Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.11.2006

LSG Nsb: entlastung, befristete rente, belastung, erlass, bindungswirkung, beitragssatz, beitragspflicht, verfügung, abhängigkeit, versicherungsschutz

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 22.11.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 5 R 140/05
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 2 R 386/06
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die 1965 geborene Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Beitragszuschlag für Kinderlose in der
gesetzlichen Pflegeversicherung.
Die an einer – ihren Angaben zufolge rasch fortschreitenden – Krebserkrankung leidende Klägerin ist kinderlos. Sie
bezieht von dem beklagten Rentenversicherungsträger seit Januar 2005 eine bislang auf die Zeit bis zum 31.
Dezember 2007 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Mit Bescheid vom 16. Februar 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. April 2005 nahm die Beklagte
– gestützt auf § 48 SGB X – im Hinblick auf die Einführung eines Beitragszuschlages für Kinderlose durch die
Einführung der Regelung des § 55 Abs. 3 SGB XI (mit Gesetz vom 15. Dezember 2004, BGBl I 3448) eine
Neufestsetzung des Rentenzahlbetrages vor. Ausgehend von einer unverändert gebliebenen Bruttorente in Höhe von
monatlich 687,79 EUR stellte sie nach Abzug des anteiligen Krankenversicherungsbeitrages der Klägerin in Höhe von
47,80 EUR und ihres Pflegeversicherungsbeitrages in Höhe von 18,57 EUR für den Monat April 2005 und in Höhe von
13,41 EUR ab Mai 2005 für den Monat April 2005 einen Rentenzahlbetrag von 621,42 EUR und mit Wirkung vom 01.
Mai 2005 einen monatlichen Rentenzahlbetrag in Höhe von 626,58 EUR fest. Dabei legte die Beklagte jeweils unter
Einbeziehung des Beitragszuschlages für Kinderlose einen Beitragssatz von 2,7 % für den Monat April 2005 und von
1,95 % für die folgenden Monate zugrunde.
Den Widerspruch der Klägerin, mit dem sich diese allein gegen die Heranziehung zu dem Beitragszuschlag für
Kinderlose wandte, wies die Beklagte mit Bescheid vom 20. Oktober 2005 zurück.
Mit der am 18. November 2005 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie sich durch die
Heranziehung zu dem Beitragszuschlag für Kinderlose zusätzlich diskriminiert sehe. Sie sei "aufgrund eines
beklagenswerten Schicksals" nicht in der Lage, Kinder zu gebären. Überdies habe sie ohnehin aufgrund der
Krebserkrankung bereits gravierende Nachteile in Kauf nehmen müssen.
Mit Urteil vom 07. September 2006, der Klägerin zugestellt am 18. September 2006, hat das Sozialgericht Hannover
die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es dargelegt, dass die Beklagte die gesetzlichen Vorgaben über die
Erhebung eines Beitragszuschlages für Kinderlose zur Pflegeversicherung, bezüglich derer Verfassungsverstöße
nicht festzustellen seien, zutreffend angewandt habe.
Dagegen richtet sich die am 06. Oktober 2006 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie macht geltend, dass von
Verfassungs wegen solche Versicherte von der Heranziehung eines Beitragszuschlages für Kinderlose auszunehmen
seien, die aus medizinischen Gründen keine Fortpflanzungsfähigkeit erlangt hätten.
Sie beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 07. September 2006 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom
16. Februar 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21. April 2005 und des Widerspruchsbescheides
vom 20. Oktober 2005 zu ändern und
2. die Beklagte zu verpflichten, die ihr bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit für den Zeitraum ab
April 2005 ohne Anrechnung eines Beitragszuschlages für Kinderlose auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die zu 1. beigeladene Pflegekasse und das zu 2. als Verwalter des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung
beigeladene Bundesversicherungsamt stellen keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abänderung der angefochtenen
Bescheide und auf Auszahlung des einbehaltenen Beitragszuschlages für Kinderlose zur Pflegeversicherung in Höhe
von 1 % für den Monat April 2005 und in Höhe von 0,25 % für die folgenden Monate. Die Beklagte hat in den
angefochtenen Bescheiden aus der maßgeblichen Sicht eines verständigen Empfängers auf der Grundlage des
bereits vorher festgesetzten Rentenbruttobetrages die Höhe der Beiträge zur Kranken– und Pflegeversicherung
festgestellt und davon ausgehend die Rentenzahlbetrag als Ergebnis der Subtraktion der Beitragszahlungen von den
Rentenbruttobetrag errechnet. Dabei hat sie die Höhe des Beitrages zur Pflegeversicherung unter Einbeziehung des
Beitragszuschlages für Kinderlose festgestellt.
