Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 04.11.2009

LSG Shs: hauptsache, niedersachsen, erlass, ausschluss, zivilprozessordnung, rechtsmittelbelehrung, auflage, gefahr, rechtsschutz, entlastung

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
Beschluss vom 04.11.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Schleswig S 3 AS 693/08 ER
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht L 6 B 50/09 AS PKH
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Februar 2009 wird als
unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9.
Februar 2009 (Az. S 3 AS 693/08 ER), soweit ihr dadurch Prozesskostenhilfe für den Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung versagt worden ist.
Die Antragstellerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites
Buch (SGB II) von der Antragsgegnerin.
Nachdem die Antragstellerin ihre Nebenbeschäftigungen bei der Antragsgegnerin angezeigt hatte, änderte diese den
Bewilligungsbescheid vom 25. November 2008 durch Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2008 ab; unter
Berücksichtigung eines anzurechnenden Erwerbseinkommens reduzierte sie die Regelleistung von 351,00 EUR auf
12,00 EUR für den Monat Januar 2009.
Mit ihrem Eilantrag vom 31. Dezember 2009 hat die Antragstellerin begehrt, ihr für den Monat Januar 2009 vorläufig
höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, indem ein ermäßigtes fiktives Nettoerwerbseinkommen – unter
Zugrundelegung eines Bruttoerwerbseinkommens von 391,80 EUR – angerechnet werde.
Nachdem die Antragstellerin persönlich die Stundennachweise bei der Antragsgegnerin vorgelegt hatte, führte diese
weitere Ermittlungen durch. Auf Grundlage der neuen Erkenntnisse berechnete die Antragsgegnerin das zu
berücksichtigende Einkommen der Antragstellerin neu und erließ am 6. Januar 2009 einen Änderungsbescheid.
Diesem hatte sie einen Bruttoarbeitslohn von 326,50 EUR zugrunde gelegt und daraus eine Nachzahlung in Höhe von
191,94 EUR errechnet.
Nach Rückkehr aus ihrem Urlaub hat die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 15. Januar 2009 einen Antrag
auf Prozesskostenhilfe für die Antragstellerin gestellt.
Mit Beschluss vom 9. Februar 2009 hat das Sozialgericht Schleswig sowohl den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung als auch den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der
Eilantrag sei unzulässig, weil die Antragsgegnerin dem Begehren der Antragstellerin in höherem Maße abgeholfen
habe, als diese es beantragt habe. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe lägen nicht vor,
weil zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfeantrages – nach Erlass des Änderungsbescheides
vom 6. Januar 2009 – keine hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in
Verbindung mit § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) mehr bestanden habe.
Mit ihrer am 5. März 2009 beim Sozialgericht Schleswig eingelegten Beschwerde gegen die Ablehnung von
Prozesskostenhilfe macht die Antragstellerin geltend, aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls sei ihr trotz
Eintritts eines erledigenden Ereignisses mit Erlass des Bescheides vom 6. Januar 2009 noch Prozesskostenhilfe zu
bewilligen. Wegen der Einzelheiten ihres Vorbringens wird auf die Schriftsätze ihrer Prozessbevollmächtigten vom 5.
März 2009 und 20. März 2009 verwiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Februar 2009 insoweit aufzuheben, als die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, und
2. ihr Prozesskostenhilfe für die Rechtsverfolgung in erster Instanz unter Beiordnung von Rechtsanwältin Ulrike Jäger-
Mohrhagen zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen
Verwaltungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Sie ist nach §§ 172 Abs. 1, 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO nicht statthaft.
Nach § 172 Abs. 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen
Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in
diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist. Eine "andere Bestimmung" in diesem Sinne enthält § 73a Abs. 1 Satz 1
SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO. Gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der
Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Nach § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 ZPO findet
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nach dem zweiten Halbsatz der
Vorschrift nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 ZPO genannten Betrag nicht übersteigt, es sei
denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die
Prozesskostenhilfe verneint. In § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist geregelt, dass die Berufung nur zulässig ist, wenn der
Wert des Beschwerdegegenstandes 600 EUR übersteigt.
