Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 28.12.2010

LSG NRW (sgg, ursächlicher zusammenhang, verhältnis zu, abweichung, begründung, zulassung, kläger, beschwerde, keller, bezug)

Landessozialgericht NRW, L 19 AS 2029/10 NZB
Datum:
28.12.2010
Gericht:
Landessozialgericht NRW
Spruchkörper:
19. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
L 19 AS 2029/10 NZB
Vorinstanz:
Sozialgericht Duisburg, S 38 AS 351/09
Sachgebiet:
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Rechtskraft:
rechtskräftig
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im
Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 26.10.2010 - S 38 AS 351/09 -
wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im
Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
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Der Kläger erstrebt die Zulassung der Berufung gegen ein Urteil, in dem die
Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung der Kosten eines Widerspruchsverfahrens (§
63 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und
Sozialdatenschutz - SGB X -) abgelehnt worden ist.
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Mit Bescheid vom 15.07.2009 senkte die Beklagte die Leistungen des Klägers nach
dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) - für
den Zeitraum vom 01.08.2009 bis 31.10.2009 um 30% ab.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger persönlich am 10.08.2009 Widerspruch ein.
Zur Begründung dieses Widerspruchs legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am
02.09.2009 seine Begründung des am 01.09.2009 beim Sozialgericht gestellten
Antrages auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gegen den
Bescheid vom 15.07.2009 im Verfahren S 5 AS 344/09 ER, SG Duisburg, vor. Mit
Schreiben vom 30.09.2009 schlug das Sozialgericht eine vergleichsweise Beendigung
des Inhalts vor, dass die Beklagte bzw. dort Antragsgegnerin die Sanktion halbiere, der
Antragsteller seinen Widerspruch vom 10.08.2009 gegen den Bescheid vom 15.07.2009
für erledigt erkläre, die Beklagte bzw. dort Antragsgegnerin die Hälfte der
außergerichtlichen Kosten des Klägers bzw. dort Antragstellers übernehme und die
Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend als vollständig erledigt ansähen. Dieser
Vorschlag wurde beidseitig angenommen. Mit Kostennote vom 02.09.2009 machte der
Prozessbevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten Kosten des
Widerspruchsverfahrens in Höhe von 321,30 EUR geltend, deren Übernahme die
Beklagte mit Bescheid vom 19.11.2009 ablehnte und den Widerspruch hiergegen mit
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Bescheid vom 08.12.2009 zurückwies. Die Klage gegen diese Entscheidung vom
10.12.2009 hat das Sozialgericht mit Urteil vom 26.10.2010, auf dessen Begründung
Bezug genommen wird, zurückgewiesen und weder im Tenor noch in den
Entscheidungsgründen die Berufung zugelassen.
Am 17.11.2010 hat der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das seinem
Bevollmächtigten am 15.11.2010 zugestellte Urteil beantragt, eine grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache angenommen und angegeben, das Urteil weiche von
obergerichtlicher Rechtsprechung, insbesondere des BSG im Urteil vom 21.12.2009 - B
14 AS 81/08 R - ab. Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere bedarf die Berufung gem. § 144 Abs. 1 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) der Zulassung, weil der streitige Betrag nicht die für die
zulassungsfreie Berufung erforderliche Summe von mehr als 750,- EUR nach § 144
Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG in der ab dem 01.04.2008 geltenden Fassung des Gesetzes vom
26.03.2008 (BGBl I, 444) erreicht. Die Frist von einem Monat nach Zustellung des
vollständigen Urteils nach § 145 Abs. 1 S. 1 SGG ist gewahrt.
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Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet, da Gründe zur Zulassung der Berufung
nach § 144 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung
zuzulassen, wenn 1. die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, 2. das Urteil von einer
Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des gemeinsamen
Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts
abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 3. ein der Beurteilung des
Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt,
auf dem die Entscheidung beruhen kann.
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Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 1 Nr.
