Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 07.08.2007

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Landessozialgericht NRW, L 11 KR 96/06
Datum:
07.08.2007
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
11. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 11 KR 96/06
Vorinstanz:
Sozialgericht Düsseldorf, S 4 KR 27/03
Sachgebiet:
Krankenversicherung
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts
Düsseldorf vom 27.09.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche
Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
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I. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten für eine stationäre
Behandlung in Österreich eine weitergehende Kostenerstattung verlangen kann.
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Der 1937 geborene Kläger bedurfte während eines vorübergehenden Aufenthaltes in
Österreich wegen Hautbrennens ärztlicher Behandlung. Auf ärztliche Überweisung
begab er sich vom 04. bis 08.09.2001 in stationäre Behandlung, wobei er sich für eine
Behandlung in der F-Privatklinik entschied. Diese forderte mit Rechnung vom
30.09.2001 für die Behandlung einen Betrag von brutto 58.388,25 öS = 4243,24 Euro
darunter "Pflegegebühren" in Höhe von 29.765 öS = 2163,11 Euro (5 Tage a 5953 öS =
432,62 Euro). Von dem Gesamtrechnungsbetrag wurde ein "Pflichtkassenanteil" in
Höhe von 559,90 Euro abgezogen, so dass dem Kläger ein Endbetrag von 3683,34
Euro in Rechnung gestellt wurde. Zwischen der Salzburger Gebietskrankenkasse und
der F-Klinik besteht ein Vertrag, der vorsieht, dass mit dem vom österreichischen Träger
zu leistenden Pflichtkassenanteil alle gesetzliche Leistungen abgegolten sind. Die
private Zusatzversicherung des Klägers erstattete ihm einen Betrag von 2450,76 Euro,
wobei sie von den "Pflichtgebühren" einen Anteil in Höhe von 370,68 Euro (725 DM)
übernahm, den sie in analoger Anwendung des Zwei-Bett-Zimmer-Zuschlags der
Universitätsklinik E berechnete.
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Der Kläger forderte von der Beklagten die Erstattung der Restkosten in Höhe von
1792,48 Euro. Die Beklagte holte über die österreichische Verbindungsstelle eine
Auskunft zu den österreichischen Erstattungssätzen ein (Vordruck E 126). Nachdem die
Salzburger Gebietskrankenkasse mitgeteilt hatte, mit dem täglichen Gebührensatz (der
zunächst irrtümlich mit 100,07 Euro angegeben wurde) seien alle Behandlungen
pauschal abgegolten, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 10.07.2002 eine
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weitergehende Kostenerstattung ab. Der Kläger legte Widerspruch ein und machte
geltend, die Beklagte sei verpflichtet, Kosten in Höhe einer Inlandsbehandlung zu
übernehmen. Diese lägen deutlich über den Abzugsbetrag von 559,90 Euro. Er wies
darauf hin, die Beklagte habe ihm eine Zusage für die Inanspruchnahme der Privatklinik
erteilt. Auf Nachfrage der Beklagte teilte die F-Klinik mit, der Kläger habe bei der
Aufnahme nicht den Vordruck E 111 vorgelegt. Entsprechend dem Rahmenvertrag sei
bei der Rechnung der Pflichtkassenanteil abgezogen worden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.01.2003 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Mit dem bereits auf der Rechnung in Abzug gebrachten Pflichtkassenanteil sei sie ihrer
Leistungspflicht in vollem Umfang nachgekommen. Ein weitergehender
Kostenerstattungsanspruch bestehe daher nicht. Soweit der Kläger geltend mache, ihm
sei zugesagt worden, dass er sich in der F-Klinik behandeln lassen könne, könne dies
nicht zu einer anderen Entscheidung führen, da zwar die Möglichkeit der
Inanspruchnahme dieser Klinik bestehe, jedoch eine Kostenerstattung nur in Höhe der
ausländischen Vertragssätze möglich sei.
