Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 20.08.2008

LSG Rpf: zwangsgeld, geldleistung, hauptsache, zivilprozessordnung, eltern, meinung, ausnahme, entlastung, zukunft, auflage

Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
Beschluss vom 20.08.2008 (rechtskräftig)
Sozialgericht Speyer S 4 ER 327/08 AS
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 5 ER 191/08 AS
1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Speyer vom 25.6.2008 wird
hinsichtlich des Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes als unzulässig verworfen. 2. Die Beschwerde gegen die
Ablehnung der Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen. 3. Außergerichtliche Kosten sind auch im
Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Umstritten ist, ob es das Sozialgericht (SG) zu Recht abgelehnt hat, ein Zwangsgeld zu Lasten der Antragsgegnerin
festzusetzen.
Der 1989 geborene Antragsteller, der mit seinen Eltern und seinen Geschwistern K und D eine Bedarfsgemeinschaft
iSd Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) bildet, erhielt von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 20.12.2007 forderte die Antragsgegnerin seinen Vater auf, bis zum 5.1.2008 näher genannte, das
Vermögen des Antragstellers betreffende Unterlagen bzw Nachweise sowie die kompletten Girokontoauszüge der
letzten drei Monate aller Haushaltsangehörigen vorzulegen. Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte sie den Eltern
und Geschwistern des Antragstellers Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.1.2008 bis zum 30.6.2008. Unter
dem 3.3.2008 erinnerte sie den Vater des Antragstellers an die Erledigung der Auflage des Schreibens vom
20.12.2007. Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers antwortete darauf unter dem 4.3.2008, er habe die
vorhandenen Unterlagen bereits mit Einlegung des Widerspruchs am 7.1.2008 vorgelegt. Die Antragsgegnerin bestritt
später den Eingang dieser Unterlagen.
Am 5.5.2008 beantragte der Antragsteller beim SG Speyer (S 4 ER-236/08 AS), die Antragsgegnerin im Wege einer
einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Regelleistung nach dem SGB II zu gewähren sowie die Kosten der
Unterkunft und Heizung zu erstatten. Mit am 15.5.2008 beim SG eingegangenem Schreiben erklärte die
Antragsgegnerin: " wird ein Anerkenntnis ausgesprochen. Die Antragsgegnerin wird unverzüglich die Neubescheidung
und Auszahlung für Mai 2008 vornehmen. Sie wird jedoch weiterhin auf Vorlage eines Vermögensverzeichnisses
bestehen und behält sich bei dessen Nichteingang eine Versagung der Leistung des Antragstellers für die Zukunft bis
zur Nachholung der Mitwirkung vor". Der Antragsteller nahm dieses Anerkenntnis am 26.5.2008 an. Die
Antragsgegnerin hatte dem Antragsteller bereits am 15.5.2008 die Leistungen für den Monat Mai 2008 erbracht. Mit
Bescheid vom 17.6.2008 lehnte die Antragsgegnerin Leistungen an den Antragsteller ab, da dieser nicht hilfebedürftig
sei.
Am 13.6.2008 hat der Antragsteller beim SG beantragt, ein Zwangsgeld gegen die Antragsgegnerin festzusetzen,
sofern diese nicht innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist das im Verfahren S 4 ER-236/08 AS
abgegebene Anerkenntnis umsetzen werde. Die Antragsgegnerin hat darauf erwidert, ihr Anerkenntnis im Verfahren S
4 ER-236/08 AS habe sich nur auf den Monat Mai 2008 bezogen und keine Selbstverpflichtung zur dauerhaften
Leistungsgewährung beinhaltet. Der Antragsteller hat entgegnet, aufgrund des Anerkenntnisses im Verfahren S 4 ER-
236/08 AS müssten jedenfalls noch die Leistungen für den Monat Juni 2008 ausgezahlt werden.
