Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 20.02.2009

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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss vom 20.02.2009 (rechtskräftig)
Sozialgericht Dessau-Roßlau S 6 AS 2021/07 und S 6 AS 1997/07
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 5 B 305/08 AS und L 5 B 304/08 AS
Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Juni 2008 werden als unzulässig
verworfen.
Kosten für die Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für zwei vor dem Sozialgericht
Dessau-Roßlau anhängige Klagen, in denen er höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -
Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wegen eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung aus
medizinischen Gründen begehrt.
Der am 19 geborene Beschwerdeführer ist seit dem 18. September 2002 als schwerbehinderter Mensch mit einem
Grad der Behinderung (GdB) von 80 anerkannt (Bescheid des Amtes für Versorgung und Soziales Halle vom 19. Juni
2003). Der Beschwerdeführer lebt mit seiner Lebensgefährtin in einer Bedarfsgemeinschaft und erhält Leistungen nach
dem SGB II. Dabei wurde ihm seit dem 1. September 2006 wegen der Folgen einer Krebserkrankung ein
ernährungsbedingter Mehraufwand von 25,00 EUR bewilligt.
Der Beschwerdeführer machte am 17. Dezember 2006 und am 24. Januar 2007 weitere Mehrbedarfe für
kostenaufwändige Ernährung geltend. Mit Bescheid vom 30. Januar 2007 lehnte der seinerzeit zuständige Landkreis
Anhalt-Zerbst die Anträge mit der Begründung ab, bei Diabetes mellitus Typ IIb sei kein Mehrbedarf vorgesehen. Der
ernährungsbedingte Mehraufwand wurde rückwirkend ab dem 1. September 2006 auf 25,56 EUR erhöht und der
Differenzbetrag nachgezahlt. Ausweislich einer mit dem Widerspruch vom 9. Februar 2007 vorgelegten ärztlichen
Bescheinigung der Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. M. und Dipl.-Med. St. vom 5. Februar 2007 sei der
Beschwerdeführer u. a. an einem Diabetes mellitus Typ IIb, an einer entzündlichen Darmerkrankung sowie an einem
Zustand nach Prostatakarzinom erkrankt. Die Ärzte empfahlen dauerhaft eine Diabetes-Reduktionskost und wegen
der Krebserkrankung Vollkost. Den Widerspruch wies der Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit Widerspruchsbescheid vom
7. September 2007 zurück.
Auf den Weiterzahlungsantrag des Beschwerdeführers bewilligte der Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit Bescheid vom 9.
Juli 2007 vorläufig Leistungen für die Bedarfsgemeinschaft vom 1. Juli bis 31. Dezember 2007. Wiederum wurde ein
kostenaufwändiger Ernährungsbedarf von 25,56 EUR/Mt. zuerkannt. Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 16.
August 2007 wies der Landkreis Anhalt-Bitterfeld mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 7. September 2007
zurück, weil bei Diabetes mellitus Typ IIb kein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung vorgesehen sei.
Gegen den Bescheid vom 9. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2007 hat der
Beschwerdeführer am 8. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (S 6 AS 1997/07) erhoben. Gegen
den Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2007 hat er am
10. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (S 6 AS 2021/07), jeweils mit dem Ziel der Zuerkennung
eines zusätzlichen Bedarfs in Höhe von mindestens 25,00 EUR, erhoben. Wegen des neben der Krebserkrankung
vorliegenden Diabetes mellitus sei ein erhöhter Mehrbedarf aufgrund Ernährungsumstellung erforderlich. Gleichzeitig
hat der Beschwerdeführer für beide Verfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und am 19. Oktober
2007 jeweils eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 15. Oktober 2007 vorgelegt.
Unter dem 10. März 2008 ist als Folge der Kreisgebietsreform im Land Sachsen-Anhalt die jetzige
Beschwerdegegnerin zur Beklagten bestimmt worden.
Das Sozialgericht hat die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschlüssen vom 3. Juni 2008
abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dem Beschwerdeführer stehe kein Mehraufwand für kostenaufwändige
Ernährung zu. Wegen des Diabetes mellitus Typ IIb sei nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins für
öffentliche und private Fürsorge eine Reduktionskost angebracht, die nicht mit erhöhten Kosten verbunden sei. Auch
nach der Rechtsprechung zum Bundessozialhilfegesetz habe ein solcher Anspruch nicht bestanden. Ferner hat sich
das Gericht auf Entscheidungen verschiedener Landessozialgerichte gestützt.
