Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 19.02.2008

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Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 19.02.2008 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Hannover S 9 AL 1047/03
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 7 AL 213/05
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. April 2005 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin
trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Wert des
Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin beansprucht von der Beklagten eine Vergütung in Höhe von 1.000,00 EUR aus einem
Vermittlungsgutschein.
Der im Jahr 1976 geborene Beigeladene bezog nach der Erschöpfung des Arbeitslosengeldanspruchs am 12.
Dezember 2002 mit Wirkung ab 13. Dezember 2002 Arbeitslosenhilfe (Beschluss vom 19. November 2002).
Die Beklagte stellte dem Beigeladenen unter dem 24. April 2003 einen bis 23. Juli 2003 gültigen
Vermittlungsgutschein über 2.500,00 EUR aus. Sie übersandte an den Beigeladenen unter dem 16. Juni 2003 ein
Arbeitsangebot des Getränkehandels "H." für eine Beschäftigung im Getränkehandel; Beschäftigungsbeginn sollte
danach der 01. Juli 2003 sein. Diese Beschäftigung nahm der Beigeladene zum 01. Juli 2003 auch auf und teilte dies
der Beklagten mit.
Die Klägerin beantragte unter dem 03. Juli 2003 bei der Beklagten die Zahlung einer Vergütung in Höhe von zunächst
1.000,00 EUR. Sie legte mit dem Antrag den dem Beigeladenen ausgestellten Vermittlungsgutschein vom 24. April
2003, einen Arbeitsvermittlungsvertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen mit dem Datum vom 24. April
2003 sowie eine Vermittlungsbestätigung der Firma H. vom 27. Juni 2003 vor, wonach der am 26. Juni 2003 mit dem
Beigeladenen geschlossene Arbeitsvertrag aufgrund der Vermittlung der Klägerin abgeschlossen worden sei.
Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 09. Juli 2003 mit der Begründung ab, dass der Arbeitsvertrag
zwischen dem Beigeladenen und der "H." nicht aufgrund der Vermittlung der Klägerin zustande gekommen sei,
sondern der Kontakt zwischen dem Arbeitgeber und dem Beigeladenen sei durch einen Vermittlungsvorschlag des
Arbeitsamts I. bereits am 16. Juni 2003 hergestellt worden. Den Widerspruch der Klägerin hiergegen wies die Beklagte
durch Widerspruchsbescheid vom 08. August 2003 als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte sie ihre
Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch nach § 421g Drittes Buch Sozialgesetzbuch
(SGB III) nicht erfüllt seien, weil der am 26. Juni 2003 geschlossene Arbeitsvertrag nicht infolge der Vermittlung der
Klägerin zustande gekommen sei.
Hiergegen hat die Klägerin am 09. September 2003 Klage erhoben und zur Begründung betont, dass der Beigeladene
ausschließlich durch ihre Bemühungen vermittelt worden sei. Dies folge aus der Vermittlungsbestätigung. Ein
Arbeitsangebot der Beklagten allein schließe die Ursächlichkeit ihrer Vermittlungstätigkeit für das Zustandekommen
des Arbeitsvertrages nicht aus. Von der zu besetzenden Stelle bei der Firma "H." habe sie über eine öffentliche
Jobbörse im Internet erfahren und daraufhin Kontakt mit der Firma aufgenommen, um zu prüfen, ob der Bewerber den
Erwartungen des Arbeitgebers entspreche. Nachdem die Eignung des Beigeladenen für den Arbeitsplatz festgestellt
worden sei, habe sie die Qualitäten des Beigeladenen in einem Anschreiben an die Firma besonders herausgestellt
und professionelle Bewerbungsunterlagen für den Beigeladenen erstellt. Zudem habe sie ihn durch eine Schulung
gezielt auf das Einstellungsgespräch vorbereitet. Aufgrund dieser Tätigkeiten sei das Arbeitsverhältnis zwischen dem
Beigeladenen und der Firma zustande gekommen.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids am 22. April 2005
verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 09. September 2003
zu zahlen. Die Vermittlung sei durch den Kontakt der Klägerin mit dem Beigeladenen und dem Arbeitgeber zustande
gekommen, wie dies in der Vermittlungsbescheinigung bestätigt sei. Es bestehe kein Anlass, an der Richtigkeit dieser
Bescheinigung zu zweifeln.
