Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 19.01.2009

LSG NRW: hauptsache, rechtskraft, bedürftigkeit, drucksache, entlastung, rechtsmittelbelehrung, arbeitslosenversicherung, zivilprozessordnung, datum, ausschluss

Landessozialgericht NRW, L 9 B 34/08 AL
Datum:
19.01.2009
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
9. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 9 B 34/08 AL
Vorinstanz:
Sozialgericht Detmold, S 4 (10) AL 82/07
Sachgebiet:
Arbeitslosenversicherung
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts
Detmold vom 06.10.2008 wird als unzulässig verworfen. Kosten des
Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
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I. Mit Beschluss vom 06.10.2008 hat das Sozialgericht den Antrag des Klägers auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und ausgeführt, dem Kläger könne nach
§ 73 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 der
Zivilprozessordnung (ZPO) Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil er trotz
Fristsetzung durch das Gericht weder eine Erklärung über seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, noch diese durch Vorlage sonstiger Unterlagen
glaubhaft gemacht habe. In der Rechtsmittelbelehrung ist ausgeführt, der Beschluss
könne mit der Beschwerde angefochten werden.
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Gegen den am 10.10.2008 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 15.10.2008
Beschwerde erhoben, die nicht begründet wurde.
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II. Die Beschwerde ist unzulässig.
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Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung durch das
Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom
26.03.2008 (BGBl. I 2008, S. 444) ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von
Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen
und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint hat. Dies gilt
ebenso, wenn das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bereits in
Anwendung von § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abgelehnt
hat (ebenso: LSG NRW, Beschluss vom 19.09.2008 - L 20 B 113/08 AS -; Beschluss
vom 09.12.2008 - L 6 B 34/08 SB -; aA LSG NRW, Beschluss vom 09.12.2008 - L 1 B
22/08 AL -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.08.2008 - L 3 B 548/08 U PKH -
; für die anfängliche Ablehnung nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO offen gelassen: LSG
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NRW, Beschluss vom 27.08.2008 - L 19 B 23/08 AL-). Zwar ergibt sich dies nicht
unmittelbar aus dem Wortlauft von § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ist, da die Entscheidung
mangels Darlegung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gerade ohne
eine nähere inhaltliche Prüfung dieser Voraussetzungen ergeht. Andererseits ist bei
Auslegung des Wortlauts einer Norm aber gerade deren vom Gesetzgeber zugedachte
Zielsetzung zu beachten. Sinn und Zweck der Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ist,
den Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit in Fällen der auf § 73a SGG, § 118 Abs. 2
Satz 4 ZPO beruhenden Entscheidung anzunehmen. Denn nach der Zielsetzung des
Gesetzgebers bei der Neufassung des SGG war mit der Änderung des SGG eine
Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit beabsichtigt. Das sozialgerichtliche Verfahren
sollte gestrafft und etwaige durch Verfahrensbeteiligte verursachte Verzögerungen des
Verfahrens sanktioniert werden. Eine Beschwerdemöglichkeit sollte bei
Prozesskostenhilfeentscheidungen nur noch dann bestehen, wenn das Sozialgericht
die Erfolgsaussichten in der Hauptsache verneint hat (BT-Drucksache 16/7716, S. 22 zu
Nr. 29 Buchstabe b Nr. 3).
Nach Auffassung des Senats ist diese gesetzgeberische Intention im Wortlaut des neu
gefassten § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG noch hinreichend deutlich zum Ausdruck gekommen.
Denn einer Entscheidung auf der Grundlage des § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO ist - auch
wenn die Sanktionierung der fehlenden Mitwirkung des Antragstellers ebenfalls
beabsichtigt ist- in erster Linie zu entnehmen, dass die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht worden sind und deswegen
Prozesskostenhilfe versagt wird. Obwohl also keine ausdrückliche inhaltiche Prüfung
der Bedürftigkeit vorgenommen wird, ist die Entscheidung des Gerichts nach § 118 Abs.
2 Satz 4 ZPO dahingehend zu verstehen, dass i.S.v. § 172 Abs. 2 Nr. 3 ZPO
ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die
Prozesskostenhilfe - und eben nicht die Erfolgsaussichten in der Hauptsache verneint
werden. Nur letzteres, also die Verneinung der Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung,
soll allerdings - wie dargelegt - die Beschwerdemöglichkeit eröffnen. Die gegenteilige
Ansicht führt zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass im Falle der Nicht- bzw.
unvollständigen Vorlage der Prozesskostenhilfeunterlagen weitergehende
Beschwerdemöglichkeiten bestehen würden als nach durchgeführter
Bedürftigkeitsprüfung (mit negativem Resultat). Wenn aber schon die Beschwerde bei
einer Entscheidung des Gerichts über fristgerecht und vollständig eingereichte
Unterlagen des Antragstellers ausgeschlossen ist, muss dies erst recht gelten, wenn der
Antragsteller es versäumt, die notwendigen Unterlagen innerhalb der gesetzten Frist
vorzulegen.
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Schließlich ist auch ein Rechtsverlust des Klägers vor dem Hintergrund nicht zu
besorgen, dass ihm die Möglichkeit erhalten bleibt, jederzeit einen neuen Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu stellen und seine persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse glaubhaft zu machen. Denn Entscheidungen nach § 118
Abs. 2 Satz 4 ZPO sind der materiellen Rechtskraft nicht fähig (vgl. LSG NRW,
Beschluss vom 17.09.2008 - L 20 B 113/08 AS - m.w.N.). Ferner kann
Prozesskostenhilfe sowieso erst ab dem Zeitpunkt bewilligt werden, an dem sämtliche
für die Entscheidung notwendigen Fakten dem Gericht vorgelegen haben und damit
Entscheidungsreife eingetreten ist.
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Kosten sind im Beschwerdeverfahren nach Maßgabe der §§ 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG,
127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.
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Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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