Urteil des LSG Hessen vom 09.06.2006

LSG Hes: pflegebedürftigkeit, angemessenheit, vorläufiger rechtsschutz, besondere härte, sozialhilfe, kreis, notlage, entlastung, beitrag, bundesamt

Hessisches Landessozialgericht
Beschluss vom 09.06.2006 (nicht rechtskräftig)
Sozialgericht Gießen S 20 SO 217/05
Hessisches Landessozialgericht L 9 SO 13/06 ER
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 30. Januar 2006 wird
zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Ziel des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sind höhere Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch
Zwölftes Buch (SGB XII) durch Übernahme von Beiträgen zu einer privaten Zusatz-Pflegeversicherung oder
Absetzung derselben vom Einkommen.
Die Antragstellerin ist 1949 geboren, hat zwei Kinder, ist geschieden, leistungsgemindert im Sinne der gesetzlichen
Rentenversicherung seit dem Jahre 1997 (Landesversicherungsanstalt Hessen, Widerspruchsbescheid vom 28.
Dezember 1999) und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 80 sowie dem Nachteilsausgleich "aG"
seit dem Jahre 1997 (Hessisches Amt für Versorgung und Soziales Gießen, Bescheid vom 20. Juni 1998). Die
Antragstellerin bezog vor dem 1. Januar 2005 von dem Antragsgegner Hilfe zum Lebensunterhalt nach den
Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes – BSHG - (B.-Kreis, Bescheid vom 12. Dezember 2002) sowie
Grundsicherung nach den Bestimmungen des Gesetzes über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei
Erwerbsminderung (B.-Kreis, Bescheid vom 31. März 2003). Sie bezieht seit dem 1. Januar 2005 von dem
Antragsgegner Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII (zuletzt 295,78 Euro monatlich ab 1. April 2006 laut
Bescheid vom 27. März 2006), darunter die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und Pflegeversicherung
bei der DAK.
Die Antragstellerin unterhielt seit dem 1. Oktober 2004 bei der H.-Versicherungs-AG in H. im Rahmen eines
Gruppenversicherungsvertrags des Sozialverbands VdK, Landesverband Hessen e.V., eine Pflegerenten-Risiko-
Versicherung (Tarif PRG F) über eine monatliche Rente von 1.000,00 Euro bei Pflegestufe III (Versicherungsschein
vom 29. September 2004, Versicherungsnummer xxx) gegen einen Beitrag von zunächst monatlich 69,50 Euro,
zuletzt von monatlich 75,86 Euro. Die H.-Versicherungs-AG erklärte nach Beitragsüberbrückungen zunächst auf den
1. August 2005, dann auf den 1. März 2006, die Versicherung mit Schreiben vom 2. Juni 2006 wegen
Beitragsrückständen für erloschen.
Die Antragstellerin beantragte am 12. Oktober 2004 bei dem Antragsgegner die Übernahme der Beiträge für ihre
private Zusatz-Pflegeversicherung nebst Sterbe- und Unfallversicherung. Der Antragsgegner gewährte der
Antragstellerin durch Bescheid vom 8. März 2005 die Beiträge zur Sterbe- und Unfallversicherung ab November 2004.
Die Antragstellerin erhob am 2. Februar 2005 bei dem Verwaltungsgericht Gießen Untätigkeitsklage wegen Nicht-
Bescheidung ihres Leistungsantrags vom 12. Oktober 2004, die Zusatz-Pflegeversicherung betreffend. Das Gericht
verwies durch Beschluss vom 10. Februar 2005 (4 E 243/05) den Rechtsstreit an das zuständige Sozialgericht
Gießen, bei dem die Antragstellerin die Untätigkeitsklage (S 20 SO 14/05) weiterführte.
Der Antragsgegner lehnte durch Bescheid vom 10. Februar 2005 den Antrag vom 12. Oktober 2004, die Zusatz-
Pflegeversicherung betreffend, ab, weil Beitragsübernahmen für freiwillige Versicherungsleistungen nach den
gesetzlichen Bestimmungen nur dann möglich seien, wenn Versicherungsbeiträge oder ähnliche Beiträge durch
Gesetz vorgeschrieben seien. Ausgaben könnten allein für notwendige und angemessene Versicherungen
berücksichtigt werden. Freiwillige Versicherungsleistungen fielen darunter nicht, weil die gesetzlichen
Versicherungsleistungen den Bedarfsfall decken würden. Eine Absicherung aller eventuellen Risiken sei auch einer
Durchschnittsfamilie nicht möglich.
