Urteil des OLG Brandenburg vom 06.01.2006

OLG Brandenburg: hinweispflicht, zahnarzt, brücke, verbindlichkeit, patient, honorarforderung, eingliederung, behandlungsvertrag, link, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 31/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 Abs 1 BGB, § 367 Abs 1
BGB, § 611 Abs 1 BGB, § 5 Abs 2
S 1 GOZ, § 10 Abs 3 S 1 GOZ
Zahnarzthonorar: Verbindlichkeit eines Heil- und Kostenplanes
bei erkennbarer Schätzung der Material- und Laborkosten;
Verletzung der Hinweispflicht bei Überschreitung der
materiellen Laborkosten
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 6. Januar 2006 verkündete Urteil der 8.
Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 8 O 126/05, teilweise
abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zur gesamten Hand 5.452,64 € nebst Zinsen
in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. April 2003 zu
zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Kläger 10 % und der Beklagte
90 % zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Kläger zu 8 % und der
Beklagte zu 92 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. den §§ 517, 519, 520 ZPO
eingelegte Berufung des Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet.
1. Den Klägern steht ein Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Honorars
lediglich in Höhe von 5.452,64 € aus § 611 Abs. 1 BGB i.V.m. dem zwischen den Parteien
geschlossenen Behandlungsvertrag zu. Zwischen den Parteien ist - jedenfalls konkludent
- ein Behandlungsvertrag über die in der Rechnung vom 29.12.2002 berechneten
zahnärztlichen Leistungen zustande gekommen. Der Einwand des Beklagten, vertraglich
vereinbart seien lediglich die in dem Heil- und Kostenplan vom 20.04.2002 angegebenen
Leistungen gewesen, dringt bereits aus dem Grunde nicht durch, weil der Heil- und
Kostenplan zu einem Zeitpunkt erstellt worden ist, als bereits vier Behandlungstermine
(am 15., 16., 17. und 18.04.2002) stattgefunden hatten, die von dem Heil- und
Kostenplan ersichtlich nicht umfasst gewesen sind. Dies war auch für den Beklagten
erkennbar, da beispielsweise am 18.04.2002 durch die Kläger der Zahn Nr. 14 entfernt
wurde, worüber sich der Heil- und Kostenplan nicht verhält. Der Beklagte konnte daher
nicht davon ausgehen, dass mit dem Heil- und Kostenplan und dem dort genannten
voraussichtlichen Zahlungsbetrag von 6.900,00 € sämtliche Leistungen der Kläger
abgegolten sein sollten.
a) Hinsichtlich der Material- und Laborkosten steht den Klägern der volle geltend
gemachte Betrag in Höhe von 5.730,18 € zu. Der Anspruch der Kläger ist insoweit nicht
auf den in dem Heil- und Kostenplan vom 20.04.2002 angegebenen Betrag von 5.000,00
€ begrenzt. Eine Verbindlichkeit des Heil- und Kostenplanes ist bereits deshalb nicht
gegeben, weil es sich bei dem dort genannten Betrag von 5.000,00 € erkennbar um eine
Schätzung gehandelt hat. In der Regel, wenn - wie hier - der behandelnde Zahnarzt nicht
über ein eigenes Labor verfügt, können die voraussichtlichen Material- und Laborkosten
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über ein eigenes Labor verfügt, können die voraussichtlichen Material- und Laborkosten
nicht genau angegeben werden, vielmehr erst nach Herstellung des Zahnersatzes
ermittelt werden. Mehraufwendungen für Material- und Laborkosten gehen daher
grundsätzlich nicht zulasten des Zahnarztes. Da für den Patienten ersichtlich ist, dass es
sich lediglich um eine Schätzung handelt, kann er sich auch darauf einrichten, dass
insoweit höhere Kosten anfallen können (vgl. LG Hannover NJW-RR 1999, 198). Die Kläger
haben hierzu nachvollziehbar vorgetragen, dass die Erhöhung der Material- und
Laborkosten darauf beruhte, dass eine weitere laborgefertigte provisorische Brücke
erforderlich wurde, die von dem Beklagten ausdrücklich während der Behandlung
gewünscht worden sei. Dem ist der Beklagte letztlich nicht substanziiert
entgegengetreten. Soweit er behauptet, er habe erst mit der Rechnung erfahren, dass
die Eingliederung einer provisorischen Brücke notwendig geworden sei, kann dies bereits
deshalb nicht zutreffen, weil die Eingliederung der provisorischen Brücke in dem Heil-
und Kostenplan unter der GOZ-Nr. 512 und 514 ausdrücklich aufgeführt ist.
