Urteil des LSG Sachsen vom 11.09.2006

LSG Fss: versorgung, wesentlicher nachteil, hauptsache, bereinigung, vergütung, erlass, krankenkasse, auszahlung, entlastung, vergleich

Sächsisches Landessozialgericht
Beschluss vom 11.09.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Dresden S 15 KA 496/05 ER
Sächsisches Landessozialgericht L 1 B 291/05 KA-ER
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 20. Oktober 2005 und
der weitergehende Antrag auf Gewäh-rung vorläufigen Rechtsschutzes werden zurückgewiesen. II. Die Antragstellerin
hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tra-gen. III. Der Streitwert wird auf 39.944,99 EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Die antragstellende Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) richtet sich im Wege des vorläu-figen Rechtsschutzes gegen
Einbehalte, die die Antragsgegnerin, eine Krankenkasse, von der Gesamtvergütung zur Anschubfinanzierung der
integrierten Versorgung vorgenommen hat.
Die Antragsgegnerin schloss mit Wirkung vom 01.02.2004 mit der Asklepios Orthopädi-sche Klinik H. sowie
beigetretenen Rehabilitationskliniken und beigetretenen niederge-lassenen Fachärzten für Orthopädie und Chirurgie
sowie Fachärzten mit der Zusatzbe-zeichnung Rheumatologie einen Vertrag zur integrierten Versorgung bei
Operationen an Bewegungsorganen mit Gelenkersatz (BARIOS). Sie meldete diesen Vertrag bei der Bun-
desgeschäftsstelle Qualitätssicherung (BQS) an und gab das geschätzte Vergütungsvolu-men zur Finanzierung der
Leistungen für 2004 bei 35 teilnehmenden Versicherten mit 312.600,20 EUR und für 2005 bei 80 teilnehmenden
Versicherten mit 560.002,35 EUR an. Im Hinblick auf diesen Vertrag zog die Antragsgegnerin unter Berufung auf §
140d Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Anschubfinanzierung der integrierten Ver-sorgung von den
an die Antragstellerin zu entrichtenden Gesamtvergütungen folgende Be-träge ab:
Quartal I/2004 II/2004 III/2004 IV/2004 I/2005 Prozentsatz 0,05 0,08 0,08 0,08 0,15 Betrag 14.698,81 EUR 23.066,08
EUR 23.074,32 EUR 22.825,82 EUR 40.769,93 EUR
Die Antragstellerin widersprach der Kürzung mit Schreiben vom 24.03.2005 und forderte die Antragsgegnerin unter
Fristsetzung zur Zahlung der von der Gesamtvergütung abgezo-genen Beträge auf.
Nach erfolglosem Fristablauf hat die Antragstellerin am 27.07.2005 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben
und zugleich beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den von der
Gesamtvergütung für die Quartale I/2004 bis I/2005 einbehaltenen Betrag von 124.434,96 EUR auszuzahlen. Selbst
wenn der BARIOS-Vertrag die Anforderungen an einen Integrationsvertrag erfüllen sollte, hätte im Hinblick auf seinen
Gegenstand die Anschubfinanzierung nur zulasten der Krankenhaus-vergütung erfolgen dürfen. Durch die
unberechtigte Kürzung der Gesamtvergütung drohten ihr – der Antragstellerin – wesentliche Nachteile.
Die Antragsgegnerin hat erwidert, für den Einbehalt von Mitteln der Gesamtvergütung komme es nicht darauf an, dass
überhaupt Vertragsärzte an dem Vertrag zur integrierten Versorgung beteiligt seien. Angesichts des prozentual
geringen Einbehalts könne von einer unzumutbaren Belastung nicht die Rede sein.
