Urteil des OLG Brandenburg vom 02.10.2006

OLG Brandenburg: auszahlung der versicherungsleistung, parkplatz, verkehrsunfall, fahrzeug, ermittlungsverfahren, glaubwürdigkeit, halter, vollmacht, rückzahlung, verwertung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 201/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 263 StGB, § 823 Abs 2 BGB, §
830 Abs 2 BGB, § 840 BGB
Verkehrsunfall: Anspruch auf Rückzahlung der verauslagten
Versicherungsleistung bei Unfallmanipulation
Tenor
Die Berufung des Beklagten zu 1. gegen das am 2. Oktober 2006 verkündete
Schlussurteil der 6. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Potsdam, Az.: 6 O
634/03, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu 1. zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gem. den §§ 517 ff ZPO eingelegte
Berufung des Beklagten zu 1. hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten zu
1. einen Anspruch auf Rückzahlung der verauslagten Versicherungsleistung in Höhe von
12.185,24 € aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 263 StGB, 830 Abs. 2, 840 BGB.
Die Aktivlegitimation der Klägerin, die seitens des Beklagten zu 1. im Übrigen auch nicht
bestritten worden ist, ist gegeben. Dem Senat ist aus anderen von ihm geführten
Verfahren gerichtsbekannt, dass die Klägerin Rechtsnachfolgerin der geschädigten ...
Versicherung geworden ist.
Eine Betrugshandlung zulasten der Rechtsvorgängerin der Klägerin liegt sowohl nach
dem objektiven als auch dem subjektiven Tatbestand vor. Die Rechtsvorgängerin der
Klägerin wurde darüber getäuscht, dass der ihr gegenüber angezeigte Verkehrsunfall
vom 14.11.1998 an der Autobahnabfahrt M. in Wirklichkeit zwischen den Beteiligten
verabredet worden war, so dass kein Anspruch auf Auszahlung der geltend gemachten
Schadensersatzleistungen bestand. Nach dem Ergebnis der vom Landgericht
durchgeführten Beweisaufnahme und den gesamten Akteninhalt einschließlich des
Inhalts der beigezogenen Akten steht auch zur Überzeugung des Senates fest, dass der
Beklagte zu 1. als Halter des bei dem Verkehrsunfall beschädigten Pkws Audi A 4 in die
Rechtsgutsverletzung eingewilligt hat, indem er gemeinsam mit den übrigen Beteiligten
den Unfall verabredet hat. Dies folgt aus den Bekundungen der vom Landgericht
verfahrensfehlerfrei als Zeugen vernommenen Beklagten zu 2. sowie weiteren, zwischen
den Parteien unstreitigen Indizien.
Die Beklagte zu 2. hat im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung bekundet, dass zwischen
ihr, dem Beklagten zu 3., ihrer Schwester und dem G. T. verabredet worden sei, einen
Unfall vorzutäuschen. Die Einzelheiten seien auf einem Parkplatz besprochen worden.
Bei dieser Besprechung der Einzelheiten sei auch der Fahrer des Fahrzeuges, auf das
aufgefahren werden sollte, dabei gewesen. Die Einzelheiten der Unfallgestellung seien
besprochen worden, danach seien sämtliche beteiligten Fahrzeuge in der Kolonne bis zu
dem Unfallort gefahren, wo dann der Beklagte zu 3. absprachegemäß auf das
vorausfahrende Fahrzeug aufgefahren sei. Da der Beklagte zu 1. unstreitig zum
Unfallzeitpunkt Fahrer war, steht somit fest, dass er an der Verabredung des Unfalls
beteiligt und somit auch mit der vorsätzlichen Beschädigung des Fahrzeuges
einverstanden war. Die dahingehende Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu
beanstanden. Die Angaben der Beklagten zu 2. sind glaubhaft; auch bestehen für den
Senat ebenso wie für das Landgericht letztlich keine vernünftigen Zweifel an der
Glaubwürdigkeit der Beklagten zu 2. Zwar weicht die Aussage der Beklagten zu 2. in
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Glaubwürdigkeit der Beklagten zu 2. Zwar weicht die Aussage der Beklagten zu 2. in
einzelnen Punkten von ihren in der Beschuldigtenvernehmung im Rahmen des gegen sie
geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gemachten Angaben ab; so hat die
Beklagte zu 2. bei ihrer polizeilichen Vernehmung noch angegeben, selbst Fahrerin des
Fahrzeuges gewesen zu sein, das auf das stehende Fahrzeug des Beklagten zu 1.