1 SGG zu, da der Rechtsstreit keine Rechtsfragen aufwirft, deren Klärung im
allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung
des Rechts zu fördern (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rn. 28). Die
Begründung des Sozialgerichts, ein Anspruch auf Erstattung der Kosten des
Widerspruchsverfahrens ergebe sich nicht aus Ziffer 3 des zwischen den Beteiligten
geschlossenen Vergleichs, betrifft eine Auslegung im Einzelfall und kann schon deshalb
keine grundsätzliche Bedeutung aufweisen. Die vom Sozialgericht weiter als
streitentscheidend angesehene Frage, ob für die Annahme eines "Erfolges" als
Voraussetzung der Kostenerstattung nach § 63 SGB X eine ursächliche Verknüpfung
zwischen dem Rechtsbehelf und der begünstigenden Entscheidung der Behörde
festzustellen ist, ist durch gleichbleibende höchstrichterliche Rechtsprechung über
einen längeren Zeitraum geklärt und deshalb nicht klärungsbedürftig. Mehrfach hat das
Bundessozialgericht entschieden, dass ein Widerspruch nur dann als erfolgreich im
Sinne von § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X anzusehen ist, wenn zwischen Rechtsbehelf und
begünstigender Entscheidung der Behörde eine ursächliche Verknüpfung im
Rechtssinne besteht (z.B. Urteile vom 21.07.1992 - 4 RA 20/91 = SozR 3-1300 § 63 Nr.
3, vom 29.01.1998 - B 12 KR 18/97 R = SozR 3-1300 § 144 Nr. 13). Diese
Rechtsprechung ist jüngst entgegen einer abweichenden zweitinstanzlichen Auffassung
fortgesetzt worden. Mit Urteil vom 13.10.2006 (B 6 KA 29/09 R, Pressebericht unter
www.juris.bundessozialgericht.de) hat das Bundessozialgericht an der bisherigen
Rechtsprechung des BSG festgehalten, dass ein Anspruch nach § 63 SGB X auch
voraussetzt, dass zwischen Widerspruch und der begünstigenden Entscheidung ein
ursächlicher Zusammenhang im Rechtssinne bestehen muss. Die im entschiedenen
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Fall eingetretene Veränderung der Rechtslage ändere hieran nichts. Ein
Klärungsbedürfnis liegt daher nicht vor.
Auch die behauptete Abweichung von höchstrichterlicher Rechtsprechung ist nicht
festzustellen. Eine Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nur vor, wenn
die tragenden abstrakten Rechtssätze, die einerseits dem Urteil des SG und
andererseits einer Entscheidung des Gerichts des höheren Rechtszuges zu Grunde
liegen, nicht übereinstimmen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rn.
30, § 160 Rn. 13). Eine solche Abweichung ist nicht festzustellen, vielmehr führt das
Urteil des Sozialgerichts die vorstehend angeführte Rechtsprechung des
Bundessozialgerichts an und subsumiert unter diese. Die möglicherweise vom Kläger
gesehene Fehlerhaftigkeit dieser Subsumtion begründet keine Abweichung im Sinne
von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Eine Divergenz ist auch nicht im Verhältnis zu dem auch
auf Nachfrage des Berichterstatters angegebenen Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS
81/08 (Fehlzitat, gemeint offensichtlich: B 14 AS 83/08 R) festzustellen. Diese
Entscheidung betrifft die Frage, ob der Schwellenwert für die Geschäftsgebühr zu
erhöhen ist, wenn der Rechtsanwalt in derselben Sache für mehrere Auftraggeber tätig
wird. Die in dieser Entscheidung enthaltenen Ausführungen zu § 63 SGB X erschöpfen
sich im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzeswortlauts.
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Ein Verfahrensfehler im Sinne von § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGG ist weder gerügt worden
noch ersichtlich.
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Mit der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde wird das Urteil rechtskräftig, § 145
Abs. 4 S. 4 SGG.
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Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
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