Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.08.2008

LSG Mainz: zwangsgeld, zivilprozessordnung, hauptsache, eltern, geldleistung, meinung, ausnahme, quelle, entlastung, zukunft

Sozialrecht
LSG
Mainz
20.08.2008
L 5 ER 191/08 AS
L 5 B 254/08 AS
Zulässigkeit der Beschwerde bei Zwangsgeld
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 25.6.2008
wird hinsichtlich des Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes als unzulässig verworfen.
2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
3. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Umstritten ist, ob es das Sozialgericht (SG) zu Recht abgelehnt hat, ein Zwangsgeld zu Lasten der
Antragsgegnerin festzusetzen.
Der 1989 geborene Antragsteller, der mit seinen Eltern und seinen Geschwistern K und D eine
Bedarfsgemeinschaft iSd Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bildet, erhielt von der
Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Mit Schreiben vom 20.12.2007 forderte die
Antragsgegnerin seinen Vater auf, bis zum 5.1.2008 näher genannte, das Vermögen des Antragstellers
betreffende Unterlagen bzw Nachweise sowie die kompletten Girokontoauszüge der letzten drei Monate
aller Haushaltsangehörigen vorzulegen. Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte sie den Eltern und
Geschwistern des Antragstellers Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1.2008 bis zum 30.6.2008.
Unter dem 3.3.2008 erinnerte sie den Vater des Antragstellers an die Erledigung der Auflage des
Schreibens vom 20.12.2007. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers antwortete darauf unter dem
4.3.2008, er habe die vorhandenen Unterlagen bereits mit Einlegung des Widerspruchs am 7.1.2008
vorgelegt. Die Antragsgegnerin bestritt später den Eingang dieser Unterlagen.
Am 5.5.2008 beantragte der Antragsteller beim SG Speyer (S 4 ER-236/08 AS), die Antragsgegnerin im
Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Regelleistung nach dem SGB II zu
gewähren sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten. Mit am 15.5.2008 beim SG
eingegangenem Schreiben erklärte die Antragsgegnerin: „…wird ein Anerkenntnis ausgesprochen. Die
Antragsgegnerin wird unverzüglich die Neubescheidung und Auszahlung für Mai 2008 vornehmen. Sie
wird jedoch weiterhin auf Vorlage eines Vermögensverzeichnisses bestehen und behält sich bei dessen
Nichteingang eine Versagung der Leistung des Antragstellers für die Zukunft bis zur Nachholung der
Mitwirkung vor". Der Antragsteller nahm dieses Anerkenntnis am 26.5.2008 an. Die Antragsgegnerin hatte
dem Antragsteller bereits am 15.5.2008 die Leistungen für den Monat Mai 2008 erbracht. Mit Bescheid
vom 17.6.2008 lehnte die Antragsgegnerin Leistungen an den Antragsteller ab, da dieser nicht
hilfebedürftig sei.
Am 13.6.2008 hat der Antragsteller beim SG beantragt, ein Zwangsgeld gegen die Antragsgegnerin
festzusetzen, sofern diese nicht innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist das im Verfahren
S 4 ER-236/08 AS abgegebene Anerkenntnis umsetzen werde. Die Antragsgegnerin hat darauf erwidert,
ihr Anerkenntnis im Verfahren S 4 ER-236/08 AS habe sich nur auf den Monat Mai 2008 bezogen und
keine Selbstverpflichtung zur dauerhaften Leistungsgewährung beinhaltet. Der Antragsteller hat
entgegnet, aufgrund des Anerkenntnisses im Verfahren S 4 ER-236/08 AS müssten jedenfalls noch die
entgegnet, aufgrund des Anerkenntnisses im Verfahren S 4 ER-236/08 AS müssten jedenfalls noch die
Leistungen für den Monat Juni 2008 ausgezahlt werden.
Durch Beschluss vom 25.6.2008 hat das SG den Antrag auf ein Zwangsgeld und gleichzeitig die
Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für dieses Verfahren abgelehnt. Zur Begründung hat es
ausgeführt: Die Voraussetzungen für ein Zwangsgeld nach § 201 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht
vor. Voraussetzung einer Vollstreckung sei die Vollstreckungsfähigkeit der betreffenden "Entscheidung".
Daran fehle es hinsichtlich des Monats Juni 2008, da sich das Anerkenntnis der Antragsgegnerin nur auf
den Monat Mai 2008 bezogen habe. Dem Antrag auf PKH könne wegen fehlender Erfolgsaussicht des
Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht stattgegeben werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 2.7.2008 eingelegte Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die Beschwerde ist hinsichtlich des Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes unzulässig. Nach § 172
Abs 3 Nr 1 SGG ist die Beschwerde in Sachen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statthaft, wenn in
der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Dies ist vorliegend der Fall, weil der Antragsteller nach
seinem Beschwerdevorbringen die Festsetzung eines Zwangsgeldes lediglich wegen des Anspruchs für
den Monat Juni 2008 begehrt, für welchen er Leistungen nach dem SGB II von nicht mehr als 750,-- € (vgl
§ 144 Abs 1 Nr 1 SGG) begehrt. Entgegen der Meinung des Antragstellers kommt § 144 Abs 1 Nr 1 SGG
zur Anwendung, obwohl es nicht unmittelbar um die Gewährung einer Leistung, sondern um die
Festsetzung eines Zwangsgeldes geht. Die Klage „betrifft“ iSd 144 Abs 1 Nr 1 SGG eine Geldleistung von
nicht mehr als 750,-- € auch dann, wenn nicht unmittelbar die Geldleistung eingeklagt, sondern die
Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen der nicht erfolgten Zahlung eines 750,- € nicht überschreitenden
Betrages beantragt wird. Für diese Auslegung des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG, die sich innerhalb der
Wortlautgrenze hält, spricht der Sinn und Zweck der Vorschrift, die Entlastung des Berufungs- bzw
Beschwerdegerichts in Bagatellsachen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beschwerde gegen
die Ablehnung der PKH ist ungeachtet dessen zulässig, dass die Beschwerde in der Hauptsache
unzulässig ist (Beschluss des Senats vom 10.6.2008 – L 5 ER 91/08 AS). Die Beschwerde ist aber nicht
begründet, da der Antrag des Antragstellers auf Festsetzung eines Zwangsgeldes im Hinblick auf die
Unzulässigkeit der Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des SG keine Aussicht auf Erfolg hat
(§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung - ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist
grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen (Beschluss des
Senats vom 10.6.2008 aaO). Hiervon kann zwar eine Ausnahme zu machen sein, wenn es das SG
verfahrensfehlerhaft versäumt hat, vorab über die PKH zu entscheiden (vgl Beschluss des Senats vom
10.6.2008 aaO). Letzteres ist jedoch vorliegend nicht der Fall, weil das SG im Hinblick auf die
Eilbedürftigkeit der Sache berechtigt war, über die PKH gleichzeitig mit der Entscheidung über den Antrag
auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zu befinden. Der Grundsatz des fairen Verfahrens erfordert es –
insoweit stellt der Senat die Grundsätze seines Beschlusses vom 10.6.2008 (aaO juris Rn 7) klar – nicht,
dass auch in Fällen, in denen das SG befugt war, gleichzeitig über den Sachantrag und die PKH zu
entscheiden, hinsichtlich der Erfolgsaussicht des Verfahrens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts zugrunde gelegt wird.
Hinsichtlich der Beschwerde bezüglich der PKH findet eine Kostenerstattung nicht statt (§ 73a Abs 1 Satz
1 SGG iVm § 127 Abs 4 Zivilprozessordnung – ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).