Die Verpflichtung der Klägerin zur Entrichtung dieses Zuschlages ergibt sich aus den gesetzlichen Vorgaben des § 55
Abs. 3 und 4 SGB XI, gegen deren Verfassungsmäßigkeit keine Bedenken anzumelden sind.
1. (Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungs-)Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen
haben, sind nach § 255 Abs. 1 S. 1 SGB V i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI von den Trägern der Rentenversicherung
bei der Zahlung der Rente einzubehalten und (zusammen mit den von den Trägern der Rentenversicherung zu
tragenden Krankenversicherungsbeiträgen) an die Deutsche Rentenversicherung Bund für die Krankenkassen (mit
Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen) zu zahlen. Die Deutsche Rentenversicherung Bund leitet alle
Pflegeversicherungsbeiträge aus Rentenleistungen der allgemeinen Rentenversicherung am fünften Arbeitstag des
Monats, der dem Monat folgt, in dem die Rente fällig war, an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung, d.h. an
das vom Bundesversicherungsamt nach § 65 SGB XI verwaltete Sondervermögen, weiter (§ 60 Abs. 4 S. 1 SGB XI).
Bei einer Änderung in der Höhe der Beiträge ist die Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der
Rentenversicherung nicht erforderlich (§ 255 Abs. 1 S. 2 SGB V i.V.m. § 60 Abs. 1 S. 2 SGB XI).
Aus der vorstehend erläuterten – durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz vom 21. März 2005, BGBl I 818, mit
Wirkung vom 30. März 2005 und damit vor Erlass des maßgeblichen Widerspruchsbescheides eingeführten –
Regelung des § 255 Abs. 1 S. 2 SGB V ergibt sich die Ermächtigung für die Träger der Rentenversicherung, die Höhe
der von ihnen aus der Rente abzuführenden Beiträge zur (Kranken– und) Pflegeversicherung durch Bescheid
festzustellen. Indem der Gesetzgeber klargestellt hat, dass bei einer Änderung in der Höhe dieser Beiträge die
Erteilung eines besonderen Bescheides durch den Träger der Rentenversicherung "nicht erforderlich" sei, hat er
zugleich zum Ausdruck gebracht, dass die Rentenversicherungsträger gleichwohl zum Erlass solcher Bescheide
berechtigt sind. Dies verdeutlicht auch der Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (Drs
15/4751) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drs 15/4228 – für das Verwaltungsvereinfachungsgesetz,
ausweislich dessen die Neuregelung dem Rentenversicherungsträger zur Verfahrenserleichterung die Möglichkeit
eröffnen soll, dass von einer besonderen Bescheiderteilung "abgesehen werden kann" (vgl. Drs 15/4751, S. 46).
In Anbetracht der erläuterten gesetzlichen Neuregelung sind die vom BSG im Urteil vom 05. September 2006 (B 4 R
71/06 R) – auf der Grundlage der seiner Entscheidung noch zugrunde zu legenden früheren Rechtslage – aufgezeigten
Bedenken hinsichtlich des Vorliegens einer ausreichenden Ermächtigungsgrundlage zum Erlass entsprechender
feststellender Bescheide durch den Rentenversicherungsträger aus der Sicht des Senates nicht mehr
ausschlaggebend.
Die erläuterte gesetzliche Klarstellung verdeutlicht zugleich, dass der Rentenbezieher jedenfalls nach Erlass eines
entsprechenden Bescheides durch den Rentenversicherungsträger auch gegenüber diesem die fehlerhafte
Berechnung der einbehaltenen Beiträge geltend machen kann (vgl. demgegenüber für isolierte Feststellungsklagen
Landessozialgericht Baden-Württemberg, U.v. 16. Februar 2006 – L 7 R 3772/05 –).
2. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung in Höhe von 1,7 % nach § 55 Abs. 1 S. 1 SGB XI, erhöht
sich nach § 55 Abs. 3 Satz 1 SGB XI für Mitglieder nach Ablauf des Monats, in dem sie das 23. Lebensjahr vollendet
haben, um einen Beitragszuschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten (Beitragszuschlag für Kinderlose). Dies gilt
nach § 55 Abs. 3 S. 2 SGB XI nicht für Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 des
Ersten Buches, wobei (Satz 3) die Elterneigenschaft in geeigneter Form gegenüber der beitragsabführenden Stelle
(von Selbstzahlern gegenüber der Pflegekasse) nachzuweisen ist (sofern diesen die Elterneigenschaft nicht bereits
aus anderen Gründen bekannt ist). Als Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB I gelten nach § 56 Abs. 3
Nrn. 2 und 3 SGB I auch Stiefeltern und Pflegeeltern, d.h. Personen, die ein Pflegekind aufgenommen haben.