auffuhr. Gerade diese Abweichung zu ihrer im Ermittlungsverfahren gemachten Aussage
spricht jedoch für die Richtigkeit der Angaben der Beklagten zu 2. in ihrer
Zeugenvernehmung vor dem Landgericht, da die Beklagte zu 2. keinen Anlass hatte,
den Beklagten zu 3., dessen aktive Beteiligung an der Tat zu diesem Zeitpunkt selbst
der Klägerin nicht bekannt gewesen war, zu belasten. Auch der Umstand, dass die
Beklagte zu 2. den Beklagen zu 1. anlässlich ihrer Vernehmung vor dem Landgericht
nicht wieder erkannt hat, spricht nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit und die
Glaubhaftigkeit ihrer Aussage. Dass der Beklagte zu 1. als Fahrer an dem Unfall beteiligt
war, ist unstreitig, so dass es insoweit einer Identifizierung nicht bedurfte; im Übrigen ist
angesichts des seit dem Vorfall verstrichenen Zeitablaufes durchaus nachvollziehbar,
dass die Beklagte zu 2. den Beklagten zu 1., den sie nach eigenen Angaben ohnehin nur
kurz während der Besprechung auf dem Parkplatz gesehen hat, nicht wieder zu
erkennen vermochte. Gerade der Umstand, dass die Beklagte zu 2. den Beklagten zu 1.
nicht wieder erkannt hat, spricht dafür, dass die Angaben der Beklagten zu 2. der
Wahrheit entsprechen und sie ihre Aussage im Übrigen ohne einseitige
Belastungstendenzen zulasten des Beklagten zu 1. gemacht hat, denn anderenfalls
wäre es für sie ein Leichtes gewesen zu behaupten, dass sie den Beklagten zu 1. wieder
erkenne. Gerade weil die Beklagte zu 2. jedoch eingeräumt hat, den Beklagten zu 1.
nicht wieder zu erkennen, ist der Senat von dem Wahrheitsgehalt ihrer Aussage
überzeugt. Soweit ihre vor dem Landgericht gemachte Aussage darüber hinaus in
Details von den in der Beschuldigtenvernehmung gemachten Angaben abweicht, sind
diese Abweichungen durch den seit dem verstrichenen Zeitablauf nachvollziehbar zu
erklären. Ein Widerspruch darin, dass die Beklagte zu 2. angegeben hat, nicht mit dem
Beklagten zu 1. bzw. dem Fahrer des anderen Fahrzeuges geredet zu haben, und ihren
Angaben im Ermittlungsverfahren, dieser sei ihr vorgestellt worden, ist nicht zu sehen,
da ein Gespräch im Allgemeinen über eine bloße gegenseitige Vorstellung hinausgeht.
Die Angaben der Beklagten zu 2. werden darüber hinaus durch weitere Umstände
bestätigt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich um einen verabredeten
Verkehrsunfall gehandelt hat. Es ist jedoch kaum anzunehmen, dass die übrigen
Beteiligten verabreden, einen Unfall vorzutäuschen, ohne dass der Fahrer eines der
Fahrzeuge, das bei dem Unfall beteiligt sein soll, in das Geschehen eingeweiht ist. Es ist
nicht ersichtlich, warum die übrigen Beteiligten ein solches Risiko eingehen sollten. Wenn
der Beklagte zu 1. tatsächlich, wie er behauptet, bei der Besprechung auf dem Parkplatz
an der Imbissbude nicht anwesend war, ist nicht nachvollziehbar, weshalb der Beklagte
zu 3. gerade zu diesem Zeitpunkt an der Unfallstelle - die, wie dem Senat aus anderen
Verfahren bekannt ist, von den Tätern allgemein zur Verabredung von gestellten
Unfällen benutzt wurde - anwesend war, um auf das Fahrzeug des Beklagten zu 1.