Gegen das am 12. Mai 2005 zugestellte Urteil führt die Beklagte am 18. Mai 2005 Berufung. Der Arbeitsvertrag
zwischen dem Beigeladenen und der "H." sei nicht infolge der Vermittlung der Klägerin zustande gekommen, weil der
Kontakt zum Arbeitgeber bereits zuvor durch den Vermittlungsvorschlag der Beklagten vom 16. Juni 2003
aufgenommen worden sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 22. April 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen und verweist zur Begründung ihrer Auffassung nochmals auf die
Vermittlungsbescheinigung des Arbeitgebers.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Prozessakte Bezug genommen. Die
Verwaltungsakten der Beklagten sowie die den Beigeladenen betreffenden Leistungsakten (Stamm-Nr. J.) liegen vor
und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist begründet. Das SG Hannover hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung einer Vergütung in
Höhe von 1.000,00 EUR aus dem Vermittlungsgutschein verurteilt.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 421g SGB III in der Fassung des Gesetzes vom
23. März 2002 (BGBl. I S. 1130). Nach Abs. 1 dieser Regelung haben bestimmte Personen einen Anspruch gegen die
Beklagte auf die Erteilung eines Vermittlungsgutscheins (Satz 1). Mit diesem Vermittlungsgutschein verpflichtet sich
die Beklagte, den Vergütungsanspruch eines vom Anspruchsberechtigten eingeschalteten Vermittlers, der diesen in
eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich
vermittelt hat, nach Maßgabe bestimmter Bestimmungen zu erfüllen (Satz 2). Nach § 421g Abs. 2 Satz 3 SGB III wird
die Vergütung in Höhe von 1.000,00 EUR bei Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, der Restbetrag nach einer
sechsmonatigen Dauer des Beschäftigungsverhältnisses gezahlt. Die Zahlung erfolgt unmittelbar an den Vermittler (§
421g Abs. 2 Satz 4 SGB III). Die in § 421g Abs. 3 SGB III enthaltenen gesetzlichen Ausschlusstatbestände liegen
hier nicht vor.
§ 421 Abs. 1 S. 2 SGB III setzt ausdrücklich (dem Grunde nach) einen Vergütungsanspruch des vom Arbeitnehmer
eingeschalteten Vermittlers gegen den Arbeitnehmer voraus. Dieser Vergütungsanspruch kann sich einerseits nur aus
einem zivilrechtlichen Vertrag ergeben, dessen Wirksamkeit und nähere Ausgestaltung sich zwar nach den
Vorschriften des BGB richtet, die aber überlagert sind von öffentlich-rechtlichen Normen, insbesondere von § 296
SGB III. Bei der jeweiligen vertraglichen Vereinbarung handelt es sich nicht um einen im Hinblick auf §§ 296, 421g
SGB III eigenständigen Vertragstypus; vielmehr ist der Vertrag, den der Vermittler mit dem zu Vermittelnden
abschließt als ein durch öffentlich-rechtliche Normen modifizierter Maklervertrag im Sinn des § 652 BGB zu
qualifizieren. Der Vermittlungsmakler kann an Stelle des privatrechtlichen Vermittlungshonorars nur einen öffentlich-
rechtlichen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte geltend machen, die den Vergütungsanspruch des vom
Arbeitnehmer eingeschalteten Vermittlers gem. § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III zu erfüllen hat (BSG, Urteil vom 06.
April 2006 – B 7a AL 56/05 R -, SozR 4-4300 § 421g Nr. 1 mit weiteren Nachweisen).
Die Klägerin hat demnach einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte, wenn sie den Beigeladenen, der
Arbeitslosenhilfe bezogen und dessen Arbeitslosigkeit länger als drei Monate angedauert hat in die
sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei der "H." vermittelt hat. Dies ist indes nicht der Fall. Ein
Vergütungsanspruch im Sinn der genannten Regelung setzt eine erfolgte Vermittlung des Arbeitsuchenden durch den
privaten Arbeitsvermittler voraus. Hinsichtlich des Erfolgserfordernisses entspricht die Regelung des § 421g Abs. 1
Satz 2 SGB III der Regelung des § 296 Abs. 2 Satz 1 SGB III; für beide Vorschriften gilt insofern der gleiche
Vermittlungsbegriff. Danach liegt ein Vermittlungserfolg in diesem Sinn vor, wenn der Vermittler als Dritter in Kontakt
mit dem Arbeitsuchenden und dem Arbeitgeber stand und durch seine Tätigkeit aktiv die Abschlussbereitschaft beider
derart gefördert hat, dass ein Arbeitsvertrag geschlossen wurde. § 421g Abs. 1 Satz 2 SGB III fordert somit einen
Kausalzusammenhang zwischen der Tätigkeit des privaten Vermittlers und dem Zustandekommen eines
Beschäftigungsverhältnisses (Urmersbach in Eicher/Schlegel, SGB III, § 421g Rdnr. 41; Merten in BeckOK, SGB III,
§ 421g Rdnr. 13 ff). Weil das Arbeitsamt sich trotz der Ausstellung eines Vermittlungsgutscheines weiterhin um die
Vermittlung und Eingliederung des Betroffenen bemühen muss, das Arbeitsamt und der private Vermittler damit in
einem Wettbewerb stehen, besteht der Vergütungsanspruch des privaten Vermittlers folglich nur, wenn die
Einschaltung des Vermittlers zu der Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mit mindestens 15
Wochenstunden geführt hat. Es handelt sich bei dem Vergütungsanspruch des privaten Vermittlers demnach um ein
Erfolgshonorar (BT-Drucksache 14/8546 S. 10 zu Nr. 34). Um einen Vermittlungserfolg im Sinn der o. g. Ausführungen
annehmen zu können, der einen Vergütungsanspruch des Vermittlers begründet, ist allerdings nicht jede Tätigkeit
eines Vermittlers, die in einem Zusammenhang mit dem Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses steht,
ausreichend. Nach dem Zweck der Regelung, der auch in einer Entlastung der Arbeitsagenturen von der
Vermittlungstätigkeit zu sehen ist, entsteht der Vergütungsanspruch nur dann, wenn es aufgrund der
Vermittlungstätigkeit des Vermittlers zur Aufnahme der genannten Beschäftigung ohne vorherige
Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur gekommen ist (BT-Drucks. a.a.O.). Nur in diesen Fällen hat die
Arbeitsagentur Aufwendungen erspart, die durch den Vergütungsanspruch an den privaten Vermittler pauschal
abgegolten werden. Hat bereits eine Vermittlungstätigkeit der Arbeitsagentur stattgefunden, kann der mit der Regelung
verfolgte Zweck, den Vermittlungsaufwand der Arbeitsagenturen zu reduzieren, nicht mehr erreicht werden.
