Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.06.2007

LSG Nsb: besondere härte, eintritt des versicherungsfalls, gemeindeverwaltung, die post, konkludentes verhalten, falsche auskunft, zugang, niedersachsen, verwaltungsakt, entsorgung

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 28.06.2007 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Osnabrück S 4 AL 119/02
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 12 AL 77/06
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 13. Februar 2006 abgeändert. Der
Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2001 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2002 wird
aufgehoben, soweit die Sperrzeit nach dem 10. Januar 2002 festgestellt und die Leistungsbewilligung über dieses
Datum hinaus aufgehoben worden ist. Die Beklagte hat 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) wegen Eintritts einer Sperrzeit
von zwölf Wochen Dauer mit Ruhen des Leistungsanspruchs.
Der 1973 geborene Kläger, der eine Weiterbildung zum Ver- und Entsorger abgeschlossen hat, stand seit Dezember
2000 im Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) und ab 9. September 2001 im Bezug von Alhi in Höhe von 40,93 DM
täglich (1227,90 für 30 Tage), als die Beklagte ihm mit Schreiben vom 8. Oktober 2001 ohne Setzung eines konkreten
Termins für eine Bewerbung eine Tätigkeit als Ver- und Entsorger für den Abwasserbeseitigungsbetrieb der Gemeinde
I. anbot. Mit Schreiben vom 12. November 2001, eingegangen bei der Beklagten am 14. November 2001, teilte die
Gemeindeverwaltung I. der Beklagten mit, der Kläger habe sich nicht vorgestellt oder beworben. Weitere Vorschläge
seien nicht erwünscht, da ein anderer Bewerber berücksichtigt worden sei. In einem Vermerk vom 22. November 2001
notierte die Beklagte, "Ereignistag" sei der 15. November 2001 ("kurzfristige Meldung nach Rücklauf des
Vermittlungsvorschlages am 14. November 2001"); die Möglichkeit zur Anhörung habe der Kläger nicht genutzt.
Sodann stellte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Dezember 2001 den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen vom
16. November 2001 bis zum 7. Februar 2002 sowie die Verpflichtung des Klägers zur Erstattung zu Unrecht erbrachter
Leistungen für die Zeit vom 16. November 2001 bis zum 30. November 2001 in Höhe von 613,95 DM fest. Zur
Begründung führte sie aus, der Kläger sei mit Erhalt des Arbeitsangebots darüber belehrt worden, dass er Anlass zum
Eintritt einer Sperrzeit gebe, wenn ein Beschäftigungsverhältnis durch sein Verschulden nicht zustande komme und er
für sein Verhalten keinen wichtigen Grund habe. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines wichtigen Grundes seien nicht
gegeben. Die Sperrzeit umfasse das gesetzliche Normalmaß; sie bedeute keine besondere Härte. Der Kläger sei am
15. November 2001 gebeten worden, die Gründe für sein Verhalten bis zum 21. November 2001 schriftlich mitzuteilen;
dieser Aufforderung sei er nicht gefolgt.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, er sei bei der Gemeinde I. vorstellig geworden. Die dort
angetroffene, ihm namentlich nicht bekannte Mitarbeiterin habe ihm mitgeteilt, dass kein Mitarbeiter in der
Trinkwasserversorgung benötigt werde, sondern ein Mitarbeiter im Klärwerk. Seine Arbeitskraft werde nicht benötigt,
und er könne nicht eingesetzt werden. Hierauf habe er das Verwaltungsgebäude verlassen. Einem Beratungsvermerk
der Beklagten vom 15. Februar 2002 zufolge erklärte der Kläger in einem persönlichen Gespräch mit einem Mitarbeiter
der Beklagten, die Stelle sei "lächerlich". Er sei gelernter Versorger, und die Stelle in der Abwasserwirtschaft komme
für ihn nicht in Frage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2002 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.
Dagegen hat der Kläger am 14. März 2002 Klage beim Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Zur Begründung hat er
vorgetragen, ihm sei bei der Gemeindeverwaltung mitgeteilt worden, dass ein Mitarbeiter in der Trinkwasserversorgung
nicht benötigt werde, sondern ein Mitarbeiter im Klärwerk. Ihm sei erklärt worden, dass er nicht benötigt werde.