§ 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar. Die Anwendbarkeit
entspricht dem Wortlaut, dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck der maßgeblichen
Vorschriften; auch die Gesetzeshistorie spricht dafür (so bereits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli
2008, L 12 B 18/07 AL m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2008, L 8 AS 4968/08 PKH-B;
LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 13. Mai 2009, L 34 B 2136/08 AS PKH; 4. Juni 2009, L 33 R 130/09 B
PKH und 17. September 2009, L 20 B 2247/08 AS PKH; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar 2009, L 5
B 305/08 AS, L 5 B 304/08 AS; Hessisches LSG, Beschlüsse vom 6. Juli 2009, L 9 B 274/08 AS und 8. Juli 2009, L
6 AS 174/09 B; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. August 2009, L 8 B 258/09, jeweils zitiert nach
juris).
Ausgehend vom Wortlaut ist die Verweisung in § 73a SGG, die durch das Gesetz über die Prozesskostenhilfe vom
13. Juni 1980 (BGBl. I, S. 677) eingeführt worden ist, als dynamische Verweisung zu verstehen (vgl. LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.). Dies bedeutet, dass das Gesetz, auf das verwiesen
wird, in seiner jeweiligen Fassung anzuwenden ist. Eine dynamische Verweisung liegt vor, wenn eine Rechtsnorm auf
die Vorschriften eines anderen Gesetzes ohne Beschränkung auf eine bestimmte Fassung verweist – wie § 73a ZPO
auf die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe - (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 1990, 1 RR 2/88,
NJW 1991, 3051f zu Art. 5 II 3 des 4. GewOÄndG). Das hat zur Folge, dass auch die erst nach Einführung des § 73a
SGG in Kraft getretene Regelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren
anzuwenden ist. Dass der Gesetzgeber etwas anderes vor Augen hatte, ist – auch unter Berücksichtigung der
Systematik des Gesetzes - nicht erkennbar. Denn andernfalls hätte er einen von der Verweisung abweichenden Weg
einer spezialgesetzlichen Regelung im SGG gewählt. So ist er etwa in § 60 Abs. 1 Satz 1 SGG und § 118 Abs. 1
Satz 1 SGG verfahren, wo er die entsprechende Anwendbarkeit von Vorschriften der Zivilprozessordnung auf einzelne
Normen bzw. einzelne Absätze von Normen begrenzt hat; auch in § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG hat der Gesetzgeber eine
Sonderregelung für das Prozesskostenhilferecht im Sozialgerichtsverfahren getroffen. Abweichend von § 121 Abs. 1
bis 3 ZPO in der ursprünglich vorgesehenen Fassung des Gesetzentwurfs vom 17. Juli 1979 (vgl. BT-Drs. 8/3068) hat
er eine sozialgerichtliche Sonderregelung geschaffen, dass auf Antrag der Beteiligten das Gericht einen
beizuordnenden Anwalt auswählen darf. Spätestens mit dem Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und
des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGGÄndG) vom 26. März 2008 (BGBl. I, S. 444) hätte er zudem die Gelegenheit
gehabt, die Anwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO auszuschließen. Dies hat er in Kenntnis der
Rechtsprechung, die von einer Anwendbarkeit des § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ausgeht (z.B. LSG Baden-
Württemberg, Beschluss vom 6. September 2005, L 8 AL 1862/05 PKH-B; LSG Niedersachsen-Bremen vom 6.
Dezember 2005, L 8 B 147/05 AS; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 2008, L 20 B 1778/07 AS
PKH, jeweils zitiert nach juris), jedoch gerade nicht getan.
Die Verweisungsnorm des § 73a SGG führt allerdings nicht zu einer unmittelbaren Anwendung der Regelungen des
Prozesskostenhilferechts der ZPO. Das Gesetz spricht von einer "entsprechenden Geltung". Dies bedeutet zum
einen, dass gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe nicht die in der ZPO vorgesehene sofortige Beschwerde,
sondern die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft ist. Zum andern gilt auch nicht der Wert des
Beschwerdegegenstandes des § 511 ZPO in Höhe von mehr als 600 EUR, sondern der des § 144 SGG bzw. für
Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 SGG (so auch LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. Februar
2009, a.a.O.). Nach § 144 Abs. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf
Beschwerde der Zulassung durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft,
750,00 EUR (Satz 1 Nr. 1) nicht übersteigt, soweit die Berufung nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für
mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2). Hieran anknüpfend regelt § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG in Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes den Ausschluss der Beschwerde, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht zulässig wäre.