Der vorstehend erläuterte Beitragszuschlag für Kinderlose für die Monate Januar bis März 2005 auf Renten der
gesetzlichen Rentenversicherung wird nach § 55 Abs. 4 SGB XI für Rentenbezieher, die nach dem 31. Dezember
1939 geboren wurden, in der Weise abgegolten, dass der Beitragszuschlag im Monat April 2005 1 vom Hundert der im
April 2005 beitragspflichtigen Rente beträgt (soweit die Rentenbezieher in den Monaten Januar bis April 2005 beitrags-
oder zuschlagspflichtig sind).
Soweit Beiträge zur Pflegeversicherung auf Renten der gesetzlichen Rentenversicherung erhoben werden, sind sie –
nach der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden (vgl.– BSG, U.v. 05. September 2006 – B 4 R 71/06 R –)
Regelung des § 59 Abs. 1 S. 1 SGB XI von dem Mitglied allein zu tragen; den Beitragszuschlag für Kinderlose haben
ohnehin alle betroffenen Versicherten allein zu tragen (§ 59 Abs. 5 SGB XI).
a) Die Klägerin zählt nicht zu den Eltern im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I. Sie hat
insbesondere kein Kind geboren; sie hat auch nicht die Stellung einer Adoptiv-, Pflege– oder Stiefmutter inne oder
innegehabt. In diesem Punkt besteht Konsens.
b) Nach den erläuterten einfachgesetzlichen Vorgaben hat die Klägerin dementsprechend gemäß § 55 Abs. 3 und 4
SGB XI den Beitragszuschlag für Kinderlose zu entrichten, diesen hat die Beklagte von ihren Rentenbezügen
einzubehalten. Den Zuschlag hat die Beklagte entsprechend den gesetzlichen Vorgaben zutreffend errechnet.
Letzteres wird auch von Seiten der Klägerin nicht in Abrede gestellt.
c) Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die erläuterten gesetzlichen Bestimmungen sind nicht festzustellen (vgl.
auch SG Stuttgart, U.v. 20. März 2006 – S 8 KR 3035/05 – und SG Münster, U.v. 10. März 2006 – S 6 P 136/05 –
Breith. 2006, 642).
aa) Die prinzipielle Entscheidung des Gesetzgebers zur Erhebung eines Beitragszuschlages für Kinderlose ist nicht
nur verfassungskonform, sie wird sogar durch die verfassungsrechtlichen Vorgaben vorgeschrieben. Ausweislich des
der gesetzgeberischen Regelung zugrunde liegenden – auch den Senat bindenden (§ 31 Abs. 1 BVerfGG) – Urteils
des BVerfG vom 03. April 2001 (1 BvR 1629/94 – E 103, 242) waren die früheren – noch keinen Beitragszuschlag für
Kinderlose vorsehenden – Bestimmungen der § 54 Abs. 1 und 2, 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 sowie § 57 SGB XI mit
Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar, soweit Mitglieder der sozialen
Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag wie
Mitglieder ohne Kinder belastet wurden.
bb) Die konkrete Umsetzung dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben in der mit Wirkung vom 01. Januar 2005
eingeführten Neufassung des § 55 Abs. 3 und 4 SGB XI verletzt die Klägerin nicht in ihren verfassungsrechtlichen
Rechten. Namentlich verletzt die Neuregelung die Klägerin nicht in ihrem Anspruch auf Gleichbehandlung gemäß Art.
3 Abs. 1 GG.
Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und
wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche
Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung
einem Personenkreis gewährt, einem anderen Personenkreis aber vorenthalten wird. Aus dem allgemeinen
Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen
für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an
Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (BVerfG, Beschluss vom 21. Juni 2006 – 2 BvL 2/99 – NJW 2006, 2757
mwN).
(1) Auf eine Missachtung des Gleichheitsgrundsatzes kann sich die Klägerin allerdings nur insoweit berufen, wie sie
dadurch auch persönlich betroffen sein kann. Wird die Gleichheitswidrigkeit einer gesetzlichen Regelung gerügt,
beschränkt sich die gerichtliche Prüfung auf die Abklärung solcher in Betracht zu ziehender Verfassungsverstöße,
bezüglich derer eine Feststellung der Verfassungswidrigkeit dem Betroffenen zumindest die Chance auf eine auch für
ihn persönlich sich günstiger auswirkende gesetzgeberische Neuregelung eröffnet (BVerfG, B. v. 31. Januar 1996 – 2
BvL 39/93, 2 BvL 40/93 – E 93, 386, 395). Hieran anknüpfend hat der Senat ausgehend von dem erläuterten
verfassungsrechtlichen Beitragsdifferenzierungsgebot zulasten Kinderloser im vorliegenden Zusammenhang
namentlich nicht zu prüfen, ob die § 55 Abs. 3 S. 7 SGB XI vorgesehenen Ausnahmen von der Heranziehung zu dem
Beitragszuschlag für Kinderlose für Wehrdienst– und Zivildienstleistende und für Bezieher von Arbeitslosengeld II
verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Selbst wenn bezüglich dieser quantitativ in Relation zur Gesamtzahl der
Betroffenen wenig bedeutsamen Gruppen eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung festzustellen sein könnte,
würde dies der Klägerin nicht weiterhelfen. Eine gesetzgeberische Korrektur käme nur in Form einer Einbeziehung
auch dieser bislang ausgenommenen Gruppen in die Beitragszuschlagpflicht in Betracht, für die Klägerin persönlich
wäre damit kein Vorteil verbunden.