Gegen die ihm am 10. Juni 2008 zugestellten Beschlüsse hat der Beschwerdeführer am 9. Juli 2008 beim
Sozialgericht Dessau-Roßlau Beschwerde eingelegt und zur Begründung unter dem 22. Oktober 2008 ausgeführt, es
lägen mehrere chronische Erkrankungen sowie eine chronische Darmentzündung vor. Während der
Krebsnachbehandlung müsse er zusätzlich homöopathische Ernährung und Medikamente zu sich nehmen.
Der Beschwerdeführer beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Beschlüsse des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Juni 2008 aufzuheben und ihm für die Verfahren vor dem
Sozialgericht Dessau-Roßlau S 6 AS 1997/07 und S 6 AS 2021/07 Prozesskostenhilfe ohne
Ratenzahlungsverpflichtung zu bewilligen sowie Rechtsanwältin K. aus Gräfenhainichen zur Vertretung in den
Verfahren beizuordnen.
Die Beschwerdegegnerin hat keine Ausführungen gemacht. Ausweislich ihres Bescheides vom 18. Dezember 2008 für
den Bewilligungsabschnitt vom 1. Januar bis 30. Juni 2009 bewilligt sie dem Beschwerdeführer nun einen
ernährungsbedingten Mehrbedarf von 51,13 EUR/Mt.
II.
Die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. Juni 2008 sind unzulässig und
damit zu verwerfen.
1. Die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde gegen die Ablehnung von Anträgen auf Bewilligung von
Prozesskostenhilfe richtet sich nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2
Zivilprozessordnung (ZPO); die Regelungen sind durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des
Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) mit Wirkung vom 1. April 2008 durch Einfügung von §
172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG modifiziert worden.
a. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten die Vorschriften der ZPO über die Prozesskostenhilfe entsprechend. Die
Verweisung bezieht sich auf alle in dem Buch 1, Abschnitt 2, Titel 7 der ZPO enthaltenen Vorschriften über die
Prozesskostenhilfe, soweit das SGG nicht ausdrücklich - etwa in § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG - etwas anderes regelt
(vgl. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 9. Aufl., § 73a, Rdnr. 2). Die "entsprechende Anwendung"
fordert allerdings eine Anpassung der jeweils maßgeblichen Vorschriften der ZPO auf das sozialgerichtliche
Verfahren, soweit prozessuale Besonderheiten bestehen. Dies betrifft insbesondere die Ersetzung des dem
sozialgerichtlichen Verfahren fremden Rechtsmittels der "sofortigen Beschwerde" durch die "Beschwerde", ferner die
Bestimmung des Beschwerdegerichts, nämlich des Landessozialgerichts statt eines höherinstanzlichen Zivilgerichts,
sowie die Anpassung des maßgeblichen Werts des Beschwerdegegenstandes für die Berufung. Dieser liegt in
Zivilverfahren gemäß § 511 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO bei 600,00 EUR, während hier der seit dem 1. April 2008 in § 144
Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG geregelte Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 EUR maßgeblich ist. Offen
bleiben kann, ob die früher in der ZPO geltende Notfrist von zwei Wochen für die sofortige Beschwerde auch im
sozialgerichtlichen Verfahren Anwendung fand, da heute die Rechtsmittelfrist gleichermaßen einen Monat beträgt (§
127 Abs. 2 Satz 3 ZPO bzw. § 173 SGG).
b. Nach der bis zum 31. März 2008 geltenden Rechtslage war gemäß § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO
die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich statthaft, es sei denn, der maßgebliche
Beschwerdewert wurde nicht überschritten. Ausnahmsweise war die Beschwerde aber in diesem Fall doch zulässig,
wenn ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint
wurden.
Mit Wirkung zum 1. April 2008 ist mit der Einführung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG die Beschwerde gegen die
Ablehnung von Prozesskostenhilfe - unabhängig vom Wert des Beschwerdewerts - nunmehr "zusätzlich" und damit
immer ausgeschlossen worden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen
Voraussetzungen verneint (so auch: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, L 12 B 18/07 AL,
Rdnr. 25).