Die Antragstellerin legte dagegen am 21. Februar 2005 mit Schreiben vom 16. Februar 2005 Widerspruch ein und
vertrat dazu die Auffassung, nicht allein die gesetzlich vorgeschriebenen, sondern auch freiwillige Versicherungen mit
ähnlichem Sicherungszweck seien berücksichtigungsfähig. Pflegebedürftigkeit sei bei ihr aufgrund von
Schwerbehinderung und Erwerbsunfähigkeit ein hohes Risiko. Die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung
seien im Leistungsfall unzureichend, weshalb diese Lücke durch eine zusätzliche Pflegeversicherung geschlossen
werden müsse. Der Verlust der einzigen Pflegeversicherung, die sie bei bestehender Vorerkrankung aufgenommen
habe, wäre für sie eine besondere Härte.
Der Antragsgegner wies durch Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2005 den Widerspruch gegen den Bescheid vom
10. Februar 2005 als unbegründet zurück, weil die Voraussetzungen des § 76 Abs. 2 BSHG für eine Absetzung von
Beiträgen auch zu privaten Versicherungen, auch soweit diese nach Grund und Höhe angemessen seien, nicht erfüllt
seien. Bei der Bewertung der Angemessenheit sei von den bei einer Durchschnittsfamilie ähnlicher Art üblichen oder
notwendigen Vorkehrungen gegen Risiken des täglichen Lebens auszugehen. Zum Standard von Familien mit
geringem Einkommen zähle eine Pflegezusatzversicherung weder überhaupt, noch in dieser Höhe von 69,50 Euro
monatlich. Voraussetzung für eine Beitragsübernahme wäre jedoch, dass für den Sozialhilfeträger in absehbarer Zeit
eine wesentliche Entlastung eintreten werde (Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - vom 24. Juni
1999). Nach den subjektiven Verhältnissen der Antragstellerin solle die Zusatzversicherung einen Lebensumstand
abdecken, von dem man heute nicht sagen könne, ob, wann und in welchem Umfang er eintreten werde.
Die Antragstellerin führte die Klage als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 10. Februar
2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2005 weiter. Sie machte für sich ein mehrfach hohes
Pflegebedürftigkeitsrisiko aufgrund ihrer exogen-allergischen Alveolitis mit Folgeerkrankungen geltend. Über die Klage
wurde nach Aktenlage noch nicht entscheiden (S 18/20 SO 14/05). Das Gericht lehnte durch Beschluss vom 30.
Januar 2006 die Gewährung von Prozesskostenhilfe ab; über die dagegen bei dem Hessischen Landessozialgericht
eingelegte Beschwerde (L 9 B 38/06 SO) wurde noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin hat am 21. November 2005 mit Schreiben vom 14. November 2005 bei dem Sozialgericht Gießen
beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB XII in
Höhe der Beiträge zu ihrer privaten Zusatz-Pflegeversicherung zu gewähren. Zur Begründung hat sie geltend gemacht,
die Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der Versicherungsbeiträge nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII ab 1.
Januar 2005 seien vorliegend erfüllt, denn die abgeschlossene Pflegeversicherung stehe in Korrelation zu ihrem
aufgrund gesundheitlicher Disposition (exogen-allergische Lungenfibrose mit Folgeerkrankungen) besonders erhöhten
Pflegefallrisiko. Da die soziale Pflegeversicherung nur einen Teil der Pflegekosten übernehme, sei sie auf die
Inanspruchnahme einer Zusatz-Pflegeversicherung dringend angewiesen. Sie selbst könne aufgrund ihrer engen
finanziellen Verhältnisse keine Rücklagen für den Fall ihrer Pflegebedürftigkeit bilden. Auch müsse vermieden werden,
dass die mittlerweile volljährige Tochter im Falle einer Pflegebedürftigkeit in den finanziellen Ruin gestürzt werde.
Außerdem habe sie ein familienrechtliches Unterhaltsverfahren gegen ihren geschiedenen Ehemann anhängig
gemacht, infolgedessen ihre Hilfebedürftigkeit möglicherweise gänzlich entfallen werde. Die Versicherungsbeiträge
von monatlich 69,50 Euro seien auch ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen angemessen. Ein
Zuwarten bis zur Gerichtsentscheidung in der Hauptsache sei ihr nicht zumutbar, weil die Versicherungsgesellschaft
die Kündigung der Versicherung für den Fall angekündigt habe, dass die rückständigen Versicherungsbeiträge nicht
unverzüglich entrichtet würden, und weil ihr durch keine Versicherungsgesellschaft die Möglichkeit eines
Neuabschlusses mehr gewährt würde.