Für die Anwendbarkeit von Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 des § 127 ZPO spricht auch, dass nach einhelliger Auffassung
andere Regelungen der Vorschrift im sozialgerichtlichen Verfahren Geltung beanspruchen sollen. So ist unstreitig,
dass § 127 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 ZPO, der das Beschwerderecht der Staatskasse regelt, Anwendung findet
(vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Auflage 2008, § 73a Rn. 12d).
Zudem erfordern Sinn und Zweck des SGG die Anwendung von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im
sozialgerichtlichen Verfahren. Ausdrückliches Ziel des SGGArbGG-Änderungsgesetzes vom 26. März 2008 ist es, die
Sozialgerichtsbarkeit nachhaltig zu entlasten und zugleich eine Straffung der sozialgerichtlichen Verfahren
herbeizuführen (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 1; BR-Drs. 820/07, S. 1). Einen entsprechenden Sinn und Zweck verfolgt im
Prozesskostenhilferecht § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO. Der mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in Kraft
getretenen Neufassung des § 127 Abs. 2 ZPO lag die Erwägung zugrunde, den Rechtsschutz in einem
Nebenverfahren – wie dem der Prozesskostenhilfe – nicht weiter auszugestalten als in der Hauptsache. Dadurch
sollte nach Auffassung des Gesetzgebers insbesondere der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen begegnet
werden, zu denen es käme, wenn das Beschwerdegericht die Erfolgsaussicht abweichend von dem in der Hauptsache
abschließend entscheidenden Gericht des ersten Rechtszugs beurteilt (vgl. BT-Drs. 14/3750, S. 51; 14/4722, S. 75
f.). Dies führt gleichzeitig zu einer Entlastung der Gerichte.
Auch § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG, der durch das SGGArbGG-Änderungsgesetz vom 26. März 2008 eingeführt wurde,
steht der Geltung von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren nicht entgegen. § 172
Absätze 2 und 3 SGG in der seit 1. April 2008 geltenden Fassung enthalten keine abschließende Regelung für alle
denkbaren Fälle, in denen abweichend von § 172 Abs. 1 SGG die Beschwerde ausgeschlossen sein soll. So sind
"andere Bestimmungen" im Sinne von § 172 Abs. 1 SGG etwa in §§ 18 Abs. 4 SGG, 22 Abs. 3 Satz 2, 67 Abs. 4
Satz 2, 75 Abs. 3 Satz 3 SGG enthalten, die die Unanfechtbarkeit von Beschlüssen regeln.
Soweit der Gesetzgeber in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG einen Beschwerdeausschluss gegen die Ablehnung von
Prozesskostenhilfe normiert hat, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen
Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, handelt es sich um einen zusätzlichen Fall des
Beschwerdeausschlusses im Prozesskostenhilferecht. Dieser gilt neben dem Beschwerdeausschluss für Fälle, in
denen Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht der Hauptsache verneint und der Beschwerdewert der
Berufung nicht erreicht wird (§ 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO) und zwar als sozialgerichtliche
Spezialregelung abweichend von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 2. Var. ZPO (so auch LSG Niedersachsen-Bremen,
Beschluss vom 15. Juli 2007, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 5. Dezember 2008, a.a.O.;
Hessisches LSG, Beschluss vom 8. Juli 2009, a.a.O.; Thüringer LSG, Beschluss vom 19. Mai 2009, L 8 B 246/08
AY, zitiert nach juris). Im Zivilprozess ist demgegenüber in Fällen, in denen das Gericht ausschließlich die
persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat, gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 2. Var. ZPO
die sofortige Beschwerde des Antragstellers unabhängig vom Streitwert der Hauptsache zulässig.
Allein diese Auslegung von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG entspricht dem bereits erwähnten Ziel des Gesetzgebers, die
Sozialgerichtsbarkeit zu entlasten und sozialgerichtliche Verfahren zu straffen (vgl. BT-Drs. 16/7716, a.a.O.; BR-Drs.
820/07, a.a.O.).