Ebenso wenig hat der Senat der Frage nachzugehen, ob die mit dem Beitragszuschlag angestrebte Entlastung der
Eltern von den Betreuungs– und Erziehungsaufwendungen nicht ausgehend von den vom BVerfG in dem o.g. Urteil
vom 03. April 2001 festgehaltenen Grundsätzen eine Entlastung in Abhängigkeit von der Zahl der zu betreuenden und
erziehenden Kinder gebietet. Soweit verfassungsrechtlich eine weitergehende Entlastung von Eltern mit mehr als
einem Kind geboten sein sollte, würde sich dies im Ergebnis jedenfalls auch zulasten der dem Beitragszuschlag für
Kinderlose unterliegenden Versicherten und damit der Klägerin auswirken.
(2) Die Klägerin hat auch keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf, dass zu einem Beitragszuschlag zur
Pflegeversicherung auch solche Versicherte herangezogen werden, deren Kinder nach Erreichung der Volljährigkeit
nicht mehr zu erziehen und zu betreuen sind. Dies gilt auch dann, wenn zu ihren Gunsten von der Möglichkeit
auszugehen sein sollte, dass sich der Gesetzgeber nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 und
Art. 6 Abs. 1 GG bei einer entsprechenden Neuregelung nicht zu einer spürbaren weiteren Entlastung der Eltern
während der Betreuungs- und Erziehungsphase entschließen müsste, so dass bei einer Ausdehnung des Kreises der
dem Beitragszuschlag unterliegenden Versicherten Raum für eine Absenkung dieses Zuschlages verbliebe.
(a) In der Literatur (vgl. Ruland, Das BVerfG und der Familienlastenausgleich in der Pflegeversicherung, NJW 2001,
1673, 1674) wird das vorstehend erläuterte Urteil des BVerfG vom 03. April 2001 teilweise dahingehend interpretiert,
dass verfassungsrechtlich eine Beitragsentlastung der Eltern ausschließlich während der Betreuungs- und
Erziehungsphase geboten sei. Dies hätte zur Folge, dass zum Kreis der Begünstigten auch nur solche Eltern zu
zählen wären, die sich im Zeitpunkt der Beitragserhebung noch in der Betreuungs- und Erziehungsphase befinden.
Nach Ablauf der Erziehungszeit wären hingegen auch Eltern beitragsrechtlich den kinderlosen Versicherten
gleichzustellen.
Ein solches Verständnis der verfassungsgerichtlichen Entscheidung trägt entscheidenden Punkten ihrer Begründung
Rechnung: Das BVerfG stellt darauf ab, dass die Eltern "wegen der Erziehung" (wobei die "Erziehung" im
vorliegenden Zusammenhang wohl auch die schlichte Erbringung von Unterhaltszahlungen umfassen soll) "zu ihrem
Nachteil auf Konsum und Vermögensbildung" verzichten müssen (aaO S. 264); es verlangt ausdrücklich eine
Entlastung der Elterngeneration "während der Zeit der Betreuung und Erziehung" (aaO S. 270).
Ausschlaggebend für die Bestimmung der Reichweite der mit dem genannten Urteil bewirkten Bindung ist allerdings
sein Tenor. Dementsprechend hat das BVerfG in dem Urteil vom 03. April 2001 auch ausdrücklich hervorgehoben,
dass eine Unvereinbarkeit der zu prüfenden beitragsrechtlichen Regelungen nur in dem "aus der Entscheidungsformel
ersichtlichen Umfang" festzustellen sei (aaO S. 269). Im Tenor des Urteils hat das BVerfG jedoch keine Feststellung
des Inhalts getroffen, dass die zu prüfenden Regelungen des SGB XI mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind,
soweit Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, mit einem gleich hohen
Pflegeversicherungsbeitrag wie solche Mitglieder belastet werden, die keine Kinder betreuen und erziehen. Es hat
vielmehr lediglich verlangt, dass Mitglieder dieser Pflegeversicherung, die Kinder betreuen und erziehen, nicht mit
einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden dürfen wie "Mitglieder ohne Kinder".