Demzufolge habe er das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses nicht vereitelt, und es liege auch kein
Fall einer Nichtbewerbung vor. Den Ablauf könne der Zeuge Jose J. bestätigen. Dieser sei früher in Dissen wohnhaft
gewesen und nun endgültig in seine Heimat Portugal zurückgekehrt. Angaben zur Anschrift oder zum Wohnort des
Zeugen in Portugal hat der Kläger nicht gemacht.
Die Beklagte hat im Klageverfahren auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Das SG hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Jutta K., die bei der Gemeindeverwaltung I. beschäftigt ist
und mit der Besetzung der Stelle eines Ver- und Entsorgers befasst war. Die Zeugin hat im Wesentlichen ausgesagt,
die Versorgung und die Entsorgung von Wasser sei ein einheitlicher Bereich. Zum 1. Januar 2002 sei ein Ver- und
Entsorger eingestellt worden. Die Stelle sei am 19. November 2001 besetzt bzw. zugesagt worden. Sie meine, mit
dem Kläger einmal gesprochen zu haben, könne sich aber nicht mehr erinnern, wann dies gewesen sei und ob die
Stelle zu diesem Zeitpunkt bereits besetzt gewesen sei. Der Kläger hat hierauf erklärt, er habe sich ein bis zwei
Wochen nach Erhalt des Stellenangebots zur Gemeinde I. begeben; dies könne Mitte Oktober 2001 gewesen sein.
Mit Urteil vom 13. Februar 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe die Stelle als
Ver- und Entsorger nicht deshalb ablehnen dürfen, weil sie für das Klärwerk vorgesehen gewesen sei. Wie die Zeugin
L. ausgesagt habe, handele es sich bei dem Beruf des Ver- und Entsorgers um ein einheitliches Berufsbild. Der
Kläger hätte sich im Klärwerk einarbeiten können, auch wenn er sich in seiner Ausbildung auf die Versorgung mit
Wasser spezialisiert habe. Zum Zeitpunkt seiner Vorsprache Mitte Oktober 2001 sei die Stelle auch noch nicht
besetzt gewesen, denn die Zusage an einen anderen Bewerber sei erst Mitte November 2001 erfolgt. Dem Kläger sei
es daher zuzumuten gewesen, sich weiter um eine Einstellung zu bemühen. Eine besondere Härte sei nicht
ersichtlich.
Gegen dieses ihm am 28. Februar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. März 2006 Berufung beim
Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er macht geltend, bei Vorsprache in der Gemeindeverwaltung I. sei ihm von
einer Mitarbeiterin mitgeteilt worden, die Stelle sei bereits vergeben und es bestehe keine Möglichkeit mehr, ihm eine
Beschäftigung anzubieten. Auf Grund dieser Angaben habe er das Gebäude verlassen. Er habe keinen Anlass
gehabt, an diesen Angaben zu zweifeln oder noch andere Personen im Verwaltungsgebäude aufzusuchen. Für das
ordnungsgemäße Verhalten des Klägers sei bereits ein Zeuge benannt worden, den das SG jedoch nicht gehört habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des SG Osnabrück vom 13. Februar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2001 i.d.F.
des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Erwiderung auf ihre bisherigen Ausführungen sowie die Entscheidungsgründe des angefochtenen
Urteils. Ergänzend hat sie vorgetragen, die jetzigen Ausführungen des Klägers zur Mitteilung der angeblich schon
erfolgten Besetzung der Stelle stünden im Widerspruch zu seinem erstinstanzlichen Vorbringen und könnten nicht
überzeugen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2
Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Prozessakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten – Stammnummer 264A308158– Bezug
genommen. Diese Unterlagen haben dem Gericht vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht worden.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung ist nur teilweise begründet. Zu Recht hat die Beklagte
den Eintritt einer Sperrzeit von zwölf Wochen Dauer angenommen, jedoch deren Ende nicht zutreffend festgestellt.
Insoweit ist der angefochtene Bescheid vom 12. Dezember 2001 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar
2002 aufzuheben.
Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch
Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch
Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) (hier i.d.F., welche die Norm durch das Arbeitsförderungs-Reformgesetz –
AFRG – vom 24. März 1997, BGBl I 594, erhalten hat) sowie an § 50 Abs. 1 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 und
Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung vom Zeitpunkt einer
wesentlichen Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene dies wusste oder deshalb nicht wusste,
weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt
ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Wesentlich ist
jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt (vgl. nur
BSGE 78, 109, 111 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 48 m.w.N.). Hier ist wegen Eintritts einer Sperrzeit ein Ruhen des
Anspruchs auf Alhi nach § 144 Abs. 2 Satz 2 SGB III (i.d.F. des AFRG vom 24. März 1997) i.V.m. § 198 Satz 2 Nr. 6
SGB III (hier i.d.F. des Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetzes vom 24. März 1999, BGBl I 396) eingetreten.
Nach § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über
die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene
Beschäftigung nicht angenommen oder nicht angetreten hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben
(Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung).
Unstreitig ist dem Kläger vom Arbeitsamt eine Beschäftigung als Ver- und Entsorger für den Bereich der
Abwasserbeseitigung unter Benennung der Art der Tätigkeit schriftlich mit einer zutreffenden Rechtsfolgenbelehrung
angeboten worden. Die angebotene Arbeit war auch hinreichend konkretisiert. Für die Bestimmtheit des
Arbeitsangebotes genügt es gem. § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III, wenn der Arbeitgeber sowie die Art der Tätigkeit
benannt werden (vgl. hierzu BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 11 S 48). Diesen Anforderungen entsprach der schriftliche
Vermittlungsvorschlag.
Die dem Kläger angebotene Beschäftigung als Ver- und Entsorger war ihm auch nach den Maßstäben des § 121 SGB
III zumutbar, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei dem Kriterium der Zumutbarkeit um ein eigenständig zu
prüfendes Merkmal handelt oder ob es im Rahmen des Merkmals des wichtigen Grundes zu prüfen ist (so Niesel,
SGB III, 3. Aufl. 2005, § 144 Rn. 55). Abgesehen davon, dass gemäß § 121 Abs. 5 SGB III eine ausbildungsfremde
Beschäftigung nicht unzumutbar ist, war die dem Kläger angebotene Beschäftigung mit dem genannten tariflichen
Entgelt ("BMT Verg. V") auch unter Berücksichtigung seines beruflichen Werdegangs angemessen und stellte
insbesondere keine Überforderung dar. Wie die Zeugin L. ausgeführt hat, ist das Berufsbild des Ver- und Entsorgers
ein Einheitliches. Der Kläger mag sich auf den Bereich der Versorgung spezialisiert haben und – wie der
Beratungsvermerk vom 15. Februar 2002 erkennen lässt – gegen den Bereich der Entsorgung eine Abneigung
empfinden. Dennoch muss er als in der Lage angesehen werden, sich in den Entsorgungsbereich seines Berufes
einzuarbeiten und in diesem Bereich tätig zu werden. Mit dem schon im Angebot genannten tariflichen Entgelt ("BMT
Verg V") hätte das Nettoeinkommen des Klägers ohne Zweifel entsprechend dem Maßstab des § 121 Abs. 3 i.V.m. §
198 Satz 4 SGB III nicht unter dem Zahlbetrag der Alhi gelegen, so dass auch insoweit die Zumutbarkeit zu bejahen
ist.