Der gegenteiligen Ansicht (vgl. z. B. Sächsisches LSG, Beschluss vom 1. Oktober 2009, L 7 AS 294/09 B PKH; LSG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. April 2009, L 19 B 228/08 AS; Beschluss vom 7. Juli 2008, L 1 B 17/08 AS;
LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23. Februar 2009, L 13 AS 3835/08 PKH-B; LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 16. Juli 2008, L 29 B 1004/08 AS PKH; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 9. Juni 2008, L
9 B 117/08 AS, jeweils zitiert nach juris), die unter Bezugnahme auf die Gesetzesmaterialien davon ausgeht, dass der
Gesetzgeber den Ausschluss der Beschwerde gegen ablehnende Prozesskostenhilfebeschlüsse in § 172 Abs. 3 Nr. 2
SGG abschließend geregelt habe, vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
In der Gesetzesbegründung zu § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 22) heißt es wörtlich: "Die
Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann mit der Beschwerde nur noch angefochten werden, wenn die
Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Hat das Gericht hingegen die persönlichen oder
wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, ist die Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht statthaft." Diese
Aussage verdeutlicht lediglich, dass die Beschwerde nur in Konstellationen zulässig ist, in denen das erstinstanzliche
Gericht die Erfolgsaussichten der Hauptsache verneint hat. Einen ausdrücklichen Ausschluss der Geltung von § 73a
SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO enthält sie demgegenüber nicht. Hätte der Gesetzgeber einen
solchen Ausschluss gewollt, hätte er dies in der Gesetzesbegründung explizit zum Ausdruck bringen können.
Für die Anwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO, der auf den Wert des Beschwerdegegenstandes in §
511 ZPO verweist, bedarf es auch keines Analogieschlusses (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juli
2008, a.a.O.), der eine planwidrige Regelungslücke voraussetzte. Die Anwendbarkeit ergibt sich vielmehr aus der
ausdrücklichen Regelung in § 73a SGG. Der Verweis in § 73a SGG bedeutet über die Formulierung "gelten
entsprechend", dass die Vorschriften der ZPO nicht unmittelbar, sondern ihrem Rechtsgedanken nach in das
sozialgerichtliche Verfahren übernommen werden. In Bezug auf § 511 ZPO bedeutet dies nicht eine Anbindung an den
dort genannten Wert des Beschwerdegegenstandes. Vielmehr lautet die ratio der Regelung (§ 127 Abs. 2 Satz 2
Halbsatz 2 i.V.m. § 511 ZPO), dass bei Nichterreichen des Beschwerdewertes der Berufung in der Hauptsache ein
Rechtsmittel auch gegen die Prozesskostenhilfeablehnung ausgeschlossen sein soll. Im sozialgerichtlichen Verfahren
bestimmt sich im Unterschied zur Regelung in der ZPO der Beschwerdewert in "entsprechender" Anwendung
allerdings nach § 144 SGG.
Soweit teilweise vertreten wird, das Gebot der Rechtsmittelklarheit erfordere, dass der Gesetzgeber eine eindeutige
Ausschlussregelung von Rechtsmitteln trifft – wie etwa in § 172 Abs. 3 SGG - (vgl. LSG Berlin-Brandenburg,
Beschluss vom 16. Juli 2008, a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. Juli 2008, a.a.O.), ist dem
entgegen zu halten, dass er mit § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO eine hinreichend deutliche
gesetzliche Regelung getroffen hat (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O.).
Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf
Prozesskostenhilfe ausgeschlossen ist, weil in der Hauptsache der Beschwerdewert nicht erreicht wird. Der Wert des
Beschwerdegegenstandes im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Schleswig zum Az. S 3 AS
693/08 ER entspricht maximal dem durch Änderungsbescheid vom 6. Januar 2009 bewilligten Nachzahlungsbetrag in
Höhe von 191,94 EUR. Die Antragstellerin hatte die von ihr begehrte Leistung nicht genau beziffert, sondern
sinngemäß beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu verpflichten, ihr – der
Antragstellerin - im Januar 2009 die gesetzlich zustehenden Leistungen unter Anrechnung eines ermäßigten fiktiven
Netto-Erwerbseinkommens, das sich nach einem Bruttoeinkommen von 391,80 EUR berechnet, zu gewähren. Die
Antragsgegnerin bewilligte mit Änderungsbescheid vom 6. Januar 2009 jedoch höhere Leistungen als von der
Antragstellerin beantragt, indem von einem niedrigeren Bruttoerwerbseinkommen (369,41 EUR) ausgegangen wurde.
Vorliegend folgt die Zulässigkeit der Beschwerde auch nicht aus der falschen Rechtsmittelbelehrung im Beschluss
des Sozialgerichts vom 9. Februar 2009, nach der gegen die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe die
Beschwerde gegeben sei. Eine unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich
ausgeschlossen ist, nicht eröffnen (Leitherer, a.a.O., vor § 143 Rdn. 14b).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).