Urteil des OLG Brandenburg vom 15.06.2007

OLG Brandenburg: abtretung einer forderung, gegenleistung, anfechtung, zwangsvollstreckung, anfechtbarkeit, duldung, sicherheitsleistung, volumen, konkretisierung, gläubigerbenachteiligung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 140/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 131 Abs 1 Nr 1 InsO, § 143
InsO, § 140 Abs 1 InsO, § 133
Abs 1 InsO, § 142 InsO
Voraussetzungen der Privilegierung des Bargeschäfts bei der
Insolvenzanfechtung
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird die Beklagte unter teilweiser Abänderung des am
15.6.2007 verkündeten Urteils der Einzelrichterin der 1. Zivilkammer des Landgerichts
Frankfurt/Oder verurteilt, an den Kläger weitere 28.348,24 € zuzüglich Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden,
sofern nicht der Kläger vor der Zwangsvollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Gründe
I.
Der Kläger hat die Beklagte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter im Wege der
Insolvenzanfechtung auf Rückgewähr von 63.500 € in Anspruch genommen. Der Betrag
ist der Beklagten von dem Landkreis … aus Mitteln überwiesen worden, die dieser der
Schuldnerin als Agrarförderung für das Jahr 2003 zuerkannt hatte. Die Schuldnerin hatte
ihrerseits Ansprüche auf die zu erwartende Agrarförderung zuvor mit
Abtretungsvereinbarungen vom 28.1.2003 und vom 16.4.2003 an die Beklagte
abgetreten.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 63.500 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2004 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Rechtsauffassung vertreten, ein Anfechtungsgrund liege nicht vor.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 219 - 224 d.A.).
Mit dem am 15.6.2007 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage hinsichtlich
eines Teilbetrages von 35.151,76 € nebst beantragter Zinsen entsprochen und sie im
Übrigen abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird
Bezug genommen (Bl. 224 - 230 d.A.).
Das Urteil des Landgerichts ist dem Kläger am 21.6.2007 zugestellt worden. Er hat
gegen das Urteil am 12.7.2007 Berufung eingelegt, die er am 21.8.2007 begründet hat.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger den vom Landgericht abgewiesenen Teil der
Klageforderung weiter.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des am 15.6.2007 verkündeten Urteils des
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die Beklagte unter Abänderung des am 15.6.2007 verkündeten Urteils des
Landgerichts Frankfurt/Oder, Az.: 11 O 21/06, zu verurteilen, an den Kläger weitere
28.348,24 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 16.3.2004 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Der Klage ist auch hinsichtlich des nunmehr noch streitgegenständlichen Teilbetrages
unter dem Gesichtspunkt eines insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruchs nach §§ 131
Abs. 1 Nr. 1, 143 InsO stattzugeben.
Die Voraussetzungen für eine Anfechtung der Abtretungen der Schuldnerin vom
28.1.2003 und vom 16.4.2003 an die Beklagte, betreffend die Ansprüche der
Schuldnerin auf Ausgleichzahlungen im Rahmen der Agrarförderung für das Jahr 2003,
nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO liegen vor.
Die anfechtbaren Rechtshandlungen der Schuldnerin sind die Abschlüsse der beiden
Abtretungsvereinbarungen.
Die Abtretungen zur Besicherung von Forderungen der Beklagten aus Warenlieferungen
an die Schuldnerin sind inkongruente Leistungen im Sinne des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Die Inkongruenz der Abtretungen steht hinsichtlich der Forderungen der Beklagten aus
Warenlieferungen, die bereits vor den beiden Abtretungen erfolgten, in zweiter Instanz
außer Streit. Die Abtretungen sind insoweit Sicherungen der bereits bestehenden
Kaufpreisforderungen, die die Beklagte bei der Begründung der zu besichernden
Forderungen nicht vereinbarte und deshalb nicht bereits aufgrund der entsprechenden
Kaufverträge zu beanspruchen hatte.
Die Abtretungen der Schuldnerin vom 28.1.2003 und vom 16.4.2003 sind jedoch auch
insofern inkongruent, als sie der Besicherung von Kaufpreisansprüchen dienten, die erst
nach Abschluss der Abtretungsvereinbarungen entstanden. Die Abtretungen als
angefochtene Rechtshandlungen waren zurzeit ihrer Vornahme wie auch zur Zeit der
nachfolgenden Kaufverträge im insolvenzrechtlichen Sinne noch nicht vorgenommen
worden.
Nach § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung - erst - in dem Zeitpunkt als
vorgenommen, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Das ist hier der Zeitpunkt,
zu dem der mit den Abtretungsvereinbarungen im Voraus - jeweils teilweise -
abgetretene Anspruch der Schuldnerin auf Agrarförderung entstand. Dies geschah am
20.11.2003. An diesem Tag ist der Schuldnerin der Bescheid des Landrates des
Landkreises … vom 7.11.2003, betreffend die von der Schuldnerin für 2003 beantragte
Agrarförderung, zugegangen. Für die Entstehung des Anspruchs der Schuldnerin auf die
Agrarförderung kommt es nicht auf das Datum der Erstellung des Bescheides an,
sondern auf dessen Zugang bei der Adressatin, also der Schuldnerin. Der Kläger hat
seine entsprechende Behauptung durch die Aussage der Zeugin G. S. vor dem
Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 16.5.2007 beweisen können. Die
Beweiswürdigung des Landgerichts in den Entscheidungsgründen des angefochtenen
Urteils begegnet keinen Bedenken und wird von der Beklagten in zweiter Instanz auch
nicht beanstandet.