Ausdrücklich verlangt wird mithin nur eine beitragsrechtliche Besserstellung der Versicherten, die Kinder betreuen und
erziehen, im Vergleich zu "Mitgliedern ohne Kinder". Entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch können mangels
einer abweichenden Legaldefinition Versicherte mit volljährigen Kindern aber nicht der Gruppe der "Mitglieder ohne
Kinder" zugeordnet werden; die Elterneigenschaft als solche besteht auch nach Fortfall eines Erziehungs– und
Betreuungsbedarfs des Kindes fort.
Mit der erläuterten Formulierung im Tenor des Urteils vom 03. April 2001 hat das BVerfG es letztlich in die
Entscheidung des Gesetzgebers gestellt, ob die Beitragsentlastung sich auf Eltern während der Betreuungs- und
Erziehungsphase des Kindes beschränken oder alle Eltern erfassen soll. Es hat damit im Ergebnis dem Gesetzgeber
auch Raum für eine Lösung eröffnet, bei der die Entlastung zu ihrem überwiegenden Teil den Eltern typischerweise
erst nach Abschluss der Betreuungs- und Erziehungsphase zuteil wird. In Anbetracht der Sorgfalt, mit dem Urteile des
BVerfG und speziell die maßgeblichen Entscheidungsformeln beraten und abgefasst werden, sieht der Senat auch
keinen Raum, die genannte Formulierung unter Heranziehung der Entscheidungsgründe abweichend von ihrem
Wortlaut zu interpretieren. Dies gilt um so mehr, als der vom BVerfG in dem Urteil maßgeblich herangezogene Begriff
eines "generativen Beitrages" nicht zwangsläufig eine Beschränkung auf die Betreuungs- und Erziehungsphase zum
Ausdruck bringen muss.
(b) Der Senat vermag auch nicht unmittelbar den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1
GG ein Gebot zur beitragsrechtlichen Entlastung von Eltern gerade während der Betreuungs- und Erziehungsphase im
Vergleich zu sonstigen Mitgliedern (unter Einschluss von Eltern, die die Betreuungs- und Erziehungsphase bereits
abgeschlossen haben) zu entnehmen. Diese Frage ist in dem genannten Urteil des BVerfG noch nicht abschließend
entschieden, sondern letztlich offen gelassen worden.
Zu einer entsprechenden Verfassungsinterpretation sieht der Senat keinen Anlass. Er vermag bereits den – nicht an
der Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG teilhabenden – Ansatz in der Argumentation des BVerfG im Urteil
vom 03. April 2001 nicht zu teilen, wonach eine fehlende beitragsrechtliche Berücksichtigung des generativen
Beitrages zu einer "spezifischen Belastung" kindererziehender Versicherter "im" Pflegeversicherungssystem führt
(aaO S. 266). Entscheidungen des BVerfG entfalten gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG eine über den Einzelfall
hinausgehende Bindungswirkung (nur) insofern, als die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der
Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten in allen künftigen Fällen
beachtet werden müssen (BVerfG, B.v. 10. Juni 1975 – 2 BvR 1018/74 – E 40, 88, 93). Die maßgeblich auch
tatsächliche Gesichtspunkte mit einbeziehende Wertung einer Beitragsbetroffenheit als "spezifische Belastung" zählt
nicht zu den der Bindungswirkung unterliegenden "Grundsätzen für die Auslegung der Verfassung".
Dementsprechend kann sich die – kinderlose – Klägerin des vorliegenden Verfahrens nicht darauf berufen, dass die
Abgrenzung des Kreises der zum Beitragszuschlag herangezogenen Versicherten verfassungsrechtlich verfehlt sei
und dass eine dem Gesetzgeber obliegende verfassungskonforme Neuregelung für sie die Chance auf einen
niedrigeren Beitragssatz eröffnen könnte.
Überzeugend hat das BVerfG (aaO S. 265) allerdings in dem o.g. Urteil hervorgehoben, dass an der Betreuungs– und
Erziehungsleistung der Familien ein (existentielles) Interesse der Allgemeinheit besteht. Jede staatliche Gemeinschaft
ist auf die Wertschöpfung durch die heranwachsenden Generationen angewiesen. Nicht nur im Bereich der Renten–,
Kranken– und Pflegeversicherung hängt ein ausreichendes Leistungsniveau in den kommenden Jahrzehnten
maßgeblich auch davon ab, dass Kinder in ausreichender Zahl gezeugt und geboren werden und in die Position der
Beitragszahler hineinwachsen. Auch der allgemeine Staatshaushalt, aus dem etwa – nur beispielsweise – die
Ausgaben für die innere und äußere Sicherheit zu erbringen sind und aus dem seit vielen Jahren auch bedeutsame
Zuschüsse insbesondere zur Rentenversicherung bestritten werden, wird schwerpunktmäßig durch Steuerzahlungen
der jeweils arbeitenden Generation finanziert.
