Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 14.06.2004

LSG NRW: auszahlung der versicherungsleistung, eintritt des versicherungsfalles, pflegebedürftigkeit, allgemeine geschäftsbedingungen, diabetes mellitus, versicherer, gesundheitszustand, versorgung

Landessozialgericht NRW, L 3 P 35/03
Datum:
14.06.2004
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
3. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
L 3 P 35/03
Vorinstanz:
Sozialgericht Gelsenkirchen, S 3 P 144/01
Sachgebiet:
Pflegeversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts
Gelsenkirchen vom 24.06.2003 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe,
dass die Beklagte zur Weiterzahlung von Leistungen entsprechend der
Pflegestufe II an den Kläger über den 31.10.2000 hinaus verurteilt wird.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im
Berufungsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Streitig ist die Absenkung von Leistungen der privaten Pflegepflichtversicherung
entsprechend der Pflegestufe II auf Leistungen der Pflegestufe I ab 01.11.2000.
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Der am 00.00.1930 geborene Kläger ist bei der Beklagten privat pflegeversichert. Dem
Vertragsverhältnis liegen die allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private
Pflegepflichtversicherung (-MB/PPV 1996-) zugrunde. Der Kläger leidet langjährig im
Wesentlichen an insulinpflichtigem Diabetes Mellitus, in dessen Folge ihm 1995 beide
Unterschenkel und im Mai 2002 auch der halbe linke Oberschenkel amputiert wurden.
Auf seinen Antrag aus Juni 1995 ließ ihn die Beklagte durch den Arzt Dr. T vom
Begutachtungsunternehmen "N" untersuchen, der im Gutachten vom 17.01.1996 ein
Pflegebedarf von mehr als 3 Stunden beim Kläger annahm. Darauf sagte die Beklagte
mit Schreiben vom 13.02.1996 Leistungen entsprechend der Pflegestufe II ab dem
01.04.1995 zu. Im November 1997 veranlasste die Beklagte eine Nachuntersuchung
durch den Arzt Dr. I von N, der im Gutachten vom 10.11.1997 wiederum einen
Pflegebedarf von mehr als 3 Stunden täglich beim Kläger feststellte. Mit Schreiben vom
02.12.1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm weiterhin Leistungen
entsprechend der Pflegestufe II zustehen. Eine erneute Nachuntersuchung veranlasste
die Beklagte im November 1998 durch den Arzt Dr. C von N, der im Gutachten vom
27.11.1998 einen Pflegebedarf von 156 Minuten im Bereich der Grundpflege
(Körperpflege 101, Ernährung 0, Mobilität 55) zuzüglich 60 Minuten
Unterstützungsbedarf im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung auswies. Nach
dem Gesamthilfebedarf von 216 Minuten stehe ihm weiterhin Pflegestufe II zu. Dies
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bestätigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 14.12.1998. Im Oktober 2000 ließ
die Beklagte den Kläger durch Dr. C von N untersuchen. Dieser stellt in seinem
Gutachten vom 19.10.2000 nunmehr einen Hilfebedarf von 102 Minuten im Bereich der
Grundpflege (Körperpflege 60, Ernährung 0, Mobilität 42), zzgl. 45 Minuten Bedarf in der
hauswirtschaftlichen Versorgung fest. Nach den sich hieraus ergebenden 147 Minuten
an Gesamtpflegebedarf stehe ihm nunmehr die Pflegestufe I zu. Dies teilte die Beklagte
dem Kläger mit Schreiben vom 30.10.2000 mit, gegen das der Kläger mit Schreiben vom
06.11.2000 unter Vorlage eines Attestes seines behandelnden Arztes Einwände erhob.