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Mit der am 13.02.2003 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, ihm müssten
die tatsächlichen Kosten der stationären Behandlung erstattet werden, da es sich um
eine Notfallbehandlung gehandelt habe. Die von ihm selbst getragenen Kosten
resultierten aus der medizinischen Versorgung im Krankenhaus.
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Das Sozialgericht hat eine Auskunft der Salzburger Gebietskrankenkasse eingeholt, die
mit Schreiben vom 30.09.2003 erneut bestätigt hat, dass aufgrund des mit der Klinik
bestehenden Vertrages mit dem Betrag von 559,90 Euro alle gesetzlichen Leistungen
abgegolten seien.
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Mit Urteil vom 27.09.2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Ein
Kostenerstattungsanspruch wegen einer Notfallbehandlung bestehe nicht, da die
Diagnose eine Steroiddermatitis nicht erkennen lasse, dass ein Notfall im Sinne des
Gesetzes vorgelegen habe. Der aufgrund des EG-Rechts bestehende
Sachleistungsanspruch sei dadurch erfüllt worden, dass die F-Klinik den Kassenanteil
von der Rechnung abgezogen habe. Die Beklagte habe damit den
Sachleistungsanspruch in vollem Umfang erfüllt.
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Gegen das ihm am 23.11.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 15.12.2006 Berufung
eingelegt. Er meint, in seinem Fall habe eine unaufschiebbare Behandlung vorgelegen,
so dass ihm die gesamten Kosten zu erstatten seien. Er bezweifelt ferner, dass der nach
EG-Recht bestehende Sachleistungsanspruch in vollem Umfang erfüllt sei, denn es sei
davon auszugehen, dass mit dem "Gebührenpflegesatz" nur die Krankenpflege
abgegolten sei. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass in der Broschüre "Gute Reise"
ausgeführt werde, dass der Betrag erstattet werde, der für eine vergleichbare
Behandlung im Inland aufgewendet worden wäre. Für eine vergleichbare Verhandlung
im Inland wäre ein Betrag in Höhe von 1485,07 Euro angefallen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.09.2006 zu ändern und die Beklagte
unter Aufhebung des Bescheides vom 10.07.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 31.01.2003 zu verurteilen, ihm für die stationäre
Behandlung in Österreich für die Zeit vom 04.09. bis 08.09.2001 ein Betrag von 1792,48
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Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, die
Salzburger Gebietskrankenkasse habe bestätigt, dass mit dem abgerechneten Betrag in
Höhe von 559,00 Euro nicht lediglich die Krankenpflege, sondern sämtliche gesetzliche
Leistungen der stationären Behandlung abgegolten seien.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, auch hinsichtlich des
Vorbringens der Beteiligten, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen
ist.
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II.
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Der Senat konnte über die zulässige Berufung durch Beschluss ohne mündliche
Verhandlung entscheiden, da er einstimmig die Berufung für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat (§ 153 Abs. 4 SGG). Die
Beteiligten sind zu dieser Möglichkeit angehört worden.
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Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen
Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten.