Daher ist seit dem 1. April 2008 die Beschwerde bei einem Wert des Beschwerdegegenstandes über 750,00 EUR nur
noch zulässig, wenn Prozesskostenhilfe (auch) wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt worden ist. Dies folgt
aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz ZPO. Das gleiche gilt, wenn
wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG im Streit sind.
Die Beschwerde ist hingegen ausgeschlossen, wenn das Gericht in diesen Fällen ausschließlich die persönlichen und
wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint.
Übersteigt hingegen der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht, ist die Beschwerde immer unstatthaft,
unabhängig davon, ob Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht oder fehlender wirtschaftlicher
Bedürftigkeit abgelehnt worden ist. Dies folgt aus § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 zweiter
Halbsatz ZPO i.V.m. § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG.
2. Der Senat folgt nicht der teilweise in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung, wonach die
Beschwerde sich allein nach § 172 Abs. 1 SGG richte und demgemäß - bis zur Einführung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2
SGG - immer zulässig gewesen sei (vgl. OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 7. September 2008, S
3 S 355/08, Rdnr. 9). Das Fehlen einer "planwidrigen gesetzgeberischen Lücke im SGG" (so OVG der Freien
Hansestadt Bremen, a.a.O., Rdnr. 11) vermag der Senat nicht zu erkennen. Insoweit wird auf die oben dargestellte
Gesetzeslage bis zum 31. März 2008 verwiesen.
a. § 172 Abs. 1 SGG enthält für das Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren vor den Sozialgerichten keine den
Vorschriften der ZPO vorgehende Sonderregelung. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, der auf
ihren Auffangcharakter hinweist. Danach findet gegen die Entscheidung der Sozialgerichte die Beschwerde an das
Landessozialgericht nur statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Eine "andere Bestimmung" in
diesem Sinne ist aber § 73a Abs. 1 SGG, der abweichend von der allgemeinen Auffangverweisung auf die
Vorschriften der ZPO in § 202 SGG auf die Vorschriften zur Prozesskostenhilfe der ZPO ausdrücklich in Bezug
nimmt.
b. Den Gesetzesmaterialien lässt sich für den Senat eindeutig entnehmen, dass mit der Einführung des
Prozesskostenhilferechts anstelle des so genannten "Armenrechts" in der Bundesrepublik Deutschland zum 1. Januar
1980 grundsätzlich die neu geschaffenen Vorschriften, welche in die ZPO eingefügt wurden, für die verschiedenen
Verfahrensordnungen Anwendung finden sollten. Dies ergibt sich schon aus dem Entwurf der Bundesregierung eines
Gesetzes über die Prozesskostenhilfe vom 17. Juli 1979 (BT-Drs. 8/3086). Zunächst ist dort ausdrücklich - trotz der
erkannten Besonderheiten des kostenfreien sozialgerichtlichen Verfahrens und des Amtsermittlungsgrundsatzes - die
Notwendigkeit der Einführung der Prozesskostenhilfe auch im sozialgerichtlichen Verfahren gesehen worden. Dies ist
damit begründet worden, dass die auch für auch ausgebildete Juristen mitunter schwierige Spezialmaterie die
Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich machen könne (S. 21/22). Aus den Ausführungen zu Artikel 4 (S. 38/39)
lässt sich ebenfalls nur der Schluss ziehen, dass alle Regelungen über die Prozesskostenhilfe in der ZPO auch im
sozialgerichtlichen Verfahren gelten sollten.