Die Beklagte ließ durch die Ärztin Dr. L von N ein Obergutachten vom 01.03.2001
erstellten, in dem diese einen Hilfebedarf von 102 Minuten in der Grundpflege
(Körperpflege 46, Ernährung 0, Mobilität 56) zzgl. 45 Minuten im Bereich der
hauswirtschaftlichen Versorgung ermittelte. Mit Schreiben vom 15.03.2001 teilte die
Beklagte dem Kläger mit, es verbleibe dabei, dass ihm nach Oktober 2000 nurmehr
Leistungen der Pflegestufe I zustünden. Hiergegen hat der Kläger am 14.09.2001 Klage
erhoben und die Fortzahlung von Leistungen der Pflegestufe I über den 31.10.2000
hinaus begehrt. Seine Mobilität sei seit dem Jahre 1995 auf das Schwerste und im
Wesentlichen unverändert eingeschränkt. Der Zeitaufwand für Verlassen und
Wiederaufsuchen der Wohnung sei zu gering berücksichtigt worden, da er nicht zwei
sondern drei Mal wöchentlich zur Krankengymnastik gefahren werde. Das Sozialgericht
hat von Amts wegen wegen zu Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers ein
Gutachten der Ärztin Dr. S eingeholt. In ihrem Gutachten vom 15.09.2002 hat die
Untersucherin dargelegt, es habe sich im Gesundheitszustand des Klägers im Vergleich
zwischen dem Zustand bei der Voruntersuchung bei Dr. C im November 1998 mit dem
Jetztzustand keine Veränderung im Sinne einer Besserung ergeben. Vielmehr sei durch
die Oberschenkelamputation im Mai 2002 bzw. die dazu führende Erkrankung eine
Verschlechterung im pflegerelevanten Gesundheitszustand des Klägers eingetreten, da
er wegen fehlender angepasster Prothese derzeit nicht gehen könne. Die
Verschlechterung sei auf Oktober 2001 zu bestimmen. Allerdings schätze sie den
Zeitbedarf zum Zeitpunkt der Untersuchung am 27.11.1998 anders ein als Dr. C. Der
Kläger sei seinerzeit beidseits unterschenkelamputiert gewesen und habe mit Hilfe
seiner Prothese ohne Hilfe aufstehen und mit zwei Vierpunktgehstützen sicher auf
ebenem Boden gehen können. Es seien daher niedrigere Zeitansätze für 1998 in der
Grundpflege, durchgehend 65 Minuten im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung
und nunmehr 90 Minuten pro Tag in der Grundpflege einzusetzen.
Mit Urteil vom 24.06.2003 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und tenoriert:
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"Der Bescheid vom 30.10.2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom
15.03.2001 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen
Kosten des Klägers."
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Das Sozialgericht hat dargelegt, ein Anspruch des Klägers auf Leistungen entsprechend
der Pflegestufe II über den 31.10.2000 hinaus ergebe sich aus der mit Schreiben vom
13.02.1996 i.V.m. mit den Schreiben vom 02.12.1997 und 14.12.1998 erteilten
Leistungszusage, von der sich die Beklagte nicht lösen könne. §§ 48 ff. SGB X seien
nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht anwendbar. Zivilrechtliche
Rechtsgrundlagen, insbesondere aus den MB-PPV 1996, die eine Anpassung
erlaubten, existierten nicht. Die mit Rechtsbindungswille abgegebene Willenserklärung
könne die Beklagte nur bei Irrtum, arglistiger Täuschung oder Wegfall der
Geschäftsgrundlage beseitigen und sei im Übrigen an das Schuldanerkenntnis
vorbehaltlich einer Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse gebunden,
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für deren Vorlage sie die Beweislast treffe. Dieser Beweis sei nicht erbracht, da es keine
Hinweise auf eine Verbesserung im Gesundheitszustand des Klägers gebe, vielmehr
aktuell sogar eine Verschlimmerung durch die Oberschenkelamputation im Mai 2002 zu
beklagen sei.
Gegen das am 25.07.2003 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom
19.08.2003. Die Beklagte sieht eine Rechtsgrundlage für eine Anpassung bzw.
Absenkung des Pflegesatzes in § 5 Abs. 3 MB-PPV 1996. Dort heißt es:
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"Übersteigt eine Pflegemaßnahme das notwendige Maß oder ist die geforderte
Vergütung nicht angemessen, so kann der Versicherer seine Leistung auf einen
angemessenen Betrag herabsetzen."