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Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheidet schon deshalb
aus, weil der Kläger die zuständige Sachleistung erhalten hat und ihm somit für die
Inanspruchnahme der gesetzlich geschuldeten stationären Behandlung (§ 39 Abs. 1
SGB V) keine Kosten entstanden sind. Da nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bei einem
vorübergehenden Aufenthalt im Ausland der Anspruch auf Leistungen ruht, hatte der
Kläger in Österreich Anspruch auf Krankenbehandlungsleistungen nur nach Maßgabe
des für Rentner einschlägigen Art. 31 Abs. 1 a EG-Verordnung 1408 aus 71. Er konnte
somit im Wege der Sachleistungsaushilfe von der zuständigen österreichischen
Krankenkasse Sachleistungen erhalten. Dieser Weg war dem Kläger auch bekannt,
denn er hatte selbst den sein Anspruch belegenden Vordruck E 111 bei der
Steiermärkischen Gebietskrankenkasse hinterlegt. Ob der Kläger sich bei der Aufnahme
in die F-Klinik durch den Vordruck als gesetzlich Versicherter ausgewiesen hat (was die
Klinik im Schreiben vom 14.10.2002 verneint hat) oder ob mit der Steiermärkischen
Gebietskrankenkasse oder einem anderen österreichischen Träger die
Behandlungskosten abgerechnet worden sind, kann dahinstehen. Entscheidend ist,
dass die F-Klinik den vertraglich mit der Salzburger Gebietskrankenkasse vereinbarten
Pflegesatz von der Rechnung abgesetzt hat, so dass der Kläger hiermit nicht belastet
worden ist. Mit diesem Pflegesatz waren alle gesetzlichen Leistungen abgegolten. Die
Spekulation des Klägers, mit diesem Satz sei nur die "Krankenpflege" (was immer
darunter zu verstehen sein soll) abgegolten gewesen, ist angesichts der klaren Auskunft
der Salzburger Gebietskrankenkasse haltlos. Somit hat der Kläger die ihm geschuldete
Sachleistung erhalten, unabhängig davon, ob der Vordruck E 111 vorgelegt worden ist
oder nicht. Auf die Frage, ob es sich um eine unaufschiebbare Behandlung gehandelt
hat, kommt es somit nicht an, da der Kläger die erforderliche Behandlung innerhalb des
"Sachleistungssystems" erhalten hat.
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Der Kläger übersieht, dass die ihn treffende Kostenbelastung allein auf die exorbitanten
"Pflegegebühren", die die F-Klinik berechnet hat, zurückzuführen sind. Ein Tagessatz
von 432,62 Euro (ohne ärztliche Behandlung) liegt weit außerhalb der in Deutschland
üblichen Tagessätze. Ob in diesem Zusammenhang die private Zusatzversicherung des
Klägers hätte einen höheren Betrag übernehmen müssen, ist nicht Gegenstand des
Verfahrens.
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Unerheblich ist, dass die Beklagte dem Kläger auf Nachfrage mitgeteilt hatte, er könne
sich in der F-Klinik behandeln lassen. Diese Auskunft war zutreffend, da wegen des
bestehenden Vertrages mit der Salzburger Gebietskrankenkasse der
Sachleistungsanspruch auch in dieser Klinik erfüllt werden konnte. Dass die Beklagte
dem Kläger zugesagt hätte, sie werde die gesamten Kosten übernehmen, behauptet
selbst der Kläger nicht. Wenn er - unausgesprochen - davon ausgegangen ist, ihm
würden wie bei früheren stationären Behandlungen in Österreich keine Kosten
entstehen, ist dies rechtlich irrelevant. Ebensowenig hätte die Beklagte dafür
einzustehen, dass unter Umständen die F-Klinik gehalten gewesen wäre, den Kläger
auf die Diskrepanz zwischen dem "gesetzlichen" Pflegesatz und dem berechneten
Pflegegebühren hinzuweisen. Insoweit kämen allenfalls Ansprüche des Klägers gegen
die Klinik in Betracht. Vor diesem Hintergrund ist die vorgelegte Bescheinigung des
Diakoniewerks vom 25.06.2007 bedeutungslos, denn für die Inanspruchnahme der
gesetzlichen Leistungen sind dem Kläger auch in der F-Klinik ebenso wie bei den
früheren Behandlungen keine Kosten entstanden.
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Soweit der Kläger geltend macht, in der Broschüre "Gute Reise" werde darauf
hingewiesen, dass bei einer Behandlung im Ausland die Kosten in Höhe einer
Inlandsbehandlung übernommen würden, ist dem entgegenzuhalten, dass dies zum
einen nur den Fall betreffen kann, dass keine Sachleistungsaushilfe erfolgt ist und zum
anderen maßgebend nur die gesetzlichen Bestimmungen sein können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht.
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