c. Dies ergibt sich auch aus der Systematik des Gesetzes. Eine Ausnahme von dem dargestellten Grundsatz ist in §
73a Abs. 1 Satz 2 SGG ausdrücklich geregelt worden. Abweichend von der in dem Gesetzentwurf vom 17. Juli 1979
vorgesehenen Fassung des § 121 Abs. 1 bis 3 ZPO sollte das SGG-Verfahren nämlich die Möglichkeit eröffnen, dass
das Gericht auf Antrag des Beteiligten einen beizuordnenden Rechtsanwalt auswählen kann, wenn dieser keinen
solchen ausreichend qualifizierten kennt. Insoweit war eine Spezialregelung notwendig, weil eine "entsprechende
Anwendung" von § 121 Abs. 1 bis 3 ZPO kein Recht des Gerichts auf eine Auswahl eines vertretungsbereiten
Rechtsanwalts eingeräumt hätte. Bei Inkrafttreten zum 1. Januar 1980 ist zwar in § 121 Abs. 4 ZPO (heute: § 121
Abs. 5 ZPO) eine vergleichbare Regelung eingeführt worden, die allerdings abweichend von § 73a Abs. 1 Satz 2 SGG
für das Tätigwerden des Gerichts voraussetzt, dass die Partei keinen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt findet. §
121 Abs. 5 ZPO betrifft die Bestimmung eines sog. Notanwalts, der - anders als im sozialgerichtlichen Verfahren - die
Vertretung übernehmen muss.
Hätte der Gesetzgeber demnach hinsichtlich der Zulässigkeit des Rechtsmittels der Beschwerde bei der Einführung
der Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren eine andere Regelung treffen wollen, hätte er
konsequenter Weise diesen Willen in § 73a SGG normieren müssen.
Für die Auffassung des erkennenden Senats spricht auch, dass - insoweit einhellig - die Regelung in § 127 Abs. 2
i.V.m. Abs. 3 Satz 1 ZPO zur Beschwerdebefugnis der Staatskasse auch im sozialgerichtlichen Verfahren
Anwendung findet. Wäre § 172 Abs. 1 SGG Spezialvorschrift gegenüber § 127 Abs. 2 ZPO, gälte dies auch für die
Beschwerdebefugnis der Staatskasse. Dann müsste diese auch dann das Recht der Beschwerde haben, wenn
Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung bewilligt wird.
Schließlich verbietet auch nicht die Eigenart des sozialgerichtlichen Verfahrens, die Vorschriften der ZPO zur
Statthaftigkeit der Beschwerde entsprechend anzuwenden (vgl. Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz,
9. Aufl., § 202, Rdnr. 3). Nur wenn grundsätzliche Unterschiede der Verfahrensarten die entsprechende Anwendung
ausschließen, ist auf die Vorschriften des SGG zurückzugreifen. Hinsichtlich der Frage der Rechtsmittelbefugnis für
das Prozesskostenhilfeverfahren im Rahmen eines sozialgerichtlichen Verfahrens finden sich aber keine solchen
ausschließenden Unterschiede.
d. Auch die mit Wirkung zum 1. Januar 2002 durch das Gesetz zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001
(BGBl. I, S. 1887) eingeführte Koppelung der Beschwerdebefugnis an den Streitgegenstand für die Berufung ist von
der Verweisung des § 73a SGG Abs. 1 Satz 1 SGG umfasst.
Es gibt schon keinen Anknüpfungspunkt dafür, dass § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.d.F. vom 13. Juni 1980
ausschließlich die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO in ihrer damaligen Fassung geregelt hätte.
Vielmehr ist in der Konstruktion des Prozesskostenhilferechts - Generalregelung in der ZPO, Verweisung auf
entsprechende Anwendung in allen Verfahrensordnungen - nur die Vorgabe des Gesetzgebers enthalten, die
Vorschriften der ZPO in ihrer jeweils maßgeblichen Fassung anzuwenden (sog. "dynamische Verweisung", vgl. mit
Hinweisen zur Rechtsprechung LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, L 12 B 18/07 AL, Rdnr.
14).
Der Gesetzesentwurf vom 4. Juli 2000 (BT-Drs. 14/3750) enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber
künftig für das sozialgerichtliche Verfahren eine von der ZPO abweichende Regelung hinsichtlich der Zulässigkeit der
Beschwerde einführen wollte. Vielmehr weist der dort betonte "Konvergenzgedanke" (S. 51) darauf hin, dass im
Vordergrund der Überlegungen die Vermeidung von widersprüchlichen Entscheidungen stand. Zu diesen käme es,
wenn das Beschwerdegericht die materiellrechtlichen Erfolgsaussichten abweichend von dem in der Hauptsache
abschließend entscheidenden Gericht des ersten Rechtszugs beurteilt. Dieser Fall einer Konvergenz konnte auch in
den Verfahren nach dem SGG in der vor dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung eintreten, da § 144 Abs. 1 Satz 1
Ziffer 1 SGG seinerzeit einen Wert des Beschwerdegegenstandes für die Zulässigkeit der Berufung von 1.000,00 DM
vorsah.