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Diese Vorschrift biete eine Rechtsgrundlage für eine Anpassung an die wirklichen
Verhältnisse, wenn die Einschätzung eines Vorgutachters zu hoch gewesen sei. Dies
sei in der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht berücksichtigt
worden. Demnach sei auch die Leistungszusage der Berufungsklägerin kein
deklaratorisches Schuldanerkenntnis, weil wegen § 5 Abs. 3 MB-PPV kein Ergebnis
eines Gutachtens als bindend anerkannt werde. Vielmehr behalte sich der Versicherer
vor, seine Leistungen je nach dem notwendigen Maß der Pflegemaßnahme anzupassen
und ggfls. herabzusetzen.
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Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 24.06.2003 aufzuheben und die Klage
abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Beklagte zur Weiterzahlung
der Pflegestufe II an den Kläger über den 31.10.2000 hinaus verpflichtet wird.
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Der Kläger hält das Urteil für richtig und sieht in den Erklärungen der Beklagten vom
13.02.1996, 02.12.1997 und 14.12.1998 weiterhin ein Schuldanerkenntnis
entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes.
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Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Prozessakten sowie der beigezogenen
Akten der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung ist unbegründet. Wie das Sozialgericht so folgt auch der
erkennende Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes, wonach in der
Leistungszusage eines privaten Versicherungsunternehmens, die auf einem nach
Maßgabe der allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private
Pflegeversicherung (MB-PPV 1996) eingeholten Sachverständigengutachten zum Grad
der Pflegebedürftigkeit beruht, eine mit Rechtsbindungswillen abgegebene
Willenserklärung liegt, deren Beseitigung nur bei Irrtum, arglistiger Täuschung oder
Wegfall der Geschäftsgrundlage sowie bei einer wesentlichen Änderung der rechtlichen
und/oder tatsächlichen Verhältnisse möglich ist, die ggfs. bei Beweislast des
Versicherungsunternehmens zu beweisen ist (Urteile des BSG vom 22.08.2001, - B 3 P
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4/01 R, SozR 3-3300 § 23 Nr. 6; - B 3 P 21/00 R -, SozR 3-3300 § 23 Nr. 5 = BSGE 88,
262 - 268; vom 23.07.2002, B 3 P 9/01 R, SGb 2002, 613). Die hiernach zu fordernden
Voraussetzungen liegen nicht vor, weil Anfechtungsgründe nicht bestehen und eine
leistungsrelevante Veränderung in der Pflegebedürftigkeit i.S. einer Verringerung des
Pflegeaufwandes nicht nachweisbar ist. Dies hat das Sozialgericht in dem
angefochtenen Urteil unter Ausschöpfung des sich ihm bietenden Streitstoffes mit nicht
zu beanstandener Beweiswürdigung dargestellt. Der Senat macht sich die Urteilsgründe
nach eigener Prüfung insoweit zu eigen und verzichtet auf eine weitere Darstellung (§
153 Abs. 2 SGG - Sozialgerichtsgesetz -).
Entgegen der Berufungsbegründung ergibt sich aus § 5 Abs. 3 MB-PPV 1996 mit dem
im Tatbestand wiedergegebenen Wortlaut keine Rechtsgrundlage zur Anpassung der
Leistungshöhe entsprechend einer der Leistungszusage nachfolgenden abweichenden
Feststellung des realen Pflegebedarfes.