aufzufahren. Die Annahme, dass es sich dabei um einen Zufall handelte, ist
lebensfremd. Schließlich sind auch die eigenen Angaben des Beklagten zu 1. zum
Unfallhergang wenig plausibel. Es ist bereits in sich nicht stimmig, dass der Beklagte zu
1. allein aus Gefälligkeit für einen Bekannten ein Auto zugelassen haben will, ohne sich
darüber weitere Gedanken zu machen. Ebenso ist nicht nachvollziehbar, warum der
Beklagte zu 1. nach dem Unfall seine vermeintlichen Ansprüche nicht weiterverfolgt hat
und sich insbesondere nicht mehr um das weitere Schicksal des Fahrzeuges gekümmert
hat, obwohl er als Halter im Fahrzeugschein eingetragen war. Letztlich erscheint die
Behauptung, der Beklagte zu 1. habe von der Verabredung zum Unfall keine Kenntnis
gehabt, auch deswegen unglaubhaft, weil in diesem Fall der gesamte Unfall auch ohne
Beteiligung des Beklagten zu 1. hätte stattfinden können, da nach den Angaben des
Beklagten zu 1. der Zeuge P. ohnehin im Besitz des Fahrzeuges gewesen war.
Da nach alledem für den Senat an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Beklagten zu 2.
und ihrer persönlichen Glaubwürdigkeit keine vernünftigen Zweifel bestehen, bestand für
eine Wiederholung der Beweisaufnahme nach § 398 ZPO auch keine Veranlassung. Auch
eine Vernehmung des von der Klägerin darüber hinaus benannten Zeugen P. bedurfte
es nicht, so dass dahinstehen kann, ob die Verwertung der Aussage des Zeugen im
strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zulässig war. Der Beklagte zu 1. hat erstinstanzlich
der angekündigten Verwertung des Inhalts der Ermittlungsakten auch nicht
widersprochen; auch ist der Zeuge nicht gegenbeweislich benannt worden.
Das Landgericht hat darüber hinaus zu Recht von einer Vernehmung des von dem
Beklagten zu 1. benannten Rechtsanwalts B. als Zeugen und der Einholung eines
grafologischen Sachverständigengutachtens abgesehen. Ob der Beklagte zu 1. jemals in
der Kanzlei des Rechtsanwalts B. gewesen ist und ob die Unterschrift unter der
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der Kanzlei des Rechtsanwalts B. gewesen ist und ob die Unterschrift unter der
Vollmacht des Rechtsanwalts B. von ihm stammt, kann dahinstehen. Selbst wenn die
Behauptung des Beklagten zu 1., er habe nie eine solche Vollmacht unterzeichnet,
zutreffen würde, schließt dies nicht aus, dass er dennoch Kenntnis von der Verabredung
zum Unfall gehabt hat. Insbesondere werden dadurch die Angaben der Beklagten zu 2.
nicht widerlegt. Ebenso bedurfte es nicht des Beweises über die Behauptung des
Beklagten, W. P. habe ihn am Unfalltag von zu Hause abgeholt. Diese Behauptung als
wahr unterstellt, wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass der Beklagte zu 1. an dem
Treffen auf dem Parkplatz teilgenommen hat.
Die weiteren Voraussetzungen eines vollendeten Betruges liegen ebenfalls vor. Durch
die Geltendmachung der vermeintlichen Schadensersatzansprüche wurde bei der
Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Irrtum erregt und sie zu einer Vermögensverfügung,
nämlich der Auszahlung der Versicherungsleistung, veranlasst, wodurch ein
entsprechender Vermögensschaden auf ihrer Seite und ein rechtswidriger
Vermögensvorteil auf Seiten der übrigen Beteiligten eingetreten ist. Unerheblich ist
dabei, ob der Beklagte zu 1. selbst finanzielle Vorteile aus seiner Mitwirkung gezogen
hat. Der Tatbeitrag des Beklagten zu 1. ist in dem Fahren des an dem Unfall beteiligten
Pkws Audi A 4 zu sehen. Ob dies strafrechtlich als Mittäterschaft oder als Beihilfe
einzustufen ist, kann im Zivilverfahren dahinstehen, da die Haftung nach § 830 Abs. 2
BGB hiervon nicht abhängt.
Der nachgereichte Schriftsatz des Beklagten zu 1. vom 17.01.2007 bietet dem Senat
keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 Abs. 1 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung
hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird gem. § 3 ZPO i.V.m. § 47 Abs. 1
S. 1 GKG auf 12.185,24 € festgesetzt.
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