Mit Beschluss vom 20.10.2005 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen An-ordnung zurückgewiesen. Es
fehle am Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Die Antrag-stellerin habe einen wesentlichen Nachteil weder
hinreichend vorgetragen noch glaubhaft gemacht. Der Betrag von 124.434,96 EUR möge isoliert betrachtet hoch
erscheinen, im Ver-gleich mit der Gesamtvergütung sei er jedoch nur gering. Mit zwischen 0,05 % und 0,15 %
schöpfe die Antragsgegnerin auch nicht ansatzweise die ihr vom Gesetzgeber eingeräumte Bandbreite von bis zu 1 %
aus. Auch sei ein drohender Rechtsverlust nicht ersichtlich, da die Antragsgegnerin spätestens 2007 verpflichtet sei,
nach konkreter Abrechnung nicht verwendete Geldmittel an die Antragstellerin zurückzuzahlen. Die vom Gesetzgeber
ge-wollte zeitliche Verzögerung einer Auszahlung nicht verwandter Mittel sei von der An-tragstellerin hinzunehmen. Es
mangele auch am Anordnungsanspruch. Der Gesetzgeber habe die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung
pauschaliert, indem er den Krankenkassen in den Jahren 2004 bis 2006 einen Einbehalt von bis zu 1 % der Gesamt-
vergütungen ermöglicht habe, soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von Verträ-gen zur integrierten
Versorgung erforderlich seien. Bei summarischer Prüfung seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass es sich
bei dem Vertrag BARIOS nicht um einen Ver-trag zur integrierten Versorgung handele oder dass die Antragsgegnerin
mutwillig deutlich höhere Beträge einbehalte, als ihr zur Anschubfinanzierung erforderlich seien.
Hiergegen richtet sich die am 24.11.2005 beim SG eingelegte Beschwerde der Antragstel-lerin, der das SG nicht
abgeholfen hat. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, die Ge-samtvergütung könne nur dann und nur in dem
Umfang zur Förderung von integrierten Versorgungsverträgen gekürzt werden, in dem ambulante ärztliche Leistungen,
die bisher Gegen¬stand der vertragsärztlichen Versorgung gewesen seien, nach Verlagerung in die integrierte
Versorgung dort von Vertragsärzten erbracht würden. Im Falle des BARIOS-Vertrages könnten die Voraussetzungen
einer sektorübergreifenden Versorgung durch die Beteiligung eines Krankenhauses und von Rehabilitationskliniken
zwar erfüllt sein, zwei-felhaft sei aber, ob die fünf niedergelassenen Orthopäden tatsächlich Partner des Integrati-
onsvertrages geworden seien. Werde gleichwohl eine ordnungsgemäße Beteiligung von Vertragsärzten am BARIOS-
Vertrag unterstellt, so sei die von der Antragsgegnerin vorge-nommene Kürzung der Gesamtvergütung im Hinblick auf
den Umfang der in die integrier-te Versorgung verlagerten vertragsärztlichen Leistungen zum ganz überwiegenden Teil
ohne ausreichende Rechtsgrundlage erfolgt. Die von den niedergelassenen Orthopäden im Rahmen des BARIOS-
Vertrages zu erbringenden ambulanten Leistungen beschränkten sich im Wesentlichen auf die Erstellung der
Diagnose und die Einweisung des Patienten zur Operation sowie auf eine gelegentliche Nachbehandlung; sie würden
je Versicherten pauschal mit 40,00 EUR vergütet. Bei der gegenüber der BQS gemeldeten Teilnehmerzahl von 35
bzw. 80 Versicherten und einer Pauschalvergütung von 40,00 EUR für ambulante Leistun-gen hätten mithin allenfalls
1.400,00 EUR für das Jahr 2004 und 3.200,00 EUR für das Jahr 2005, nicht aber 124.434,96 EUR für die Quartale
I/2004 bis I/2005 einbehalten werden dürfen. Dies sei offensichtlich rechtswidrig, weshalb keine überzogenen
Anforderungen an den Anord-nungsgrund gestellt werden dürften. Ein wesentlicher Nachteil sei jedenfalls dann anzu-
nehmen, wenn – wie hier – die einbehaltenen Gesamtvergütungsanteile nicht für die Ver-gütung von in die integrierte
Versorgung ausgelagerten vertragsärztlichen Leistungen, son-dern für die Subventionierung stationärer Leistungen
verwandt würden.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 20. Oktober 2005 abzuändern und die
Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig dazu zu verpflichten, die für den BARIOS-
Vertrag bisher einbehaltenen Gesamtvergütungs-anteile von 124.434,96 EUR, soweit sie 4.600,00 EUR überschreiten,
unverzüglich an die Antragstellerin auszuzahlen und insoweit von weiteren Kürzungen abzusehen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Ihres Erachtens findet die Auffassung der Antragstellerin keine Stütze im Gesetz. Dieses enthalte gerade nicht eine
Formulierung, wonach Mittel von den Gesamtvergütungen nur dann einzubehalten seien, wenn Vertragsärzte an dem