Der Kläger hat sich unstreitig zwar bei der Gemeindeverwaltung nach der Stelle erkundigt, jedoch eine Bewerbung
weder mündlich noch schriftlich abgegeben. Er hat damit durch konkludentes Verhalten eine ihm angebotene
Beschäftigung nicht angenommen, auch wenn die Verhinderung des Zustandekommens eines Vorstellungsgesprächs
im Gesetz noch nicht ausdrücklich genannt war, wie es mit der ab 1. Januar 2002 durch den Gesetzgeber erfolgten
Klarstellung erfolgt ist. Dabei kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger dafür einen wichtigen Grund
hatte und von (weiteren) Vorstellungsbemühungen hätte absehen dürfen, weil ihm mitgeteilt worden sei, die Stelle sei
schon besetzt. Eine solche Mitteilung sieht der Senat nicht als erwiesen an. Der Kläger hat nach seinen eigenen
Angaben Mitte Oktober 2001 bei der Gemeindeverwaltung vorgesprochen. Nach Aussage der Zeugin L. ist die Zusage
an einen anderen Bewerber erst am 19. November 2001 gegeben worden, was auch mit der erst am 12. November
2001 erfolgten Mitteilung der Gemeindeverwaltung an die Beklagte in Einklang steht. Dass bei tatsächlich noch
offener Stelle eine Mitarbeiterin dem Kläger bewusst eine falsche Auskunft erteilt haben sollte, erscheint schon an
sich nicht überzeugend. Hinzu kommt, dass der Kläger, der bis dahin in seinem Widerspruchsvorbringen, im
Beratungsgespräch am 15. Februar 2002 und in der Klagebegründung ausschließlich auf die für ihn nicht akzeptable
Tätigkeit im Bereich der Entsorgung abgestellt hatte, sein Vorbringen zu der angeblichen Mitteilung, die Stelle sei
bereits besetzt, erst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG nachgeschoben hat. Diese Umstände vergrößern
noch die Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung des Klägers. Hinsichtlich des von ihm benannten Zeugen Jose M.
vermochte der Kläger außer dem Aufenthalt in Portugal keine weiteren Angaben zu machen, die Ansatzpunkte für die
Ermittlung des Zeugen hätten bieten können.
Somit war gem. § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III eine Sperrzeit von zwölf Wochen eingetreten.
Gründe für eine Verkürzung der Sperrzeit wegen Vorliegens einer besonderen Härte i.S.d. § 144 Abs. 3 Satz 1 SGB III
sind nicht gegeben. Gemäß dieser Regelung umfasst die Sperrzeit sechs Wochen, wenn eine Sperrzeit von zwölf
Wochen für den Arbeitslosen nach den für den Eintritt der Sperrzeit maßgeblichen Tatsachen eine besondere Härte
bedeuten würde. Dabei ist auf eine Bewertung der Gesamtumstände des Einzelfalles abzustellen. Der unbestimmte
Rechtsbegriff der besonderen Härte kann nur dann angenommen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls
der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer im Hinblick auf die für den Eintritt maßgeblichen Tatsachen objektiv als
unverhältnismäßig anzusehen ist (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 Nr. 11; Niesel a.a.O. § 144 Rn. 105). Anhaltspunkte
für das Vorliegen einer besonderen Härte fehlen jedoch im vorliegenden Fall. Insbesondere hätte der Kläger bei
zumutbarer und erforderlicher Sorgfalt erkennen können, dass es einer ordnungsgemäßen Bewerbung auch auf eine
im Bereich der Entsorgung liegende Stelle bedurft hätte.
Dennoch ist eine (teilweise) Aufhebung des angefochtenen Bescheides vorzunehmen, weil die Beklagte mit dem 7.
Februar 2002 ein Ende der Sperrzeit festgestellt hat, was sich als unzutreffend erweist:
Gem. § 144 Abs. 2, 1. Halbsatz SGB III beginnt die Sperrzeit mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit
begründet. Die Bestimmung des sperrzeitauslösenden Ereignisses mit der vom Gesetzgeber geforderten
Taggenauigkeit erweist sich gerade beim Sperrzeittatbestand der Arbeitsablehnung durch mangelndes Tätigwerden
gem. § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGB III als problematisch. Für die Bestimmung des sperrzeitauslösenden Ereignisses
werden dabei unterschiedliche Lösungen vertreten:
Für den Fall, dass der Arbeitslose niemals beabsichtigte, sich bei dem vorgeschlagenen Arbeitgeber zu melden, wird
das Abstellen auf den Zugang des Vermittlungsvorschlages als sperrzeitauslösendes Ereignis diskutiert (vgl. dazu
Legde, Beginn und Ablauf von Sperrzeiten, Sozialgerichtsbarkeit 11/2003, 617, 619; Gagel-Winkler, SGB III, § 144
Rn. 211). Es erscheint bereits fraglich, ob die Anknüpfung an eine allgemein ablehnende, individuell aber stets
änderbare Haltung gerechtfertigt sein kann oder nicht einzig die Reaktion des Arbeitslosen auf das konkret
unterbreitete Stellenangebot entscheidend sein muss. Im vorliegenden Fall könnte jedenfalls das sperrzeitauslösende
Ereignis mit Blick auf eine ablehnende Haltung des Klägers nicht hinreichend bestimmt werden. Denn zwar hat der
Kläger die angebotene Stelle in einem Beratungsgespräch am 15. Februar 2002 als "lächerlich" bezeichnet, doch hat
er sich nach Erhalt des Stellenangebots zumindest bei der Gemeindeverwaltung erkundigt, so dass es für möglich
gehalten werden muss, dass er in Überlegungen eingetreten war.