b) Für die zahnprothetischen Leistungen können die Kläger hingegen nur einen Betrag
von 1.922,05 € verlangen. Der in dem Heil- und Kostenplan angesetzte Betrag von
1.956,38 €, der anhand eines 2,3-fachen Gebührensatzes ermittelt worden ist, ist
grundsätzlich verbindlich. Denn der Zahnarzt ist vor Beginn der geplanten Behandlung
und bei Aufstellung des Heil- und Kostenplanes regelmäßig in der Lage, die von ihm zu
erbringenden Leistungen zu überblicken. Er ist dem Patienten gegenüber verpflichtet,
das zahnärztliche Honorar, das für seine Leistungen anfallen wird, so genau wie möglich
im Vorhinein aufzuschlüsseln. Der Patient wird dadurch in die Lage versetzt, seine
Entscheidung zu treffen, ob er die Behandlung von diesem Zahnarzt in der
vorgesehenen Art und Weise durchführen lassen will. Er kann darauf vertrauen, in
welcher Höhe Kosten insoweit anfallen werden (vgl. LG Hannover a.a.O.; OLG Köln VersR
1998, 1284, 1285). Eine Erhöhung des in diesen Heil- und Kostenplan veranschlagten
Honorars ist daher nur gerechtfertigt, wenn - wie unter Ziffer 3. des Heil- und
Kostenplanes aufgeführt - nicht vorhersehbare Umstände zu einer Erhöhung des
Steigerungssatzes führen. Weitere Voraussetzung ist darüber hinaus, dass der Patient
vor der Behandlung auf den möglichen Eintritt einer solchen Schwierigkeit hingewiesen
wird, es sei denn, dass dies nicht vorhersehbar war (vgl. OLG Köln VersR 1997, 1362).
Soweit die Kläger im Streitfall verschiedentlich einen höheren als den 2,3-fachen
Gebührensatz berechnet haben, ist dies nur zulässig, wenn Besonderheiten in der in § 5
Abs. 2 S. 1 GOZ genannten Bemessungskriterien - Schwierigkeit und Zeitaufwand der
einzelnen Leistungen sowie die Umstände bei der Ausführung - dies rechtfertigen. Dies
setzt voraus, dass Besonderheiten gerade bei der Behandlung des betreffenden
Patienten abweichend von der großen Mehrzahl der Behandlungsfälle aufgetreten sind.
Dem Bereich bis zur Erreichung des Schwellenwertes sind die große Mehrzahl aller
Behandlungsfälle und damit auch solche zugeordnet, die überdurchschnittlich aufwendig
oder schwierig, aber eben noch nicht durch ungewöhnliche Besonderheiten
gekennzeichnet sind, die bei der Mehrzahl vergleichbarer Behandlungsfälle so nicht
auftreten (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 20.10.2004, 6 A 215/02, m.w.N.). Dabei
muss der Zahnarzt gem. § 10 Abs. 3 S. 1 GOZ eine schriftliche Begründung für die
Überschreitung des Schwellensatzes vorlegen. An diese Begründung sind zwar keine
überzogenen Anforderungen zu stellen, sie muss jedoch geeignet sein, das Vorliegen
solcher Umstände nachvollziehbar zu machen, welche nach dem materiellen
Gebührenrecht eine Überschreitung des Schwellenwertes rechtfertigen können.
Diesen Anforderungen genügt die Begründung der Kläger für die Überschreitung des
Schwellensatzes jedoch nicht, worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung
hingewiesen hat. Aus der Begründung ist nicht ersichtlich, dass bei dem Beklagten
ungewöhnliche Besonderheiten aufgetreten sind, die nicht auch bei einer Mehrzahl
vergleichbarer Behandlungsfälle auftreten. Dies gilt insbesondere, soweit sich die
Begründung der Kläger lediglich in Schlagworten wie z. B. „schwierige Retention“, „starke
Verspannung“ oder „Pfeilerdivergenz“ erschöpft. Ebenso rechtfertigen ein starker
Speichelfluss oder eine eingeschränkte Mundöffnung eine Gebührenerhöhung
grundsätzlich nicht, da derartige Fälle bei einer Vielzahl von Behandlungen auftreten
dürften und nicht ersichtlich ist, dass diese Besonderheiten nicht bereits vor Beginn der
Behandlung erkennbar waren. Da die in dem Heil- und Kostenplan veranschlagten
Positionen 404 - Beseitigung von Vorkontakten - sowie 517 - individueller Löffel - in der
Rechnung vom 29.12.2002 nicht enthalten sind, können die Kläger somit Honorar nur
auf der Basis eines 2,3-fachen Gebührensatzes verlangen, woraus sich ein begründetes
Honorar in Höhe von 1.922,05 € ergibt.