Ein generativer (jedenfalls annähernder) Gleichgewichtszustand ist damit von außerordentlicher und umfassender
Bedeutung für die langfristige Stabilität des Gemeinwesens. Zur Erreichung eines solchen Zustandes reicht es
allerdings – entgegen der Annahme des BVerfG (aaO S. 266) – nicht bereits aus, dass die (ganz) überwiegende Zahl
der Bürger Kinder aufzieht. Auch wenn das BVerfG insoweit nur die biologische Elternschaft im Blick gehabt haben
mag, ist weitere Voraussetzung für die Erzielung eines solchen Gleichgewichts, dass die durchschnittliche Kinderzahl
etwas mehr als zwei beträgt.
In einer von Bevölkerungsabnahme bedrohten Gesellschaft profitieren nicht nur Kinderlose von den Erziehungs– und
Betreuungsleistungen der Eltern; auch Eltern mit nur einem Kind ziehen Vorteile aus den entsprechenden Leistungen
solcher Eltern, die mehr als ein Kind erziehen und betreuen. Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich aus Art. 6 Abs.
1 GG – freilich unter dem Vorbehalt des Möglichen und im Kontext anderer Förderungsnotwendigkeiten (BVerfG aaO
S. 259) – verpflichtet, durch eine angemessene Förderung der Familien einen hinreichenden Nachteilsausgleich zu
schaffen.
Angesichts der weithin fehlenden Planbarkeit des konkreten Betreuungs– und Versorgungsbedarfs eines Kindes, der
ggfs. auch örtlich zur Verfügung stehenden Unterstützungsleistungen und der Unwägbarkeiten einer Vereinbarkeit von
Familie und Beruf mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes beinhaltet eine Entscheidung für ein Kind oft die
Bereitschaft der Eltern, jedenfalls bei einer ungünstigen Entwicklung mittelfristig auf rund die Hälfte des ihnen ohne
das Kind voraussichtlich für den persönlichen Bedarf zur Verfügung stehenden Einkommens zu verzichten.
Gemessen an dieser Ausgangslage ist es von weitgehend untergeordneter Bedeutung, ob das neben der Erziehung
des Kindes zu erzielende Familieneinkommen mit einem Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung belastet ist. In dem
typischen Fall einer abhängigen Beschäftigung beträgt der Arbeitnehmeranteil weniger als 1 % des Einkommens (§§
55 Abs. 1 S. 1, 58 Abs. 1 S. 1 SGB XI). Selbst eine – vom BVerfG nicht geforderte – vollständige Freistellung
erziehender Eltern von der Beitragspflicht in der sozialen Pflegeversicherung wäre im Regelfall nicht mit einer im
Alltag nennenswert spürbaren finanziellen Besserstellung verbunden. Darüber hinaus korrespondiert mit der
Beitragspflicht der Versicherungsschutz für alle Familienmitglieder gegenüber dem – in jüngeren Jahren zwar deutlich
unterdurchschnittlich ausgeprägten, jedoch durchaus vorhandenen – Risiko der Pflegebedürftigkeit. Gerade unter
Berücksichtigung der beitragsfreien Mitversicherung der Kinder und des Ehegattens im Rahmen der
Familienversicherung (soweit diese keine eigenständige Beitragspflicht trifft) ist der durch die soziale
Pflegeversicherung vermittelte Versicherungsschutz für Familien mit zu erziehenden Kindern oft kostengünstiger, als
wenn vergleichbare Leistungen privatversicherungsrechtlich abgesichert würden.
Das BVerfG hebt weiter darauf ab, dass die Eltern neben den eigentlichen Beitragszahlungen auch die "Kostenlast der
Kindererziehung" (soweit letztere nicht – zu durchaus erheblichen Teilen – von der Allgemeinheit getragen werden) zu
schultern haben; es legt hiervon ausgehend einen Ausgleich zwischen dem "in" die Pflegeversicherung
einzubringenden "Gesamtbeitrag" der Kinderziehenden und dem bloßen "Geldbeitrag von Kinderlosen" jedenfalls nahe
(aaO S. 269). Die Kostenlast der Kindererziehung besteht aber unabhängig von der Pflegeversicherung, sie kann als
solche auch nicht "in" diese Versicherung eingebracht werden. Es sind bislang nicht einmal konkrete
Bewertungsmodelle (oder auch nur ein – etwa an den Gesetzgeber gerichteter – Auftrag zur Erarbeitung solcher
Modelle) ersichtlich, nach welchen Maßstäben einzelne Anteile der umfassenden Kindererziehungskosten ggfs.
einzelnen Sozialversicherungszweigen zugeordnet werden könnten und nach welcher Maßgabe eventuell ein
quantitativer Ausgleich mit herkömmlichen Beitragspflichten herbeizuführen sein könnte. Entsprechende Zuordnungen
fallen um so schwerer, als die Erziehung der Kinder als solche ohnehin nur eine Voraussetzung für die langfristige
finanzielle Stabilität der sozialen Pflegeversicherung bewirken, diese aber als solche nicht gewährleisten kann.
