unwirksam seien
sollen. Die Unwirksamkeit als Rechtsfolge der Rückschlagsperre entspricht derjenigen
aller anderen insolvenzrechtlichen Verfügungsbeschränkungen aus der Zeit vor der
Verfahrenseröffnung (vgl. §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 InsO).
Durch die Rückschlagsperre erloschen die hiervon ergriffenen beiden
Zwangssicherungshypotheken (laufende Nummern 14 und 15). Hinsichtlich der
Rechtswirkungen der Rückschlagsperre folgt der Senat der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes (vgl. BGHZ 166, 74ff). Soweit in Teilen von Rechtsprechung und
Literatur (vgl. etwa OLG Düsseldorf, NJW-RR 2004, 138; Demharter, a.a.O., Anh. § 74 Rn.
66) dagegen angenommen wird, die Rückschlagsperre führe in entsprechender
Anwendung von § 868 ZPO zur Entstehung einer Eigentümergrundschuld, wird dieser
Auffassung nicht gefolgt. Sie ist seit der Einführung des gesetzlichen
Löschungsanspruches nachrangiger Grundpfandgläubiger überholt. Der gesetzliche
Löschungsanspruch hat Vormerkungskraft (§ 1179 a Abs. 1 Satz 3 BGB). Sollte mithin in
Ausnahmefällen im Nachrang zu einer Zwangssicherungshypothek noch ein bewilligtes
Grundpfandrecht eingetragen worden sein, welches von der Rückschlagsperre nicht
berührt wird, und ein Insolvenzverwalter die Rangstelle erhalten wollen, könnte er sie
gegen den Löschungsanspruch des gegebenenfalls aufrückenden Grundpfandgläubigers
aus § 1179 a Abs. 1 Satz 3 BGB, § 106 InsO ohnehin nicht behaupten (vgl. BGH a.a.O.
Rn. 16).
Die Vorschrift des § 78 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG steht der geltend gemachten
Grundbuchberichtigung auf Grund der schwebenden Unwirksamkeit der
Zwangssicherungshypotheken gem. § 88 InsO nicht entgegen.
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 SachenRBerG ist eine Veräußerung oder Belastung allein des
Gebäudes oder des Grundstückes ohne das Gebäude nicht mehr zulässig, wenn sich
Grundstücks- und Gebäudeeigentum in einer Person vereinigen. Diese Vorschrift stellt
ein absolutes Verfügungsverbot im Sinne von § 134 BGB dar (vgl. dazu Eickmann
(Hrsg.), SachenRBerG, Loseblattkommentar, Stand Juni 2008, § 78 Rn. 2 a).
Die Anwendbarkeit des § 78 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG rechtfertigt sich hier nicht daraus,
dass es sich bei den beiden Zwangssicherungshypotheken um sogenannte
Gesamtzwangssicherungshypotheken handelt, eingetragen auf dem ½ Anteil der
Miteigentümerin - der Schuldnerin - im Gebäudegrundbuch W… Blatt 385 sowie im
Grundstücksgrundbuch W… Blatt 296 und dass hinsichtlich des im
Grundstücksgrundbuch W… Blatt 296 eingetragenen Grundstücks am 06.10.2009 die
Löschung des Insolvenzvermerkes erfolgte, nachdem die Beteiligte dessen Freigabe aus
der Insolvenzmasse erklärt hatte.
Es ist umstritten, ob sich aus der Regelung des § 78 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG ergibt,
dass eine getrennte Belastung nur des Grundstücks oder nur des Gebäudes mit einer
Zwangssicherungshypothek unzulässig ist (vgl. dazu Brandenburgisches OLG RPfleger
1997, 60, 62; ThürOLG Jena RPfleger 1997, 431ff; a.A. Schmidt VIZ 1995, 377, 380), Auf
eine Entscheidung dieses Meinungsstreits kommt es hier aber nicht an.
Selbst wenn § 78 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG eine getrennte Belastung nur des
Grundstücks oder nur des Gebäudes durch eine Zwangssicherungshypothek verbieten
würde, stünde die Vorschrift der von der Beteiligten zu 1) begehrten
Grundbuchberichtigung hinsichtlich des Gebäudes nicht entgegenstehen, weil die
Zwangssicherungshypotheken dann nämlich auch nicht mehr auf dem Grundstück
lasten würden.
Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nach § 88 InsO i.V.m. § 312 Abs. 1 Satz 3 InsO erloschen die
Zwangssicherungshypotheken nicht nur hinsichtlich des Gebäudes, sondern auch
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Zwangssicherungshypotheken nicht nur hinsichtlich des Gebäudes, sondern auch
hinsichtlich des Grundstücks. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen verwiesen.
Geht man davon aus, dass § 78 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG einer Belastung nur des
Grundstücks mit einer Zwangssicherungshypothek entgegensteht, führte die
anschließende Freigabe nur des Grundstücks – nicht auch des Gebäudes - durch die
Beteiligte zu 1) nicht dazu, dass die Zwangssicherungshypotheken hinsichtlich des
Grundstücks neu entstanden. Zwar kann eine gemäß § 88 InsO unwirksam gewordene
Zwangshypothek innerhalb der vorhandenen Buchposition bei Wegfall der
Verfügungsbeschränkung entsprechend § 185 Abs. 2 S. 1 Fall 2 BGB neu entstehen
(BGH a.a.O. Rn. 23). Allerdings setzt das nachträgliche Wirksamwerden einer
vollstreckungsmäßigen Verfügung voraus, dass auch die sonstigen Voraussetzungen der
hoheitlichen Vollstreckungshandlung noch bestehen (BGH a.a.O. Rn. 20). Das wäre hier
aber nicht der Fall gewesen, wenn man annehmen würde, dass § 78 Abs. 1 S. 1
SachenRBerG eine Belastung nur des Grundstücks verbietet. Voraussetzung für das
neue Entstehen von auf dem Grundstück lastenden Zwangssicherungshypotheken wäre
gewesen, dass sie auch hinsichtlich des Gebäudes neu entstanden wären. Dem steht
jedoch entgegen, dass hinsichtlich des Gebäudes die Verfügungsbeschränkung mangels
Freigabe durch die Beteiligte zu 1) nicht entfallen ist.
Im Ergebnis läuft das Begehren der Beteiligten zu 1) daher dem § 78 Abs. 1 S. 1
SachenRBerG nicht zuwider. Zwar bleibt bei Vornahme der hier begehrten
Amtshandlung das Grundbuch betreffend das Grundstück unrichtig. Diese Unrichtigkeit
stellt jedoch keine eigenständige Belastung im Sinne des § 78 Abs. 1 S. 1 SachenRBerG
dar.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 S. 1 KostO.
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