zugrunde liegenden Vertrag zur in-tegrierten Versorgung beteiligt seien, und wonach der Einbehalt nur insoweit
erfolgen dür-fe, wie die Mittel für ambulante ärztlichen Leistungen nach dem Vertrag zur integrierten Versorgung
erforderlich seien. Vielmehr sei – wie sich auch aus § 3 Abs. 4 der Vereinba-rung über die Einrichtung einer
gemeinsamen Registrierungsstelle zur Unterstützung der Umsetzung des § 140d SGB V (BQS-Vereinbarung) ergebe
– die Kürzungsquote, die aus dem Vergütungsvolumen des jeweiligen Vertrages zur integrierten Versorgung abgeleitet
sei, in den jeweiligen Versorgungsregionen einheitlich auf alle Zahlungen an die jeweili-gen KÄVen und Krankenhäuser
anzuwenden. Es läge auch kein Anordnungsgrund vor. Während es auf ihrer – der Antragsgegnerin – Seite um den
Verlust der Finanzierbarkeit des Integrationsvertrages gehe, seien die finanziellen Auswirkungen auf die
Antragstellerin relativ gering. Der Blick auf die im streitigen Zeitraum von ihr – der Antragsgegnerin – an die
Antragstellerin entrichtete Gesamtvergütung von 158.989.867,31 EUR relativiere die Er-heblichkeit des einbehaltenen
Betrages von 124.434,93 EUR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten, der beigezogenen Akten des Hauptsacheverfahrens und der beigezogenen Verwaltungsakten der
Beteiligten ergänzend Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Antragsstellerin und ihr weitergehender Antrag sind unbegründet. Zu Recht hat das SG den
Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache – sofern es sich bei dieser nicht um eine
Anfechtungssache im Sinne des § 86b Abs. 1 SGG handelt – auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf
den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr be-steht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die
Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Siche-
rungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein
streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig
erscheint (sog. Regelungsanordnung). In beiden Fällen ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen
Anordnung das Vorlie-gen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Dabei bezieht sich der
Anordnungsanspruch auf den im Hauptsacheverfahren streitigen Anspruch und damit auf die Erfolgsaussichten in der
Hauptsache. Der Anordnungsgrund betrifft die Frage der Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit und stellt damit den Grund
für den einstweiligen Rechtsschutz dar. Als Anordnungsgrund verlangt das Gesetz für die Sicherungsanordnung eine
Gefahr für die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und für die
Regelungsanordnung die Abwendung wesentlicher Nachteile (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Es muss mithin ein
gewichtiges Interesse des Antragstellers vorliegen, aufgrund dessen es ihm nicht zumutbar ist, die Entscheidung in
der Hauptsache abzuwar-ten.
Für die von der Antragstellerin begehrte vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin, die Gesamtvergütung ohne
Einbehalt für die Umsetzung des BARIOS-Vertrages zu bezahlen, soweit aus diesem nicht ambulante ärztliche
Leistungen vergütet werden, besteht kein An-ordnungsanspruch. Der von der Antragsgegnerin vorgenommene
Einbehalt ist nach sum-marischer Prüfung rechtlich nicht zu beanstanden.
Die von der Antragstellerin vertretene Auffassung, dass die an die KÄV zu entrichtende Gesamtvergütung nur dann
und nur in dem Umfang zur Förderung von integrierten Ver-sorgungsverträgen gekürzt werden, in dem ambulante
ärztliche Leistungen, die bisher Ge-genstand der vertragsärztlichen Versorgung waren, nach Verlagerung in die
integrierte Versorgung dort von Vertragsärzten erbracht werden, findet im Gesetz keine Stütze. Viel-mehr lässt § 140d
Abs. 1 Satz 1 SGB V zur Anschubfinanzierung der integrierten Versor-gung den Einbehalt von Mitteln der
Gesamtvergütung unabhängig davon zu, in welchem Umfang bisher vertragsärztliche Leistungen nunmehr im Rahmen
der integrierten Versor-gung erbracht werden.
§ 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V in der Fassung des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I S.
2190) bestimmt, dass zur Förderung der integrierten Versor-gung jede Krankenkasse in den Jahren 2004 bis 2006
jeweils Mittel bis zu 1 % von der nach § 85 Abs. 2 SGB V an die KÄV zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von
den Rechnungen der einzelnen Krankenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzube-halten hat, soweit die
einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b SGB V ge-schlossenen Verträgen erforderlich sind.