Andererseits kann hier nicht erst der Tag der Abgabe der ausdrücklichen Erklärung des Klägers über die Ablehnung
des Vermittlungsangebots in dem Beratungsgespräch am 15. Februar 2002 für maßgeblich gehalten werden. Dieses
Kriterium erscheint ungeeignet, da es anderenfalls der Arbeitslose durch sehr späte oder gar nicht erfolgende Abgabe
einer ausdrücklichen Ablehnungserklärung in der Hand hätte, den Eintritt der Sperrzeit hinauszuzögern oder zu
verhindern (offen gelassen in LSG Niedersachsen-Bremen vom 16.03.2004, Az.: L 7 AL 241/02).
Das BSG hat sich, soweit ersichtlich, nicht festgelegt (BSG a.a.O.) und u.U. auch einen Sperrzeitbeginn wegen
Arbeitsablehnung durch Nichtmeldung beim Arbeitgeber erst ab dem Wegfall der Einstellungsbereitschaft des
Arbeitgebers für möglich angesehen (BSG, Urt. v. 21.03.2002, Az.: B 7 AL 44/01 R, SozR 3-4100 § 119 Nr. 23; so
auch Valgolio in Hauck-Noftz, SGB III, § 144 Rn. 155 und LSG Niedersachsen-Bremen vom 12.08.2006, Az.: L 7 B
56/06 AL), was hier (spätestens) für das Datum der Mitteilung des Arbeitgebers (Schreiben vom 12. November 2001)
als sperrzeitauslösendes Ereignis sprechen könnte, worin der Wegfall der Einstellungsbereitschaft wegen
Berücksichtigung eines anderen Bewerbers ausdrücklich mitgeteilt worden ist. Diese Ansicht vermag indes nicht zu
überzeugen. Sie knüpft allein an eine Entscheidung des BSG vom 20.03.1980 (Az.: 7 Rar 4/79) an, welche wiederum
ohne nähere Darlegungen ausgeführt hat, dass, solange der Arbeitgeber dem Arbeitslosen den Arbeitsplatz offen
halte, die Arbeitsablehnung durch den Arbeitslosen im Rechtssinne nicht wirksam werde. Fraglich erscheint, ob diese
Auffassung den Zweck der Sperrzeitregelung und die Tatsache, dass eine "verspätete" Bewerbung die Beseitigung
der Arbeitslosigkeit jedenfalls zum frühestmöglichen Zeitpunkt verhindert, hinreichend berücksichtigt. Sperrzeiten
stellen nach dem Willen des Gesetzgebers eine zeitlich begrenzte Ablehnung der Übernahme des Risikos in einem
durch den Versicherten zu vertretenden Schadensfall dar und bilden einen Schutz der Versichertengemeinschaft
gegen die Manipulation des Versicherungsrisikos (vgl. Gagel-Winkler, SGB III, § 144 Rn. 23 m.w.N.). Die Versagung
der Leistungszusage soll die Versichertengemeinschaft entlasten, soweit der Arbeitslose die Arbeitslosigkeit durch
sein Verhalten herbeigeführt oder an ihrer Beendigung nicht mitgewirkt hat (Gagel-Winkler a.a.O.). Anknüpfungspunkt
ist somit – neben dem hier bereits vorliegenden Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit - nach dem Willen
des Gesetzgebers allein das Verhalten des Arbeitslosen, nicht aber das u.U. zeitverzögerte und von Entschließungen
Dritter abhängige Eintreten der Folgen dieses Verhaltens.