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Eine derartige Sinngebung liegt bereits nach dem Wortlaut der in Anspruch
genommenen Regelung und ihrer systematischen Stellung innerhalb der MB-PPV 1996
fern: Die Abhängigkeit der zu erbringenden Leistung vom Umfang des Pflegeaufwandes
ist in § 1 MB-PPV entsprechend dem Gleichwertigkeitsgebot aus § 23 Abs. 6 unter
größtenteils wörtlicher Übernahme der Bestimmungen in §§ 14, 15 SGB XI geregelt
(Rdnr. 3-8 a.a.0.). Rdnr. 9 a.a.0. lautet: "Der Versicherungsfall beginnt mit der ärztlichen
Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Er endet, wenn Pflegebedürftigkeit nicht mehr
besteht." Hinsichtlich des Umfanges des Versicherungsschutzes verweist Rdnr. 10
a.a.0. auf den Versicherungsschein, ergänzende schriftliche Vereinbarungen, den
Bedingungsteil der MB-PPV 1996 sowie das SGB XI. Die in § 1 Rdnr. 9 festgestellte
Abhängigkeit des jeweiligen Versicherungsfalles von einer ärztlichen Feststellung der
Pflegebedürftigkeit greift § 6, "Auszahlung der Versicherungsleistung" mit Rdnr. 2 auf
und bestimmt: "Eintritt, Stufe und Fortdauer der Pflegebedürftigkeit, die Eignung,
Notwendigkeit und Zumutbarkeit von Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder
Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit und die Notwendigkeit ... sind
durch einen vom Versicherer beauftragten Arzt festzustellen. Die Feststellung wird in
angemessenen Abständen wiederholt." Dieses verfahrensrechtliche Regularium bietet
keine Rechtsgrundlage für die Reduzierung des Umfanges der Leistungspflicht. Diese
Regelung bedeutet insbesondere nicht, dass nachträgliche Begutachtungen jederzeit
möglich sind, und besagt erst recht nichts über die Auswirkung, die das Ergebnis einer
erneuten Begutachtung auf eine zuvor vom Versicherer abgegebene Leistungszusage
hat. Hierzu hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 23.07.2002, a.a.0., Stellung
genommen. Der erkennende Senat folgt dem.
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Wenn nun § 5 Nr. 3 der MB-PPV den ihm von der Beklagten unterstellten Sinn hätte,
Eintritt, Stufe und Fortdauer der Pflegebedürftigkeit zu regeln, läge hierin eine nicht
verständliche und innerhalb der MB-PPV systematisch unzutreffend eingeordnete
Doppelregelung im Verhältnis zu § 6 Nr. 2. Zudem behandelt die Klausel eine das
notwendige Maß überschreitende Pflegemaßnahme, während die MB-PPV im Übrigen
hinsichtlich einer Zuordnung des Leistungsumfanges zur Pflegestufe nur von
"Leistungen" handelt und den Begriff der "Maßnahme" außer in § 6 Rdnr. 2 MB-PPV
nicht verwendet. Es liegt daher weitaus näher, unter "Maßnahme" i.S. von § 5 Rdnr. 3
MB-PPV die einzelne konkrete Leistungserbringung - wie evident in § 6 Nr. 2 MB-PPV
angesprochen - zu verstehen, nicht den nach der zuerkannten Pflegestufe zur
Verfügung stehenden Leistungsrahmen.
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Schließlich spricht gegen die von der Beklagten gesehene Funktion von § 5 Abs. 3 MB-
PPV, dass nach der klaren Wortfassung der Grund für die Reduzierung des (Einzel-
)Leistungsanspruches nicht beim Versicherten bzw. in dessen Verhältnissen liegt,
sondern beim Leistungserbringer: Die Klausel stellt einer Überschreitung des
notwendigen Maßes einer Pflegemaßnahme durch die Verknüpfung "oder" die nicht
angemessene Vergütung gleich. Ein - ggfs. überhöhter - Vergütungsanspruch ist jedoch
Konsequenz der Leistungserbringung und steht dem Leistungserbringer zu; dem
Versicherten dagegen steht bei Eintritt des Versicherungsfalles die Leistung selbst zu.
Er hat keinen Vergütungs- sondern einen Leistungsanspruch.
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Die der Berufung zugrundeliegende Auslegung von § 5 Rdnr. 3 MB-PPV findet daher
bereits innerhalb dieser keinerlei Stütze oder Bestätigung; sie erscheint vielmehr
fernliegend.