Die Modifizierung des Maklervertrags gemäß § 652 BGB durch öffentlich-rechtliche Normen bedeutet unter anderem,
dass der private Arbeitsvermittler keinen Anspruch darauf hat, exklusiv für den jeweiligen Arbeitsuchenden vermittelnd
tätig zu werden. Die Modifizierung schließt auch aus, dass die erfolgreiche Vermittlung durch Vorlage des
Maklervertrags, der Maklerleistungen und des Arbeitsvertrags nachgewiesen werden kann. Weil der Arbeitgeberseite
nicht bekannt ist, welche Vermittlungsbemühungen die Beklagte hinsichtlich der Vermittlung des arbeitsuchenden
Beigeladenen unternommen hatte, ist die von der Klägerin vorgelegte Bescheinigung der "H." ohne Bedeutung für den
hier streitigen Vergütungsanspruch. Allerdings war der Klägerin bekannt, dass sich der Beigeladene trotz
Inanspruchnahme der Klägerin als privater Arbeitsvermittlerin der Arbeitsvermittlung der Beklagten weiter zur
Verfügung zu stellen hatte und den von der Beklagten vorgelegten Arbeitsangeboten vorrangig nachgehen musste, um
gegebenenfalls ein Ruhen des Leistungsanspruchs aufgrund des Eintritts einer Sperrzeit zu vermeiden. Die
schutzwürdigen Vertragsinteressen des privaten Arbeitsvermittlers, wie hier der Klägerin, werden angesichts einer
derartigen Konstellation aber dadurch gewahrt, dass der private Arbeitsvermittler sich beim Arbeitsuchenden über ein
etwaiges Arbeitsangebot der Beklagten zu informieren hat, will er es vermeiden, einen Vergütungsanspruch trotz
eigener Tätigkeit nicht realisieren zu können. Der private Arbeitsvermittler kann demnach eine Vergütung auch dann
nicht beanspruchen, wenn ein Arbeitsangebot der Beklagten Anlass für eine eigene Vermittlungstätigkeit geworden ist.
Vielmehr folgt aus Sinn und Zweck des Vermittlungsgutscheins nach §§ 296, 421g SGB III, dass ein öffentlich-
rechtlicher Vergütungsanspruch nur dann entsteht, wenn keine Vermittlungsaktivitäten der Agentur für Arbeit
vorliegen, sondern die private Vermittlungstätigkeit zum Abschluss eines Arbeitsvertrags geführt hat.
Die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch der Klägerin liegen demnach hier nicht vor. Die Beklagte hat
unter dem 16. Juni 2003 dem Beigeladenen ein Arbeitsangebot des späteren Arbeitgebers übersandt. Das bedeutet,
dass die Beklagte in Bezug auf das später eingegangene Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen konkret
vermittelnd tätig geworden ist im Sinn der Verschaffung des Nachweises der Gelegenheit zum Abschluss des später
geschlossenen Arbeitsvertrags (vgl. § 35 Abs. 1 SGB III). Weil der Kontakt des Beigeladenen zu dem späteren
Arbeitgeber demnach bereits vor der Einschaltung der Klägerin hergestellt worden ist, ist die erforderliche Kausalität
im Sinne des § 421g Abs. 1 Satz 4 SGB III zwischen dem arbeitsuchenden Beigeladenen und der Klägerin nicht mehr
gegeben (s. a. Brandts in Niesel, SGB III, Kommentar, 4. Aufl., § 421g Rdnr. 15). Das bedeutet zugleich, dass die
gesetzlichen Voraussetzungen des § 421g Abs 1 Satz 4 SGB III für den Vergütungsanspruch der Klägerin nicht
vorliegen.
Weil die Klägerin im Verfahren unterlegen ist, hat sie gemäß § 197a Abs. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO die
Kosten des Verfahrens zu tragen.
Dem Beigeladenen werden gemäß § 197a Abs. 2 Satz 1 SGG i. V. m. § 54 Abs. 3 VwGO keine Kosten auferlegt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 GKG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 SGG).-