Durch Beschluss vom 25.6.2008 hat das SG den Antrag auf ein Zwangsgeld und gleichzeitig die Bewilligung von
Prozesskostenhilfe (PKH) für dieses Verfahren abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen
für ein Zwangsgeld nach § 201 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor. Voraussetzung einer Vollstreckung sei die
Vollstreckungsfähigkeit der betreffenden "Entscheidung". Daran fehle es hinsichtlich des Monats Juni 2008, da sich
das Anerkenntnis der Antragsgegnerin nur auf den Monat Mai 2008 bezogen habe. Dem Antrag auf PKH könne wegen
fehlender Erfolgsaussicht des Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht stattgegeben werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 2.7.2008 eingelegte Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die Beschwerde ist hinsichtlich des Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes unzulässig. Nach § 172 Abs 3 Nr 1
SGG ist die Beschwerde in Sachen des einstweiligen Rechtsschutzes nicht statthaft, wenn in der Hauptsache die
Berufung nicht zulässig wäre. Dies ist vorliegend der Fall, weil der Antragsteller nach seinem Beschwerdevorbringen
die Festsetzung eines Zwangsgeldes lediglich wegen des Anspruchs für den Monat Juni 2008 begehrt, für welchen er
Leistungen nach dem SGB II von nicht mehr als 750,-- EUR (vgl § 144 Abs 1 Nr 1 SGG) begehrt. Entgegen der
Meinung des Antragstellers kommt § 144 Abs 1 Nr 1 SGG zur Anwendung, obwohl es nicht unmittelbar um die
Gewährung einer Leistung, sondern um die Festsetzung eines Zwangsgeldes geht. Die Klage "betrifft" iSd 144 Abs 1
Nr 1 SGG eine Geldleistung von nicht mehr als 750,-- EUR auch dann, wenn nicht unmittelbar die Geldleistung
eingeklagt, sondern die Festsetzung eines Zwangsgeldes wegen der nicht erfolgten Zahlung eines 750,- EUR nicht
überschreitenden Betrages beantragt wird. Für diese Auslegung des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG, die sich innerhalb der
Wortlautgrenze hält, spricht der Sinn und Zweck der Vorschrift, die Entlastung des Berufungs- bzw
Beschwerdegerichts in Bagatellsachen.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Die Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beschwerde gegen die
Ablehnung der PKH ist ungeachtet dessen zulässig, dass die Beschwerde in der Hauptsache unzulässig ist
(Beschluss des Senats vom 10.6.2008 – L 5 ER 91/08 AS). Die Beschwerde ist aber nicht begründet, da der Antrag
des Antragstellers auf Festsetzung eines Zwangsgeldes im Hinblick auf die Unzulässigkeit der Beschwerde gegen
den ablehnenden Beschluss des SG keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114
Zivilprozessordnung - ZPO). Bei der Prüfung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entscheidung
des Beschwerdegerichts abzustellen (Beschluss des Senats vom 10.6.2008 aaO). Hiervon kann zwar eine Ausnahme
zu machen sein, wenn es das SG verfahrensfehlerhaft versäumt hat, vorab über die PKH zu entscheiden (vgl
Beschluss des Senats vom 10.6.2008 aaO). Letzteres ist jedoch vorliegend nicht der Fall, weil das SG im Hinblick
auf die Eilbedürftigkeit der Sache berechtigt war, über die PKH gleichzeitig mit der Entscheidung über den Antrag auf
Festsetzung eines Zwangsgeldes zu befinden. Der Grundsatz des fairen Verfahrens erfordert es – insoweit stellt der
Senat die Grundsätze seines Beschlusses vom 10.6.2008 (aaO juris Rn 7) klar – nicht, dass auch in Fällen, in denen
das SG befugt war, gleichzeitig über den Sachantrag und die PKH zu entscheiden, hinsichtlich der Erfolgsaussicht
des Verfahrens die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts zugrunde
gelegt wird.
Hinsichtlich der Beschwerde bezüglich der PKH findet eine Kostenerstattung nicht statt (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG
iVm § 127 Abs 4 Zivilprozessordnung – ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).