Der letzte für die beiden angefochtenen Abtretungen erforderliche Teilakt ist mithin erst
am 20.11.2003 erfolgt. Bei der Vorausabtretung einer Forderung ist das Entstehen der
abgetretenen Forderungen als letzter Teilakt der anzufechtenden Rechtshandlung zu
behandeln (Kreft in Heidelberger Kommentar zur InsO, § 140 Rdnr. 4 mit Nachweisen zur
Rechtsprechung des BGH).
Die Beklagte kann der Anfechtung des Klägers, soweit sie die Auszahlung der
abgetretenen Forderung im nunmehr noch streitigen Umfang zum Gegenstand hat,
nicht entgegenhalten, es habe sich bei der Abtretung um ein Bargeschäft bzw.
Bargeschäfte im Sinne des § 142 InsO gehandelt.
Nach § 142 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige
Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen
des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind.
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des § 133 Abs. 1 InsO gegeben sind.
Hier steht der Annahme eines Bargeschäftes entgegen, dass die Gewährung einer
Besicherung von Forderungen der Beklagten aus Warenlieferungen eine inkongruente
Leistung auch insofern ist, als mit ihr Lieferungen der Beklagten abgesichert wurden, die
erst nach Abschluss der angefochtenen Abtretungsvereinbarungen vereinbart und
ausgeführt wurden.
Der Tatbestand des § 142 InsO sieht zwar eine Anfechtbarkeit einer Leistung des
Schuldners bei einer unmittelbaren gleichwertigen Gegenleistung nur dann vor, wenn die
Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO vorliegen. Ob dies hinsichtlich der
streitbefangenen Abtretungen der Fall ist, kann gleichwohl offen bleiben. Mit der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht der Senat davon aus, dass § 142 InsO
entsprechend seinem Normzweck in berichtigender Auslegung so zu verstehen ist, dass
im Falle inkongruenter Leistungen des Schuldners eine Anfechtung trotz unmittelbarer
gleichwertiger Gegenleistung nicht nur dann gegeben ist, wenn die Voraussetzungen des
§ 133 Abs. 1 InsO vorliegen, sondern auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 131
Abs. 1 InsO gegeben sind. Die anfechtungsrechtliche Privilegierung des Bargeschäfts ist
auf kongruente Deckungen zu beschränken. Dies folgt daraus, dass es Ziel der
Ausnahmeregelung des § 142 InsO ist, den Schuldner in der Krise nicht vollständig vom
Geschäftsverkehr auszuschließen. Die Vorschrift kommt deshalb nur dann zur
Anwendung, wenn Leistung und Gegenleistung miteinander verknüpft sind (Kreft in
Heidelb. Komm. zur Insolvenzordnung, 4. Aufl., § 142, Rn. 2). Deshalb ist es folgerichtig,
inkongruente Deckungen wegen ihrer besonderen Verdächtigkeit und der gegenüber
kongruenten Deckungen allgemeinen Verschärfung ihrer Anfechtbarkeit von der
anfechtungsrechtlichen Privilegierung des Bargeschäfts auszunehmen und dieses auf
vereinbarungsgemäße, also kongruente Leistungen zu beschränken (Kreft, a.a.O., Rn. 9;
BGHZ 123, 320, 328, 329; BGHZ 150, 122, 126).
Im Übrigen wären die in Streit stehenden Abtretungen auch dann anfechtbar, wenn man
eine Begünstigung des Bargeschäftes gemäß dem Wortlaut des § 142 InsO auch in
Bezug auf inkongruente Leistungen für möglich erachtete. Gegebenenfalls wären die
Voraussetzungen eines Bargeschäftes, nämlich die Erbringung einer unmittelbaren
gleichwertigen Gegenleistung der Beklagten, nicht hinreichend vorgetragen worden.
Zwar wird auch die Abtretung einer zukünftigen Forderung der Schuldnerin gegen Dritte
zur Absicherung ihrer Kaufpreisverpflichtungen gegenüber der Beklagten als
Gegenleistung im Sinne des § 142 InsO anzusehen sein. Es fehlt hier allerdings an einer
hinreichenden Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Es ist nicht erkennbar, für
welche konkreten Warenlieferungen der Beklagten - mit Ausnahme der bereits zum
Zeitpunkt der Vereinbarungen erfolgten Lieferungen - die Besicherung erfolgen sollte.
Ebenso lässt sich dem Vortrag der Beklagten nicht entnehmen, in welchem Umfang der
Schuldnerin durch die Abtretung der zukünftigen Ansprüche ein Warenkredit eröffnet
werden sollte. Tatsächlich hat die Beklagte nach Aktenlage der Schuldnerin in größerem
Umfang Waren geliefert, als es dem Volumen der Abtretungen entsprach. Deshalb hatte
sie Anlass, zur Nr. 76 des vom Kläger geführten Insolvenzverzeichnisses eine weitere
Forderung in Höhe von 12.466,30 € anzumelden. Dieser Umstand spricht für eine
kontinuierliche Kreditgewährung der Beklagten, die nicht in Bezug zu einem bestimmten
Abtretungsvolumen stand. Eine Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung ist jedoch
zu verneinen, wenn im Gegenzug zur sicherungsweisen Abtretung einer Forderung die
Inanspruchnahme eines Warenkredits in nicht festgelegter Höhe toleriert wird, da es an
einer festen Absprache über einen Leistungsaustausch fehlt (BGHZ 118, 173 im Bezug
auf die Duldung einer Kreditüberziehung in nicht exakt festgelegter Höhe gegen
Hereinnahme von Kundenschecks).
Eine Konkretisierung der besicherten Leistungen der Beklagten in Gestalt von
Warenlieferungen wäre weiterhin auch deshalb notwendig gewesen, um den zu
fordernden engen zeitlichen Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung zu prüfen.
Die angefochtenen Abtretungen bewirken - auch in dem nunmehr noch streitigen
Umfang - eine Gläubigerbenachteiligung.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.
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