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Die Auslegung kontrastiert dagegen eklatant mit dem nach der vorzitierten
Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bestehenden Vertrauensschutz des
pflegebedürftig gewordenen Versicherten in den Bestand einer einmal gegebenen
Leistungszusage. Dieser Vertrauensschutz wird im Bereich der gesetzlichen
Pflegeversicherung durch das Sozialgesetzbuch 10. Buch - SGB X - gewährleistet;
dieses ist im Bereich der privaten Pflegepflichtversicherung weder direkt noch
entsprechend anwendbar (BSG a.a.0. sowie zuvor schon im Urteil vom 30.03.2000 - B 3
P 21/99 R = SozR 3-3300 § 77 Nr. 3 = BSGE 86, 94). Der bei der gewünschten
Auslegung von § 5 Rdnr. 3 MP-PPV 1996 zu besorgende Entfall jeder Rechtssicherheit
beim pflegebedürftig gewordenen Versicherten würde die im SGB XI geforderte
Gleichwertigkeit des Versicherungsschutzes in der privaten Pflegepflichtversicherung
mit dem der gesetzlichen Pflegepflichtversicherung (z.B. §§ 23 Abs. 6, 110 SGB XI)
nachhaltig in Frage stellen.
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§ 5 RdNr. 3 in der Auslegung der Berufung dürfte auch kein Vertragsbestandteil werden
(können). Als unorganisch neben den klar erkennbaren Regelungen zum
Zusammenhang zwischen Umfang der Pflegebedürftigkeit und Umfang der
Leistungserbringung bestehende Befugnis zur einseitigen, jederzeit möglichen und nur
durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes rückgängig zu machenden
Leistungsreduzierung wäre § 5 Rdnr. 3 MB-PPV 1996 als überraschende bzw.
mehrdeutige Klausel anzusehen, die nach dem Recht der allgemeinen
Geschäftsbedingungen nicht Vertragsbestandteil wird (§§ 3 AGBG, 305 c BGB). Die
MB-PPV stellen allgemeine Geschäftsbedingungen i.S. des AGBG (Gesetz zur
Regelung des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen in der zuletzt geltenden
Fassung der Bekanntmachung vom 29.06.2000, BGBl. I S. 946) bzw. der §§ 305 ff. BGB
(Bürgerliches Gesetzbuch i.d.F. des zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Gesetzes zur
Modernierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I S. 3138) dar, denn es handelt
sich um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die die
Beklagte als Verwenderin dem Kläger als der anderen Vertragspartei bei Abschluss des
Pflegeversicherungsvertrages gestellt hat. Dass sie nicht körperlicher Bestandteil des
abgeschlossenen Vertrages geworden ist, schadet insoweit nicht, da Inbezugnahme
genügt (§§ 1 Abs. 1 AGBG, 305 Abs. 1 BGB n.F.). Nach § 305 c Abs. 1 BGB werden
Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen,
insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags so ungewöhnlich sind,
dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht
Vertragsbestandteil. Zweifel bei der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen
gehen zu Lasten des Verwenders (§ 305c Abs. 2 BGB n.F.).
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Schon die kursorische Prüfung ergibt, dass § 5 Rdnr. 3 MB-PPV 1996 bei der mit der
Berufungsbegründung unterstellen Bedeutung für den Versicherten eine
Überraschungsklausel darstellte, da kein Versicherungsnehmer bei Abschluss eines ihn
selbst langfristig bindenden und im Übrigen nach dem Gesetz pflichtigen
Versicherungsvertrages damit rechnen muß, dass der Versicherer sich entgegen den
übrigen Bestimmungen der MB-PPV 1996 ein Recht zur einseitigen Bestimmung bzw.
Reduzierung des Umfanges der Leistungserbringung vorbehält.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt die Entscheidung in der Sache.
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Ein Anlass zur Zulassung der Revision nach § 160 SGG besteht nicht, insbesondere
haben die seither inhaltlich unveränderten MB-PPV 1996 und damit auch § 5 Rdnr. 3
MB-PPV 1996 bereits mehrfach dem unverändert zuständigen Senat des
Bundessozialgerichts vorgelegen (u.a. Urteile vom 22.08.2001, 23.07.2002, jeweils
a.a.0.).
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