Die gegenteilige Auffassung (LSG Baden-Würtemberg, a.a.O., Rdnr. 2 f.) stellt zu Unrecht die Frage nach einer
analogen Anwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz ZPO. Denn eine durch Analogie zu schließende
Regelungslücke liegt nicht vor; vielmehr ist aufgrund der Verweisung in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG die Vorschrift des §
127 Abs. 2 ZPO direkt anzuwenden.
3. Auch die verschiedentlich vertretene Auffassung, wonach durch die Änderung des SGG zum 1. April 2008 eine
Abkehr des Gesetzgebers von einem einheitlichen Prozesshilferecht zu sehen sei (LSG Niedersachsen-Bremen,
Beschluss vom 9. Juni 2008, L 9 B 107/08 AS, Rdnr. 13), überzeugt nicht.
a. Vielmehr ergibt sich zunächst aus dem dokumentierten Gang des Gesetzgebungsverfahrens zum Gesetz zur
Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes für den Senat, dass Intention des
Gesetzgebers zum Zwecke der Entlastung der Landessozialgerichte eine im Vergleich zu den Regelungen der ZPO
weitergehende Beschränkung des Beschwerderechts war. Schon der erste Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom
15. November 2007 (BR-Drs. 820/07, S. 1) verwies auf die Notwendigkeit einer nachhaltigen Entlastung und Straffung
des sozialgerichtlichen Verfahrens. Bei den Änderungen sollten die Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens
Beachtung finden. Dort findet sich bereits der Vorschlag, die Beschwerde auszuschließen in Verfahren gegen die
Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnisse für die Gewährung von Prozesskostenhilfe verneint. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 11.
Januar 2008 (BT-Drs. 16/7716) greift diese Gedanken nochmals auf. Ergänzend enthält die Begründung zum
Allgemeinen Teil (S. 12, 13) einen Verweis auf den Beschluss der 77. Konferenz der Justizministerinnen und
Justizminister der Länder am 1./2. Juni 2006, wonach Prozessordnungen und Gerichtsverfassungen zu
vereinheitlichen seien. Ausdrücklich ergibt sich die gesetzgeberische Vorstellung über die Erreichung dieser Ziele aus
den Ausführungen zu Teil A I Ziffer 2 Buchstabe c, bb) "Beschwerdeverfahren": Danach wird die Beschwerde
"ausgeschlossen in Verfahren des Einstweiligen Rechtsschutzes und der Prozesskostenhilfe" (S. 14). Zu Nummer 29
(§ 172) (S. 22) ist hingegen ausgeführt: "Die Ablehnung von Prozesskostenhilfe kann mit der Beschwerde nur noch
angefochten werden, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint wurden. Hat das Gericht
hingegen die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint, ist die Beschwerde gegen diese
Entscheidung nicht statthaft."
Aus diesen Formulierungen ergibt sich nach Auffassung des Senats eindeutig, welche Vorstellungen der Gesetzgeber
sich von den Maßnahmen zur Entlastung der Sozialgerichte gemacht hat. Die Gesetzesmaterialien enthalten
ausdrücklich keine Hinweise auf ein vom Gesetzgeber verfolgtes Ziel, von dem bisherigen einheitlichen
Regelungssystem für die Prozesskostenhilfe abweichen und für die Sozialgerichte eine abschließende
Sonderregelung schaffen zu wollen. Vielmehr erlauben die Gesetzesmaterialien auch den Schluss, dass nur eine
Fallgestaltung der in § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO geregelten Gruppen verändert werden sollte (so auch LSG
Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, a.a.O., Rdnr. 25). Der Senat versteht die Neuregelung so, dass
bei grundsätzlicher Beibehaltung der Abgrenzung nach dem Erreichen des Wertes der Berufungssumme zusätzlich
alle Entscheidungen, die sich allein auf die fehlende wirtschaftliche Bedürftigkeit stützen, von der Beschwerde
ausgeschlossen sein sollen.