Erarbeitet und bezahlt werden müssen die im Umlagesystem auch in künftigen Jahrzehnten benötigten
Beitragszahlungen von der erst heranwachsenden Generation.
Mangels einer "spezifischen" Belastung kindererziehender Versicherter gerade in der sozialen Pflegeversicherung
sieht der Senat auch ausgehend von den vom BVerfG im Urteil vom 03. April 2001 herausgearbeiteten Grundsätzen
für die Auslegung der Verfassung keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit zur Schaffung eines – über § 55 Abs. 3
und 4 SGB XI hinausgehenden – spezifischen Ausgleichs der Kindererziehungslasten gerade im Beitragsrecht der
sozialen Pflegeversicherung.
Dementsprechend ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass auch ausgehend von einer Bejahung einer solchen
"spezifischen" Belastung letztlich für die Klägerin nichts gewonnen wäre, da auf dieser Grundlage auch die vom
BVerfG geforderte Ausgleichung der mit der Erbringung eines generativen Beitrages verbundenen Nachteile ihrer
"spezifischen" Quantität angemessen Rechnung tragen müsste. Das BVerfG hat ausdrücklich einen nur "gewissen"
Ausgleich für unzureichend erachtet, da er die den Erziehenden erwachsenden Nachteile "nicht vollständig" aufwiege
(aaO S. 269). Es ist bislang nicht ersichtlich, dass die gesetzlich vorgesehene Beitragsreduzierung um nur 0,25
Prozentpunkte (verbunden mit der beitragsfreien Mitversicherung für Familienangehörige) die genannten Nachteile
hinreichend aufzuwiegen vermag. Eine spürbare Besserstellung der Erziehenden im Sinne einer vollständigen
Nachteilsausgleichung würde sich aber letztlich wiederum zulasten der kinderlosen Versicherten und damit auch der
Klägerin auswirken.
(3) Mangels spezifischer Einschränkungen im Urteil des BVerfG vom 03. April 2001 oder durch verfassungsrechtliche
Vorgaben verbleibt es auch im vorliegenden Zusammenhang bei dem weiten Regelungsspielraum des Gesetzgebers.
Dieser ist namentlich berechtigt, bei der Regelung von Massenerscheinungen typisierend und pauschalierend
vorzugehen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1998 – 1 BvR 520/83 – BVerfGE 78, 214). Hiervon ausgehend
begegnet die gesetzgeberische Festlegung des Kreises der vom Beitragszuschlag verschonten Eltern in § 55 Abs. 3
S. 1 SGB XI unter Heranziehung der Bestimmungen des § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nrn. 2 und 3 SGB I keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber durfte namentlich im Interesse einer einfachen
Gesetzesanwendung in Kauf nehmen, dass die Entlastung der Eltern durch eine Beitragsentlastung in der sozialen
Pflegeversicherung um so größer ausfällt, je mehr die Eltern verdienen, je länger sie leben und um so früher sie ein
Kind bekommen, auch wenn der generative Beitrag durch diese Faktoren nicht beeinflusst wird. Des weiteren war der
Gesetzgeber berechtigt, erwachsene Kinder bis zum Alter von einschließlich 22 Jahren den begünstigten Familien
zuzurechnen und dementsprechend von der Zuschlagspflicht auszunehmen (vgl. § 55 Abs. 3 S. 1 SGB XI).
(4) Da das BVerfG in seinem Urteil vom 03. April 2001 ausdrücklich einen Ausgleich zugunsten der Eltern "während
der Erwerbsphase" gefordert hat (aaO S. 270), beinhaltet es keine Grundrechte der Klägerin berührende
Benachteiligung, wenn der Gesetzgeber in § 55 Abs. 3 S. 7 SGB XI die –-in aller Regel nicht mehr im Erwerbsleben
stehenden – Geburtsjahrgänge vor 1940 von der Ausgleichspflicht ausgenommen hat.
cc) Der Gesetzgeber war entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch nicht verfassungsrechtlich gehalten, solche
kinderlosen Versicherten von der Pflicht zur Zahlung des Beitragszuschlages auszunehmen, die aus gesundheitlichen
Gründen keine Kinder haben können.
In diesem Zusammenhang ist ergänzend klarzustellen, dass auch unabhängig von einer Krebserkrankung viele
Frauen im Alter der inzwischen 41jährigen Klägerin ihr Schicksal, teilen, keine Kinder mehr gebären zu können.
Ausweislich ihres Vorbringens in der mündlichen Verhandlung vertritt die Klägerin allerdings nicht die Auffassung,
dass der Beitragszuschlag für Kinderlose nur in Abhängigkeit von einer noch im Zeitpunkt der Beitragserhebung
fortbestehenden Fortpflanzungsfähigkeit des Versicherten erhoben werden dürfe. Ihrer Auffassung nach sind allein
solche Versicherte von dem Zuschlag zu befreien, die noch nie in ihrem Leben die biologische Fortpflanzungsfähigkeit
erlangt haben.