Der Antragsgegner hat dagegen eingewandt, die begehrte Übernahme bzw. die Berücksichtigung der Beiträge für die
private Zusatz-Pflegeversicherung sei mit Bescheid vom 10. Februar 2005 rechtmäßig abgelehnt worden. Die
Voraussetzungen gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII, wonach Beiträge auch zu privaten Versicherungen vom
Einkommen abzusetzen seien, soweit diese nach Grund und Höhe angemessen seien, seien vorliegend in Bezug auf
die Zusatz-Pflegeversicherung der Antragstellerin nicht erfüllt, denn eine Pflegezusatzversicherung gehöre nicht zum
Standard von Familien mit geringem Einkommen. Der Grundbedarf im Falle des Eintritts von Pflegebedürftigkeit bei
der Antragstellerin werde bereits durch die gesetzliche Pflegeversicherung bei der DAK gedeckt. Die Zusatz-
Pflegeversicherung sei im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der bereits bei Abschluss des
Versicherungsvertrages hilfebedürftigen Antragstellerin, die mit ihrem geringen Einkommen besonders sparsam habe
haushalten müssen, nicht angemessen. Auch stehe ein Eintritt von Pflegebedürftigkeit bei der Antragstellerin gar
nicht fest. Falls bei einer künftigen Pflegebedürftigkeit die Mittel der gesetzlichen Pflegeversicherung und die eigenen
Mittel der Antragstellerin nicht ausreichten, müssten zunächst die Angehörigen der Antragstellerin, erst dann der
Sozialhilfeträger einstehen. Der Sozialhilfeträger könne aufgrund des Prinzips des Nachrangs der Sozialhilfe nicht
verpflichtet werden, Leistungen zur Absicherung von Risiken zu gewähren, die vorrangig andere zu tragen hätten.
Das Sozialgericht Gießen hat durch Beschluss vom 30. Januar 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung abgelehnt. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die
Anordnungsvoraussetzungen nach § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht gegeben. Die Antragstellerin
habe einen Anordnungsgrund hinsichtlich der Berücksichtigung ihrer Beiträge zur freiwilligen Zusatz-
Pflegeversicherung bei der Festsetzung der ihr zustehenden Grundsicherungsleistungen nicht glaubhaft gemacht. Die
Antragstellerin erhalte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 41 SGB XII unter dem Vorbehalt, dass
der Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen beschafft werden könne. Von dem Einkommen im
Sinne von § 82 Abs. 1 SGB XII seien gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII u. a. Beiträge zu öffentlichen oder privaten
Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen abzusetzen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach
Grund und Höhe angemessen seien. Dem Sicherungsbedürfnis hinsichtlich einer zukünftigen Pflegebedürftigkeit
werde grundsätzlich durch die gesetzliche Pflegeversicherung Rechnung getragen. Der Antragsgegner führe für die
Antragstellerin bereits Pflegeversicherungsbeiträge an die DAK ab. Die von der Antragstellerin abgeschlossene private
Zusatz-Pflegeversicherung sei nicht gesetzlich vorgeschrieben und gehöre nicht zum Standard von Familien mit
geringem Einkommen. Bei Würdigung der Gesamtlebensumstände der Antragstellerin sei jene Versicherung auch
nach Grund und Höhe nicht angemessen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit sei auf die
Vorsorgemaßnahmen zu begrenzen, die von einem in bescheidenen Verhältnissen lebenden vorausplanenden Bürger,
der kein überzogenes Sicherheitsbedürfnis habe, unter dem Blickwinkel der Daseinsvorsorge als sinnvoll und tragbar
eingestuft werde. Nach der Rechtsprechung des BVerwG zum Bundessozialhilfegesetz müsse eine Verbesserung der
Situation des Hilfebedürftigen durch eine Versicherung absehbar sein. Wenn völlig ungewiss sei, ob eine Versicherung
je zu einer Verbesserung für den Hilfebedürftigen oder zu einer Entlastung der Sozialhilfe führen würde, stehe das der
Angemessenheit der Versicherungsbeiträge entgegen (BVerwG vom 24. Juni 1999 – 5 C 18/98). Unter
Berücksichtigung dieser Grundsätze sei die Angemessenheit der Pflegezusatzversicherung nicht glaubhaft gemacht,
weil ein erhöhtes Risiko der Antragstellerin, in absehbarer Zeit pflegebedürftig zu werden und diese Situation nicht
über die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung kompensieren zu können, nicht glaubhaft gemacht sei.
Die Antragstellerin hat am 20. Februar 2006 mit Schreiben vom 19. Februar 2006 gegen den ihrem
Prozessbevollmächtigten am 6. Februar 2006 zugestellten Beschluss Beschwerde bei dem Hessischen
Landessozialgericht eingelegt und verfolgt ihr bisheriges Verfahrensziel weiter. Sie hat geltend gemacht: Ohne eine
Entscheidung im einstweiligen Verfahren entstünden ihr schwere und unzumutbare, anders nicht abzuwendende
Nachteile, zu deren Beseitigung eine spätere Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht mehr in der Lage wäre.