Voraussetzung für den Einbehalt von Mitteln zur Förderung der integrierten Versorgung ist nach § 140d Abs. 1 Satz 1
SGB V allein, dass diese Mittel dem Grunde und dem Umfang nach ("soweit") zur Umsetzung von geschlossenen
Verträgen zur integrierten Versorgung erforderlich sind. Demnach muss zunächst überhaupt ein Integrationsvertrag
abgeschlossen sein (so auch Bäune, GesR 2006, 289, 294 f.; Orlowski, in: Maaßen/Schermer/Wie-gand/Zipperer,
GKV-Kommentar, § 140d SGB V Rn. 12 – Stand November 2005; anderer Ansicht LSG Brandenburg, Beschluss vom
01.11.2004 - L 5 B 105/04 KA ER – MedR 2005, 62, 63; Beule, GesR 2004, 209, 213). Sodann muss sich bei
Umsetzung dieses Ver-trages ein Finanzbedarf ergeben, der mit den einbehaltenen Mitteln gedeckt werden soll. Bei
diesem Finanzbedarf kann es sich allein um die in dem Integrationsvertrag vereinbar-ten Vergütungen handeln, da die
einbehaltenen Mittel ausschließlich zu deren Finanzie-rung verwandt werden dürfen (§ 140d Abs. 1 Satz 3 SGB V).
Die Erforderlichkeit des Mit-teleinbehalts im Sinne des § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt sich mithin nach dem
Vergütungsvolumen der einzelnen Integrationsverträge; sie bezieht sich auf die Finanzie-rung der integrierten
Versorgung, nicht aber auf die Entlastung der Regelversorgung. Da der Einbehalt nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB V
der Förderung der integrierten Versorgung dient und in der amtlichen Überschrift auch als Anschubfinanzierung
bezeichnet wird, wohnt der Bestimmung des Vergütungsvolumens des einzelnen Integrationsvertrages ein
prognostisches Element inne. Voraussetzung für den Einbehalt ist nicht eine Abrechnung der aufgrund des einzelnen
Integrationsvertrags gezahlten Vergütungen; eine solche Ab-rechnung sieht das Gesetz nicht vor dem Einbehalt,
sondern erst drei Jahre danach vor (§ 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V).
Die in diesem Sinne für die Finanzierung des Vergütungsvolumens von Integrationsverträ-gen erforderlichen Mittel
sind gemäß § 140d Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 SGB V von der an die KÄV zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie von
den Rechnungen der einzelnen Kran-kenhäuser für voll- und teilstationäre Versorgung einzubehalten. Da das Gesetz
KÄVen und Krankenhäuser nebeneinander stellt, spricht alles für eine gleichmäßige Kürzung deren
Vergütungsansprüche. Ein anderer Verteilungsmaßstab ergibt sich nicht daraus, dass der Einbehalt von Mitteln der
Gesamtvergütungen und Krankenhausrechnungen nur zulässig ist, "soweit" diese Mittel zur Umsetzung von
Integrationsverträgen erforderlich sind (§ 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V). Denn damit wird lediglich der Umfang des
Einbehalts an das Vergütungsvolumen der Integrationsverträge geknüpft. Ein Maßstab, wie dieses Finanzvo-lumen
zwischen KÄVen und Krankenhäusern aufzuteilen ist, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten. Gleiches gilt für die
Bestimmung des § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V. Danach sind die einbehaltenen Mittel, die nicht innerhalb von drei
Jahren für Zwecke der integrierten Versorgung verwandt worden sind, an die KÄVen sowie die einzelnen
Krankenhäuser "entsprechend ihrem Anteil" an den jeweils einbehaltenen Beträgen auszuzahlen. In dieser
Bestimmung wird nicht geregelt, wie hoch der Anteil der KÄVen und der Krankenhäuser an dem Einbehalt zu sein hat.
Vielmehr wird nur bestimmt, dass bei der Auszahlung der nicht verwandten Mittel die Anteile zugrunde zu legen sind,
nach denen die Mittel einbe-halten wurden. § 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V knüpft damit an eine Verteilungsregelung an,
trifft eine solche aber nicht selbst.