Vor diesem Hintergrund erscheint es dem Senat sachgerecht, als entscheidend auf den Zeitpunkt des Nichthandelns
als Ereignis abzustellen, das die Sperrzeit auslöst (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2003, Az.: B 7 AL 106/02 R,. SozR 4-4100
§ 119 Nr. 3), also auf den Tag, zu dem der Arbeitslose nach den Gesamtumständen des Einzelfalles spätestens hätte
reagieren müssen (Henke/Eicher in Eicher-Schlegel, SGB III, § 144 Rn. 479). Diese Frist ist – wenn, wie hier, keine
Besonderheiten zu berücksichtigen sind, die etwa bei ausdrücklich vorgegebenem oder den erkennbaren Umständen
nach erforderlichem früheren Bewerbungstermin vorliegen könnten – mit einer Woche anzunehmen (Henke/Eicher
a.a.O; a.A. – [zwei Wochen] - noch Legde a.a.O. unter Berufung auf eine frühere Auffassung von Henke in Hennig,
Kommentar zum SGB III, § 144 Rn. 276). Dabei handelt es sich nicht um eine – in anderem Zusammenhang
abgelehnte (vgl. BSG vom 18.08.2005 – B 7a/7 AL 80/04 R -) – Kulanzfrist, sondern um eine i.d.R. gebotene
Überlegungs- und Vorbereitungsfrist für die Bewerbung. Das in der Durchführungs- anweisung der Beklagten zu § 144
SGB III vertretene Abstellen auf den Tag nach Zugang des Stellenangebots im Normalfall ist zwar an die Aufforderung
geknüpft, "sofort" bzw. "umgehend" tätig zu werden, berücksichtigt aber generell und insbesondere für die hier
geforderte schriftliche Bewerbung nicht ausreichend die Notwendigkeit, dem Arbeitslosen eine angemessene
Bewerbungsfrist einzuräumen.
Im vorliegenden Fall ist davon auszugehen, dass der Vermittlungsvorschlag vom 8. Oktober 2001 noch an demselben
Tag zur Post gegeben worden ist, denn hierfür spricht der laut Eingangsstempel am 9. Oktober 2001 erfolgte Eingang
des parallel an den Arbeitgeber gesandten Schreibens. Gemäß § 37 Abs. 2 SGB X gilt ein Verwaltungsakt bei der
Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben; diese
Vorschrift ist für den Zugang des Stellenangebots auch nach der Durchführungsanweisung der Beklagten
entsprechend heranzuziehen. Somit ist der Zugang des Stellenangebots beim Kläger am Donnerstag, 11. Oktober
2001, anzunehmen, so dass die Wochenfrist am Donnerstag, 18. Oktober 2001, endete. An diesem Tag hätte der
Kläger spätestens auf den Vermittlungsvorschlag durch eine regelrechte Bewerbung reagieren müssen; dieser Tag ist
das Datum des Sperrzeitereignisses. Die Sperrzeit begann somit gem. § 144 Abs. 2 SGB III am 19. Oktober 2001;
sie endete nach zwölf Wochen Dauer am 10. Januar 2002.
Die mit dem Bescheid vom 12. Dezember 2001 verbundene Erstattungsforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB
X, wonach erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die
Erstattungsforderung ist damit dem Grunde nach nicht zu beanstanden. Da sie zu Unrecht erhaltene Arbeitslosenhilfe
für die Zeit vom 16. November 2001 bis zum 30. November 2001 umfasst, bezieht sie sich auf einen von der
Sperrzeit umfassten Zeitraum. Anhaltspunkte dafür, dass die Berechnung mit 613,95 DM fehlerhaft sein könnte, sind
weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Berufung konnte nach alledem nur teilweise Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Hinblick auf
die Vielzahl der von der Durchführungsanweisung der Beklagten zum Sperrzeitbeginn betroffenen Fälle zugelassen.