Dazu hat sie zunächst wiederholt, ihre Pflegezusatzversicherung drohe endgültig verloren zu gehen, wenn sie die
Versicherungsbeiträge nicht zahle. Auf Vorhalt der seitens der H.-Versicherungs-AG mit Schreiben vom 2. Juni 2006
eingeräumten Möglichkeit eines jederzeitigen Versicherungs-Neuabschlusses nach zwischenzeitlichem Erlöschen der
Versicherung hat sie behauptet, davon bis jetzt nichts gewusst zu haben. Auch könne sie die erloschene
Versicherung durch Zahlung der Beitragsrückstände wieder aufleben lassen. Jedenfalls benötige sie weiterhin
baldmöglichst zusätzlichen Versicherungsschutz gegen eine Pflegebedürftigkeit, weil Pflegebedürftigkeit bei ihr
jederzeit eintreten könne, nachdem sie bereits ein Pflegefall gewesen sei, wobei der Versicherungsschutz ohnehin
erst nach einer Aufbauzeit von drei Jahren gewährt würde. Die gesetzliche Pflegeversicherung würde nur ungefähr die
Hälfte der Pflegekosten abdecken, was im Falle ihrer Pflegebedürftigkeit zu schweren Nachteilen für sie führen würde.
Ihre beiden volljährigen Kinder seien beide schwerbehindert, und weitere Angehörige, die zur Beteiligung an
Pflegekosten verpflichtet sein könnten, habe sie nicht. Die Erhaltung ihrer Zusatz-Pflegeversicherung würde ihr im
Falle des Eintritts von Pflegebedürftigkeit aus der Sozialhilfe heraushelfen, und umgekehrt würde auch der
Sozialhilfeträger entlastet. Der Antragsgegner könne vorläufig gewährte Leistungen aufgrund seines
Überleitungsanspruchs auf den von ihr beim Amtsgericht Wetzlar gegen ihren früheren Ehemann geltend gemachten
Unterhalts-Erhöhungsanspruch (von 400,00 Euro auf 800,00 Euro) zurückfordern; das Amtsgericht habe ihr aufgrund
bestehender Erfolgsaussicht Prozesskostenhilfe gewährt (Beschluss vom 10. Oktober 2004 – 6 F 151/04 UE). Auch
habe sie einen Schadensersatzanspruch gegen den A.-Kreis. Zu ihrem Gesundheitszustand hat sie die
Bescheinigungen ihres Hausarztes O. D. vom 27. Mai 2004, vom 8. Juli 2003 sowie vom 7. Juni 2006 beigefügt.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 30. Januar 2006 aufzuheben und den
Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB XII unter
Absetzung von 75,86 Euro monatlich als Beitrag zur Pflegezusatzversicherung von ihrem Einkommen ab 1. Mai 2006
zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner erachtet den Beschluss des Sozialgerichts Gießen für rechtmäßig und hält in der Sache daran
fest, dass die von der Antragstellerin abgeschlossene private Zusatz-Pflegeversicherung weder dem Grunde nach,
noch der Höhe nach angemessen sei. Die Voraussetzungen des § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII seien nicht erfüllt. Eine
private Zusatz-Pflegeversicherung gehöre nicht zum Standard von Familien mit geringem Einkommen (Bezugnahme
auf BVerwG vom 28. Mai 2003 – 5 C 8/02). Vorliegend sei auch nicht absehbar, ob die Antragstellerin überhaupt
pflegebedürftig werde und ob die Mittel der gesetzlichen Pflegeversicherung, die eigenen Mittel sowie die
Unterhaltsleistungen unterhaltspflichtiger Personen, insbesondere des geschiedenen Ehemanns und der Tochter,
nicht ausreichen würden und ob die Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers durch die Zusatz-Pflegeversicherung
komplett ausgeschlossen würde. Jedenfalls entstünde der Antragstellerin im Falle einer Pflegebedürftigkeit aufgrund
der Kostenübernahme durch den Sozialhilfeträger kein Schaden. Auch seien die Beiträge anderer privater
Pflegeversicherungen nach eigenen Ermittlungen um ca. die Hälfte günstiger. Die beabsichtigte Klage der
Antragstellerin gegen den A.-Kreis wegen einer Amtspflichtverletzung habe keine Aussicht auf Erfolg (Bezugnahme
auf OLG Frankfurt vom 30. März 2006 – 1 W 11/06).
Der Berichterstatter hat die Beteiligten im Erörterungstermin vom heutigen Tag angehört.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen
Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen.
II.
Das Gericht kann nach § 155 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) im Einverständnis mit den Beteiligten durch den
bestellten Berichterstatter entscheiden; vorliegend haben beide Beteiligte ihr diesbezügliches Einverständnis am 9.
Juni 2006 erklärt.
Die Beschwerde der Antragstellerin vom 20. Februar 2006 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 30.