§ 140d Abs. 1 SGB V bietet damit keinen Anhalt dafür, dass der Einbehalt anders als strikt rechnerisch gleichmäßig
zwischen KÄVen und Krankenhäusern zu verteilen ist. Hiervon sind auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die
Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen in der BQS-Vereinbarung
ausgegangen. In § 3 Abs. 4 Satz 1 dieser Vereinbarung haben sie bestimmt, dass die aus dem Vergütungsvolu-men
des jeweiligen Integrationsvertrages abgeleitete Kürzungsquote in den jeweiligen Versorgungsregionen einheitlich auf
alle Zahlungen an die jeweiligen KÄVen und Kran-kenhäuser anzuwenden ist. Diese Bestimmung hat zwar wie die
gesamte BQS-Vereinbarung keinen zwingenden Charakter. Dennoch trifft die Auffassung der Vertrags-parteien, die
diese darin geäußert haben, zu. In Ermangelung anderer Maßstäbe im Gesetz haben die Anteile der KÄVen und der
Krankenhäuser an dem Mitteleinbehalt grundsätz-lich gleich zu sein. Eine davon abweichende Verteilung des
Einbehalts entsprechend der (tatsächlichen) Entlastung der Regelversorgung oder entsprechend der (hypothetischen)
Zuordnung der innerhalb des Integrationsvertrages erbrachten Leistungen zu den Berei-chen der Regelversorgung
sieht das Gesetz dagegen nicht vor. In der Literatur wird eine Verteilung der Kürzungsquote entsprechend den
integrationsvertraglich geregelten Versor-gungsanteilen zwar für zulässig, nicht aber für zwingend gehalten; aus den
von den KÄ-Ven zur Anschubfinanzierung einbehaltenen Mittel sollen daher sogar Integrationsleistun-gen finanziert
werden dürfen, die mit der vertragsärztlichen Versorgung nichts zu tun ha-ben (Orlowski, in:
Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, GKV-Kommentar, § 140d SGB V Rn. 14 f. – Stand November 2005).
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung der Absätze 2 bis 4 des § 140d SGB V. Eine Bereinigung der
Gesamtvergütungen sieht das Gesetz in der hier streitigen Zeit nur für den Fall vor, dass die nach § 140d Abs. 1 SGB
V einbehaltenen Mittel nicht ausrei-chen, um den Finanzbedarf für die Integrationsverträge zu decken (§ 140d Abs. 2
Satz 1 SGB V). Nur in diesem Fall hat eine Bereinigung entsprechend der Zahl und der Risiko-struktur der an der
integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten sowie dem im In-tegrationsvertrag vereinbarten
Versorgungsauftrag und unter Berücksichtigung ergänzen-der Morbiditätskriterien zu erfolgen. Lediglich die
Ausgabenvolumina für die Arznei- und Heilmittelversorgung sind unabhängig davon, ob die für die
Anschubfinanzierung einbe-haltenen Mittel ausreichen, um die Anteile zu bereinigen, die in der integrierten Versor-
gung erbracht werden (§ 140d Abs. 3 SGB V). Dagegen sieht das Gesetz bei den Kranken-häusern statt einer
Bereinigung vor, dass diesen in der integrierten Versorgung nur die über die Regelversorgung hinausgehenden
zusätzlichen Leistungen vergütet werden dürfen (§ 140d Abs. 4 SGB V). Die in § 140d Abs. 2 bis 4 SGB V getroffene
Regelung zeigt, dass die Vergütungen der Regelversorgung nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen um die
entsprechenden Anteile der integrierten Versorgung zu bereinigen sind. Hieraus lässt sich aber weder ein allgemeiner
Grundsatz ableiten noch kann daraus der Umkehrschluss gezo-gen werden, dass die Anschubfinanzierung nur in dem
Umfang und nur in dem Verhältnis zulässig ist, wie durch den Integrationsvertrag Anteile aus der Regelversorgung in
die in-tegrierte Versorgung überführt werden.