Dabei räumt die Klägerin im Ergebnis letztlich selbst ein, dass sie aus medizinisch-biologischen Gründen in der
Vergangenheit nicht daran gehindert gewesen sei, eine Elternschaft in einer anderen vom Gesetz in § 55 Abs. 3 SGB
XI anerkannten Form zu begründen. Sie hätte aus medizinischer Sicht insbesondere durchaus Adoptiv-, Stief- oder
Pflegemutter werden können.
Der Senat hat bewusst davon abgesehen, weiter der Frage nachzugehen, inwieweit sich im vorliegenden Fall die
geltend gemachte Annahme einer von Jugend an bestehenden biologischen Fortpflanzungsunfähigkeit objektivieren
und verifizieren lässt. Auch wenn dieser Vortrag als richtig anzusehen ist, vermag die Klägerin unter allen in Betracht
kommenden Gesichtspunkten mit ihren verfassungsrechtlichen Bedenken nicht durchzudringen. Dementsprechend
muss der Senat nicht weiter der Frage nachgehen, ob es im Lichte der von Verfassungs wegen zu wahrenden Würde
der betroffenen Versicherten (Art. 1 GG) und auch mit Blick auf die erforderliche Verwaltungspraktikabilität überhaupt
ernsthaft in Erwägung zu ziehen sein könnte, die Erhebung eines (noch dazu relativ geringfügigen)
Beitragszuschlages von dem Vorliegen – und damit auch von dem Nachweis – einer von Jugend an bestehenden
Fortpflanzungsunfähigkeit abhängig zu machen.
Die Verfassung fordert jedenfalls keine Ausnahme in dem von der Klägerin geforderten Sinne. Die Erhebung des
Beitragszuschlages für Kinderlose bringt kein irgendwie geartetes – sich im vorliegenden Zusammenhang von
vornherein verbietendes – Moment einer Bestrafung oder auch nur eines Schuldvorwurfes zum Ausdruck (vgl. BT-Drs
15/3671). Der Beitragszuschlag für Kinderlose und die mit ihm korrespondierende Entlastung der Eltern mit Kindern
trägt – auf der Grundlage einer typisierenden Betrachtung – lediglich der Erkenntnis Rechnung, dass die Erziehung
und Betreuung der Kinder für die Eltern mit erheblichen finanziellen und ideellen Aufwendungen verbunden sind. Von
diesen profitieren im Ergebnis auch die kinderlosen Versicherten. Völlig unabhängig von den – im nachhinein oft
ohnehin nicht abschließend rekonstruierbaren – Gründen, die zur Kinderlosigkeit eines Versicherten geführt haben, ist
gerade auch dieser im Alter zur Gewährleistung seiner sozialen Absicherung typischerweise darauf angewiesen, dass
eine neue Generation von Beitragszahlern heranwächst.
Es kann daher nur als folgerichtig und legitim bewertet werden, dass der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen hat,
nach den Gründen für die Kinderlosigkeit zu differenzieren (vgl. BT-Drs 15/3671). Auch der ungewollt kinderlos
gebliebene Versicherte bleibt – wie auch die Klägerin im vorliegenden Verfahren – von elternspezifischen
Aufwendungen für die Erziehung und Betreuung von Kindern verschont. Mithin kann er von vornherein auch nicht
beanspruchen, von solchen – gar nicht vorhandenen – Aufwendungen vermittels einer Beitragsermäßigung in der
sozialen Pflegeversicherung (ohnehin in einem nur eher marginalen Umfang) entlastet zu werden.
Auch der Klägerin leuchtet es nach den Erläuterungen ihres Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung
ein, dass sie für nicht vorhandene Kinder kein Kindergeld mit der Erwägung beanspruchen kann, dass sie – was sich
letztlich ohnehin menschlicher Erkenntnis entzieht – bei einem besseren Gesundheitszustand Kinder geboren und
erzogen hätte. Ebenso wenig kann sie eine Beitragsermäßigung in der sozialen Pflegeversicherung in Form einer
Verschonung von dem Beitragszuschlag für Kinderlose in Anspruch nehmen. Ausgehend von der Entscheidung des
BVerfG vom 03. April 2001 hat die Beitragsentlastung der Erziehenden eine mit dem Kindergeld durchaus
vergleichbare Funktion zu erfüllen. Die Erziehenden sollen von der mit der Kindererziehung verbundenen Kostenlast in
Teilen entlastet werden, nur dass der Ausgleich beim Kindergeld aus Steuern und bei der der Beitragsentlastung aus
Beitragsmitteln zu finanzieren ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht
gegeben.