Januar 2006 ist statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG) und insbesondere form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegt; das
Sozialgericht hat der Beschwerde am 6. März 2006 nicht abgeholfen (§ 174 SGG).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 30. Januar 2006 ist nicht
rechtsfehlerhaft und aufzuheben. Der Antragsgegner ist nicht im Wege der einstweiligen Anordnung zur Gewährung
von Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 75,86 Euro ab 1. März 2006 an die Antragstellerin zu verpflichten.
Das Gericht kann auf Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand
treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines
Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1); es kann eine einstweilige
Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn
eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Satz 2). Neben dem
Anordnungsgrund, das ist: der Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, setzt die Gewährung
von einstweiligem Rechtsschutz nach herrschender Meinung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, Kommentar,
8. Auflage, Rdnr. 26c zu § 86b) den Anordnungsanspruch, das ist: der materiell-rechtliche Anspruch auf die Leistung,
voraus, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll.
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund bilden aufgrund ihres funktionalen Zusammenhangs ein bewegliches
System gegenseitiger Wechselbeziehung: Ist etwa die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder
unbegründet, ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich
abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist. Ist die Klage in der Hauptsache dagegen
offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an einen Anordnungsgrund (wie vor, Rdnr. 29). Bei
offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, wenn etwa eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im
Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden, wenn die grundrechtlichen Belange
des Antragstellers berührt sind, weil sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen
stellen müssen (Bundesverfassungsgericht – BVerfG -, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05).
Alle Voraussetzungen des einstweiligen Rechtsschutzes sind – unter Beachtung der Grundsätze der objektiven
Beweislast – glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -); die
richterliche Überzeugungsgewissheit in Bezug auf die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und
des Anordnungsgrundes erfordert insoweit eine lediglich überwiegende Wahrscheinlichkeit (Meyer-Ladewig, a. a. O.,
Rdnr. 16b). Sind Grundrechte tangiert, ist die Sach- und Rechtslage allerdings nicht nur summarisch, sondern
abschließend zu prüfen (BVerfG, a. a. O.).
In dem vorliegenden Verfahren war und ist das Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen zugunsten der
Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, weil die Notwendigkeit einer Regelung des zwischen den Beteiligten streitigen
Rechtsverhältnisses zur Abwendung wesentlicher Nachteile durch einstweilige Anordnung i.S.v. § 86b Abs. 2 Satz 2
SGG nach derzeitigem Sach- und Rechtsstand nicht überwiegend wahrscheinlich war und ist.
Das einstweilige Rechtsschutzbegehren ist zunächst in Bezug auf den vor der Beantragung des Erlasses einer
einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht am 21. November 2005 liegenden Zeitraum ausgeschlossen (LSG
Sachsen vom 21. November 2005 – L 3 B 152/05 AS; LSG Berlin-Brandenburg vom 30. September 2005 L 23 B
1017/05 SO ER, LSG Hamburg vom 4. März 2005 – L 3 B 43/05 ER SO), weil Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege
einer einstweiligen Anordnung in der Regel nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht
rückwirkend zu bewilligen ist, falls nicht ein Nachholbedarf glaubhaft gemacht ist (vgl. hierzu OVG Brandenburg,
Beschluss vom 17. September 2003 - 4 B 39/03 -; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz, 4. Auflage, Rdnr.
1245 m.w.N.). Ein Fortwirken einer etwaigen, im Zeitraum vor dem gerichtlichen Eilverfahren entstandenen Notlage bis
in die Gegenwart, zu deren Beseitigung die Inanspruchnahme von einstweiligem Rechtsschutz in Betracht käme
(Oberverwaltungsgericht Schleswig vom 13. Januar 1993 – 5 M 112/92; HLSG vom 20. Juni 2005 – L 7 AL 100/05
ER), hat die Antragstellerin nicht dargetan und ist nicht ersichtlich.
Der Anordnungsgrund einer Eilbedürftigkeit wegen drohendem Verlust der Zusatz-Pflegeversicherung bei der H.-
Versicherungs-AG infolge von Beitragsrückständen war seit der Beantragung des Erlasses einer einstweiligen
Anordnung bei dem Sozialgericht am 21. November 2005 von vornherein nicht gegeben, weil die Antragstellerin infolge
der Beitragsüberbrückungen bis zum 31. März 2006 zunächst praktisch beitragsfrei gestellt war (siehe Schreiben des
Versicherers vom 19. Januar 2006). Seit dem Erlöschen dieser Pflegeversicherung nach dem 1. März 2006 ist die
Antragstellerin durch einen Verlust der – so ihr Vorbringen - einzigen ihr zugänglichen privaten Pflegeversicherung im
Zeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts gleichwohl weder bedroht noch belastet, weil sie jederzeit einen
neuen Pflegeversicherungsvertrag bei der H.-Versicherungs-AG abschließen kann (Schreiben des Versicherers vom