Gegen ein derartiges Verständnis spricht vor allem die Regelungsgeschichte. Die integrier-te Versorgung ist durch das
Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKVRefG 2000) vom 22.12.1999
(BGBl. I S. 2626) mit dem Ziel einge-führt worden, durch sektorenübergreifende Versorgungsangebote die
Versorgungsqualität insbesondere an den Schnittstellen der Sektoren zu verbessern und dadurch Effizienzge-winne
zu erreichen. Nachdem sich abzeichnete, dass sich dieses Ziel mit den durch das GKVRefG 2000 geschaffenen
Vorschriften nur schwer erreichen lässt, wurden diese durch das GMG weiterentwickelt und gestrafft. Dabei war
Grundgedanke der Neuregelung des § 140d SGB V, die in den bisherigen Projekten kaum lösbaren Probleme der
Bereinigung der Gesamtvergütungen bzw. der Krankenhausbudgets durch ein Integrationsbudget für eine Startphase
von drei Jahren auszuklammern. Damit sollte einer der maßgeblichen Gründe für das Scheitern der
Integrationsversorgung beseitigt werden. Dementsprechend sind die Gesamtvergütungen in der Startphase nur dann
zu bereinigen, wenn die einbehaltenen Mit-tel durch die Aufwendungen für die Integrationsverträge überschritten
werden (Or-lowski/Wasem, Gesundheitsreform 2004, 2003, S. 94). Auch wenn der Regelung über die
Anschubfinanzierung viel von ihrer Schärfe dadurch genommen wurde, dass diese im Lau-fe der Beratungen des
GMG von der Erforderlichkeit zur Umsetzung geschlossener Integ-rationsverträge abhängig gemacht worden ist (vgl.
BT-Drucks. 15/1584 S. 8 und 15/1600 S. 14), so ändert dies nichts daran, dass das Gesetz für die Refinanzierung der
Vergütung der integrierten Versorgung einen grundsätzlich neuen Weg beschritten hat. Dabei wurde den
Krankenkassen zur Anschubfinanzierung ein Integrationsbudget eingeräumt, das durch den Einbehalt von Mitteln der
Gesamtvergütungen und der Krankenhausvergütung ge-speist wurde. Soweit dieses Budget reicht, schließt es –
bewusst – die Bereinigung der Vergütung der Regelversorgung aus. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zulässig, die
Maßstäbe, die für die Bereinigung der Gesamtvergütungen gelten, auf die Anschubfinan-zierung zu übertragen. Der
Einbehalt der hierfür erforderlichen Mittel hat sich allein daran zu orientieren, inwieweit diese für die Umsetzung
geschlossener Integrationsverträge not-wendig sind. Keine Rolle braucht dabei zu spielen, inwieweit durch
Integrationsverträge aus der Regelversorgung Anteile in die integrierte Versorgung überführt werden. Gemessen an
diesen Maßstäben ist die hier streitige Kürzung der Gesamtvergütung nicht zu beanstanden.
Bei summarischer Prüfung handelt es sich bei dem BARIOS-Vertrag um einen Vertrag zur integrierten Versorgung im
Sinne des § 140b SGB V. An diesem Vertrag sind – wie auch die Ermittlungen der Antragstellerin ergeben haben – ein
Krankenhaus, eine stationäre medizinische Rehabilitationseinrichtung und einzelne Vertragsärzte beteiligt. Auch im
Übrigen entspricht der Vertrag bei summarischer Prüfung den Anforderungen des § 140b SGB V. Der BARIOS-Vertrag
dient dazu, bei Operationen mit Gelenkersatz die Verbin-dung zwischen ambulanter und stationärer – und zwar sowohl
akutstationärer als auch re-habilitativer – Versorgung zu optimieren und eine patientenorientierte Versorgungskette
aufzubauen. Die Qualität der Versorgung soll durch die Zusammenarbeit der einzelnen Sektoren gezielt verbessert
werden. Hierzu werden gemeinsame Ziele und Standards fest-gelegt. Damit ist bei summarischer Prüfung den
Anforderungen des § 140b Abs. 3 SGB V genüge getan.
Der für den BARIOS-Vertrag von der Antragsgegnerin geltend gemachte Finanzbedarf ist bei summarischer Prüfung
auch plausibel. Dabei ist zu beachten, dass § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht bereits den endgültigen Nachweis des
Finanzbedarfs verlangt. Denn eine Ab-rechnung der einbehaltenen Mittel sieht das Gesetz erst nach Ablauf von drei
Jahren vor (§ 140d Abs. 1 Satz 5 SGB V). Vielmehr erlaubt § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V den Kranken-kassen eine
Prognose. Der damit eingeräumte Einschätzungsspielraum wird nur dann über-schritten, wenn sich das erwartete
Vergütungsvolumen aus dem Integrationsvertrag nicht plausibel ableiten lässt (in diesem Sinne auch Orlowski, in:
Maa-ßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, GKV-Kommentar, § 140d SGB V Rn. 13). Dies ist hier bei summarischer
Prüfung nicht der Fall und wird auch von der Antragstellerin nicht in Zweifel gezogen.