c) Hinsichtlich der Kosten für die chirurgisch-konservierenden Leistungen ist für die
Überschreitung des Schwellenwertes des 2,3-fachen Gebührensatzes auch hier
Voraussetzung, dass eine entsprechende besondere Schwierigkeit der Leistung i.S.d. § 5
Abs. 2 S. 4 GOZ vorliegt und die Kläger den Beklagten auf eine Erhöhung des
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Abs. 2 S. 4 GOZ vorliegt und die Kläger den Beklagten auf eine Erhöhung des
Schwellenwertes ausdrücklich hingewiesen haben. Eine solche Hinweispflicht haben die
Kläger ausdrücklich in Ziffer 4 des Heil- und Kostenplanes übernommen. Auch
diesbezüglich folgt aus dem Vortrag der Kläger nicht, weshalb die zur Begründung der
Überschreitung des Schwellenwertes angegebenen Schwierigkeiten derartige
ungewöhnliche Umstände darstellen, die nicht auch bei einer Vielzahl von anderen
Behandlungen auftreten, und darüber hinaus nicht voraussehbar waren. Dies gilt
insbesondere, als zur Begründung etwa das Vorhandensein von hartem Zahnstein oder
eine Überempfindlichkeit der Zähne angegeben wird, die im Übrigen bereits Gegenstand
der Behandlung vom 18.09.2002 war (und dort mit dem 2,3-fachen Gebührensatz
abgerechnet worden ist), so dass den Klägern jedenfalls diese Besonderheit bei der
Behandlung vom 17.11.2002 bereits bekannt war. Insgesamt ist daher von dem geltend
gemachten Betrag für die chirurgisch-konservativen Leistungen in Höhe von 1.301,56 €
bei Ansetzung des Schwellenwertes des 2,3-fachen Gebührensatzes ein Betrag von
44,87 € abzusetzen, so dass sich ein Honorar der Kläger in Höhe von 1.256,69 €
errechnet.
Insgesamt ergibt sich daraus eine Begründung der Honorarforderung der Kläger in Höhe
von 8.908,92 €. Mit der Zahlung dieser Forderung befand sich der Beklagte, wie das
Landgericht rechtskräftig festgestellt hat, seit dem 16.03.2003 in Verzug. Die von dem
Beklagten am 10.04.2003 geleistete Zahlung von 3.498,81 € ist somit gem. § 367 Abs. 1
BGB zunächst auf die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen Verzugszinsen in Höhe von
42,53 € sowie in Höhe des Restbetrages von 3.456,28 € auf die Honorarforderung zu
verrechnen, so dass noch ein offener Restbetrag in Höhe von 5.452,64 € verbleibt.
Soweit der Beklagte erstinstanzlich noch vorgetragen hat, einen weiteren Betrag von
3.415,47 € am 28.02.2003 gezahlt zu haben, wendet sich die Berufung nicht gegen die
nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landgerichts, das diese Zahlung nicht als
bewiesen angesehen hat.
2. Ein weiterer Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB steht dem Beklagten
nicht zur Seite. Die Verletzung der sich aus Ziffer 4 des Heil- und Kostenplanes
ergebenden Hinweispflicht hat sich im Streitfall nicht ausgewirkt, da es bereits an der
Darlegung einer entsprechenden besonderen Schwierigkeit der Leistung fehlt.
Hinsichtlich der Überschreitung der materiellen Laborkosten liegt eine Verletzung der
Hinweispflicht nicht vor, da es sich für den Beklagten erkennbar um eine Schätzung
handelte. Der Beklagte hat im Übrigen nicht angegeben, dass er für den Fall, rechtzeitig
auf die Überschreitung des Schwellenwertes hingewiesen worden zu sein, die
Behandlung nicht hätte durchführen lassen.
3. Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 S. 2 BGB.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war mangels Vorliegen von Gründen gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht
zuzulassen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.890,08 € festgesetzt. Die
darüber hinaus zuerkannten Verzugszinsen von 44,82 € bleiben als Nebenforderung
wertmäßig außer Betracht (§§ 4 ZPO, 43 Abs. 1 GKG).
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