2. Juni 2006). Die gegenteilige Behauptung der Antragstellerin ist objektiv wahrheitswidrig.
Auch der Anordnungsgrund einer Eilbedürftigkeit des Neu-Abschlusses des Pflegeversicherungsvertrags mit der H.-
Versicherungs-AG wegen drohendem Eintritt von Pflegebedürftigkeit in absehbarer Zukunft (vor Ende des
Hauptsacheverfahrens S 20 SO 14/05 bei dem Sozialgericht Gießen plus einer etwaigen versicherungsrechtlichen
Aufbauzeit von drei Jahren) ist nicht glaubhaft gemacht. Allgemein beträgt die Pflegefallquote für weibliche Personen
bis zu 60 Jahren lediglich 0,4% (Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2003). Die Antragstellerin ist seit 1997
erwerbsgemindert und seit 1998 schwerstbehindert; sie war nach eigenem Vorbringen bei Eintritt in die private
Pflegeversicherung am 1. Oktober 2004 nicht pflegebedürftig. Seitdem sind keine wesentlichen gesundheitlichen
Verschlechterungen dargelegt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin 0. D. aus S. hatte bereits am 27. Mai 2004
bescheinigt, es müsse jederzeit damit gerechnet werden, dass Frau H. erneut zu einem Pflegefall werde, und er hat
jetzt am 7. Juni 2006 erneut bescheinigt, dass der "Pflegefall jederzeit eintreten könnte". Weder diese Formulierung,
noch ihre medizinische Fundierung vermögen von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit eines absehbar
bevorstehenden Eintritts einer Pflegebedürftigkeit zu überzeugen, deren Leistungsbedarf nicht von der bestehenden
sozialen Pflegeversicherung ggf. mit ergänzender Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII abgedeckt würde. Die
Antragstellerin, die sonst keinerlei ärztliche Unterlagen in das Verfahren eingeführt hat, meint selbst, sie könne nicht
beweisen, wann sie zum Pflegefall werde (Schreiben vom 4. Juni 2006); der Pflegefall sei nicht konkret absehbar
(Schreiben vom 14. Juli 2005). Dem schließt das Beschwerdegericht sich an; der persönliche Eindruck von der
Antragstellerin im Rahmen ihrer Anhörung bei Gericht hat keine Behinderung an der Grenze zur Pflegebedürftigkeit
augenfällig gemacht. Hinsichtlich des Ob, des Wann und des Umfangs des Eintritts einer ungenügend abgesicherten
Pflegebedürftigkeit sprechen in der zusammenfassenden Beurteilung nicht mehr konkrete Umstände für eine
unmittelbar bevorstehende Pflege-Notlage als die Unwägbarkeiten einer ungewissen Zukunft dagegen.
Auch den Anordnungsanspruch auf die geltend gemachte Leistung hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Es
erscheint nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht geboten, den Antragsgegner
vorläufig zur Übernahme von Beiträgen zur Pflegeversicherung bei der H.-Versicherungs-AG ab 1. Mai 2006 (siehe
Antragstellung) gemäß § 32 SGB XII oder zur Absetzung jener Beiträge, zuletzt in Höhe von monatlich 75,86 Euro
(H.-Versicherungs-AG, Schreiben vom 19. Januar 2006), vom Einkommen gemäß § 82 SGB XII zu verpflichten.
Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsgegner Beiträge zu einer ab 1. Mai 2006 wieder auflebenden
oder künftig neu abzuschließenden Pflegerenten-Risko Versicherung (Tarif PRG F) bei der H.-Versicherungs-AG
gemäß § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII abzusetzen hat. Die Antragstellerin sowie ihre Tochter V. beziehen von dem
Antragsgegner Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß §§ 27 ff. SGB XII, soweit sie ihren Lebensunterhalt nicht aus ihrem
Einkommen und Vermögen beschaffen können (§ 41 Abs. 2 SGB XII). Von dem in § 82 Abs. 1 SGB XII definierten
Einkommen (hier: Ehegattenunterhalt, Mieteinnahmen; siehe Bescheid vom 27. März 2006) sind gemäß § 82 Abs. 2
Nr. 3 SGB XII Beiträge zu privaten Versicherungen abzusetzen, soweit diese Beiträge nach Grund und Höhe
angemessen sind. Der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit, der ohne fachbehördlichen
Beurteilungsspielraum der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt, muss mangels näherer Erläuterung im Gesetz
und in den Gesetzesmaterialien aus der inneren Systematik sowie aus Sinn und Zweck der Vorschrift unter
Berücksichtigung der dem SGB XII innewohnenden Zielsetzungen ausgelegt werden (Brühl, in LPK-SGB XII, § 82
Rdnr. 74). Die Angemessenheit von freiwilligen Vorsorgeaufwendungen ist danach zu bejahen, wenn keine genügende
Pflichtversicherung besteht (Brühl, a.a.O., § 82 Rdnr. 74; so Sozialgericht Hamburg vom 27. Januar 2006 - S 53 AS
568/05 -: bejahend in Bezug auf eine Krankenhaustagegeldversicherung) und wenn die freiwilligen
Vorsorgeaufwendungen in einem ähnlichen Maße wie die gesetzlich vorgeschriebenen Sozialversicherungen
notwendig sind (Oberverwaltungsgericht – OVG – Nordrhein-Westfalen vom 11. Juli 2001 – 12 A 2727/00). Bei
weiterreichender freiwilliger Vorsorge sind das versicherte Risiko einerseits und die Sparzwänge bei wirtschaftlich
beengten Verhältnissen andererseits in Bezug auf die jeweilige individuelle Lebenssituation abzuwägen (vgl. BVerwG
vom 28. Mai 2003 – 5 C 8/02). Die bezweckte Sicherung darf nach Art und Höhe – allenfalls - dem entsprechen, was
ein vernünftiger und vorausschauend planender Bürger ohne überzogenes Sicherheitsbedürfnis mit einem Einkommen
knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze in einer ansonsten vergleichbaren Lage für sinnvoll und tragbar erachten würde
(OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Die Grundgedanken der zum BSHG entwickelten Rechtsprechung können auch
bei der Auslegung des SGB XII Anwendung finden.