Es besteht aber nicht nur kein Anordnungsanspruch. Auch ein Anordnungsgrund ist nicht zu erkennen.
Es liegt kein gewichtiges Interesse der Antragstellerin vor, aufgrund dessen es ihr nicht zumutbar ist, die
Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die hier streitigen Kürzun-gen sind für die Gesamtvergütung nur von
geringer Bedeutung. Die von der Antragsgegne-rin an die Antragstellerin für die Quartale I/2004 bis I/2005 entrichtete
Gesamtvergütung betrug insgesamt 158.989.867,31 EUR. Im Vergleich hierzu ist der einbehaltene Betrag von
124.434,93 EUR bzw. der im Beschwerdeverfahren nur noch streitige Betrag von 119.634,93 EUR relativ gering. Auch
wenn diese Beträge für sich betrachtet nicht unerheblich zu sein scheinen, so macht doch der Blick auf die Höhe der
Gesamtvergütung deutlich, dass die vertragsärztliche Versorgung durch die Kürzung in keiner Weise gefährdet wird.
Nicht zuletzt aus diesem Grunde hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren ausge-führt, an den
Anordnungsgrund dürften keine überzogenen Anforderungen gestellt werden, weil die Kürzung offensichtlich
rechtswidrig sei; ein wesentlicher Nachteil müsse jeden-falls dann angenommen werden, wenn die einbehaltenen
Gesamtvergütungsanteile nicht für die Vergütung vertragsärztlichen Leistungen verwandt würfen, die in die integrierte
Versorgung ausgelagert seien, sondern für die Subventionierung stationärer Leistungen. Der dem zugrunde liegende
Gedanke, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache beim Anordnungsgrund nicht unberücksichtigt bleiben dürfen,
ist durchaus zutreffend. Aller-dings kann nicht davon die Rede sein, dass die Klage offensichtlich begründet ist;
vielmehr sind deren Erfolgsaussichten eher gering. Insoweit wird auf die Ausführungen zum Anord-nungsanspruch
verwiesen.
Angesichts dessen kommt es auf den Umstand nicht mehr entscheidend an, auf den die Antragsgegnerin
hingewiesen hat: Während der Einbehalt von Mitteln der Gesamtvergü-tung für die Antragstellerin wenig erheblich
erscheint, sind die einbehaltenen Mittel für die integrierte Versorgung im Rahmen des BARIOS-Vertrages von
wesentlicher Bedeutung. Für die integrierte Versorgung, deren Vergütungsvolumen im Vergleich zur Regelversor-gung
eher klein ist, können die höchstens 1 %, die nach § 140d Abs. 1 Satz 1 SGB V von den Gesamtvergütungen und
den Krankenhausrechnungen einbehalten werden dürfen, es-sentiell sein. Daher werden bei einer einstweiligen
Anordnung, wie sie hier begehrt wird, die Nachteile für eine Krankenkasse regelmäßig von größerem Gewicht sein als
diejenigen für eine KÄV. Dies kann im Rahmen des Anordnungsgrundes nicht völlig unberücksichtigt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2
Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 53 Abs. 3 Nr. 4
sowie § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Dem-nach ist für den Streitwert maßgeblich das Interesse der
Antragstellerin; hierbei ist gegen-über dem Wert der Hauptsache ein angemessener Abschlag vorzunehmen (§ 52 Abs.
1 GKG). Soweit die Antragstellerin die Auszahlung der in den Quartalen I/2004 bis I/2005 für den BARIOS-Vertrag
bisher einbehaltenen Gesamtvergütungsanteile von 124.434,96 EUR begehrt, soweit sie 4.600,00 EUR überschreiten,
beläuft sich der Wert der Hauptsache auf 119.834,96 EUR. Hiermit hat sich die Antragstellerin jedoch nicht begnügt.
Vielmehr hat sie darüber hinaus im Beschwerdeverfahren auch noch beantragt, der Antragsgegnerin aufzu-erlegen,
von weiteren Kürzungen abzusehen. Dieses Unterlassungsbegehren hat der Senat in Ermangelung von
Anhaltspunkten zu seinem Wert bei der Bemessung des Abschlags berücksichtigt, der von dem bezifferbaren Wert
der Hauptsache vorzunehmen ist. Es ist daher von einem Drittel dieses Wertes, mithin von (119.834,96 EUR: 3 =)
39.944,99 EUR auszu-gehen.
Die Entscheidung ist endgültig (§ 177 SGG).