Gegen die Interpretation einer völligen Abkehr vom bisherigen Regelungssystem spricht, dass die
Gesetzesmaterialien ausdrücklich den Wunsch der Justizminister/-innen der Länder nach einer Vereinheitlichung der
Gerichtsverfassungen aufgreifen. Ferner lässt sich einwenden, dass eine Aufgabe des sog. Konvergenzgedankens zu
keinem Zeitpunkt des Gangs der Gesetzgebung auch nur zur Diskussion gestanden hat. Zu einer solchen Konvergenz
käme es jedoch, wenn man § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG als abschließende Regelung verstünde. Dann wäre die
Beschwerde nämlich - im Gegensatz zur Regelung bis zum 31. März 2008 - nunmehr immer zulässig bei Streitwerten
unterhalb der Berufungssumme, wenn Prozesskostenhilfe (zumindest auch) wegen fehlender Aussicht auf Erfolg der
Klage abgelehnt wird.
b. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gesetzessystematik kann aus der Einführung von § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG
zum 1. April 2008 nicht geschlossen werden, dass Spezialvorschrift für das Beschwerdeverfahren § 172 Abs. 1 Satz
1 SGG schon immer gewesen oder ab dem 1. April 2008 geworden ist. Zwar hätte es nahe gelegen, die § 127 Abs. 2
Satz 2 ZPO ergänzende Rechtsmittelbeschränkung in § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG zu regeln. Immerhin hatte der
historische Gesetzgeber unter diese Vorschrift die Abweichungen von der ZPO hinsichtlich der Benennung eines
Rechtsanwalts gefasst. Andererseits dient die Einbindung der maßgeblichen Regelung in den Kontext der übrigen
Fälle eines Beschwerdeausschlusses in § 172 Abs. 3 SGG dem Bedürfnis einer besseren Übersichtlichkeit.
c. Ferner kann auch nicht mit Erfolg gegen die Auffassung des Senats eingewendet werden, der Gesetzgeber habe
nicht oder zumindest nicht hinreichend deutlich den Ausschluss des Beschwerderechts in den Fällen der Ablehnung
wegen fehlender Erfolgsaussicht bei Streitwerten unter 750,00 EUR normiert und damit gegen das Gebot der
Rechtsmittelklarheit verstoßen (so OVG Bremen, a.a.O., Rdnr. 12; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juli
2008, L 29 B 1004/08 AS). Unter der Maßgabe der Anwendbarkeit von § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO im
sozialgerichtlichen Verfahren ist die Neuregelung rechtlich eindeutig und nicht interpretationsbedürftig.
4. In der Hauptsache wird in beiden Beschwerdeverfahren der Wert des Beschwerdegegenstandes für die Zulassung
der Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG von 750,00 EUR nicht erreicht, sodass bei erfolgter Ablehnung
der Prozesskostenhilfe wegen fehlender Aussicht auf Erfolg die Beschwerde gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m.
§ 127 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz i.V.m. § 172 Abs. 3 Ziffer 2 SGG ausgeschlossen ist. Insoweit ergibt sich
gegenüber der bis zum 31. März 2008 geltenden Rechtslage keine Abweichung, da auch insoweit gemäß § 73a Abs. 1
Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz ZPO die Beschwerde nicht statthaft war.
a. In dem Verfahren S 6 AS 1997/07 begehrt der Beschwerdeführer für einen Zeitraum vom 1. Juli bis 31. Dezember
2007 einen Mehrbedarf von 25,00 EUR/Monat für kostenauf-wändige Ernährung. Dies führt zu einem
Beschwerdegegenstand von 150,00 EUR (25,00 EUR x 6) im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 SGG, der nicht
den maßgeblichen Beschwerdegegenstand von 750,00 EUR für eine auf eine Geldleistung oder einen hierauf
gerichteten Verwaltungsakt gerichtete Klage erreicht.
b. Der Beschwerdegegenstand des Klageverfahrens S 6 AS 2021/07 betrifft ausweislich des Verfügungssatzes im
angefochtenen Bescheid vom 30. Januar 2007 den Zeitraum vom 1. September 2006 bis 28. Februar 2007. Für diese
Zeit ist lediglich eine Erhöhung des bislang schon bewilligten Mehrbedarfs um 0,56 EUR/Monat bewilligt worden. Auch
insoweit ergibt sich ein Beschwerdegegenstand von 150,00 EUR.
c. Ein Fall des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die Berufung unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes
zulässig ist, wenn sie wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, liegt hier nicht vor.