Eine Vergleichsperson in Verhältnissen, die denen der Antragstellerin vergleichbar sind, würde wahrscheinlich keine
private Zusatz-Pflegeversicherung über eine monatliche Rente von 1.000,00 Euro bei Pflegestufe III gegen einen
Beitrag von monatlich 75,86 Euro abschließen. Maßgeblich für diese Wertung ist an erster Stelle das Bestehen einer
Sicherung durch die soziale Pflegeversicherung, – hier durch Mitgliedschaft in der Pflegekasse bei der DAK. Die
soziale Pflegeversicherung nach dem SGB XI (Gesetz vom 26. Mai 1994, BGBl. I, S. 1014) bildet den gesetzlichen
Vorsorgestandard für das Risiko der Pflegebedürftigkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Die Ausgestaltung der
Versicherungsleistungen nach jeweils pauschaliertem Pflegebedarf mit Höchstgrenzen macht weder im Allgemeinen,
noch speziell für Grundsicherungsleistungsempfänger eine Ergänzung durch eine private Zusatzversicherung
erforderlich. Von insgesamt 2 076 935 Pflegebedürftigen mussten im Jahr 2003 lediglich 323 000 Personen Hilfe zur
Pflege nach dem BSHG in Anspruch nehmen (Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung vom 25. November 2004
sowie Pflegestatistik 2003; mit zunehmender Tendenz: Dalichau/Grüner/Müller-Alten, SGB XI, Kommentar, Loseblatt,
Stand 1. Oktober 2005, § 13 Seite 9). Die Zielsetzung des Gesetzgebers, Pflegebedürftige (insbesondere
Heimbewohner) – nur - in der weit überwiegenden Zahl der Fälle von Sozialhilfe unabhängig zu machen (Erster Bericht
über die Entwicklung der Pflegeversicherung, BT-Drucksache 13/9528, 8), ist in dem zahlenmäßig beschriebenen
Maße erreicht (kritisch Klie/Kramer, Soziale Pflegeversicherung, Kommentar, 2. Auflage, § 43 Rdnr. 4). Die
Normierung einer Ergänzung der pauschalierten Pflegeversicherungsleistungen um die nach individuellem Hilfebedarf
bemessenen Fürsorgeleistungen zur Pflege - nunmehr auch nach §§ 61 ff. SGB XII - durch § 13 Abs. 3 SGB XI für
Ausnahmefälle von Pflegebedürftigkeit vervollständigt das Sicherungssystem. Auch für eine Vergleichsperson mit
geringem Einkommen ist – wie für Bezieher von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII – diese kombinierte
Pflegefallsicherung durch SGB XI und SGB XII im Allgemeinen angemessen. Der nachvollziehbare Wunsch der
Antragstellerin, sich im Pflegefall mittels einer Pflegerente aus privater Pflegeversicherung in Höhe von 1000,00 Euro
zusätzliche Pflegeoptionen zu eröffnen, entspricht hinsichtlich der üblichen Absicherung typischer Risiken des Alltags
nicht dem Lebenszuschnitt der Bevölkerungsgruppe, der die Antragstellerin zuzuordnen ist (Hauck/Noftz, SGB II,
Kommentar, § 11 Rdnr. 145).
Die individuellen Verhältnisse der Antragstellerin begründen keine ihr günstigere Beurteilung im Einzelfall. Die
Angemessenheit von Vorsorgeaufwendungen beurteilt sich sowohl danach, für welche Lebensrisiken (Grund) und in
welchem Umfang (Höhe) Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze solche Aufwendungen zu
tätigen pflegen, als auch nach der individuellen Lebenssituation des Hilfesuchenden (BVerwG vom 28. Mai 2003 – 5 C
8/02 -, zurückgehend auf seine Entscheidung vom 27. Juni 2002 – 5 C 43.01 -). Die Antragstellerin hat als ihre
individuelle Situation ein – gegenüber dem statistischen Mittel (Pflegefallquote von 0,4% für weibliche Personen bis
zu 60 Jahren; Statistisches Bundesamt, Pflegestatistik 2003) - erhöhtes Pfegefallrisiko aufgrund von
Vorerkrankungen geltend gemacht. Rechtliches Kriterium ist aufgrund der zum Bundessozialhilfegesetz entwickelten
Rechtsprechung, deren Grundgedanken bei der Auslegung des SGB XII weiterhin Anwendung finden können, ob eine
Versicherung zu einer Verbesserung für den Hilfebedürftigen oder zu einer Entlastung der Sozialhilfe (vgl. Hessischer
Verwaltungsgerichtshof vom 22. Juni 1987 - 9 OE 98/82 – zur Übernahme von Lebensversicherungsbeiträgen) führen
würde und ob insoweit Versicherungsaufwand und -ertrag in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zueinander
stehen; dies muss absehbar und nicht völlig ungewiss sein (BVerwG vom 24. Juni 1999 - 5 C 18/98 – zur Übernahme
von Altersrentenbeiträgen). In dem vorliegenden Eilverfahren sind das Ob, das Wann und der Umfang des geltend
gemachten Eintritts einer ungenügend abgesicherten Pflegebedürftigkeit bei der Antragstellerin nicht hinreichend
konkretisiert, um eine Pflege-Notlage als glaubhaft gemacht ansehen zu können (siehe die Ausführungen zum
Anordnungsgrund), welche durch die bezweckte private Zusatz-Pflegeversicherung absehbar abgewendet würde. Eine
insoweit valide Prognose setzte eine fundierte Aufklärung des Gesundheitszustands der Antragstellerin voraus, die –
abhängig von der eingenommenen Rechtsposition - sachverständiger Begutachtung im Hauptsacheverfahren
vorbehalten bleibt. Vor diesem Hintergrund würde eine in beengten Verhältnissen lebende vernünftige
Vergleichsperson keine Beitragsverpflichtung von monatlich 75,86 Euro zugunsten einer nicht absehbaren Zukunft
eingehen, weil die Erfüllung dieser finanziellen Verpflichtung ihren aktuell notwendigen Lebensunterhalt (vgl. §§ 27, 28
SGB XII) gefährden würde. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Antragstellerin derzeit bei
dem Amtsgericht Wetzlar eine Erhöhung ihres nachehelichen Unterhalts um ca. 376,00 Euro klageweise
durchzusetzen sucht. Bis dato ist ihre Unterhaltsabänderungsklage ohne Erfolg; eine Gerichtsentscheidung ist nach
Einschätzung der Antragstellerin "nicht absehbar" (Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das
Amtsgericht Wetzlar vom 15. Mai 2006, 613 F 151/04 UE). Im Fall ihres künftigen Obsiegens, für das das
Amtsgericht Wetzlar die prozesskostenhilferechtlichen Erfolgsaussichten aufgrund eines schlüssigen Vorbringens der
Antragstellerin teilweise bejaht hat (Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 10. Oktober 2004 - 6 F
151/04 UE), würde ihr Einkommensniveau nach Abzug des derzeit bezogenen Grundsicherungseinkommen nach dem
SGB XII (zuletzt 295,78 Euro monatlich ab 1. April 2006 laut Bescheid vom 27. März 2006) allerdings weiterhin nur
mäßig oberhalb der Sozialhilfegrenze liegen.
Auf die Angemessenheit einer Absetzung von Versicherungsbeitrags-Teilbeträgen vom Einkommen – etwa für eine
niedrigere Versicherungssumme – kann es danach nicht ankommen.
Es ist schließlich nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsgegner zur Übernahme der
Pflegeversicherungsbeiträge an die H.-Versicherungs-AG gemäß § 32 Abs. 3 SGB XII verpflichtet ist. Nach der
genannten Vorschrift werden die Beiträge zur Pflegeversicherung übernommen, die mit den
Krankenversicherungsbeiträgen zusammenhängen, die nach den Absätzen 1 und 2 des § 32 SGB XII übernommen
werden. Da die Antragstellerin bei der H.-Versicherungs-AG nicht krankenversichert ist, kommt eine damit
zusammenhängende Übernahme von Pflegeversicherungsbeiträgen nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG nicht weiter anfechtbar.