Der Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2007, in denen die
Anträge vom 17. Dezember 2006 und vom 24. Januar 2007 auf weitere Erhöhung des Mehrbedarfs - ohne
Bezugnahme auf den zeitlichen Rahmen des aktuellen Bewilligungsabschnitts - abgelehnt worden sind, enthält keinen
Verfügungssatz über eine Ablehnung der begehrten Mehrleistung für einen Zeitraum nach dem 28. Februar 2007, also
für mehr als einem Jahr und quasi "auf Dauer". Dies kann aber auch dahin stehen, weil die Beschwerdegegnerin auf
den Folgeantrag mit Bescheid vom 9. Juli 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. September 2007
erneut die begehrte zusätzliche Leistungsbewilligung für Zeiträume ab dem 1. Juli 2007 abgelehnt hat. Spätestens mit
der Erteilung dieses Bescheides endete der Zeitraum, für den die erste ablehnende Bescheidung vom 30. Januar
2007, beginnend ab dem 1. September 2006, Wirkung entfalten konnte (BSG, Urteil vom 31. Oktober 2007, B 14/11b
AS 59/06 R, Rdnr.13).
Die Berufungsfähigkeit in diesem Sinne kann auch nicht dadurch erreicht werden, dass - fiktiv - die Möglichkeit eines
weiteren Leistungsbezugs nach dem SGB II für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr unterstellt wird. § 41 Abs. 1
Satz 4 SGB II begrenzt den jeweiligen Streitgegenstand in zeitlicher Hinsicht auf die Dauer von sechs bzw. längstens
zwölf Monaten (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 30. Juli 2008, B 14 AS 7/08 B, Reg.-Nr. 28428 (BSG-
Intern).
5. Der Senat kann hier offen lassen, ob eine erweiternde Auslegung von § 127 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz ZPO in
Betracht kommt, soweit bei Unterschreiten des Beschwerdewerts Gründe in der Hauptsache erkennbar sind, die eine
Zulassung der Berufung durch das SG oder durch das LSG mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwarten lassen (so
wohl LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Juli 2008, L 12 B 18/07 AL, Rdnr. 24.) Denn im vorliegenden
Fall ist eine Berufungszulassung in der einzig hier möglichen Alternative nach § 144 Abs. 2 Ziffer 1 SGG wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nicht ersichtlich. Vielmehr ist die Frage eines ernährungsbedingten
Mehrbedarfs aus medizinischen Gründen gemäß § 21 Abs. 5 SGB II grundsätzlich obergerichtlich geklärt (vgl. BSG,
Urteil vom 27. Februar 2008, B 14/7b AS 64/06 R und 62/06 R); offen ist lediglich die Anwendung dieser Grundsätze
auf den Einzelfall des Klägers, dem jedoch voraussichtlich keine grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Darüber hinaus hat der Senat Bedenken gegen eine entsprechende Anwendung. § 127 Abs. 2 Satz 2 zweiter Halbsatz
ZPO ist vom Wortlaut her eindeutig und stellt allein auf das Übersteigen des Streitwertes in der Hauptsache ab.
Außerdem kann die Zulässigkeit eines Rechtsmittels nicht von einem prognostisch zu bestimmenden Ereignis
abhängig gemacht werden. So ist zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung über die Ablehnung von
Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht erkennbar, ob ein Urteil in der Sache ergehen wird, ob die maßgebliche
Rechtsfrage bis zu diesem Zeitpunkt obergerichtlich geklärt ist, oder ob das Urteil überhaupt auf dieser Rechtsfrage
beruhen wird.
6. Die Zulässigkeit der Beschwerde folgt auch nicht aus der (falschen) Rechtsmittelbelehrung des Sozialgerichts,
nach der gegen seine Beschlüsse die Beschwerde zum Landessozialgericht Sachsen-Anhalt möglich sei. Eine
unzutreffende Rechtsmittelbelehrung kann ein Rechtsmittel, das gesetzlich ausgeschlossen ist, nicht eröffnen
(Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 143 Rdnr. 14 b; BSG, Urteil vom 20. Mai 2003, B 1 KR 25/01 R, SozR
4-1500 § 158 Nr. 1).
7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).